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Abendausgabe b

Nr. 558

B 276

44. Jahrgang

öchentlich 70 Pfennig, monatlich 3. Reichsmart, voraus zahlbar. Unter Streifband im 3n- und Ausland 5.50 Reichsmart pro Monat.

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Der Bormäris mit ber tuftrier. ten Conntagsbeilage ,, Boll und Zei fowie den Beilagen Unterhaltung und Wissen"," Aus der Filmwelt". Stadtbeilage". Frauenstimme", Der Kinderfreund"," Jugend- Vor­märts", Blid in die Büchermelt", Kulturarbeit" und Techni erscheint mochentäglich Aweimal. Eonntags und Montags einmal.

5903

Vorwärts

NO.

Beeliner Boltsblatt

Freitag 25. November 1927

10 Pfennig

Die eta paltige Nonpareillegeile 80 Pfennig. Retlamezeile 5.- Reichs mart. ,, Kleine Anzeigen" das fettge brudte Bort 25 Biennig( auläffig zwei fettgedrudte Worte) jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengefuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Bennig. Borte über 15 Buchflabent zählen ür zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen ür Abonnentenzeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Sauptgeschäft Linden­ftraße 3. wochentäg! von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Berlag: Berlin   SM 68, Lindenstraße 3

Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts Perlag G. m. b. H.

Helft den Zigarrenarbeitern!

Die Sozialdemokratie interpelliert im Reichstag.

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat im Reichs| Empörung darüber, daß solche Dinge in Deutschland   über tag folgende Interpellation eingebracht:

Ju drei Zigarrenfabriken find Lohudifferenzen zwischen Unternehmern und Arbeitern entstanden.

Ohne die Möglichkeiten zur friedlichen Beilegung dieses geringfügigen Streites zu versuchen, hat der Reichsverband deutscher Zigarrenher. steller sofort die Gesamtaussperrung über ganz Deutschland   durchgeführt. Dadurch sind an dem rein ört­lichen Konflikt völlig unbeteiligte 100 000 Arbeiter und Arbeiterinnen mit einem Schlage brotlos gemacht

worden.

Zehntausende dieser seit Jahrzehnten von den nie brigsten Löhnen lebenden Tabatarbeiter sind infolgedessen der öffentlichen Fürsorge anheimgefallen, ohne deren Unterstützung ste nebst ihren Familien der völli gen Vereiendung ausgefekt wären. Einen Teil der erheblichen Lasten dieses mit ungeheurer Frivolität von den Unternehmern heraufbeschworenen Kampfes trägt also die Allgemeinheit.

Was gedenkt die Reichsregierung zu tun, um den so geschaffenen Zuständen bald und wirksam zu begegnen?" Außer dieser sozialdemokratischen Interpellation liegt dem Reichstag   auch noch eine Interpellation des Zentrums zum gleichen Gegenstand vor. Sie besagt:

Der Deutsche Zigarrenfabrikanten- Berband hat im Verlauf ent­jtandener Lohnfämpfe 120 000 Zabafarbeiter und arbeiterinnen ausgesperrt. Was gedenkt die Reichsregierung zu tun, um diesen das Wirtschaftsleben schwer schädigenden Kampf baldigst beizulegen?

An dem Kampf in der Zigarrenindustrie sind neben den freien auch die christlichen Gewerkschaften start beteiligt. Offenbar waren fie es, die das Zentrum zur Einbringung jeiner Interpellation veranlaßten. siis beng

An der Bereitwilligkeit der Regierung, die Interpellation ehestens zu beantworten, wird faum gezweifelt werden können, da es neben der Sozialdemokratie ja auch die Partei des Reichsarbeitsministers Dr. Brauns ist, die als Inter­pellantin auftritt. Am Reichstag wird es liegen, seine Dis pofitionen so zu treffen, daß die Beratung auch wirklich als bald vorgenommen werden tann.

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Die Aussperrung der Zigarrenarbeiter hat nicht nur die von ihr selbst unmittelbar betroffenen Kreise in Bewegung gesezt, in der ganzen Arbeitertlasse Deutsch  Iands ist das Gefühl lebendig, daß dieser gegen einen Teil von ihr geführte Schlag sie selber trifft. Die Berichte über das Elend, in dem die Zigarrenarbeiter leben und das durch den frivolen Streich der Unternehmer noch verschärft worden ist, haben einen Schrei der Empörung ausgelöst, der

haupt noch möglich sind! Ueber diese Dinge muß im Reichs tag geredet werden, und zwar bald! ma

Der Major als Scharfmacher. Gonditus fordert bedingungslose Rapitulation.

algodón Gießen, 24. November.( Eigenbericht.) Der hessische Arbeitsminister Ra a b hatte zum 22. November nach Darmstadt   den Reichsverband Deutscher Zigarrenhersteller ( RD3.), Bezirksgruppe Gießen, und die hessischen Vertreter des Deutschen   und christlichen Tabafarbeiterverbandes zu Berhandlungen über Beilegung der Aussperrung eingeladen. Wie vorauszusehen war, tam bei diesem Berhandlungsverfuch nichts heraus. Der Syndikus des RD3.- ein ehemaliger Major- er tlärte mit militärischer Schnodderigkeit,

er lehne es ab, sich mit Vertretern der Arbeiter organisationen an einen Tisch zu sehen,

da diese Organisationen ,, vertragsbrüchig feien.(!) Gnädig fügte der militärische Vertreter der Zigarrenfabrikanten dann hinzu, er merde sich erst dann wieder mit den Arbeitervertretern an einen Tisch setzen, wenn die zigarenarbeiter bedingungslos die Arbeit feßen, wenn die Zigarenarbeiter bebingungslos die Arbeit

aufnehmen würden.

Das ist wirklich ein startes Stüd! Man stellt die Dinge ein­fach auf den Kopf.

Am 23. November fand dann in Gießen   eine Bigarren arbeiterversammlung statt, in der über den mißlungenen Berhandlungsversuch des Arbeitsministers berichtet wurde. Die Ber sammlung war überfüllt. Der Tabafarbeiterverband hatte Ver. treter der Zigarrenfabrikanten zu dieser Versammlung eingeladen. Sie waren auch erschienen. In der Distuffton hatten die Bigarrenarbeiter das Bergnügen, den Synbifus des RD3, major a. D. von Eisenhart, sprechen zu hören. Seine Rede mar eine einzige Biopotation. Natürlich betonte er, der RD3. wolle den Frieben, d

aber er verlange die bedingungslose Arbeits­aufnahme.

Die Bersammlung, die zum allergrößten Teile von Frauen besucht war, geriet in helle Empörung. Es hagelte Zwischenrufe, minutenlanger Lärm hinderte am Weitersprechen. Als sich der Synditus dann in der erregien Versammlung wieder Gehör ver schaffen fonnte, erklärte er, daß die Bigarrenfabrikanten auch über ohnerhöhungen mit sich reden laffen würden. Aber erst im Februar oder März nächsten Jahres! Den Mut brachte er allerdings nicht auf, den Zigarrenarbeitern Tarifbruch vor­zuwerfen. Dafür ließ er nach Schluß der Versammuing durch einen Dienstmann   ein Flugblatt verteilen, worin dieses Bersäumnis noch nachgeholt wurde.

Die Friedensbedrohung im Osten.

Moskaus   Schritt in Warschau   wegen Litauen.- Polen   sucht zu beruhigen.

Warschau  , 25. November.

Der Gesandte der Sowjetregierung in Warschau  , Bogomolow, hat gestern der polnischen Regierung eine Note über den polnisch Litauischen Streitfall überreicht. Dem ,, Glos Prawdy" zufelge ist die Note im gleichen Sinn gehalten wie die lehthin in der swestija" erschienenen Ausführungen über die gleiche Frage. Die Note hebt insbesondere die ernste Gefahr hervor, die dem Frieden drohen würde, wenn Litauen   seine Un­abhängigkeit verlieren sollte.

,, Gazetta Warszawska" erfährt, daß auch in Row no eine Note der Sowjetregierung über den polnisch- litauischen Konflikt über reicht wurde.

Die Somjet belegation für Genf   weit zurzeit in Berlin  . Litwinom   hat Stresemann einen Besuch gemacht. Die Besorgnisse Moskaus  .

Moskau  , 25. November.

Iswestija" stellt in einem Leitartikel über die polnisch- litauisde Spannung fest, daß die polnischen Vorbereitungen zu einem Ueber­fall auf Litauen   ganz fontreten organisierten Cha rafter angenommen hätten. Die Ansammlung von Ver­schwörern in der polnisch- litauischen Grenzzone wird so offensicht lich, daß selbst die polnische Telegraphenagentur gezwungen ist

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freilich in tendenziösem Licht mitzuteilen, daß in Bolen in immer größerer Anzahl Ueberläufer aus Litauen   eintreffen, die bereit sind, sich Pletschtaijis und seinen Kampfgenoffen zur Vor. bereitung und Bewaffnung von Banden und zur Invasion in Litauen   zur Verfügung zu stellen." Das Blatt schreibt, es stünden ihm genaue Angaben über eine inftematische 3ujam mmenziehung bestochener Freiwilliger in der Gegend von Bilna zur Verfügung. Die offenfundige Borbereitung eines Siegs abenteuers verleihe der in Wilna   abgehaltenen Konferenz der Führer der polnischen Politif ein ganz außerordentliches Gepräge. Benn Pilsudski in Bilna eingezogen ist, um über die Geschide der litauischen Emigranten Beratungen zu pflegen, wie dies die pol nische Presse hinzustellen sucht, so ist es unbegreiflich, wozu die fas pollzählige Anwesenheit der Leiter des Außen ministeriums und der polnischen Gesandten in Riga   und Mos fau nötig war. Selbst, wenn man der Version glaubt, daß die diplomatische Konferenz in Wilna   als Demonstration vor den Berhandlungen in Genf   einberufen wurde, so bleibt es unverstän lich, wozu es nötig gewesen ist, zu der Konferenz eine Reihe

prominenter Militärs heranzuziehen, darunter solcher, die an der Spitze der an der litauischen Grenze ftationierten polnischen Truppen stehen.

Die polnische Regierung bereitet vor den Augen der ganzen Welt einen Angriff auf Litauen   vor. Die Bedrohung des Friedens

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Wann kommt der Reichsetat?

Der Bürgerblock versagt- der Reichsrat soll Galopparbeit leiften!

Der Reichsetat beschäftigt gegenwärtig immer noch die Reichsregierung. Wann die Beratungen dort abgeschlossen werden, läßt sich bisher ebenfalls noch nicht übersehen. In­zwischen aber ist die Reichsregierung mit dem Reichsrat wegen beschleunigter Erledigung des Reichsetats in Verbindung getreten. Die Reichs­regierung verlangt, daß der Reichsrat die Beratungen des Etats, dessen Borlage ihm bisher überhaupt noch nicht zu­gegangen ist, am 5. Dezember beginnt. Der Reichsrat da­gegen hat sich schließlich auf den Standpunkt gestellt, daß eine Beratung im Reichsrat vor dem 12. Dezember nicht beginnen fönne.

Es ist in Aussicht genommen, durch zmei Sigungen täglich die Beratungen wesentlich zu beschleunigen. Aber selbst wenn der Reichsrat, dem Verlangen der Reichsregie­rung entsprechend, mit den Beratungen des Etats am 5. De­zember beginnen würde, besteht sehr wenig Aussicht, daß der Etat so zeitig verabschiedet wird, daß er dem Reichstag   noch vor Weihnachten   zugehen wird.

Der Rechtsblod zeigt sich also auch auf diesem Gebiet seiner Aufgabe in feiner Weise gewachsen!

mirb tonkrete Tatsache. Nur ganz ftrifte, prattische, unver zügliche Maßnahmen, nur der feste Wille aller interessierten Länder, die Sache des Friedens zu verteidigen, vermag im letzten Augenblid ein Unglüd abzuwenden.

Warschau   sucht zu beruhigen.

Der polnische Gesandte bei der Sowjetunion  , der an den von Bilsubsti geleiteten Besprechungen über die litauische Frage in Wilna  teilnahm, hat der Presse Erflärungen über die polnische Politik gegenüber Litauen   zur Verfügung gestellt, durch die alle Gerüchte über neue aggressive Pläne Pilsudskis zerstreut werden sollen. Polen   wünsche, so erklärt der Gesandte, die litauische Unabhängigkeit nicht anzutasten. Es wünsche nur den von Kowno   formell immer noch aufrecht erhaltenen Kriegszustand zwischen den beiden Nachbarländern zu beendigen und normale Beziehungen wieder her­zustellen.

Warschau  , 25. November.( Eigenbericht.)

Pilsudski   ist heute wieder in Warschau   eingetroffen, nachdem er gestern noch in Wilna   Besprechungen über die Behandlung des täglich wachsenden Zuftroms von politischen Flüchtlingen aus Litauen   ge­leitet hat. Die polnische Regierungspreffe erflärt heute alle Ge­rüchte über Pläne zum Sturz der Regierung Woldemaras durch ein Bündnis zwischen den litauischen Emigranten und Polen   für leere Kombinationen.

Der Wanderarbeitervertrag.

3n Warschau   unterzeichnet.

Warschau  , 25. November. Heute fand hier die Unterzeichnung des deutschpolnischen Ber­frages über die Wanderarbeiter statt. Die Unterzeichnung erfolgte auf polnischer Seite durch den Delegierten der polnischen Regierung, Dr. Pradzynski, deutscherseits durch den deutschen  Gesandten Rauscher.

Die Oberbefehlshaber schon ernannt! 3m Schutzvertrag für Albanien  .

Rom  , 25. November. In einem ersten Anhang zum italienisch- albanischen Bertrag

wird folgendes ausgeführt: Für den Fall, daß bedauerlicherweise der Artikel 4 des Bertrages angewendet werden müßte, ist es der lebhafte Wunsch der italienischen Regierung, der albanischen Regie­Möglichkeiten, durch ausgleichende Mittel die Bedrohung eines der rung folgende Versicherungen und Erklärungen zu geben: Falls alle beiden verbündeten Staaten durch einen dritten Staat abzuwenden,

erschöpft werden sollten und falls der fragliche verbündete Staat einen von ihm selbst nicht provozierten Angriff zu gewärtigen hätte, der die Forderung der militärischen Hilfe der Verbündeten otwendig machte, werden der Oberbefehl der verbündeten Präfte in Albanien   dem Oberbefehlshaber der albanischen Kräfte ind der Oberbefehl der verbündeten Kräfte in Italien   dem Ober befehlshaber der italienischen Kräfte anvertraut werden.

Im Augenblick der Unterzeichnung des Friedens würden die deni anderen Staat zu Hilfe herbeigeeilten verbündeten Kräfte durch eigene Mittel heimbefördert werden, und zwar inner­halb der Fristen, die der Oberbefehlshaber, unter dessen Kommande fie in verbündeten Heere gedient hätten, bestimmen würde." Dieser Anhang bildet einen intregierenden Teil des Vertrages.