Abendausgabe
Nr. 615
B 304
44. Jahrgang
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Donnerstag 29. Dezember 1927
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Normale Beziehungen zwischen Mexiko und Vereinigten Staaten hergestellt.
Washington , 29. Dezember. Staatsbürgerrechte gemährt werden. Merito würde also, Die Wiederherstellung normaler Beziehungen falls das Unterhaus dem Senatsbeschluß zustimmt, allen Sus. zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko hat einen amerikanern, die fich in Merito niederlassen, das merita weiteren großen Fortschritt gemacht. Das mexikanische nische Bürgerrecht verleihen. In hiesigen politischen Kreisen wird Unterhaus nahm die vom Präsidenten Calles vorgelegte jedoch dieser Beschluß mehr als Geste denn als praktisch bedeutsam Novelle zum Betroleumgeset in erster Lesung an. Damit aufgefaßt, da eine Ein- und Auswanderung zwischen den lateinwird die Genehmigungspflicht für vor dem amerikanischen Ländern faum besteht, abgesehen von den boli 1. Mai 1917 erworbene Celfelder gemäß der vor kurzem pianischen Saisonarbeitern in den chilenischen Salpeterlagen und ergangenen Entscheidung des merikanischen Obersten den chilenischen Landarbeitern auf den argentinischen Farmen; insGerichtshofes aufgehoben. besondere ist die Auswanderung merikanischer Arbeiter nach den Bereinigten Staaten sehr viel größer als die Einwanderung von Südame- ita nach Merito. Man bezweifelt daher, daß der Beschluß des meritanischen Senats in Südamerifa ein nenenswertes Echo finden wird.
Die Einbringung dieser Novelle durch Präsident Calles hat in den hiesigen Regierungskreisen große Be friedigung ausgelöst; Präsident Coolidge erwiderte dieses Entgegenkommen, indem er dem Staatsdeparte ment die Anweisung gab, die Ausfuhr der von der merikanischen Regierung in den Vereinigten Staaten angekauften, jedoch von der Regierung der USA . zu. rückgehaltenen 15 Flugzeuge und eines größe Anträge der megifanischen Regierung auf Waffen- und Munitionseinfuhr sollen wohlwollend geprüft werden, während bisher das Embargo der amerikanischen Regier ang auf Ausfuhr von Waffen und Munition nach Mexiko gleichmäßig gegen die mexikanische Regierung wie gegen Privatpersonen aufrechterhalten worden war.
ren Quantums Munition zu gestatten. Künftige
Die zwischen Calles und Coolidge anläßlich des Lindberghflugs gemed felten freundschaftlichen Telegramme jomie die anläßlich des Weihnachtsfestes in der amerikanischen Bresse ver öffentlichten Sympathielundgebungen füdamerikanischer Regierungschefs zur bevorstehenden Havannatagung haben hier die Zuversicht auf einen harmonischen Verlauf der Konferenz erzeugt, die durch die persönliche Anwesenheit Coolidges eine besondere Note nordamerikanischer Sympathie für die paname: ikanische Idee er. halten wird.
Ein gewisses Unbehagen hat jedoch der Beschluß des amerikani schen Senats hervorgerufen, zugunsten der Errichtung eines latein amerikanischen Staatenbundes eine Berfassungsänderung aller lateinamerikanischen Republiken tahingehend vorzunehmen, daß unter der Bedingung der Gegenteitigkeit den Angehörigen der anderen lateinamerikanischen Republiken die
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Die Staatsmiliz im Staatsfapitol verhinderte abermals die
Senatoren, eine von ihnen einberufene Sigung abzuhalten, um über das Antlageverfahren gegen den Gouverneur Johnston zu beraten. Die Senatoren erklärten daraufhin, sie würden in das Hotel zurückkehren, wo sie am Vormittag eine Sigung abgehal
ten hatten. Es wurde ihnen jedoch bedeutet, daß eventuell Truppen des Kapitols zu sprengen.
verwandt werden würden, um irgendwelche Sizungen außerhalb
England nimmt...
Perfien beklagt sich beim Bölferbund.
Das Böllerbundsjekretariat hat ein Schreit en des persischen Außenministers erhalten, worin die persische Regierung unter Be rufung auf den Völkerbundspaft gegen den Artikel 6 des Vertrages zwischen Großbritannien und dem König von Hedschas , Ibn Saud , vom 20. Mai 1927, protestiert. In diesem Vertrage wird über mehrere arabische Gebiete, darunter auch die Bahrein - Inseln, verfügt. Persien erklärt diese Inseln als persischen Besitz und beruft sich auf eine englische Anerkennung aus dem Jahre 1869.
Vertuschung des Phoebussfandals?
Die Regierung verweigert die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts. Gegenüber der auch im„ Borwärts" veröffentlichten| Rechte als Gläubiger gegenüber der Phöbusgesell Meldung, daß der Bericht des Reichssparministers über die schaft zu wahren. Entgegen dem Handelsgefegbuch hat das dunklen Filmgeschäfte des Reichswehrministe Unternehmen noch nicht einmal den Geschäftsbericht von 1926 riums Anfang Jazuar dem Reichstag und damit auch der veröffentlicht. Seit Monaten weiß man, daß die Gesellschaft, Deffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, hat die Reichs die über ein Kapital von vier Millionen Mark verfügt, Berregierung das nunmehr schon gewohnte- Dementi. luste hat, die sein Kapital übersteigen. Trotzdem ist die Die Art, wie sie sich weigert, dem Bolle über Kontursanzeige nicht erfolgt, die nach dem Handelsdie sinnlose Berquicung pon Reichswehrgeldern mit gefeßbuch bereits bei Berlust des halben Aktienkapitals zu er privaten Filmunternehmungen Aufschluß zu geben, läßt statten ist Etatsrecht und Handelsrecht wurden barauf schließen, daß der Rechtsblock es auf eine Ber also gebrochen, um die Deffentlichkeit ja nicht über die tuschung der Standalaffäre anlegt. Zunächst wird be- sonderbare Geschäftsführung einer privaten Gesellschaft und hauptet, der Reichssparfommissar sei mit dem Bericht noch gar einer Reichswehrstelle aufklären zu müssen. Dieses Verfahren nicht fertig. Nun wagen wir nicht zu bezweifeln, daß jeder steht einzig da und läßt doch wohl darauf schließen, daß Tag oder mindestens jede neue Woche neues Material über der Standal noch größer ist, als man bisher in der Deffent den Mißbrauch öffentlicher Gelder durch die Reichswehr zeitigt. lichkeit zuzugeben wagte. Denn die Instanzenwege bei der Anlage solcher ,, Geschäfte" find bekanntlich sehr verschlungen. Tatsache ist jedoch, daß der Bericht des Sparkommissars den Fraktionsführern bereits vorgelegen hat.
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Der Kampf um den Wahltermin
Eine innere Streitfrage des Bürgerblocks.
In der Breffe geht der Streit darüber, wann gewählt merden soll, weiter. Dabei stellt sich immer deutlicher heraus, daß es sich hier um eine. innere Frage des Bürgerblods handelt.
Die Tägliche Rundschau" läßt heute die Kaze aus dem Sad. Sie teilt mit, daß sich Herr Stresemann im Aus= wärtigen Ausschuß des Reichstags ganz offen über die Bedeutung des Bahltermins ausgesprochen hat.
,, Dabei," sagt sie ,,, ist niemals davon die Rede gewesen, daß die deutschen Wahlen vor den französischen Wahlen liegen follten, wohl aber davon, daß es wünschenswert sei, zur Regelung mancher außenpolitischen Angelegenheiten nicht im entscheidenden Moment noch vor den Neuwahlen zu stehen, wodurch die Aktionsfähigkeit einer Re gierung naturgemäß international behindert wird."
Offenbar bezogen sich auch die Mitteilungen der Welt am Montag" auf diesen Vorgang im Auswärtigen Ausschuß. Dort war, um dies richtigzustellen, auch nicht von einer ,, Bereinbarung" zwischen Stresemann und Briand die Rede, fondern es war gesagt:
Es scheint aber, daß im Zusammenhang mit dem Problem der
Rheinlandräumung der Wahltermin auch Gegenstand einer Unterredung zwischen Stresemann und Briand in Genf gewesen ist, und daß die beiden Staatsmänner
fich darüber einig waren, daß es wünschenswert sei, wenn bald nach
den französischen Wahlen, die wahrscheinlich am 6. Mai beendet
sein werden, sich auch in Deutschland ein Kabinett am Ruder befindet, das nicht durch eine noch bevorstehende Entscheidung der Wähler in seiner Berhandlungsfähigkeit beschränkt ist.
Diese Darstellung ist ganz richtig. Um fo interessanter ist es, daß heute der neue Chefredakteur der ,, Germania ", Herr Dr. Buhla, in seinem Blatt mit größter Heftigkeit der Rechten beitritt, die aus Angst vor dem Wahl ausgang den Wahltermin möglichst in die Ferne rücken möchte, obwohl fie weiß, daß aus einem solchen Borgehen dem Reich außenpolitischer Schaden droht.
Für den Mann der neuen Richtung in der Germania " ist es die Frage der Schulvorlage, hinter die alle anderen Interessen des Reiches zurücktreten müssen. Er fchreibt:
Worauf aber die vereinigten Fraktionen des Zentrums und der Bayerischen Boltspartei und mit ihnen hoffentlich alle übrigen Koalitionsparteien den größten Wert legen, das ist die Verabschiedung des Reichsschulgefeßentwurfs. Es wäre eine falsche Annahme, zu glauben, daß das Zentrum, etwa bereit sein fönnte, feine Zustimmung zu einer Auf lösung des Reichstages zu geben, ohne daß der Reichsschulgesetzentwurf erledigt ist. Wir glauben, daß die Koalitionsparteien über diese Auffassung im Zentrum hinreichend unterrichtet sind.
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Ueber die Frage des Reichsschulgesetes hat sich erst heute morgen Genosse Dr. Löwenstein im Vorwärts" fachverständig geäußert. Hier hängt doch alles davon ab, ob die Bürgerblockmehrheit in dieser Frage zu einem einheitlichen. gelungen ist. Wäre der Bürgerblock über die Schulvorlage Entschluß kommt, zu dem sie zu bringen bisher noch nicht gelungen ist. Wäre der Bürgerblock über die Schulvorlage einig, dann wäre sie schon unter Dach. einig, dann wäre sie schon unter Dach.
maßen: Herrn Stresemann ist aus außenpolitischen Gründen Offenbar spekuliert nun die Richtung Buhla folgenderan früheren Wahlen sehr viel gelegen. Die Partei Strese mann aber bereitet der Berabschiedung des Schulgesetes im Sinne des Zentrums Schwierigkeiten. Also hält man der Bariei Stresemann den Stod der Schulvorlage vor, über den sie springen muß, wenn der Außenminister Stresemann die Reichstagsauflösung bekommen soll, die er für seine Außenpolitik braucht.
Ein nettes fleines Geschäft! Seinem Grade
Don
Moralität entspricht es vollkommen, wenn in dem Artikel des Herrn Dr. Buhla zum Schluß folgendes erklärt wird:
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Wir möchten meinen, daß der unentwegte Ruf der Wenn schließlich dazu noch erklärt wurde, daß man mit Rücksicht auf die schwebenden Verkaufsverhandlungen Oppofition nach Neuwahlen dem Bedürfnis der Partei alles unnötige Geräusch vermeiden müsse, so braucht bloß auf tattik entspringt. Regierung und Regierungsparteien mögen sich den Fall Barmat hingewiesen zu werden, wo das plumpe dadurch nicht in die Beunruhigung versetzen lassen, deren Erregung Borgehen von staatlichen Behörden dem Reiche Milienen lauten Rufern im Streit mehr am Herzen liegt, als fachlich Die Spaßen pfeifen es von den Dächern, daß die Mit- tionen gekostet hat. Damals war man nicht so zimperlich. ernste Arbeit. Unsere Parole lautet: Ruhig Blut! teilungen über Berluste des Reiches in Höhe von 8 bis 10 Für die Phöbus liegt die Sache jedoch noch viel einfacher. Millionen Mark durchaus zutreffen. Daraus müssen doch Das Reich hat seinen Besitz zu liquidieren. Die Reichs endlich einmal Konsequenzen gezogen werden. Das treuhandgesellschaft wird diese Aufgabe schon leisten, Bolk hat ein Recht darauf, zu erfahren, was mit den Steuer- und es liegt fein Grund vor, anzunehmen, daß die Liquida geldern geworden ist, die das Reichswehrministerium unter tion anders verlaufen wird, wenn man- wie bei anderen Umgehung des Etatsrechts einer privaten Gefell - größeren Auseinandersetzungen in Privatunternehmungen schaft zugewendet hat. Wenn der Bericht des Sparkommissars -die Deffentlichkeit unterrichtet. Im Gegenteil: Solange noch ergänzt werden muß. so soll es auch schon anderwärts wildesten Kombinationen freter Raum bleibt. solange ist auch vorgekommen sein, daß Ergänzungen als Anlagen und Nach zu befürchten. daß das Reich an seinem Guthaben noch mehr träge später geliefert wurden. Zu warten. bis die Veröffent verliert. Daher gebietet auch die geschäftliche Seite des Falles lichung überhaupt, feinen Sinn mehr hat, liegt daher kein eine öffentliche Behandlung der Chibusaffäre. Schweigt der Rechtsblock aber weiter, so wird die Deffentlich feit auch dieses Schweigen zu deuten wissen. Nur, daß die Deutung erst recht nicht von Borteil für die Sachwalter des Rechtsblods fein mird.
Anlaß vor.
Das Mißtrauen in die Berschleppungsversuche des Rechtsblocks ist um so begründeter, als das Wehrminifterium alles unterlassen hat, um menigftens die geschäftlichen
Die
Wenn Herr Dr. Buhla die Sache so darstellt, als wäre es die Opposition, die aus parteitaktischen" Gründen Neuwahlen fordere, während die Regierungsparteien sich aus offenbar gar nicht parteitaktischen" Gründen- dieser Forderung widersetzten, so führt er seine Leser damit irre. Der Streit um den Wahltermin hat sich nicht zwischen Opposition und Regierungsparteien, sondern innerhalb der Regierungsparteien felbst entwickelt. Deutschnationalen schlottern vor Wahlangst, sie möchten am liebsten überhaupt feine Wahlen haben, aber wenn es schon fein muß, dann nur zum allerleßten Termin. Das Zentrum versteift sich auf das Schulgesetz und will alles drüber und drunter gehen laffen, wenn es mit dieser Vorlage fein Glüc hat. Gegenüber diesen rein parteipolitischen Erwägungen steht die fachliche Notwendigkeit, gleich nach den