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Nr. 50
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45. Jahrgang
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Montag
30. Januar 1928
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te etapeliige Ronpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezetle 5.- Reichs mar! Aleine Anzeigen" des fettge. druckte Wort 25 Biennig( zulässig zmei tettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig Stellengesuche das erite Bort 15 Bfennig. jedes meitere Bort 10 Pfennig Worte über 15 Buchstaben zahlen für zwet Borte Arbeitsmarti Zeile 60 Biennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden. Straße 3. wochentägl von 8 bis 17 Uhr.
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,, Das Rad der Linksentwicklung rollt".
Auf dem Wege der vollständigen Einigung aller Sozialisten. Prag , 30. Januar. ( Eigenbericht.) Der Kongreß der sozialdemokratischen Parteien aller Nationen der Tschechoslowakei endete am Sonntag nach Neustrelit, 30. Januar.( Eigenbericht.) einem Referat des tschechischen Genossen Dr. Winter und des deutschen Genossen Schäfer über die SozialWährend der Reichslandbund in Berlin zu seinem politik seine Beratungen mit der einstimmigen Auf- Massenaufmarsch für die großagrarischen Forderungen stellung der Forderungen der Arbeitnehmerschaft hierzu. rüstet, fanden gestern in dem agrarischen Mecklenburg Den Höhepunkt des Kongresses bildete die Rede des Strelitz Landtagswahlen statt, die für die reaktionäre tschechischen Genossen Dr. Soukup, der mit dem Demagogie eine ebenso schwere Niederlage wie für die glühenden Bekenntnis zur internationalen Idee Sozialdemokratische Partei einen vollen und zur Republik den Kongres zu stürmischem Beifall Erfolg brachten. Der deutschnationale Führer Graf hinrih. Für die künftige Zusammenarbeit der soziale starp hatte fürzlich in einer Wählerversammlung demokratischen Parteien gab Soukup die Losung aus: noch erklärt, daß diese Wahlen mit entscheidend für Liebe um Liebe, Vertrauen um Vertrauen! die Politik des Reiches seien und hatte dazu wörtlich geIn den Schlußreden der deutschen und tschechischen sagt:„ Das Rad der Linksentwicklung rollt weiter, wenn Parteivorsitzenden kam nochmals der gemeinsame Wille Ihr nicht den Anfang macht, ihm im Jahre 1928 Halt zu zur Arbeits- und Kampfgemeinschaft der gebieten." Die mecklenburgische Bevölkerung, die mit sozialdemokratischen Parteien zum Ausdrud. einer überraschend hohen Wahlbeteiligung von 80 Proz. an die Wahlurne getreten war, hat nun gesprochen. Während die Sozialdemokratie rund 4000 Stimmen und ein Mandat gewinnen konnte, haben die Deutschnationalen von der gestiegenen Wahlbeteiligung noch nicht 200 Stimmen profitiert und auf diese Weise ein Landtagsmandat eingebüßt.
Der noch zu bildende gemeinsame Ausschuß aller sozialdemokratischen Parteien der Tschechoslowakei wird nach der Stärke der Mitgliedschaft der einzelnen Parteien zusammengesett. Er soll alsbald zusammen
treten.
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Das vom Kongreß erlassene Manifest ruft die Prole tarier aller Nationalitäten zum gemeinsamen Kampf um den Schutz der sozialen Errungenschaften und zum Schuß des demokratischen Lebens in der tschechoslowakischen Republit auf. Durch gemeinsame Arbeit soll eine Atmosphäre ruhiger 3usammenarbeit zum gemeinsamen Wohle aller geschaffen werden. Das Manifest ruft zu einträchtiger Arbeit trotz der Meinungsverschiedenheiten in bestimmten Problemen auf. Es fordert die fofortige Ausschreibung der Wahlen in die Landes und Bezirksvertretungen,
Polizei in der Kirche.
Der Kirchenstreit in England.
Der Bilar der St.- Cutbert- Kirche in Darwen mußte gestern Polizei zu Hilfe rufen, um einer Kundgebung gegen den Anglo- Katholizismus zu begegnen. Etwa 1000 Menschen füllten die Kirche, und die Mehr zahl von ihnen nahm an der Kundgebung teil. Der Gottesdienst mußte unterbrochen werden. Die Demonstranten sangen die Nationalhymne. Nach dem Gottesdienst gab es Zusammenstöße auf der Straße. Die Geistlichen, die an dem Gottesdienst teilgenommen hatten, mußten von einem großen Polizeiaufgebot gegen eine Menge von nicht weniger als 2000 Personen geschützt werden.
Die faschistische Kriegsgefahr. Bom Pariser Antifaschistentongreß aufgedeckt.
Paris , 30. Januar. ( Eigenbericht.) Ein Antifaschisten- Kongreß ist hier unter dem Borfiz Turatis zusammengetreten. In einer Entschließung wird erklärt, daß allein der Faschismus an der Prisenhaften Spannung zwischen Rom und Paris die Schuld trage. Die Entschließung Derlangt offene Aussprache zwischen den beiden Schwesternationen, weiter Ginigung Italiens mit Südslawien , Aufgeben der imperialistischen Politit in der Adria und auf dem Balkan . Sie erklärt dann weiter, daß der Völkerbund im Interesse der Rohstoffversorgung eine neue Berteilung der Kolonien Dornehmen müsse, aber Italien habe nicht das Recht, neue Kolonien zu fordern, bevor es nicht seinen bisherigen Besitz voll ausge nüz. habe.
Der immer noch vertagte Protest.
Angeblich wird er doch erfolgen.
Paris , 30. Januar. ( Eigenbericht.) Der offiziöse Petit Parifien" weiß heute aus Bukarest zu melden, daß der Protest der Kleinen Entente gegen Ungarn , der bisher wegen der passiven Resistenz Rumäniens immer vertagt werden mußte, nun doch heute in Genf erfolgen werde. Außerdem erklärt das gleiche Blatt, daß Titulescu bei seinen Verhandlungen mit Mussolini sich nicht etwa als Vorfämpfer für die faschistische Politik auf dem Balkan habe einspannen lassen. Er jei vielmehr als Vermittler zwischen Italien und Jugoslawien aufgetreten. Man tönne nunmehr sicher sein, daß die birefte AusSprache in Rom und Belgrab in allernächster Zeit in Gang fommen
merbe
Die Neuwahlen waren dadurch erforderlich geworden, daß der Staatsgerichtshof feinen bekannten Spruch zugunsten der Splitterparteien gefällt hat, so daß der Mecklenburgische Landtag fich auflösen mußte, da dort, ähnlich wie in anderen Ländern an die Aufstellung von Listen bestimmte materielle Bedingungen gefnüpft waren. Der Wahlerfolg der Sozialdemokratie ist um so bedeutsamer, als die letzten Wahlen erst am 3. Juli v. J. stattge= funden hatten, der Stimmungsumfchwung also in einer sehr kurzen Beit eingetreten ist. Gegenüber diesen letzten Wahlen haben sich die Stimmzahlen und die Mandatsverteilung nach den vorläufigen Ergebnissen folgendermaßen verändert:
Stimmen
5172
10 606
29. 1. 1928 Sozialdemokratische Partei . 19 264 Verb. der Haus- u. Grundbefizervereine 1553 Kommunistische Partei . 3.564 Verband für Handwerk und Gewerbe. Deutschnationale Partei Aufwertungs- und Bolfsrechtspartei. 1886 Deutsche Volkspartei Bereinigte Erbpächter, Büdner u.häusler 1414 Deutschvölkische Freiheitsbewegung.. 1960 Bund der Kleinlandwirte Dorfbund
Deutsche Demokratische Partei Deutsche Reformpartei
Mandate
8. 7. 27 29.1 28 3.7.27 15 306 13 12 1569 1 4172 2 4615 4 10 415
1
3
810
1
2031 1
1
1
2294
1
665 559
1.765
1
2 362 128
3 058
1.825
LIITO020
TB4DOTO77020
Bei der Mandatsverteilung wäre das Ergebnis für die Deutschnationalen noch nachteiliger, für die Sozialdemokratie noch günstiger gewesen, wenn die bürgerlichen Parteien nicht untereinander eine List enverbindung eingegangen wären. In dem Berlust, den die Demokraten und die Deutsche Volkspartei erlitten haben, wird man den Beweis dafür sehen können, daß die Versuche unter allen Umständen entgegen der Stimmung des Volkes eine Rechtspolitik zu treiben, auf den wachsenden Widerstand auch innerhalb des liberalen Bürgertums stoßen.
Noch drastischer wird der Zusammenbruch der reaktionären Politit, wenn man die letzten gültigen Landtagswahlen vom 6. Juli 1923 mit den neuesten Ergebnissen vergleicht. Damals hatte die Sozialdemokratie mur 11 707 Stimmen und 8 Mandate auf sich vereinigen fönnen. Der Zuwachs beträgt 7557 Stimmen, fast zwei Drittel des damaligen Bestandes. Die Deutschnationalen blieben gestern um rund 2000 Stimmen hinter ihrem Höchststand von 1923 zurück. Von den Bölkischen, die feinerzeit nog 4651 Stimmen auf sich vereinigen fonnten, bleibt noch das winzige Häuflein von 1960 Stimmen; die Kommunisten gar, die damals mit 10 633 Stimmen zehn Mandate für sich beanspruchen konnten, ist, nicht zu= letzt unter dem Eindruck der Vorgänge in Rußland , nur noch ein Wählerbestand von 3564 übriggeblieben, der ganze zwei Mandate auf sich vereinigt! Die Aufwertungspar= teiler haben diesmal in Mecklenburg den Deutschnationalen ein Mandat abnehmen können.
So sind die Mecklenburger Wahlen ein Symptom der Stimmung auf dem Lande. Die Regierungsbildung ist von Wichtigkeit vor allem deshalb, weil Mecklenburg- Strelitz auch eine Reichsratsstimme zu verwalten hat, die bei den schwierigen Fragen und wechselnden Mehrheiten im Reichsrat unter Umständen von Bedeutung sein kann. Die Entscheidung, ob eine Rechts- oder eine Linksregierung amtieren wird, liegt bei den Demokraten, da der eine Vertreter der Deutschen Volkspartei seinen Wahlkampf mit dem ausgesprochenen Ziele der Großen Koalition geführt hat. Nach dem Fiasko der Rechtsregierung, deren bisherige Tätigkeit das Aufkommen der Splittergruppen und die Schwächung der Mittelparteien verursacht hat, dürfte die Entscheidung nicht schwer sein. Die Deutschnationalen verlieren zwei Mandate.
Neustrelit, 30. Januar.
Wie der Landeszeitung für beide medlenburg aus dem Medlenburg- Strelitzer Staatsministerium mitgeteilt wird, hat eine Nachprüfung der erfien vorläufigen Berechnung der Mandate für den neuen Medlenburg- Strelitzer Landtag zur Aufdedung eines Irrtums geführt. Nach deffen Beseitigung ergibt sich eine anderweitige Berechnung der Mandate. Die Deutschnationalen erhalten nicht, wie zuerst mitgeteilt, neun, sondern acht Mandate, dafür erhalten die Kommunisten statt zwei drei Mandate.
Am Sonntag gingen im Freistaat Cippe die Stadtverordneteuwahlen vor sich. Sie brachte unseren Genoffen zum Teil ansehnlichen Stimmenzuwachs. So stieg unsere Stimmenzahl in Cage von 900 auf 1280, in Salzuflen von 1791 auf 2171, in Schöffmar von 1074 auf 1353, während fie in Detmold und Lemgo stabil blieb. In Detmold verloren die Deutschnationalen die Hälfte ihrer Mandate und rund 1000 Stimmen. ( Sie erhielten 1306 gegen 2373 Stimmen bei der letzten Wahl) In mehreren fleineren Ortschaften, zum Beispiel in Schwalenburg und in Derlinghausen, haben unsere Genossen die Mehrheit der Stimmen und der Gemeindevertreter erobert.
Eine Niederlage für Marx.
Der Reichsparteiausschuß des Zentrums fabriziert Richtlinien. Der Reichsparteiausschuß des Zentrums hat am Sonntag getagt. Sein äußeres Ergebnis war eine Entschließung. Seine politischen Ergebnisse sind:
Reichskanzler Marg hat keine Vertrauenskundgebung des Parteiausschusses erhalten.
Mary stellte fest, daß das Zentrum die Verfassung und die gegenwärtige Staatsform bejaht. Ausdrücklich erklärte Dr. Mary, daß es absolut falsch sei, wenn man in dieser Frage Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Zentrumspartei fonftruieren wolle. Das Zentrum stehe zur deutschen Republit, wie sie in der Weimarer Berfassung festgelegt ist. Er hat also in der Verfassungsfrage einen Rüd 3 ug angetreten.
Das Zentrum wird sich mit aller kraft für das Reichsschul gefeß und das Elternrecht einsehen.
Der Ausgang der Tagung ist eine Niederlage für Mart, ohne daß der Erfolg des Arbeiterflügels besonders hoch anzuschreiben wäre.
Dieser Erfolg besteht in einer Entschließung, die den auf
begehrenden Zentrumsarbeitern den Mund stopfen soll. Die Notwendigkeit der Erfüllung der sozialen Grundgedanken und fortschreitenden Sozialpolitik wird in den Bordergrund gestellt, es wird die Forderung erhoben, daß die Arbeiter ihr Lohneintommen heben und ihre Arbeitsbedingungen verbessern müssen. Raftengeist und Klassenvorurteil wird verurteilt.
Das für die christlichen Arbeiter. Aber das Manifest enthält auch eine Tröftung für die anderen:
„ Die Urproduktion in Industrie und Landwirt fchaft bedarf in Rücksicht auf unsere schwierige Lage in der Weltwirtschaft einer besonderen planmäßigen Förderung."
Jedem das Seine: den Agrariern die Millionen, den Ruhrindustriellen die Ruhrmilliarde und die besondere planmäßige Förderung, und den chriftlichen Arbeitern die Erlaubnis, gewerkschaftliche Rämpfe zuführen. Das Manifest enthält also eine Konstatierung der Klassenlage von heute. Ueber den politischen Willen des