Abendausgabe
Nr. 566
B 280
44. Jahrgang
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Mittwoch
30. November 1927
10 Pfennig
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Weihnachtsaussperrung?
Heute Verhandlungen im Zigarrenarbeiterkampf.
Heute vormittag begannen im Reichsarbeitsministe
Preußenfabinett gegen Keudell.
rium die Besprechungen mit den Parteien der Zigarren Preußen droht mit Abbruch der Beziehungen zum Reichsinnenminister.- Brief
industrie. Das Reichsarbeitsministerium hatte die Parteien geladen, um den Versuch einer Beilegung der Aussperrung zu machen.
Von den Unternehmern waren nicht allein die Ver treter des Reichsverbandes deutscher Zigarrenhersteller erschienen, sondern auch Vertreter der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände. Dieser sein, daß den Unternehmern im RD3. vor ihrer ungewöhnliche Vorgang dürfte wohl dadurch zu erklären militärischen Führung etwas angst geworden ist.
Zunächst fanden die Verhandlungen, unter Leitung bou Ministerialrat Dr. Mewes, getrennt statt. Die Bertreter der Tabakarbeiter begründeten eingehend ihre Forderungen, die jedoch von den Unternehmern abgelehnt wurden. Die Unternehmer machten Gegenvorschläge, die unannehmbar waren. Infolge der Haltung der UnterInfolge der Saltung der Unter nehmer gestalten sich die Besprechungen äußerst schwierig. Sie danern gegenwärtig noch an.
Lügen über Litauen widerlegt. Ein Amerifas 3nterview des Abg. Pletschkaitis.
Warschau , 30. November.( Eigenbericht.) Der litauische Sozialdemokratische Abg. Pletschtaitis, der als Flüchtling in Wilna lebt und dem die Absicht zugeschrieben wurde, einen Einfall lifauischer Emigranten in Litauen zu organisieren, hat einem amerikanischen Journalisten erklärt: feiner Meinung nach seien
die litauischen Emigranten viel zu schwach, um in den inneren Kampf zwischen den Faschisten und ihren Gegnern in Litauen einzugreifen. Die litauischen Emigranten verfolgten den Kampf gegen Woldemaras selbstverständlich mit größter Sympathie. Sie hielten auch die Herstellung des Friedenszustandes mit Polen nicht nur für erwünscht, sondern auch bereits für möglich. Der amerikanische Korrespondent fügt hinzu, daß Pletschkaitis, der angeblich reiche polnische Regierungsunterffügung erhalten haben foll, in den ärmsten Verhältniffen in einem Wilnaer Borort lebt; die Gesamtzahl der Emigranten in Wilna sei außerordentlich gering und fomme gegenüber dem litauischen Militär' im Grenzbezirk für friegerische Unternehmungen überhaupt nicht in Frage.
Durch ein Komnoer Urteil ist das Vermögen Pletschkaitis' enteignet worden.
Polnische und litauische Sozialisten.
Der Robotnit" veröffentlicht eine Erklärung der Polnischen Sozialistischen Partei über den so viel besprochenen litauischen Emigrantentongreß in Riga . Gegenüber Meldungen ausländischer Zeitungen wird festgestellt, daß die PPS. dort nicht vertreten war. Die polnischen Sozialisten seien zwar bereit, den litauischen Genossen in ihrem Kampfe gegen die faschistische Diktatur zu helfen, aber nur insoweit, als der Hauptausschuß der litauischen Sozialdemokratie das wünsche. Für die Herstellung friedlicher Beziehungen zwischen Polen und Litauen treten die polnischen Sozialisten nach pie vor ein.
Pilsudski gegen Parlament. Den Präsidenten beider Häufer die Freifahrt entzogen! Warschau , 30. November.
Wie die Presse mitteilt, hat das Verkehrsministerium diem Sejm - und dem Senats marschall sowie den Biz e marschällen beider Häuser das Recht auf freie Benutzung der Eisenbahn entzegen Der sozialistische Robotnit" nennt dieses Vorgehen eine geschmacklose Bosheit, um so mehr als nach den Bestimmungen der Verfassung die mandate dieser Bertreter der gefeßgeben den Körperschaften über die Auflösung der Parlamente hinaus bis zur Durchführung der Wahlen andauern.
Faschistenpleite in Norwegen .
Abgefägter Führer will die Partei verklagen.
Oslo , 30. November. Die norwegische Faschistenpartei, die sogenannte Nationale Cegion, it in Auflösung begriffen. In einer Bersammlung fam es zu einem scharfen Konflikt mit dem Gründer und bisherigen Führer, Sarl Meyer; man wählte einen neuen Führer. Meyer hat sich jedoch geweigert, die Führerschaft niederzulegen und hat mit einem Prozeß gegen seine bisherige Gefolgschaft gedroht. Der Grund zu diesem Konflift ist, daß sich die Vergangenheit Meyers als ziemlich dunfel herausgestellt hat. Ferner werden ihm allerlei Unregelmäßigfeiten vorgeworfen. Nach diesem Skandal stehen die Eingeweihten auf dem Standpunkt, daß der norwegische Faschismus seine Rolle ausgespielt hat.
Brauns an Marg.
wiffenschaft,
identifiziert.
Kunst und Volksbildung gerichteten Angriffen
Als Protest gegen das Sympathietelegramm, das der nimmt, die sich mit den gegen das preußische Ministerium für Reichsinnenminister Herr v. Reudell einer studentischen Pro testversammlung im Zirkus Busch hat zugehen laffen, ist am Mittwoch, dem 30. November, dem Reichstanzler ein Schreiben des preußischen Ministerpräsidenten schen Pressedienst folgenden Wortlaut hat: Dr. Braun zugegangen, das nach dem Amtlichen Preußi
Hochgeehrter Herr Reichskanzler!
Der Herr Reichsminister des Innern hat zur Kundgebung der Deutschen Studentenschaft , die am vorigen Sonntag, dem 27. b. M., gegen das preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Boltsbildung stattgefunden hat, an den Vorstand der Deutschen Studentenschaft nach unwidersprochen gebliebenen Zeitungsnach. richten folgendes Telegramm gerichtet:
Im Geifte unter Ihnen in innerer Berbundenheit bekennt fich erneut zu Ihnen mit herzlichen Grüßen und Wünschen Don Keudell.
Auf Erfundigungen bei den zuständigen Stellen des Reichsinnenministeriums ift die Tatsache der Absendung des Telegramms bestätigt, allerdings hinzugesetzt worden, daß man den authentischen Wortlaut nicht kenne, daß er aber dem Sinn der oben angeführten Depesche entspreche.
Ich muß bei Ihnen, hochgeehrter Herr Reichskanzler, auf das Entschiedenste dagegen Berwahrung einlegen, daß ein Mitglied der Reichsregierung in einer Frage, die die preußischen Hochschulen und Studentenschaften aufs tiefste erregt und die Hochschulen in heftige politische Rämpfe hineinzuziehen droht, gegen die verantwortliche preußische Regierungspolitik in einer Weise öffentlich Stellung
Ich muß hierin wie jedermann eine starke Brüstierung
der Politik der preußischen Regierung erblicken, um jo mehr, als der Herr Reichsminister des Innern bereits mehrfach studentische, insbesondere völtische Gruppen, die gegen die preußische Regierung Stellung genommen haben, in ihren Angriffen durch seine Haltung oftentativ bestärkt hat.
Da sich eine derartige Einstellung des Herrn Reichsministers preußische Regierung auch schon bei anderen Gelegenheiten Dr. v. Keudell mit ausgesprochener Spige gegen die bemerkbar gemacht hat, so darf ich Sie, Herr Reichstanzler, ergebenft bitten, dafür Sorge fragen zu wollen, daß fich derartige Fälle unter keinen Umständen wiederholen, da die preußische Regierung andernfalls fich zu ihrem Bedauern genötigt fehen würde, jeden Berkehr mit dem Herrn Reichsminister Dr. v. Keudell abzubrechen.
In bekannter Hochachtung und Verehrung Thr
gez. Braun.
Dieser Brief stellt den Kanzler unb das Kabinett vor eine entscheidende Frage. Ein Ausweichen wie im Falle Länderregierung, und noch dazu die des größten deutschen Badt ist nicht möglich. Es ist das erstemal, daß eine Landes, mit dem Abbruch der Beziehungen zit einem Reichsminister droht.
Das Reichskabinett wird sich noch heute nachmittag mit dem neuen Fall Reudell beschäftigen.
Eine Propagandarede Litwinows.- Ruffisches Rüstungs- ABC.
V. Sch. Genf . 30. November.( Eigenbericht.)| Die Gesamtarbeit der vorbereitenden Abrüstungskommission hat bis Schon die Eröffnungsfihung der vorbereitenden Abrüftungsfommiffion brachte nach einer Begrüßungsansprache vom Vorsitzenden Coudon Holland die erwartete Sensation in einer längeren Erklärung des russischen Hauptdelegierten Litwinow in englischer Sprache. Diese Erklärung stellt eine Kundgebung des extremsten Pazifismus dar und taun natürlich nur als eine propagandiflisdhe Demonstration angesehen werden. Sie bejagt im wesentlichen:
Da die Sowjetregierung an den drei ersten Tagungen der vorbereitenden Abrüstungskommiffion nicht teilnehmen fonnte, hat sie ihre Delegation zur vierten Tagung beauftragt, folgende Erklärung abzugeben:
1. Die Regierung der USSR . ist der Ansicht, daß unter kapitalistischem Regime es feinen Grund gibt, anzunehmen, daß man die Ursache bewaffneter Konflikte abschaffen könnte. Der Militarismus und der Marinismus sind natürliche Folgen des tapitalistischen Systems. Aber die Bölker aller Länder, die durch den großen imperialistischen Weltkrieg 1914 bis 1918 verarmt und verblutet sind, find durchaus geneigt, gegen neue imperialistische Kriege zu fämpfen und zur Sicherung des internationalen Friedens. Das ist der Grund, meshalb die Sowjet regierung in der Lage ist, einer Einladung des Bölkerbunds Folge zu leisten, die sich für die Abrüstung ausspricht. Sie nimmt diese Einladung an mit dem Ziele,
der ganzen Welt ihren Willen zum infernationalen Frieden zu bekunden
Wünsche der fapitalistischen Regierungen hinsichtlich der und zugleich zu beweisen, welches die wirklichen Ziele und Abrüstung sind..
um heutigen Tage einen rein dekorativen Charakter gehabt. Seit 1920 beschäftigt sich der Völkerbund fruchtlos mit der Frage der Militäretats. Durch diese Tatsachen tommt man zu der Ansicht, daß der Bölkerbund und die einzelnen imperialistischen Staaten nicht den Wunsch hegen, eine tatsächliche Abrüstungspolitik zu befolgen. Diese Tatsache kommt auch in der Arbeits methode zum Ausdrud, die darin besteht, abwechselnd die Fragen der Abrüftung und die Frage der Garantien zu behandeln, wobei man gleichzeitig bemüht ist, eine internationale Aufstellung sämtlicher Faktoren zu machen. die die imperialistische Macht eines Landes beweisen.
So wie das Problem bisher aufgeworfen ist, verursacht es endlose und fruchtlose Diskussionen über das, was man die Kriegsfähigkeit nennt, mit dem Ergebnis, daß man dem entscheidenden Grundproblem ausweicht, nämlich konkrete Maßnahmen für die Abrüftung zu treffen. Es ist nicht zweifelhaft, daß das Problem, wenn es auf diese Art auf der nächsten Abrüstungskonferenz aufgemorfen wird, nicht nur eine Einschränkung der bestehenden Rüstungen nicht bringen wird, sondern daß im Gegenteil die Mitgliedstaaten des Völkerbundes von neuem für die Zukunft das Recht erhalten werden, ihre Rüstungen gefeßlich zu erhöhen. Die Sowjetregierung hat bisher systematisch versucht, das Abrüstungsproblem tonfret aufzuwerfen.
Aber seine Bemühungen in diesem Sinne find auf den an dauernden Widerstand der übrigen Staaten gestoßen. Die Sowjetregierung ist die einzige Regierung, die durch Taten ihren Friedens- und Abrüstungswillen bewiesen hat, ist aber zu der Washingtoner Seeabrüstungsfonferenz Don 1921/22 nicht zugelassen worden. Ihre Vorschläge auf allgemeine Abrüstung, die ihre Delegation am 10. April 1922 auf der Konferenz von Genua eingebracht hat, wurde von den Leitern dieser Konferenz zurückgewiesen.
Dennoch habe die Sowjetregierung ihre Anstrengungen nicht eingestellt..
wird die Gesamtgeschichte der internationalen Beziehungen der NachObwohl der Weltkrieg als letzter Krieg" hingestellt wurde, friegszeit charakterisiert durch ein unerhörtes und systematisches Anwachsen der Streitkräfte der kapitalistischen Staaten und durch ein Im Dezember 1922 habe die Sowjetregierung in Moskau eine gewaltiges Steigen der Gesamtlaften.
Die Welt hat bisher feine, auch nur teilweise Verwirklichung der feierlichen Versprechungen des Bölferbundes gesehen, der in feiner Tätigkeit fyftematisch vermieden hat, die Frage der Abrüstung praktisch aufzuwerfen.
Konferenz der Vertreter der Randstaaten einberufen, um mit ihnen das Problem der Rüftungseinschränkungen zu erörtern. Sie wollte sogar ihre eigenen Rüstungseinschränkungen in unverhältnismäßig höherer Weise vornehmen als die Randstaaten. Dennoch wurde der fonkrete Plan der Sowjetregierung gleichfalls zurüdgewiesen.