Morgenausgabe
Nr. 37 A 19
45. Jahrgang
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Sonntag 22. Januar 1928
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Reudell entschuldigt sich.
Er redet sich herein und heraus.
Herr von Keudell ist ein großer Schweiger. Manchmal| gefühlt. Welche Befreiung muß es für ihn gewesen sein, einen tut er den Mund auf dann wünschen seine Kollegen, er Tag nicht die Löwenhaut des Ministers umnehmen zu hätte weitergeschwiegen. Auf der Länderkonferenz war er müssen! still wie ein Grab, und das war gut für ihn. Hätte er seine Entdeckung von der Souveränität der Länder dort verkündet, so hätte er Herrn Bazille erfolgreiche Konkurrenz gemacht.
Am Freitag war Herr von Keudell, der Reichs innenminister, nicht im Reichstage. Er hat sich vor der Rede des Sprechers der Opposition gedrückt. Er war in Stettin auf der Tagung des Landbundes. Dort war ihm wohler, und dort hat er geredet. Die„ Deutsche Tageszeitung" be
richtet:
,, Man werde es hier verstehen, fuhr der Minister unter großer Heiterfeit fort, daß er es heute für wichtiger gehalten habe, in
Herr von Keudell hat freilich vergessen, daß er ver antwortlich ist, und daß eine gewisse Freiheit, die er sich erobert hat, ihn noch nicht von der Pflicht einer gewissen Achtung vor seinem Amt und vor dem Reichstag entbindet. Er wurde gestern wegen seiner den Reichstag verächtlich machenden Rede von den Sozialdemokraten gestellt. Herr Mary nahm ihn beiseite und belehrte ihn, daß er eine Erklärung abgeben müsse. Herr von Keudell mußte wieder in die Schule. Er gab eine Erklärung ab, daß Gott erbarm: Notlage der Landwirtschaft, Information notwendig, Zeitungsberichte ungenau.
Der Fall war für ihn erledigt wie der Fall Trescow,
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Reich ohne Recht!
Luther- Skandal und Bürgerbloc/ Das Kapital pfeift auf den Staatsgerichtshof.
Großes Klingelzeichen im Reichstag: der Kanzler spricht. Die Abgeordneten strömen in den Saal. Sie sehen Herrn Marg in starter Erregung. Sie hören ihn fagen, er be daure, daß diese Sache hier zur Sprache gebracht worden fei. Sie eigne sich nicht zur öffentlichen Erörterung. Er fei auf diese Debatte nicht gefaßt gewesen. Er habe daher nicht die Akten bei sich. Aber er fönne den Vorwürf einer illoyalen Handlungsweise nicht auf sich sitzen lassen, müffe also sofort reben, obwohl noch einmal die Angelegenheit öffentlich taum zu behandeln sei. Die herbeigeeilten Abgeordneten meinen, der Chef der Regierung wehre sich da verzweifelt gegen einen ganz überMann, der den Reichskanzler zu diesen aufgeregten Aeußerungen veranlaßt hat, heißt v. Guérard und ist Borsitzender der entrumsfraftion.
Irrtum. Der
diese Versammlung zu tommen, um dem Pommerschen Landbund dieweilen feinen Kollegen über soviel Begabtheit das heulende Morten über den Luther- Standal in ein Wespennest
die Grüße der Reichsregierung zu überbringen, statt sich im werde."
Reichstag mit anzuhören, wie er persönlich angegriffen
Herr von Reudell ist also hinter die Schule gegangen, weil er den Lehrer fürchtete und hat sich bei seinen Freunden auf der politischen Spielwiese der Landbunddemagogie wohl
Elend ankommt.
Herr von Keudell hat mildernde Umstände. Dumm heiten sind dazu da, daß sie gemacht werden. Einer muß sie machen und Herr von Keudell ist dazu prädisponiert. Warum sollte man ihm gram sein? Er tut was er fann, um seine Regierung noch unmöglicher zu machen, als sie so schon ift!
Reine Hilfe gegen Wahlfälschung?
Der neueste Skandal in Ostoberschlesien.
Rattowi, 21. Januar.
Die polnische Presse bringt die Nachricht, daß die Beschwerde der deutschen Wahlgemeinschaft über die mangelhafte Auslegung der Wählerlisten in Oberschlesien und die Nicht berücksichtigung von Zehntausenden deutscher Wahlberechtigter vom polnischen Generalwahlkommissar in Warschau ab. gelehnt worden sei. In der Begründung soll aus geführt werden, daß die telegraphische Beschwerde keinerlei Beweiskraft für die gerügten Mängel habe und eine Verlängerung der Einspruchsfrist nach Artikel 35 der polnischen Wahlordnung unzulässig sei.
Stimmt diese Meldung, so hat man es mit einem. Massenbetrug schlimmster Art zu tun; der Völkerbund dürfte ihn nicht geschehen lassen. Eine unverzeihliche Leichtfertigkeit wäre es allerdings, wenn der Beschwerde nicht genügendes Beweismaterial beigegeben war; das möchten
wir zunächst nicht annehmen.
Terror der Pilsudskiften.
Kaffowih, 21. Januar.
In einer Bersammlung des polnischen katholischen Wahlblods, die von über 1000 Personen besucht war, war Korfanty Hauptredner. Als er die Politik der Regierung Pilsudstis und die.3ustände in der Wojewodschaft Schlesien einer scharfen Kritik unterzog, wurde er durch immer wieder ausbrechenden Tumult am Weiterreden verhindert.
Woldemaras' Schreibübung.
In Polen nicht ernst genommen. Warschau , 21. Januar. Das Pilsudski - Blatt Glos Prawdy"( ,, Stimme der Wahrheit") teilt mit, daß sich die Regierung bisher mit der litauischen Antwortnote noch nicht befaßt habe. Das Blatt glaubt aber nicht, daß die litauische Note irgendwie ernst zu nehmen oder als ein für die Einleitung von polnisch- litauischen Verhandlungen för. derliches Instrument zu werten sei.., Glos Prawdy" nennt es nicht ein diplomatisches Dokument, sondern einen polemischen Artikel, geschrieben von einem nicht ernst zu nehmenden Publizist en.
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Wenn sonst gut unterrichtete Leute diesmal nicht irren, so wird die Kownoer Diftatur nur ausgerechnet!- von ihrer Kollegin anderer Fakultät, der Mostauerei, in ihrem Widerstand gegen die vom Bölferbundsrat empfohle nen Verhandlungen mit Polen bestärkt. Die russische Note
Festhaltens an der Nichtanerkennung der Wegnahme Wilnas offenbar den Kownoer Diktatoren Mut gemacht. Es ist jedoch stark zu bezweifeln, daß der Völkerbundrat sich gefallen laffen wird, daß die Smetona und Woldemaras auf seine vorschriftgleiche Empfehlung" pfeifen; Polen dürfte sich damit nicht abfinden und wenn die Verhandlungen nicht vorher be ginnen und erfolgversprechend verlaufen, die Angelegenheit dem Rat wieder vorlegen. In diesem Fall wird das sonst so beliebte Bertagen schwerlich angehen.
Polnische Antwort angekündigt.
Warschau , 21. Januar. ( Eigenbericht.) Wie verlautet, wird die Regierung in der nächsten Woche eine neue Note an Litauen mit genauen Vorschlägen über Zeit und Ort der geplanten Berhandlungen absenden. Die Regierung strebt eine Beendigung der Berhandlungen noch vor der März
tagung des Böllerbundes an.
Angeblich unter dem Druck Kownos hat die fitauische Bevölke= rung des Wilnagebietes beschlossen, die polnischen Parla mentswahlen zu bontottieren, aus Protest gegen die Annegion.
Längere Unterredung.
Paris , 21. Januar. ( Eigenbericht.) Josef Birth wurde am Sonnabend vom Ministerpräsidenten Boincaré empfangen. Die Unterredung mar von längerer. Dauer. Die ungewöhnlich herzliche Aufnahme, die in Paris dem ehemaligen Reichskanzler bereitet wurde, ist ein erfreuliches Symptom für den Fortschritt, den die deutsch - französische Annäherung in der letzten Zeit gemacht hat.
Wahl im Konsum- Verein
Heute Sonntag vormittag von 9 bis 1 Uhr finden die Wahlen der Vertreter in der Konsum- Genossenschaft Berlin statt. Jedes Mitglied kennt sein Wahllokal und seine Wahlpflicht!- Die Kommunisten bemühen sich, auch den Konsum- Verein ihren Parteizwecken dienstbar zu machen. Die sozialdemokratischen Mitglieder werden das verhindern.- Kein sozialdemokratischer Genossenschafter darf die Wahl versäumen! Jeder Konsum- Genossenschafter stimmt für die
Bußte Herr v. Guérard, daß er mit seinen wenigen griff? Hatte er die Wirkung seines Borstoßes- nein, das Wort ist viel zu start seiner behutsamen Andeutung vor ausgesehen? Gleichviel, dieser Zusammenstoß zwischen zwei Führern einer Partei in öffentlicher Reichstagssigung bleibt ein ganz außerordentlicher Vorgang.
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Im Juli 1925 ftarb der Geh. Kommerzienrat Arnhold, Mitglied des Verwaltungsrats der Deutschen Reichsbahngefellschaft, auf dessen Ernennung sich im Jahre zuvor Preußen und das Reich geeinigt hatten. Als seinen Nachfolger benannte Preußen, das sich auf Grund der geltenden Gesetze und Ver träge dazu berechtigt fand, den Ministerialdirektor Schulze. Die Reichsregierung bestritt die Ansprüche Preußens und teilte am 5. Juli 1926 der preußischen Regierung mit, daß fie an Arnholds Stelle den früheren Reichskanzler Luther ernannt habe.
Luther hatte als Reichskanzler den Anspruch Preußens auf das allerentschiedenste bekämpft.
Mit dem Vorgehen des Reiches war Preußen nicht einverstanden. Es ging an den Staatsgerichtshof Der Staatsgerichtshof fällte am 7. Mai 1927 die Entscheidung:
Auf Grund Ziffer IV der zur Auslegung des Staatsvertrages über den Uebergang der Staatseisenbahnen auf das Reich vom 30. April 1920 von dem Reichsverkehrsminifter und dem Preußischen Minister für Handel und Gewerbe abgegebenen Erklärungen vom 25. März 1924 hat Preußen gegenüber dem Reiche das Recht, ein mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Reichsbahngesellschaft
zu benennen.
In der Urteilsbegründung heißt es:
war zur
Die Verwirklichung des preußischen Anspruchs Zeit des Todes des Geheimen Kommerzienrates Arnhold durch
führbar und ist es heute noch. Die Durchführung hat das Reich zu Unrecht verweigert.
Widerruflich ist über Preußens Ansprüche hinweg
gegangen, widerrechtlich ist Luther ernannt worden. Sagt der Staatsgerichtshof. Was tut Luther ? Was tut das Reich?
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Luther fitzt auch heute noch im Verwaltungsrat der Reichsbahn, und Preußen steht noch immer vor der Tür.
Die Reichsregierung hat an sämtliche von ihr ernannten Herren im Berwaltungsrat der Reichsbahn die Anfrage gerichtet, ob nicht etwa einer von ihnen bereit sei, zugunsten Preußens zurüdzutreten. Alle antworteten mit Nein. Auch Luther .
Die Reichsregierung glaubt, damit ihre Pflicht getan zu haben. Allenfalls will sie grotester Gedanke!- noch einmal an den Staatsgerichtshof gehen, der ihr sagen soll, wie sein Urteil auszuführen ist.
Die Reichsregierung sagt, daß sie sonst nichts fann. Wirklich nicht? Sie hatte eine dirette moralische Einwirkung auf den unrechtmäßigen Inhaber eines mehrere 3ehntausend Marf tragenden Aufsichtsrats= postens gar nicht erst versucht. Glaubt sie, daß diefer Mann moralischen Einwirkungen unzugänglich sei? Dann hätte sie es mit einem Appell an die Klugheit, nötigenfalls an die Furcht versuchen sollen. Hätte sie Herrn Luther er= öffnet, daß sie genötigt sei, ihn öffentlich preiszugeben, wenn er das unrechte Gut dieses Aufsichtsratspostens nicht wieder herausgebe Herr Luther hätte sich gefügt.
Er wäre flug genug gemejen, einzusehen, daß es sich nicht lohne, wegen eines Aufsichtsratspostens sich moralisch unmöglich zu machen. Auf das Geld kann es ihm ja auch gar nicht ankommen. Er bezieht als Reichskanzler a. D. und ehemaliger Gefchäftsführer des Deutschen Städtetages zwei Pensionen, als Aufsichtsrat der RW E.( Vögler), von Krupp und Th. Goldschmidt - mindestens dreierlei Tantiemen. Leben fann der Mann, auch ohne Verwaltungsrat bei der Reichsbahn zu sein.
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war, das zeigt ihr inzwiſchen bekanntgewordener Inhalt, Liste Genossenschaftsaufbau! halten, Mächte, an bie fich b te le Reichsregierung
teine Friedensstiftung; fie hat burch die Beteuerung treuen