3lr. 601* 44. Jahrgang
3. Beilage des Vorwärts
Mittwoch, 21. Dezember 1927
Braunkohlenfelder für Berlin . Ein Beschluß der Bewag.— Sicherheit für die Zukunft. In aller Still«, unbemerkt von der großen Oeffentlichkeit, haben sich die Berliner Städtischen Elektrizitätswerk« ein riesiges Ärauniohlenvorkommen in der Näh« von Berlin gesichert. Das Vorkommen findet sich, wie die beigefügte Karte zeigt, im nördlichen Teil des Kreises Guben auf dem linken Ufer der Oder , süfcvestlich von Fürstenberg a. d. O. Das Fundgebiet steht mit Berlin durch die Oder und den Oder— Spree-Kanal in Wasfervcrbindung. Der Wasserweg von Fürstenbcrg bis Berlin beträgt rund IM Kilometer. Die Abbaugerechtigkeit geht durch Verträge mit den verschiedenen Grundstücksbesitzern, um er deren Flächen die Kohlen liegen, an die Bewag über. Die Grundstücksbesitzer erhalten nach den Verträgen ein einmaliges Wariegeld sowie, noch Aufnahme der Kohlenförderung, einen Tonnenzlns. Die Zahlung des Wariegeldes ist nach 2t) bzw. 40 bzw. 60 Iahren zu wiederholen, falls die Bewag bis dahin mit der Ausbeute der Kohlenfeldcr nicht begonnen hat. Durch Nichtzahlung des Wartegeldes nach 20 bzw. 40 bzw. 60 Iahren verfällt die Abbaugerechligkeü, die Bewag ist also zum Abbau der Kohlenfelder nicht verpflichtet.
C3 Braunkohlen- Optionen der Berliner Städtischen Elektrizitätswerke Akt- Ges. Da» gesamte Kohlenvorkommen, soweit es durch die Verträge erfaßt ist, betrögt nach den angestellten Bohrungen rund 640 Milltonin Tonnen ch r u t t o. Das tatsächlich durch die Verträge beherrschte Vorkommen ist erheblich größer, da ge- wisse Zwischen- und Randgebtete, die ebenfalls Kohlen führen, aber in die Verträge nicht eingezogen sind, von einem Dritten, der über das- Hauptflöz nicht verfügt, nicht verwertet werden können. In der Näh« von Läwitz ist«in Lersuchsschacht niedergebracht worden. Die Untersuchung des dabei geforderten Materials hat er« geben, daß das Vorkommen aus einer guten Lausttzer Braunkohle besteht. Da das Deckgebirge eine Mächtigkeit hat, die zwischen 60 und 130 Meter liegt, so kann die Kohle nicht mehr im Tagebau, sondern nur im Tiefbau gefördert werden. Der Umstand, daß die Kohle nur im Tiesbau zu gewinnen ist. also gegenüber der im Tagebau geförderten Braunkohle zurzeit nicht konkurrenzfähig ist, verhindert, daß mit dem Abbau des Dorkommens schon jetzt begonnen wird. Der Abschluß der Derträge stellt also mehr eine Sicherung für die Zukunft dar, als den Be- ginn eines Gegenwartsunternehmcns. Trotzdem Hot der Aufstchtsrot der Bewag— in ihm spielen die sozialdemokratischen Mit- glieder«ine wesentliche Rolle—«instimmig beschlossen, dieser Siche- rung einer zukünftigen Brennstoffbosi- der städtischen Elcktrizitäts- werke zuzustimmen. Maßgebend für diese» Entschluß war einmal die Erwägung, daß Bodenschätze, wie Braunkohlen, in die Hacch der Allge- m e i n h e i t gehören. Zweitens aber war die Erwägung bestim- inend, daß die Kohlenindustrie in einer raschen Entwicklung be- griffen ist, wie sie durch die Stichworte Beigasung, Ver- s ch w e l u n g und Verflüssigung umschrieben ist. Der Auf- schwang der Kohlenchemie kann zur Folge haben, daß es vielleicht i» naher Zukunft rationell wird, Braunkohlen auszubeuten, deren För- derung zurzeit im Tiefbau bei einfacher Verbrennung der Kohlen unrentabel ist._ Dr.-Ing. W. M a j e r c z i k. Deutsche Lokomotiven für Südafrika . Die fest vier Iahren im deutschen Lokomotivbau herrschende Krise gehört zu der schwersten wirtschaftlichen Depression. die jemals die Lokomotivindustrie eine» Landes belrosfen hat. Diese Notlage ist anderericits aber der beste Bahnbrecher für eine rasche Durchführung der Rationalisierung und Umstellung der Betriebe ge- wesen, die sich jetzt bei einer großen internationalen Aus- fchreibung erfolgreich ausgewirkt hat. �So erhielten die beut- schen Werke, die sich an der Submission der Südafrikanischen Union auf 00 schwere Lokomotiven betiligt hatten, nach den bis- herigen, noch nicht abgeschlossenen Ergebnissen 69 Maschinen in 2kvftrag, deren Wert je Stück zwischen 110 000 und 135 000 M. schwankt. Die Lieferung wurde gegen englisch «, amerikanisch « und italienische Konkurrenz der deutschen Industrie erteilt, weil sowohl Preise wie auch Lieserzeiten und technische Bedingungen am gün- stigsten waren. Auf den Protest der englischen Industrie erklärt« der süd- afrikanische Eisenbahnminister, daß die englischen Angebote 25 P r o z. über den deutschen lägen und daher bei aller Sympathie für das Mutterland nicht angenommen werden könnten. Der Miß- erfolg der amerikanischen Bewerber kommt daher, daß die Amerikaner sich ungern den strengen technischen Dorschliften der Südafrikanischen Eisenbahnverwaltung anpassen und daß daher die Qualität ihrer bisher gelieferten Moschinen Anlaß zur Kritik ge- geben hat. Bon den nach Deutschland vergebenen Lokomotiven entfallen 34 auf H e n s ch e l und Sohn, Kassel , 20 auf Krupp. 6aufftohenzollern, Düsseldorf , 5 auf L i n l e- H o s s m a n n, Breslau und 4 auf die Tchwartzkopss-Werke, Berlin . Die Sparkasse der Dank der Arbeiier. AngesseMea m»d vecnole» 9L-Q. veilin. kvallstr. 65. ist täolich mit Ausnobme von Sonnabend »ob 9—3 Uhr und 4—6 Uhr, Sonnabend» von 9—1 Uhr geöffnet.
Oer Zieichsetat-1928. Woher stammen seine Einnahmen— wohin fließen seine Ausgaben?
Der Reichsetat gewinnt, je mehr die Reparationsleistungen zur vollen Höhe anstaigen und je unsicherer die wirtschaftliche Log« sich wiederum geftoliet, auch für die Massen Immer größere Be- deutung. In gleichem Maße wächst das Interesie an seinem Inhalt. Die Einnahmen des Reichs beruhen bis aus verschwindende Ausnahmen auf Gesetzen, die nicht an eine bestimmte Zeit ge- bunden sind, sondern fortlaufen, bis sie durch ein neues Gesetz geändert oder ausgehoben werden. Dagegen muh der mutmaßliche Ertrag aus den auf Grund dieser Gesetze fließenden Einnahmen alljährlich neu veranschlagt und als Einnahme in den Etat ein- gestellt werden. Don den Ausgaben laufen die sogenannten „persönlichen Ausgaben' auf Grund der Anftellungs-, Beloldungs- und Pensionsgesetze zum weitaus überwiegenden Teil fort, ohne an das Etatsjahr gebunden zu sein. Die sächsischen Verwaltungs- ausgaben hingegen wie die sonstigen Ausgaben für allgemeine und für besondere Sachzwecke müssen alljährlich im Etat neu bewilligt werden. Der Etat oder der Hanshaltsplan, wie er im aintlichen Sprachgebrauch genannt wird, legt somit die Gesamwerwaltung und die Gesamtwirthhaft des Reichs für das betreffende Etatsjahr fest. Von seiner Gehaltung hängt die von der Reichsregierung;u führende Politik ab. Seine Bewilligung und Kontrolle ist daher eine der wichtigsten Aufgaben des Reichstages. Der Haushaltsplan zerfällt in den ordentlichen und den außerordentliche» Haushalt. In den letzteren sollen nur Ausgaben aufgenommen werden, die werbenden Charakter haben und vorzugsweise der kommenden Generation zugute kommen (Ausbau der Wasserstraßen, Eisenbahnbauten, Wohnungs- und Siedlungsbautcn usw.). Ihr» Deckung erfolgt nicht aus laufenden, d. h. von der jetzigen Generation durch Steuern und Abgaben auf- zubringenden Mitteln, sondern durch Ausnahme von Anleihen, die den Etat nur mit den Jahreszinsen und der jährlichen Tilgungs- quote belosten. Der ordentliche Haushalt für das neue Etatsjahr(1. April 1928 bis 31. März 1929) schließt in Einnahme und Ausgabe ab mit 9 356.4 Millionen Mark, der außerordentliche Haushalt balanciert in Einnahme und Ausgabe mit 146,3 Millionen Mark. Die Einnahmen fließen au» folgenden Quellen: I. Aus der Moffeubeiaflnag: in Will. M. in Mill. M. 1. Lohnsteuer.......».. 1 300,0 2. Umsatzsteuer......... 1 050,0, 3. Besöroerungssteuer....... 340,0 4. Zölle........,. 1 050,0 5. Verbrauchssteuern: a) Tabaksteuer..,»»»». 760,0 d) Zuckersteuer......... 140/1 c) Biersteuer.......... 370,0 dl Spirttiismonopok,'......... 270,0 e) Schaumweinsteuer...... 13,0 ti Zündworensteuer....... 11,4 g) Sonstige Verbrauchsabgaben... 15,6 5 322,0 Ii. Aas der vesihbelastang: 1. Einkommensteuer:
a) Steuerabzug vom Kapitalertrag. d) Einkommensteuer der veranlagten «teuerpflichtigen....... 2. Körperschaftssteuer....... 3. Vermögenssteuer•...... 4. Erbschaftssteuer.......■ III. verkehr»ssea«rn: Grunderwerb-, Kapitalverkehr-, Kraft- fahrzeug-, Bersicherungs-, Rennwett -, Lotterie-, Wechsel-, Obligationssteuer, IV. Sonstige»; 1. Verzinsung der Vorzugsaktien der Reichsbohngefellschaft...... 2. Ueberschusse der Post und der Reichs- druckerei........... 3. Ueberschusse aus dem Jahre 1927.. 4. Gewinn bei der Münzprägung... 5. Verwaltungseinnahmen der Reichs- Ministerien und der übrigen Reichs- behördcn..
150/1 1450,0 550,0 520.0 100/1
2770,0
600,0
51,2 1043 125,0 175,0
664,4
Die Tabelle zeigt, daß das Reich aus der Massenbelastung fast genau doppelt so hohe Erträge zieht, als aus der Besitzbelastung, und daß die Mossenbelastung allein immer noch 1300 Millionen mehr in die Kassen des Reichs führt, als alle anderen Steuerquellen des Reichs zusammengenommen. Die ungeheure Summe von 914 Milliarden wird nun nicht nur für die Bedürfnisse des Reiches allein verwandt. Durch die Erzbergerfche Steuerreform halte da» Reich nach dem verlorenen Krieg« alle Steuerquellen für sich mit Beschlag belegt, auch solche, aus denen früher die Länder und Gemeinden schöpften, und ihre Aufgaben erfüllen konnten. Länder und Gemeinden ständen mittel- lo» da und wären unfähig, die ihnen In immer steigendem Maße überwiesenen Kultur, und Wohlfahrtscmfgaben durchzuführen, wenn ihnen das Reich nicht wieder Mittel überweisen würde Das ge- schieht nach einem Schlüssel, um den in dem sogenannten ..Finanzausgleich' lange gerungen wurde. Nach den zurzeit geltenden Bestimmungen bzw. den Schätzungen der Regierung fetzen sich die Ausgaben des Reiches wie folgt zusammen: l. Zahlungen o« c Suder and Gemeinde» in Mill. M. in Mill. M- 1. Aus den Steuererträgen..... 3217,8 2. Für Zwecke polizeilichen Schutzes.. 190,0 3 407,8 Ii. EigenMche Re'cbsausgabea 1. Besoldungen usw........ 2. Pensionen usw. 3) Zioiloersoraung.... 92,4 d) Militärversorgung... 1 690,1
792,2
3. Sächliche Kosten der Reichswehr .. 4. Sächliche Kosten der Marine... 5. Innere Kriegslasten lEntschädigungs- äahiungen, Schieds- u. dgl. Kommis- ionen, Ausgaben für die besetzten Ge- üete, für verdrängte Beamte usw.. 6. Aeußere Kriegslasten in Erfüllung des Dawesabkommens....,. 7. Verzinsung U.Tilgung der Reichsschuld 8. Auswertung der früheren Reichs- und Kriegsanleihen........ 9. Kosten der Münzprägung.... 10. Reichszuschüsie zu den Renten der Invalidenversicherung...... 11. Krisenunterstutzung für Arbeitslose. 12. Sächliche Ausgaben d.Reichsministerien und der übrigen Reichsoerwaltungen: 3> Auswärtiges Amt...... d) Reichsministerium des Innern.. c) Reichsarbeitsministerium.... d> Reichsmin.f.Ernährg.uVondwirtsch. e) Reichsverkehrsministerium... k) Reichsfinanzmmffterium.... §) Allgemeine Finanzverwaltung.. ) lUörig« Reichsverwaltung...
1782/5 326,1 167,6
209,8 1 227/5 124,0 354,3 10,0 3754 100,0
30,2 34,0 64.0 16,7 145/5 106,5 U
5948/1
9 356.4
0 356,4 Diese Tabelle zeigt, daß von den rund S Milliarden 3ieichs- ausgaben rund 4 Milliarden, also zwei Drittelder Gesamt- summe, verbraucht werden für die Folgen des ver- lorenen Krieges und die Kosten von Reichswehr und Marine. In dieser Summe von rund 4 Milliarden sind indessen noch nicht enthalten die Reparationszahlungen, die außerhalb des Reichsetat» geleistet werden müssen. Hierhin gehören die Verbindlichkeiten der Deutschen Reichsbahn- gefellschast, aus deren Schuldverschreibungsdienst mit 660 Ml- lionen, und die der Deutschen Industrie au» dem Dienst der Industrieobligationen mit 300 Millionen, so daß die rund 4 Ml- liarden Kosten für die Kriegssoigen sich um 1 Milliarde auf rund 5 Milliarden erhöhen. Au» den verbleibenden ruird 2 Milliarden werden die gesamten zivilen Bedürfnisse des Reiches bestritten. Wie kläglich dabei die Ausgaben der Fürsorge für die unbemittelte Masse der Bevölkerung und für Kulturaufgaben im allgemeinen bedacht sind, wird noch im einzelnen nachgewiesen werden.
„Zollsenkung" des Rechtsblocks. Kulissengedanken zu einem unwürdigen Spiel.
Zwischen Zollsenkung und Zollerhöhung besteht auch ein Unter- schied im Tempo. Von einer Zoll erhöhung merk» man vor- her nichts, aber sie ist plötzlich da. Von einer Zoll s e n t u n g wird vorher viel gesprochen, aber sie kommt nicht. Um eine Zoll- erhöhung durchzusetzen, legt die Reichsregierung flugs einen Gesetzentwurf vor oder sie arbeitet sie geschickt in ein andere» Gesetz hinein. Um keine Zollsenkung durchzusetzen, kündigt die Regierung sie feierlich an, preist sie den Reparationsagenten, gibt dem Reichs- wirtschaftsrat den Auftrag zu einem Gutachten und wartet in Ruhe der Dinge, die da nicht kommen. >» Der Reichswirtschoktsrat gibt den Auftrag an seinen wirtschafts- politischen Ausschuß weiter. Dieser berät in ausgedehnten Sitzun- gen. verhört gewissenhaft ungezählte.Sachverständige' und berät wiederum. Das dauert mm schon bald ein halbe» Jahr. » Die.Sachverständigen" sind eigentlich Vertreter ihrer Sonderintereffen. Dos ist an sich kein Fehler, solange ihnen kein falsches Etikett aufgeklebt wird Sie sollten nur nicht als„Sach- verständige' bezeichnet werden, sondern schlicht und recht als„In- teressenvertrcter". Industriezweige, die auf Export eingestellt sind, brauchen keinen Schutzzoll. Dennoch wollen ihre Vertreter auf ihn nicht verzichten. Sie fühlen sich durch die Zölle des Auslandes in
ihrer Entwicklung gehemmt und hoffen, thven nutzlosen Schutzzoll gegen die der Exportmärkte einzuhandeln. Sie haben an- scheinend weder vom Zwecke des Schutzzolls noch vom Gange einer Handelsoertragsverhandlung eine recht« Borstellung. » Selbstverständlich sind— nach der Behauptung der Unternehmer— Löhne und Arbeitsbedingungen bei den anderen meist schlechter als bei uns. Ueber England und Amerika wird dabei aus Vorsicht nicht gesprochen Denn es ist bekannt, daß dort das Lohnniveau höher, die Arbeitszeit niednger sst als bei uns. Aber es ist nicht bekannt, warum diese beiden Länder trotzdem mit uns konkurrieren können. « Wenn ein Land schlechtere Arbeitsbedingungen hat als Deutsch- land, dann hört man sofort den Vorwurf des.sozialen Dumpings'. Die Tschechoslowakei z. B. steht in diesem Rufe. Ihre Einfuhr nach Deutschland betrug im Jahre 1926 insgesamt 380 Millionen Mark, unsere Ausfuhr nach England im gleichen Zeitraum das Drei fache. Wir würden schlecht fahren, wenn die Engländer mit der g le i che n Begründung des.sozialen Dumpings" unsere Ausfuhr verhindern wollten. Diese zweischneidige Waffe wird also recht unvorsichtig gehandhabt. » In einigen Staaten wohnt man freilich billiger als bei uns. Die Löhne können daher niedriger sein, ohne daß dir