Freitag 2A. November 192Z
Unterhaltung unö ÄVissen
Beilage des Vorwärts
Die Stadt der Verworfenen. Don Erich Gottgetreu . PortSatd.im November. In einem kürzlich erschienenen Aegyptenbuch entdeckt« ein junger Mann die Feststellung, daß Pott Said als die verworfenste Stadt an den Ufern des Mlttelmeers gelte. Verworfenheit, oho, die hatte der junge Mann, der ein wenig schristftellerte. noch nie beschrieben. Verworfenheit in Reinkultur, oho, die wollte er schon immer mal kennen lernen, das tugendhaste Leben, das tausend Umstände ihn zu führen zwangen, behagte ihm, oho, schon lange nicht mehr. Grund genug, in Hamburg aufs Schisf zu steigen, Grund genug zu einer schönen Fahrt, Grund genug, sich vorher so viel Schreibpapier einzupacken, daß der Zollbeamte mißtrauisch wird. Unterwegs siel dem jungen Mann ein, daß man Schreibpapier sicher auch in Aegypten , dem Papyriland, kaufen kann. Ein Glück kommt selten allein. Das Glück der Lieb« dieses jungen Mannes war. das sah man, so tief wie unter ihm das Meer, und natürlich erzählte er nichts davon. Trotzdem konnte den Pasta- gieren nicht alles oerborgen bleiben, und mit einem etwas zynischen Lächeln quittierten sie die Subjektivität eines, der sich Zeitungs- schreib« nannte... Allerdinas sah und fühlte d« junge Deutsche alles recht tief. Schon krankhaft beglückt war er von der ewigen MiUelmeerbläue. aufgewühlter, schien es. als die anderen, vom herannahenden Er- lebnis des Orients, fiebriger als die Reisegefährten bei der Einfahtt längs der grüngelichterten sich noch unter Wasser weit hinausziehenden Mole von Pott Said, bei jener interestanten Einfahrt, die er sich, erst auf dem Vorderdeck nervös hin- und herlaufend, dann von der Kommandobrücke aus mit ansah, wobei der von ihm sehr ver- ehrte Kapitän nicht nur seine»halb« gahrts" und„Slops" befahl, sondern Ihm persönlich schnell noch vorm Abschied den väterlich gemeinten Dorschlag machte, doch etwa» vom ewigen Wolkenflug aufzugeben. Nein, man könne doch nicht sich selbst untreu werden, antwortete der junge Mann, ob« dann konnten die zwei dieses Gespräch nicht fortsetzen, denn d« Hafenarzt kam an Bord, und die Polizei folgte ihm, und die Vertreter d« Agentur liesen, Schiffspaviere und Post unterm Arm, da» Fallreep hoch, und Cook kam ebenfalls, und alles erfordert« seine Zeit und seine Aufmerksamkeit, und da der sunge Deutsche Journalist war, interessierte e» den Herrn der Polizei be- sonders, für ivelch« Zeitungen er denn schreib« schrecklich war es ihm. immer wied« von diesen Dingen reden zu sollen, wo« so gern Abschied nehmen wollte, da« es tun mußte, von d« Frau, vor d« er sich neigte, aber so ist nun mal die Wirklichkeit mit ihr« Tendenz, da» Brutale sich vordrängen zu losten, überall, und, nicht wahr, Verworfenheit kann man sie deswegen noch nicht gut nennen? Nein. Wirtlich nicht. Endlich trug die Lartast« die Port-Saider Pastagi«« doch an Land, endlich«artete man doch im Zoll, endlich durchwandert« man doch das Quarantäneamt: das kostete kein« Untersuchung, aber etwas Geld: zwanzig Piast« für den, der angibt, er sei In der ersten Alasse gekommen, sechs Piast« für den, der sich Pastagier der dritten Klasse nennt Alle gaben an, sie seien in der dritten Klasse g«eist. Im Hotel stellte der jung« Deutsche, , es war ungefähr um zchn Ilhr abends, sein Gepäck ab, und dann zog er aus. die- Verworfen- I�it zu suchen, und er wanderte durch die nächtlichen Straßen der »öm ersten Augenblick an wundersamen Stadt. Der jung« Mann iand es zauberhaft schön, wie, lichtbeschüttet vom Vollmond, schnee- weiß di« kubischen Baute» der neueren Stadtteile gegen den dunkel- blauen vollsternlgen Nachthimmel sich abhoben; er spürte es nach seinen europäischen, etwas seniimentalen Begriffen als entsetzlich würdelos, wie sich frech fordernd und sicher gern und oft betrügend. ausdringlich« Händl« an seine Sohlen hefteten. Kinder ihr „Backschtsch" gellend schrien, ganz Schlaue ihn mit �Landsmann" anredeten, aber alles da, war ja schließlich zu erwarten gewesen: und es wurden ihm natürlich nicht nur in d« City Zigaretten. sondern in d« Arabertown auch Frauen an den Straßenecken feil- geboten, ab« er hatte das schließlich früher mal in Marseille viel, viel schlimm« gefunden, selbst sein geliebte» Hamburg , nickst wahr. soll es kennen, und gerade in dem Punkt fragt es sich stark, ob die große Berworfenheit dort festgestellt werden muß, wo sie sich viel- leicht doch nur auswirkt. Krüppel sah er ferner hundertfach auf der Straße liegen, aber die waren nickst verworfen, weil sie das Elend dort hingeworfen hatte. Und das gelbe Haus mit der Inschrift „Prison " wurde mit so grotesken Marschtritten bewacht wie in
Holland das Schloß d« Königin. Vielleicht saßen wirklich die ganz Dösen hinter diesen Gittern, möglich, ab« man soll in einem Volk di« kleinen Spitzbuben nicht nach seinen großen beurteilen; denn der Typ ist mt«nationat. Am Hasen lärmten betrunken« Matrosen. Kommt auch wo anders vor. Erfreut war der junge Mann, vor einem Taft sitzend, endlich wieder feine Reijegenossen zu finden. Aber die sahen ihn nur feind- selig an, als er äußerte, daß« die Verworfenheit nicht finden könne, und daß, wenn sie doch existiere, jene nur eine reckst private sei, daß Port Said ab« den krassen Stempel und di« Verachtung d« Welt von keinem Gesichtswinkel aus verdien«— da also straften die Reisogenossen unseren jungen Mann mit hartem Schweigen, er hatte ihnen, was ihm beinah« leid tat, einen Nimbus zerstört od« doch b« einer Zerstörung, die da zweifellos im Gang war, mitge, halfen, den Nimbus einer sensationellen Sache, auf die sie sich vier- zehn Tage lang gefreut hotten und nicht umsonst gefreut haben wollten. Das alte Port Said ist, wie man sagt, allerdings ein rechtes Gaunernest gewesen. Das neue ist es durchaus nicht. Es ist sogar, seitdem die Englander während des Krieges aufgeräumt haben, das Kuriosum eines selten„anständigen" Hafens. So etwas ist am Mittelmeer bestimmt nicht wieder, im Norden Europas nur schwer zu finden. Man möchte das klarstellen, weil vielen hier, wie unserem langen Deutschey, dos Erlebnis des Orients zum erstenmal bewußt wird, es ist«in entsetzlich ausregendes Erlebnis, aber kein» der „Verworfenheit". Mtt den Reksegenosten, di« sonst so klug, so»«ständig waren, konnte der junge Deutsche also nicht„klar kommen": sie wurden übrigens auch am nächsten Morgen, der sehr schnell Herauforaute. wich« eingeschifft, da sie durch den Suezkanal weiter nach Indien und Asien fahren wollten— eben noch beschien die Morgensonne die sich entfaltende Hapagflagg«, da tutete sich auch schon wich« ein französischer Damps«, der„Doeteur Pierre Benoit ", in den Hafen, und schnell umlohten die Schreie d« Wechsl« und Händler die Pastagicre, die er an Bord hatte. Da wünschte unser Freund sich einmal Stille... Port Said hat einen ivunberhübschen Bechestrand. Dort spazierenzugehen macht Freude, auch unserem Deutschen . Zwei Stunden lief er da schon entlang, bog dann irgendwo in di« Stadt ein'-— da lenkte etwas ab: Gesang. Der kam aus einem Araberhaus. War schw«. getrogen, entfloß Männertehlen. Ein Morgenlich? Ein frommes Lich? Jeden. falls ein sehr schönes Lied... Tief bewegt« es, daß so das Eiche dies« Nacht d« verworfen- hell sein sollte. Diele» riß es in dem jungen Mann auf. Auch viel von sein» Liebe. Die immer wieder neu geboren, nie beeichet sein soll. Liebe, Musik, Meer, Palmen— da« ist beglückend. Ab« dann der Kontrast der peinigenden Not. Keine Komposition läßt sich aus- denken, die verwirrelcher ist. Keine, die einen jungen Menschen mehr umwerfen kann. Es ist di« ewige Komposition de» Orients. Und mit dem Kauf eine» himmlischen Tropenhelms war das europäische Gleichgewicht in unserem jungen Freunde auf ein paar Stunden wiederhergestellt. Gespräche unter Bürgern. Bon O. 9- Heinrich. Theaterschluß. Man drängt zum Ausgang, lächett etnand« so geheimnisvoll zu; denn es wurde«in modernes Drama gegeben. „Wie finden Sie das Stück?" „Hm... hm."(Achselzucken.) „Nicht wahr, das meine ich auch! Man sollte Leb« nicht...* „Tja, immerhin könnte man ab«.. „Gewiß, sehr richtig... interestant auf alle FW«.. .---—???-- I!--' „Recht haben Sie, ab« wenn ich so sagen darf... sozusagen..* „Ja, ja, unsere Modernen.. „Darf ich Ihnen in den Mantel helfen, gnädige Frau?!...* • Irgendein Geschäftszimmer. Ein Netsend« tritt ein. Der In» haber hat keine Gelegenheit mehr, im Nebenraum zu verschwinden. „Guten Tag, mein Herr!" „Ich kaufe nichts!"
„Sie sollen auch nichts kaufen, ich will Ihnen nur einige Proben..." „Ich kaufst« nicht!!!* „Aber ich bitte Sie... l" „Zum Donnerwetter, hören Sie denn nicht?! Ich kaufffee nicht! I l" „Ja. gewiß, ich wollte Ihnen nur mal hier zum Beispiel.. „Lieber Herr, jetzt sage ich Ihnen zum letzten Male..." „Aber, so sehen Sie doch her, diese wunderbare Arbeit— ein- fach..." „Machen Sie, daß Sie hinauskommen, ich Hobe es satt..." „Einen Augenblick, ich will Ihnen nur noch mal hier diesen..." „Menschenskind. soll ich Sie achtkantig Hinauswersen, diese unerhörte Frechheit... überhaupt.. (Nach zehn Minuten v«läßt der Reisend« das Geschäft mit einem ansehnlichen Auftrag in der Tasche.) Agitation in den schlesischen Bergen. Von Kranz Kelbmann. S ch n ee im Riesen�ebirgg. Es war im April des Jahres 1S03. Eine Versammlung tn Schmiedeberg im Riesengebuge. Di« erst zugesagt« Diskussion wurde uns von den Liberalen versogt. Also heimwärts. Der Zug dampft ab und kommt bis Zillcrtal und kann nicht weiter. Frau Holle schüttelte die Betten. Weit und breit alles weiß. Meterhoch lagen die Flocken. Einige Genossen, darunter August Kambach, wanderten noch in der Nacht nach Hirschberg. Ich ging am nächsten Margen ebenfalls zu Fuß nach Hirjchberg, um zu versuchen, die Hauptstrecke zur Heimreise zu erreichen. Der Schnee lag teilweise zwei Meter und mehr hoch. Es galt durch- zukommen, und wenn man versank, so lang die Beine waren. Die armen Augen waren vom Schnee so geblendet, daß sie alles rot sahen. Sojche Touren hat man oft im Riesen- und Eulengebirge im Dienste der Partei gemacht. Nicht fetten ganz allein. Vom Sturm umbraust, vom Regen durchweicht, in Schnee eingehüllt. Gern hat man die Arbeit verrich'.et. So wurde der Kampf für die Sozialdemokratie geführt. Jugend von heute, macht's nach! Sommer im Eulengebirge. Die Sonne brennt. Der Agitator läuft. Der Schweiß dringt aus den Poren. Es gilt von Langenbielau nach Schlegel im Kreise Neurode zu lausen. Eine Bahn gab es in jener Zeft in diesem Gebiete noch nicht. Vier Stunden hin, vier Stunden zurück. Stein« fliegen einem von sanatisierten Gegnern nach Und das alles, well man eine Versammlung obgehatten, den Boden für die Sozialdemokratie bearbeitet hat. Wie viele solcher Versammlungen hat man unt« so schwierigen Verhältnissen abge- halten, ohne daß man ans dl« geringst« Ersegui g der Auslagen An- spruch erhob. O. wie leicht habt ihr Genossen es heute!
Landwirksckaft der Zukunft. Der englische Fachlehr« für Land. Wirtschaft, B«las« Matthews, der selbst«in kleines Mustergut be- wirtschaftet, faßte dieser Tag« in einem Vortrog in Sussex auf Grund sein« eigenen Erfahrungen seine Ansichten über die technisch« Entwicklung der Landwirtschaft<n der nächsten Zukunft folgender- maßen zujammen: Das Heu, das morgens als Gras von der Wiese eingebracht wird, wird noch am Abend des gleichen Tages ohne Sonnenschein durch elektrische Trocknung s«tig. Die Bienen pro- duzieren in künsttichem Licht, tmterstützt durch künstlichen Pollen, das ganze Jahr hindurch Honig. 17 i4 Pfund pro Stock mehr als jetzt. Die Hennen werden vier Stunden täglich länger fresten und Eier legen.» Die Kühe werdest elektrisch gemolken, und die unan- genehm« Aufgabe der Iaurheoerteilung wird ebenfalls elektrisch durchgeführt., Die Entdeckung des Säugeliereies vor 100 Zähren. Im Jahre 1827 sah zum ersten Male em Forscher unt« dem Mftroskop das Ei eines Säugetieres. Der Entdecker war der Königsberger Pro- sessor Karl Ernst von Ba«. Als er zufällig bei ein« Hündin kleine, gelbliche Bläschen Im Eierstock bemerkt«, öffnete er sie lehr vorsichtig mit einer feinen Nadel und hob das hellere Fleckchen. welches er bei schwacher Vergrößerung erkennen konnte, heraus. Er gab diese« kleine Ding in ein mtt Wasser aesülltes Uhrglas und tat alles unter das Mikroskop.„Wie vom Blitz getrosten war ich." «zählte er selbst,„als ich deutlich eine sehr lleine, scharf ausgebil- dete Dotterkugel sah." Ein Dchikmal in Dorpat , wo er eine Zeit- lang wirkte und im Jahre 1S?6 starb, erinnert an v. Bacr und seine große Entdeckung, die von weittragender Bedeutung war.
Maja.
Skizze von Serdland. Maja mar blond. Maja hatte schlank«, zage Hände, und ihre Stimm« war liedlich, Sie hatte«in ganz klein wenig Elfenhastee in ihrem Wesen. Und hatte— hören Sie nur!— em liebebedürstiges Herzchen, das unaufhörlich eine starke sehnende Sucht borg. W'r alle kennen ja jene Mädelchen, die man zu einer Tass« Kaste« ein- lädt, mit ihnen in» Kino geht, sie gebraucht, dann wegwirst und vergißt. Sie wohnt« in Berlin bei ein« Zimmervermieterin in der Steinm itzstraß«. Diese Straße liegt in der Nähe des Bülowbvgens und eines Rummelplatzes. Am Tage ist die Steinmetzstraß« eine Straße wie jede andere. Doch nachts— ich nachts— dann stehen Richtmehrprostituinte vor wüsten Kneipen, dann torkelt solch ein alles, oermickertes Weib, das zuviel Brennspirttus getrunken hat, daher und gröll:.Kiek ma den da mit'n Zielinda... den ham je woll det Je Hirn lestelweise jeklaut.. Nachts gehen jene Mädelchen. die man im Dcstk»munde auch„Nutten" nennt, und die von den Herren d« Gesellschaft„gesunken» Tiere" genannt werden, nachts gehen jene Mädelchen au» ihren möblierten Zimmern und aus dem Haufe. Es war eine Nacht, in der e» stürmte und unaufhörlich regnete. In dies« Nacht, in der d« Regen gegen die dunklen Fensterscheiben des Zimmer» pochte, in dies« so seltsam unheimlichen und ftircht- einflößenden Nacht'aß Maja zu Hause. Ihre Freundin, mit der sie da» StSbch«» teilt«, mar tränt Diese Freundin hieß Elsbeth und war«in dralle», molliges Mädel, das ihrem roten, fchimnwrnden Mund nicht ei» gewaltsam«, Sachen austchminken mußt«. Maja saß am Bett« t>ei Freundin und zündete sich an der kleinen Petroleum« lampe ei« Zigarette an. Beide hatten kein Geld und hallen sett dem frühen Waage» nicht, gegessen. Und sie waren da Wirtin die Miete schuldig. Und nun war Elsbeth krank. Sie flüsterte dauernd: „Mammi. Mammi..." und keuchte, sie wolle zu ihr« Mutter... Maja ob« wüßt«, daß sie kein« Gttern mehr herbe, daß der Data im Kriege gefallen war. daß die Mutter während der Nachtschicht in d« Konservenbüchsenfabrlk tot umgefallen war. Plötzlich geschah etwas ganz Entsetzliches: Elfe fetzte sich cm Bett auf und schrie mtt grell«, spitzer Stimme:„Eine Butterstulle...«ine Butterstuuummll« will ich esse».. Maja entsann sich, daß noch zwei vertrocknet«
Brotkanten im Eßkasten lagen. Aber Butt«...? nein. Und noch einmal wiederholle Else:'„Eine Butterstulle..." Mädels von der Sorte d« Maja und der Elsbeth haben im allgemeinen nicht viel Herzensgüte und menschliches Empfinden. Dies« Eigenschaften haben ihnen die Menschen genommen, die Menschen, die adelig« oder verheiratete od« hochgeborene Dirnen als Göttinnen betrachten und solche miserablen Menschenkinder als „Abschaum der Menschheit" ansehen. Maja sagte der Freundin, sie werde ihr«ine Butterstulle bringen. Zog aus ihren weißen, hundertmal geschändeten Körp«, ein dünnes Hemd, eine seiden« Hose, ein enges dünnes Kleid darüb«, zog ihre Pelzfchuhchen an, den schäbigeleganten Mantel, setzte das kecke, herausfordernde Hütchen auf, küßte die Freundin. Und ging. Sie ging durch den pfeifenden Wind, durch den strömenden Regen. Kein Mensch war weit und breit zu sehen. Da, Licht d« Laternen flackert« unruhig. Die Bäume reckten ihr« kahlen Aeste in den trostlosen Himmel. Es war sehr katt. und Maja fror. Der große Rummelplatz log wie ein« große, schwarze Wunde öd« und oerlasten. Es war spät In d» Nacht. Maja ging die Potsdamer Straße entlang. Kein Mensch„Die Butterstulle...", dachte sie. Die Lokale waren geschlosten. D« Bülowbogen lag gottverlosten. Kein« Hochbahn ratterte üb« ihn daher. Kein Mensch Doch ein Mensch Ein« abgetakelt« alte Dirne ist es, die den Regen und den Sturm nicht fühlt, deren Haut Leder ist. von peitschenden Schlägen gegerbt, deren Seele ge» fühllos ist, durch Myriaden Nadelstisch« zu einem lecken Sieb g« formt, durch das alles Menschliche hindurchgleitet. Ein stumpfes Wesen ohne Gefühl. Maja geht zu ihr heran.„Du." sagt sie, „Du, die Glsbech ist so trank.. Du weißt doch, die lUeen« mtt den runden, roten Backen. Haste nich wa» zu essen...?'„Nee." gröll dt« W«.«ick Hab alleene nischt zu«sten. jeh man vetter. Maust, Du sindst noch eenen..." Weit«. Welt« ging ste die Straße entlang. Der Regen strömt«, der Wind heulte. Da ein Mann. Mtt hochgeschlagenem Mantelkragen. in ziemlich eleganter Kluft. Maja tänzelt. Ihr rundes Gesäß wackelt. Verheißende» Lächeln. Cr beachtet sie nicht. Jetzt ist er nur noch drei Schritte von ihr entfernt. Sie zupft an ihrem Strumpfband. Soll sie ihn ansprechen? Das wäre das«ste Mal, daß ste einen Mann anspräche. Er sieht sie nicht, geht vorbei.„Die Butterstulle" denkt sie und geht ihm nach. Jetzt ist sie ganz dicht bei ihm:„Bubi, Bubichen..„" girrt sie und merkt, daß««in junger Mann ist.
Er geht weiter, sie immer mit. Er redet kein Wort.„Bubichen, sieh mich doch an. Bin ich nicht hübsch?" bettelt sie. Dann sogt er mit häßlicher, rauher Stimme:„Danke, bin schon vasorcht..." Da gibt sie es auf und kehrt um. Kein Mensch wett und breit. Der Regen peitscht. Dunkel, dunkel. Maja, jenes blond« Mädelchen mtt den schlanken, zagen Händen und der lieblichen Stimme, Maja sann nach über ihr Dasein. Ach was, hunderttausend andere Jungweiber haben das gleiche Schicksal. Nicht denken, kleine Maja. Da. Jetzt ist sie am Pols- damer Platz. Einige Auto» hupen vorbei. Lichtreklamen leuchten. Ab und zu ein Mann. Kein Intereste für di« appetitliche Ware. Da geht ein einfacher Mann. Ein Arbeiter scheinbar, der von ber Nachtschicht kommt, vb er vielleicht...? Wagen muß man... Sie täuscht ein« Ohnmacht vor. Sinkt in die Knie. Einige Passanten bleiben stehen.„So wat kennt man." meint«in«,„sie wird sich woll vokühll haben, unn zu ville jeroocht, unn voll eicht ooch je- kokst." Und ein anderer sagt:„Herrje, das arme Ding. Was kann man da machen?" Und dann gehen alle, all« wetter. Nun kommt der Arbeiter. Komisch, er hat kein« rauhe Stimme und packt sie nicht beim Arm. Er faßt st« sacht und behutsam und fragt:.Haste denn H ungar, Kind?" Er ist ein Mann mtt einem guten Geficht. „Ja, Hung«," sagt sie.„Und kein Geld." brummt er vor sich hin.„Und nun steh mal aus.. sagt«. Dann griff«r in seine Tasche und brachte«in weiße», sauberes Patetchen zum Vorschein, darin lagen vi« Paar Stullen. Er griff noch einmal in sein« Tasche und legte«in Zweimarkstück auf das Paketchen. Dann gab« beide» dem Mädel. Die stammest» einen Dank. Der Man» ab«.unterbrach sie:„Laß man, l» schon jut. Hast nischt zu danken." Nun ging er mtt weiten, behäbigen Schritten durch den strömenden Regen, durch den houlenden Sturm, durch die dunkle Nacht. Maja beeilt« sich, nach Haus« zu kommen. Als sie in die Steinmetzstraß« etnbog, merkt« ste. daß sie zwei Stunden weg gewesen war. Als sie in da» Sein« Zimmer trat, war der stnnentrubend«. funzelnde Schein d« Lampe am Perglimmen. Er beleuchtete trübsinnig das blasse Gestchtel d« Freundin El»beth. Di« war tot. Ein« friedliche Schönheit lag um ihren lächelnden Mund. Al» Maja empfunden hall«, da« Elschen gestorben war, weint« sie nicht. Trauernd aß sie die Stullen auf. Und sah durch das kleine Fenster in das dämmernde Grau eines erwachenden Tage».