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Abendausgabe

Nr. 586

B 290

44. Jahrgang

Möchentlich 70 Pfennig, monaflig 3- Reichsmart, im voraus zahlbar Unter Streifband im In- und Ause land 5.50 Reichsmart pre Monat.

Der Bormärts mit der illuftrier­ten Sonntagsbeilage Bolf und Zeit fowie den Beilagen Unterhaltung und Wiffen. Aus der Filmwelt", Stadtbeilage", Frauenstimme, Der Kinderfreund". Jugend- Bor wärts". Blid in die Bücherwelt", Kulturarbeit und Technil erscheint wochentäglich zweimal Sonntags und Montags einmal

mupplein 10 jul

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Montag

12. Dezember 1927

10 Pfennig

alde etni patatge Ronpareillezetts 80 Biennig. Reflamezeile 5.- Reichs. mart Kleine Anzeigen" das fettge druckte Bort 25 Pfennig( zuläffig zmet tettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig Stellengesuche das erite Bort 15 Pfennig, jedes weitere. Bost 10 Pfennig Borte über 15 Bud, taben zählen für zwei Borte Arbeitsmarkt Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen fir Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden ftraße 3. wochentägt von 8 bis 17 Uhr

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Sozialistischer Sieg in Bern . Rußland beherrscht den Himmel."

Die halbe Stadtvertretung sozialdemokratisch.

Bern , 12. Dezember.

In der Halberneuerung des Stadtrats von Bern , des Gemeinde­parlaments der schweizerischen Bundeshauptstadt, gewannen die Sozialisten zwei Sige auf kosten der Bürger lichen. Sie haben damit die Hälfte der 80 Ratssitze inne. Bei der Wahl des Gemeinderats, der Exekutive der Stadt Bern , wurden die vier ausscheidenden Bürgerlichen und drei sozialdemo­trafischen Gemeinderäte wiedergewählt. Ein von sozialistischer Seite trafischen Gemeinderäte wiedergewählt. Ein von sozialistischer Seite aufgestellter vierter Kandidat unterlag mit rund 3000 Stimmen. Die aufgestellter vierter Kandidat unterlag mit rund 3000 Stimmen. Die Stimmbeteiligung war 78 Proz.

Wann schließt der Reichstag?

Keine Einigung im Aeltestenrat.

Der Weltestenrat des Reichstags beschäftigte sich heute vormittag in einer ungewöhnlich langen Sigung mit der Frage, ob die Weihnachtsferien des Reichstags schon am nächsten Sonntag vder erst am nächsten Mittwoch beginnen sollen. Deutschnationale und Zentrum waren für den rascheren Schluß.

Die Deutsche Bolts partet erklärte sich für neutral, tie Sozialdemokraten traten mit Entschiedenheit für die längere Tagung ein, damit noch in den ersten Tagen der

nächsten Woche die erste Lefung des Etats vorgenommen werden könne.

Stalins Drohung gegen England.- Gas über Deutschland ?"

einen Auffaß Stalins, der mi deutlicher Spize gegen Der Anglo- Amerikanische Zeitungsdienst veröffentlicht England die großen Fortschritte der russischen Luftrüstung schildert. In wenigen Monaten," sagt Stalin , werden wir mit vollem Recht behaupten fönnen: Rußland be herrscht den Himmel." Borhanden seien 1521 Kampf­flugzeuge, und in acht Monaten würden es 3000 fein. Dazu gefelle sich eine Reserve von 7000 Passagier- und Frachtflug zeugen. Die Aviatik sei in den Schulen obligatorisches Lehr­fach. Es beftünden beinahe 20 000 Luftgesellschaften mit vier Millionen Mitglieder, die zusammen 204 Flugzeuge befizen. Stalin fuhr fort:

Rußland hat auch die bestgeleiteten Werkstätten für die Er zeugung chemischer Kampfmittel. Die von ihnen erzeugten Mengen an giftigen Gafen werden es möglich machen,

die Nation, die es wagen sollte, uns anzugreifen, zwölf Stunden nach ihrer Kriegserklärung auszuroffen.

Vor sechs oder sieben Jahren noch pflegte die englische und bie Bor fechs oder sieben Jahren noch pflegte die englische und die fontinentale Presse sich über unsere Anstrengungen, die Begeisterung für das Fliegen in die russischen Maſſen zu tragen, lustig zu machen. Aber gerade der Bauer ist heute der eifrigste Anhänger des Flug­zeuges. Er hat am eigenen Leibe erfahren, welchen Segen es für ihn bedeutet. Einige wenige Aeroplane können dadurch, daß fie die Deutschnationale und Zentrum wollen dagegen die Aecker überstreichen und Giftgase über sie versprengen, die Heu erfie Lesung des Etats erst am 19. Januar vornehmen, die Beschreckenschwärme in wenigen Minuten ausrotten, die früher seine ratungen des Haushaltsausschusses Jeboch schon am 11. Januar be­Weizenfelder in Wüsten verwandelten. ginnen lassen. Eine Einigung wurde nicht erzielt, tommt fie nicht in weiteren Berhandlungen zustande, so wird das Plenum des Reichstags entscheiden müssen. In dieser Woche sollen die neue Besoldungsordnung, das. Lohnsteuergesez, das Kriegsbeschä: digtengefetz und einige fleinere Borlagen erledigt werden.

Rückwärts, rückwärts!

Herr Marg will nicht mehr Republikaner sein. Der Zusammenschluß zwischen Zentrum und Bayerischer Volkspartei wirkt jehr rajch: der Reichskanzler Marx ver­gißt, daß er einst Mitglied des Reichsbanners gewesen ist und schmört den republikanischen Charakter des Zentrums ab. Auf der Preisetagung des Zentrums sprach er über den Kurs des Sentrums. Die Berichte sagen darüber: Was die Stellung des Zentrums anfangt, so betonte der Kanzler, daß das Zentrum von jeher eine Verfassungs.. partei gewesen sei. Es sei weder eine monarchische ,. noch wolle es eine republikanische Partei sein; nur weil das Zentrum eine Verfassungspartei sei, habe es auch die Verfassung von Weimar anerkennen und gufheißen können, weil sie ordnungsgemäß zustandegekommen und moralisch und staatsrechtlich unbedingt verbindlich sei. Deshalb müsse die Verfassung vom Zen­trum anerkannt und befolgt werden."

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Weder falt noch warm gegenüber der Republik das foll fünftig die Stellung des Zentrums sein! Diese gewundene ,. innerlich unlogische Deklamation des Herrn Marg stammt aus dem Phrasenichaz der Bayerischen Bolkspartei, sie ist das Mäntelchen, mit dem die Bayerische Volkspartei bisher nur mühselig ihre monarchistischen Neigungen zu verbergen suchte. Herr Marr ist gelehrig und versteht sich zu drehen. Er hat da einen gelehrt klingenden Saz gesprochen, hinter dem nur Kundige den wahren Tatbestand erblicken: der ehemalige Reichsbannerkamerad Mary verbeugt sich vor Rupprecht, dem bayerischen Prätendenten.

Rumänische Hochschulstrolche.

3mmer neue Maffenverbrechen.

Budapest , 12. Dezember. Die fiebenbürg fche Magyarenzeitung Brassol Capok fordert die Abgeordneten der unga: ischen Partei auf, ihre Mandate den Rumänen vor die Füße zu werfen, da die Mandate angesichts eines folchen Terrors und Bandalismus nichts nühen. Die nach Hermannstadt gereiften rumänischen Studenten wollten, so heißt es weifer, die Redaffion diefer Zeitung ebenso wie in Großwardein demolieren, doch gelang es dem Militär und der gerwache noch am Bahnhof, nach einem Handgemenge, bei dem zahlreiche Personen verlegt wurden, die Studenten in den 3rg zurüd. zudrängen und zur Weiterfahrt zu zwingen. Auf der Station Predeal haben die Studenten die jüdischen passagiere blutig geschlagen. Die Stationswache hat sich völlig pafsio, verhalten. Im Tömöser Paffe wurde an den Studentenfonderzug ein Wagen mit Gendarmen angehängt, die auf die Studenten auf­passen sollten. Dennoch wurden zwei jüdische Kaufleute blutig Gefchlagen. Als fie später in ein Haus flüchteten, wurde dieses über Ihren Köpfen in Brand gestedt.

Eine Londoner Zeitung brachte fürzlich eine Nachricht, daß die britische Regierung in den Besitz von Informationen über unsere Luftrüstungen und über die Größe unserer Luftflotte gekommen sei, unter dem Titel Das rate Luftkomplott". Als England seine Flotte baute. sprach es davon, daß es die Wogen beherrschen" wolle zum Heile der Zivilisation. Aber wenn wir eine Luftflotte errichten, um unsere Sicherheit zu schüßen, manifestieren wir eine Verschwörung" um die Welt zu zerstören. England unterschäßt seine Feinde und seine Freunde niemals. Es muß zu seinem Bedauern feststellen,

daß wir die Herren der Luft"

geworden sind, und das ſteigert feinen Haß gegen uns. England ist sich dessen bewußt, daß wir durch die Beherrschung der Luft, mit unseren 72 Flugftationen, die über das ganze ruffifche Territorium verteilt sind, mit den Bataillonen unserer Luftflotte unweit der

denen die Macht des britischen Weltreichs ganz und gar abhängt, zu persischen Grenze, in der Lage find, feine Petroleumquellen, von zerstören. Die Sowjetluftslotte wurde aber nicht gebaut, um Angriffe zu eröffnen. Sie ist nur eine Waffe zu unserer Verteidigung, die unseren Frieden und unfere Sicherheit verbürgen foll, und wenn fie jemals in Aktion tritt, so wird es nur deshalb sein, weil fein anderer Ausweg offen bleibt. Wir werden fürs erste fogar noch den Frieden höher schätzen als die nationale Würde. Aber selbst die Sowjetgeduld hat ihre Grenzen.

Eine deutsche Panit- Broschüre.

mittler u. Sohn unter dem Titel Gas über Deutsch­Zugleich veröffentlicht der bekannte Militärverlag E. S. land" eine aus dem Russischen übersetzte Broschüre des Ingenieurs J. M. Libinson über die Chemie im Kriege. Libinson führt nach den bekannten bolfchemistischen Gedanken­gängen aus, daß ein Angriffskrieg der fapitalistischen Staaten gegen Rußland unvermeidlich sei. Dann werde es heißen: ir oder sie!" Die Broschüre behandelt in populärer , Bir Form die Probleme des Gasangriffs und des Gasschußės. Sie schließt mit folgender Erklärung:

Und durch lange, beharrliche und systematische Arbeit müssen wir es erfämpfen, daß die chemische Waffe in den Händen der Gegner für uns ihren Schrecken verliert, dagegen aber in unseren Händen schrecklich wird hat: Wenn jemand das Recht auf Graufamkeit hat, fo find wir es, Es ist so, wie der Genosse Tropfi gesagt denn in unseren Händen dient sie der Vernichtung der Grausamkeit, um die Menschheit von der Klossenherrschaft zu befreien und ihr endlich die volle Freiheit zu sichern."

nicht unbekannt. Sie wurde im Weltkrieg ebenso von deut Die Redensart von dem ,, Recht auf Grausamkeit" ist uns schen Generälen verwendet wie pon Führern der Entente. start umstritten, und außerdem nüßt einem die schönste Frei­Der Beruf Rußlands , der Welt die Freiheit zu bringen, ist, heit nichts, wenn man tot ist. Und das soll ja nach der föst lichen Verheißung Stalins bei ganzen Nationen schon zwölf Stunden nach Kriegsausbruch der Fall sein!

Der russischen Broschüre ist ein Nachwort des deutschen Uebersezers Ernst W. Thoms beigegeben, worin der dringende Ruf nach einem de utschen Luftsch uz erhoben wird, da sonst das deutsche Bolf der Bernichtung an­heimfallen werde.

Der Mörder von Arensdorf vor Gericht.

Er will unzurechnungsfähig gewesen sein!- Aufgedeckter Kaffiberverkehr. Wie er das Gewehr holte.

F. K. Frankfurf a. d. Oder, 12. Dezember.

Im schmucklosen Saal des Schwurgerichts Frankfurt a. d. D. pflegen gerichtliche Schicksale sich zumeist ohne Aufsehen zu erfüllen. Was an wirklichen oder vermeintlichen Verbrechen hier abgeurteil: wird, pflegt ein Interesse über die inneren Lokalgrenzen hinaus felten zu erwecken.

Heute ist großer Tag in diesen sonst so stillen Räumen. Der Mord, den der Stahlhelmmann Schmelzer aus Arensdorf an den Reichsbannerleuten aus Erfner beging, soll seine Aburteilung finden. Deshalb ist die große Presse Deutschlands und sind die Nach­richtenbureaus so zahlreich vertreten, daß ihre Unterbringung im Saale Schwierigkeiten bereitet. Aber in Voraussicht des politischen Aufsehens hat der Landgerichtspräfitent für die Presse mehrere Zimmer bereitstellen lefsen, in die das Telegraphenant eine Reihe Insofern ist also alles aufs befte Do: bereitet, um diesem Prozeß den Don von Sonderleitungen für den dringenden Fernsprechperfehr. legte. Insofern ist also alles aufs beste vorbereitet, um diesem Prozeß den äußeren Rahmen zu geben.

Bom preußischen Justizministerium ist ein befon. Serer Bertreter anwesend, der das Politische dieses Prozesses zu übermachen berufen ist. Der Bo: fihende, ein weltgewandter Mann, erklärt bei der Eröffnung der Sigung, daß die zur Anflage stehenden Vorfälle zwar einen politischen Hintergrund hätten, daß aber die Polizei im Saal keine Statt finden dürfe. Sowohl die Richter mole die Gefchworenen und auch die Zeugen müssen darauf sehen, die politischen Gefühle auszuschalten und nur die Wahr heit zu ergründen suchen.

Das Augenmerk lenkt sich alsbald auf die beiden Ange flagten, die Schmelzer, Vater und Sohn. Der Sohn, August Schmelzer, der die tödlichen Schüsse abgab, wird aus der Unter­fuchungshaft vorgeführt. Er macht einen wenig intelligenten, aber verschlagenen Eindrud. Sein Bater ist der Typus des Kleinbauern

mit einer nicht geringen Dofis Bauernschlauheit, die er nach außen zu verbergen sucht.

In seiner verantwortlichen Vernehmung versucht der des Tot­fchlags und des versuchten Totschlags beschuldigte Sohn Auguſt Schmelzer den Eindruck zu erweden, als wenn er in einer unge heuren Aufregung gehandelt habe, als er die Flinte ergriff und auf die Reichsbannerleute einschoß. Durch einige geschickte Quer­fragen bringt ihn der Vorsitzende zu dem Geständnis, daß er müh felig fich zunächst im Hause einen Säbel, den er von seiner Soldatenzeit her besaß, zusammengesucht hat, damit auf die Straße stürzte und auf die Reichsbannerleute einhieb. dann aufs- neue zurückkehrte und aus einem Schrank, der sich in einem im Obergeschoß des Hauses befindlichen Zimmer befand, das Jagd­gewehr feines Baters herausholte,

zu diesem Zwed erst den Schrank erbrach und dann aus einer anderen Schubfach fich Patronen für das nicht geladene Geweh zusammenfuchte.

Die geistig ganz flare und folgerichtige Handlung will die Bertetdi gung mit Geistesumnachtung entschuldigen. Man behauptet, daß August Schmelzer infolge seiner Kriegsverlegung fo nerven. Ich wach gewo: den sei, daß er, in Aufregung geraten, zu jeber Hant lung fähig wäre. Trozdem muß der Bater zugeben, daß er, ter selbst mit einer Dunggabel bewaffnet, den Reichsbannerleuten gegenübertrat, nichts getan hat, um den angeblich beschränkt zurechnungsfähigen Sohn vom Schie­Ben abzuhalten.

Beide behaupten, fie hätten sich nichts wesentliches dabei gedacht, daß mit der Flinte geschoffen würde, um so weniger, als sie nicht annahmen, daß die verwendeten Patronen so erhebliche Wirkungen auslöjen könnten.

Mit der Geistesbeschaffenheit des Stahlhelmjünglings sieht es