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Abendausgabe

Nr. 596

B 295

44. Jahrgang

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Der Bormärts uit bet tuftrier ten Sonntagsbeilage Boll und Zeit fomie den Beilagen Unterhaltung und Biffen. Aus der Filmwelt, Stadtbeilage. Frauenstimme Der Kinderfreund". Jugend- Bor marts". Blid in die Büchermelt", Rulturarbeit unb Technit erscheint wochentäglich meimat, Gonntags und Montags einmal

Vorwärts

Berliner Volksblatt

Sonnabend 17. Dezember 1927

10 Pfennig

Ote etapetatge Ronpareillezetta 80 Bfennig. Reflamezetle& Reichs start Kleine Anzeigen" das fettge brudte Bort 25 Bfennig zuläffig amet fettgebrudte Borte), jebes weitere Bact 12 Brennig Stellengefuche bas erite Mort 15 Bfennig, jebes weitere Bort 10 Pfennig Borte über 13 Buchstaben jählen für zwei Borte Arbeitsmoth Seile 60 Blennig Familienanzeigen fülz bonnenten Belle 40 Bfennig. Anzeigen omnahme hn Hauptgeschäft Binben Braße& wochentägt von 8 bis 17 the.

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Endkampf um die Lohnsteuer.

Sozialdemokratische Abrechnung mit dem Rechtsblock.- Ausflüchte der Regierungsparteien.

Der Endkampf um die Lohnsteuer, der den größten Teil der letzten Sitzung des Reichstages ausfüllen wird, begann mit einer ausgezeichneten Rede des Genossen Reil Ohne fich in Einzelheiten zu verlieren, die Grund­gedanfen aber um so starter hervorhebend, bekämpfte er den Borschlag der Regierungsparteien. Er nannte ihn eine finnwidrige Mißachtung der Leg Brüning, durch die der Gedante des steuerfreien Eristenzminimums prinzipiell verlassen werde. Die Sozialdemokratie halte an ihrem alten Antrag, der die Höhe des Eristenz minimums für jeden Lohnsteuerpflichtigen auf 140 M. fest jezt, fest, gegen den feine beachtlichen Einwände erhoben

merden.

Abg. Dr. Brüning hatte nach dieser Rebe Keils feinen leichten Stand. Seine Verteidigung der Regierungsvorlage und der völligen Veränderung der Beg Brüning war schon deshalb wenig überzeugend, weil er nicht einmal zu bestreiten wagte, daß eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein wesent lich höheres Auftommen als 1300 Millionen Mart im Jahre 1928 besteht.

der Lex Brüning, fie verfolgt ein anderes Ziel, thr fam es vor allem auf drei Zwecke an:

1. Die herabseßung des Steuertarifs für die großen und größten Einkommen.

2. Besteuerung der Einkommen nach dreijährigem Durchschnitt statt des einjährigen Ertrages.

3. Die Beseitigung des Quellenteuerprinzips auf bem einzigen schmalen Gebiet, wo es außer der Lohnsteuer por handen ist, bei der Kapitalertragsteuer.

Als ihre drei Anträge, die das forderten, abgelehnt waren, hat fie ihr Biel nicht aufgegeben, sondern ein prinzipielles Zugeständnis erzielt, das in der Annahme der Resolution im Ausschuß zum Aus­brud tommt, wonach ein Ausschuß zur Prüfung der Frage ein gelegt werden soll, ob und von melchem Zeitpunkt ab bei der Ein­fommen und Körperschaftssteuer zum dreijährigen Durchschnitt übergegangen werden kann. Das war der aufpreis der Zu­fimmung der Deutschen Velispartei zum Antrag der übrigen Re­gierungsparteien und das Zentrum har fich bereit erklärt, diefen Kaufpreis zu zahlen.

Diese Berhandlungen und ihr Ergebnis bilden einen sehr lehr reiden Anschauungsunterricht für diejenigen Arbeiter schichten, die sich in die Regierungsparteien verirrt haben.

Nach der Ler Brüning soll eine Senkung der Lohnsteuer folgen, menn innerhalb fechs Monaten das Ausfommmen mehr ais 6% Mil lionen beträgt. Diese Boransiehung war längst erfüllt. Der fozial­demokratische Antrag der Erhöhung der steuerfreien Einkommen von 100 auf 140. beruht auf sorgfältigen Berechnungen. Die Regierung fonnte zuerst zu feinem Beschluß tommen, im festen Augenblid bradte fte eine Borlage ein, die in Wirklichkeit

Im meiteren Berlauf der Debatte mehrte sich Retchs­finanzminister Dr. Köhler gegen die Vorwürfe des Ge noffen Keil, er habe den Ländern die Zusicherung gegeben, daß sie die Mehrkosten der Besoldungsreform mit den er­höhten Lohnsteuern bezahlen könnten. Röhler bestritt. irgendeine derartige Zusage gegeben zu haben. Er perstedte sich jedoch gleichzeitig wiederum hinter die Abneigung der eine finamidrige Auslegung des Gesetzes Länder, die Lohnsteuer zu ermäßigen, und vergaß dabei ganz, daß es sich bei der Ler Brüning um ein Reichs von 1925 darstellt. Man erfährt darüber, daß Abmachungen gefeß handelt, das die Reichsregierung auszuführen vermit den Ländern getroffen wurden, die dem mit den Ländern getroffen wurden, die dem Sinne des pflichtet ist, und daß sie für eine ordnungsgemäße Aus. Reichsgefeßes widersprechen, und von denen der Reichstag nichts führung mit Leichtigkeit eine Zweidrittelmehrheit im Reichs. tage erhalten hätte. Dann hätte es feinen Einspruch und feinen Widerstand der Länder gegeben.

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Der Reichstag hat seine heutige legte Sigung vor den Weih­nachtsferien bereits um 11 Uhr begonnen. Nach einem Beschluß des Ausschusses für Entschädigungen wird der Entwurf zum Kriegs. Schaden- Schlußgefeß ohne Debatte in erster Lesung dem Ausschuß überwiefen.

Präsident Cobe erklärt dazu: Aus der schnellen Erledigung der ersten Lesung dürfen die seit Jahren wartenden Geschädigten nicht etwa den Schluß ziehen, daß der Reichstag ihren Forderungen intereffelos gegenüberstände. Im Gegenteil, der Reichstag mollie vermeiden, daß diesem dringenden Gesez vor den Beihnachtsferien noch Schwierigteiten bereitet werden. Der 22. Ausschuß wird seine Arbeit noch vor dem Wiederzufammen tritt des Plenums aufnehmen. Alle Bartelen sind darin einig, daß dieses Gesetz unbedingt noch von diesem Reichstag erledigt werden muß.

Es folgt die zweite Beratung des Gefeßentwurfes zur Aende­rung des Einkommensteuergesetzes( Lohnsteuer). Der Steuer­ausschuß hat die ursprüngliche Regierungsvorlage fallen gelassen und statt dessen schlägt er den bekannten neuen Gefeßentwurf der Regie rungspartelen vor. Danach soll der Lohnsteuerbetrag um 15 Pro gefürzt werden, jedoch um nicht mehr als 2 M. monat­lich. Außerdem soll der abzugsfähige Betrag für Sonderleistungen, Versicherungen, Sterbegeld ufa. für den Steuerpflichtigen von 480 auf 600 M., für die Ehefrau und für jedes Kind von 100 auf 250 m. erhöht werden. Eine weitere Senkung der Steuer soll erst eintreten, wenn das jährliche Aufkommen daraus 1300 milli= onen übersteigt.

Von der Deutschen Boltspartei ist jegt noch ein neuer Antrag eingegangen, der die Wiederherstellung der Re gierungsvorlage mit einigen fleinen Aenderungen fordert. Abg. Hell( Soz.):

Wenn es noch eines Beweises bedurft bätte, welche Ber. wirrung in der Regierungstoalition her fdt, fo batte ihn der Berlauf der Berhandlungen im Steuerausschuß erbracht. Erft hat tie Regierung ihre Vorlage eingebracht und hter begründet. Diese Bor. Inge ift zwar verfdmunden, feht aber erleben mir eine Wiederauferstehung durch ten Antrag der Deutschen Bolts­partei. An Stelle der Regierung vorlage ist im schuß eine neue Vorlage getreten, eingebradt von den Regierungsparteien ohne die Deutsch Bolfspartci. An tiefen Antrag hat sich feinerlei fach liche Debatte im Ausschuß gefnüpft.

Er trägt den Stempel eines Berlegenheitsproduktes so deutlich wie nur möglich an der Stirn.

| weiß.( hört, hört.) Die Zuftimmung der Länder zu der Besoldungs vorlage ist mit dem Bersprechen der Reichsregierung erzielt morden, daß aus der Lohnsteuer ein höheres Aufkommen erzielt werden soll. In Konsequenz dieser Abmachungen soll jetzt auch schon die Lohnsteuer 1300 millionen erbringen.

Man arbeitet darauf hin, das Aufkommen aus der Cohnsteuer noch über 1300 Millionen Marf hinaus zu erhöhen. Schließlich ist bann in Ausschuß die neue Boriage geboren worden, bie gar nicht mehr den Versuch macht. der Ler Brüning gerecht zu kompliziertheit, die nicht nur die Durchführung der Lohn werden. Der neue Entwurf bringt eine außerordentliche kompliziertheit, die nicht nur die Durchführung der Lohn­fteuer aufs äußerste erfarmert, fordern auch Gefahren für die Lohnsteuerpflichtigen in fich birgt. Die Unternehmer haben neue Berechnungen vorzunehmen. badurch wird die Popularität der Lohn­Steuer in diesen Kreisen sicher nift gewinnen, die Sicherhelt der Abreinung wird, vermindert. Biel schlimmer als diese Bestimmungen ist jedoch, daß

der soziale Gedanke des Existenzminimums prinzipiel verlaffen wirb. Man baut das soziale Eristenzminianum ab. Die 1200 TR. Steuerfreies Einkommen, die vor zwei Jahren erzlelt murben, find heute in Wirklichkeit nicht mehr die 1200 m. von damals.( Sehr wahr! bei den Soz.) Die Herauflegung dse steuerireten Beträges ift um jo notwendiger, weil

die anderen Maffenfteuern zu gleider Jeil enorm angefflegen find, froh ber Senfung der Umfassteuer iff das Ergebnis weit größer als 1925, weil die Mindereinnahme wieder gebedi wurde durch das Mehr an Zöllen. Dissen Tatsachen hat der sozialdemokratische An trag Rechnung getragen durch die Erhöhung des steuerfreien Ein tommenteils. Die Regierung hat sich dem mit aller Schärfe wider. leht, fie mill nicht, daß die Lohnsteuerpflichtigen, die durch die Ber­stärkung des Nominallohnes in die Besteuerung hineingewachien

,, Der Hund soll weinen...!"

Sagt Vater Schmelzer, um felbft freizukommen.

Der heutige letzte Berhandlungstag im Arensdorfer Prozeß be­gann mit der Fortjeßung der Plädoyers, und zwar sprach zunächst furt, der einleitend betonte, daß er ebenso wie Bundesführer Hör als zweiter Bertreter der Rebentläger Justizrat Faltenfeld Frank­fing an der Bahre der Getöteten keine Rache, sondern nur eine gerechte Sühne für die Taten verlange. Politischer Fana fismus jei der Hintergrund dieser Zat, an der andere mit­fchuldig feien. Die Bernehmung des Herrn v. 2ivensleben habe gezeigt, in welchem Geiste in Arensdorf die Jugend und der Stahlhelm erzogen werden. Ohne diesen Geist wäre die Tat nie gefchehen. Der Anwalt zog dann eine Barallele zwischen dem Berhalten des Bater Schmelzer, der fein Wort ber Reue oder des Bedauerns gegenüber den Eltern der Opfer gefunden habe. und dem der Mutter Rathenaus, die an die Mutter eines

Haussuchung bei Ehrhardt.

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der Mörder ihres Sohnes einen unvergeßlichen Brief gerichtet habe.

August Schmelzer Rechtsanwalt Dr. Jolin Frankfurt, der mit den Als erster Berteidiger sprach dann für den Angeklagten Worten begann: Selbstverständlich herrscht in den Kreisen. denen wir angeboren, das allertiefste menschliche Be dauern über die jungen deutschen Menschenleben, die diesen entleglichen Borfällen zum Opfer gefallen find. Das zu betonen halte ich für meine Pflicht. Richt der Schatten eines Beweiles jei dafür erbracht, daß in irgendeiner Weise von der Leitung der vaterländischen Bewegung Erzesse für die Durchfahrt des Reichs­banners durch Arensdorf inszeniert worden feten. Ebenfomenta könne man Herrn v. Alvensleben den Vorwuri der Berhehung und der Urheberschaft an der Tat machen. Auf der anderen Geite habe Das Reichs banner in Arensdorf eine so aggreffioe Hal. tung eingenommen, daß sein Benehmen an Landfriedenss bruch erinnere.

Rechtsanwalt Bloch Berlin, der für den Water Schmelzer das Wort ergriff, betonte zunächst, daß dieser weder dem Stahlhelm noch dem Werwolf angehöre. Wenn im vorliegenden Falle die Antlage behaupte, daß der Beginn der Zwischenfälle von den Arens­Der Wifing" trotzt den Berboten. dorfern ausgegangen sei, so bestehe ebenso die Möglichkeit, daß die Bejagung des Reichsbannerautos angefangen Nachdem das Polizeipräsidium Magdeburg bei habe. Was den Angeklagten Paul Schmelzer betreffe, so habe er Durchsuchungen am 15. und 16. Dezember umfang in einer Reihe von Punkten, in denen er ohne besondere Gefahr reiches Schriftmaterial beschlagnahmt hatte. bestreiten fonnte, als ehrlicher Landmann die Wahrheit gefagt, auch aus dem ersichtlich ist, daß der für Preußen verbotene wenn sie ihn belasten konnte. Deswegen dürfe man ihm auch seine Bund Wiring" nach wie vor weiterbesteht, wurden sonstige Darstellung glauben. Von einem schwerfälligen Bauern in Berlin in den heutigen Morgenstunden in dem dürfe man nicht verlangen, daß er das Bewußtsein habe, er stifte Einzig die Bureau des Korvetteutapitäns Ehrhardt durch sein Berhalten seinen Sohn zur Tötung an in der Stegltzer Straße, im Verlag der Vormarsch alleinige Aussage eines 13jährigen Jungen fönne teine Grundlage für ein Strafurteil bilden. Die übrigen Belastungszeugen gegen am Schöneberger Ufer sowie in vier Privat den Bater felen bestimmt felne flaffisen, und wenn wirklich Baul wohnungen auf Grund des Republitschutzgesches Schmelzer gelagt habe: Schlagt die Hunde tot. haut fie raus!", fo ebenfalls umfangreiche Durchsuchungen durchfel diefer Ruf niet anders zu bewerten wie Berwünschungen, Sie geführt. Die Sichtung des Materials sowie die Ver wohl ausgestoken werten ,, vor teren Verwirklichung man nehmungen der in VBetracht kommenden Personen sind jederzeit mit Abscheu zurückschrecken würde. Eine Anstiftung fönne in diesen Rebensarten nicht liegen. Sowohl von der An­zurzeit noch nicht abgeschlossen. ftiftung zum Tots flag wie von der zur verfucten Tötung lei er freizuspredjen, ebenso von einer Beihilfe zur Tötung, denn es tönne ihm keine Schuld nachgewiesen werden. Der liebevolle Bater: Der Hund muß ins Zuchthaus!

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Die Arbeitgeber lehnen ab! Die Schiedssprüche gehen ihnen noch nicht weit genug! Düsseldorf , 17. Dezember.

Wer sich nur ein wenig in das Problem der Lohnsteuer vertieft hat, der sieht diesem Antrag auf den ersten Blick an, daß er nicht aus fachlichen, sondern aus taftischen Erwägungen eingebracht worden ist. Und auch die Ausschußdebatte vor Einbringung dieser Vorlage fiand im Zeichen der Laftit. Es zeigten sich Gegenfäge Wie die Telegraphenunion erfährt, haben die Arbeit. zwischen den Regierungsparteien auch in dieser Frage, geber die beiden Schiedssprüche über Lohn und Arbeitszeit ab­man bemühte fich aber, die Koalition notdürftig zufammenzuhalten. gelehnt. Eine ausführliche Begründung wird noch veröffentlicht Die Deutsche Boltspartei wollte gar nicht die Erfüllung werden.

aber

Als ich gestern abend mit Baul Schmelzer nach Hause fuhr und darauf hinwies, daß unter der Wucht der Anflagerede sein Sohn doch Tränen der Reue gefunden hat, da brach der Bater spontan in die Worte aus: Das ist dem Hund recht, er foll im Zuchthaus noch von Ihnen seine Freisprechung erwartet.

mehr weinen." So fpricht tein Anstifter, sondern ein Mann, Hierauf trat eine halbstündige Mittagspause ein.