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Abend ausgabe malo pami

r. 56 B28

45. Jahrgang

öchentlich 10 Bfennig mona

& Reichsmart, tm soraus zahlbar. Unter Streifband im In- und Aus land 8.50 Reichsmart pro Monat

Der Berwaris mit bez tuftrier ten Sonntagsbellage Boll und Zelt fowie ben Beilagen Unterhaltung und Biffen aus der Filmmelt Stadtbeilage Frauenstimme

Der Kinderfreund Jugend- Bar marts" Blid in die Bücherinelt", Stulturarbeit amb Technit zweimal,

ericeint

wochentäglich

Sonntags und Montags einmal

Vorwärts

Beeliner Bolksblatt

Donnerstag 2. Februar 1928

10 Pfennig

Die einipatsige Ronparetezeite 80 Pfennig Reflamezetle 5- Reichs mort Aletne Anzeigen" bas tettge Brudte Wort 25 Bfennig zuläffig grb- en retgedruckte Borte), tebes meitere Bar 12 Bfenmg. Stellengetuche. Das erflo Wort 15 Brenntg, tebes weitere Bors 10 Pfennig Worte über 13 Buchstaben sählen für zwei Borte Arbeitsmarti Seile 60 Bfennig. Familienanzeigen.fin Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgelhäft Linden. Straße 3, wochentagl von 81%, bis 17 Uhe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin S 68, Lindenstraße 3 Bernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Abr.: Sozialdemokrat Berlin

sic:

Auf zum Gendarmenmarkt!

Proteft gegen die Freilaffung Paul Schmelzers.

Bölkische Befreiungsaktionen zugunsten inhaftierter rechtsradikaler Mörder, Hochnerräter usw. gingen in den ersten Jahren der Republik sehr einfach vor sich: ein paar Jünglinge der D. C. drangen, mit allen Mitteln der modernen Berbrechertechnik ausgerüstet, in die Strafanstalten ein und Berbrechertechnik ausgerüstet, in die Strafanstalten ein und befreiten die Betreffenden fiche Vogel, Boldt, Dittmar, Ehrhardt usw.

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Seitdem ist die Sache schwieriger geworden und die völki schen Herrschaften müssen sich mit öffentlichem Ge­drei begnügen. Die widerliche Art, wie man den Feme­häuptling Oberleutnant Paul Schulz zum Nationalhelden und Märtyrer zu erheben fuchte, ist noch in frischer Erinne­rung, selbst auf den Schwerverbrecher Klapproth fiel noch ein Teil des voltischen Glorienfcheins!.

Bon einer Freilaffung dieser Meuchelmörder kann natür lich feine Rede sein. Aber ist es ein Zufall- cder viel leicht etwas mehr, daß gerade in der Zeit dieser Hezze eine Frankfurter Straffammer den Beschluß faßte, den An. stifterder Arensdorfer Mordtaten, den Land­wirt Paul Schmelzer, aus der Untersuchungs­haft zu entlaffen? Seltsam ist dieses Zusammentreffen jedenfalls.

Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

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Ponschedkonto: Berlin 37536. Banffonto: Bant der Arbeiter, Angestellten und Beamten Bafftt. 65. Distonto- Gesellschaft. Depofitenkaffe Lindenstz 3

Verzweiflungstat einer Mutter.

Die siebenjährige Tochter mit dem Brotmesser erstochen.

Eine furchtbare Bluffat wurde heute mittag in dem Hanje Elifabethstraße 47 verübt. Hier wohnt ein Tischler Alfred 3ohn mit seiner 32 Jahre alten Frau Erna, geb. Friffch, und der siebenjährigen Tochter Helga im zweiten Stod des Seifen­flügels, während zwei jüngere finder sich bei der Großmutter be­

finden.

Wie Frau John flagte, fümmerte sich ihr Mann zu wenig um feine Familie. 3ant und Streit waren an der Tagesordnung. Heute morgen ging John um Uhr weg, nachdem es wieder Streit gegeben hatte. Frau John rief die fleine Helga, die bereits nach dem Hof hinuntergegangen war, wieder in die Wohnung herauf. kurz vor 12 Uhr fam fie mit einem Brotmeffer in der Hand in großer Aufregung nach der Revlerwache gelaufen und erklärte, daß sie soeben ihre Tochter mit dem Messer erstochen habe.

Sofort wurde die Mordkommiffion alarmiert, und Kriminalfommiffar Quoh begab sich mit mehreren Beamten nach der Wohnung. Die Angabe der Frau erwies fich leider als wahr.

Das Kind lag entkleidet in seinem Bett in einer großen Blutlache. Ein Stich ins Herz hatte es getötet.

zu stillen, dann aber zur Polizei fici, nachdem sie gesehen hatte, Die Leiche des Kindes daß ihre Bemühungen erfolglos waren. Iwurde beschlagnahmt, die, Mutter nach dem Polizeipräsidium ge­bracht. Was zu der graufigen Tat geführt hat, bedarf noch der weiteren klärung.

Raubmörder Hein in Oberfranken .

Ein Landjäger erschossen.

Koburg , 2. Februar.

Zu der Gegend Unterſiemen wollte heute vor mittag der Randjäger Scheler auf der Landstraße in der Nähe des Torfes einen verdächtigen Reisen­den untersuchen und stieg dazu vom Rade. In demselben Augenblic gab der Werbächtige eine Anzahl Schüsse auf den Beamten ab, die diesen tödlich verlenten. Der Täter fins auf dem Rade des Be amten in südlicher Richtung davon. Der Beamte ist ge= storben.

Man vermutet, daß der Täter der Posträuber und Mörder Hein ist. Gendarmerie und Landespolizei find

Schmelzer, gegen den die Staatsanwaltschaft neun Jahre Zuchthaus und zehn Jahre Ehrverlust beantragt hatte, ist vom Gericht nur zu anderthalb Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Diese gewiß Es scheint, daß Fran John zunächst noch versucht hat, das Blut alarmiert.

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fehr geringe Strafe für zwei vernichtete Menschenleben kann nicht darüber hinmegtäuschen, daß Schmelzer der moralisch Hauptschuldige an den Arensdorfer Bluitaten ist. Er gab das Kommando zur allgemeinen Bewaffnung des Dorfes ,, Raus mit Sensen und Forten!", er ermunterte seinen brutal- jäh zornigen Sprößling Schieß doch!" und feuerte ihn schließlich mit dem Rufe: August, nun aber ran mit die Flinte!" dirett zur Tat an. Obwohl dieser Tatbestand von Anfang an fest­lag, hat der Untersuchungsrichter Paul Schmelzer nicht in Untersuchungshaft genommen und ihm so reichliche Gelegenheit gegeben, durch Beeinflussung der Dorf­bewohner feinen Latantcil vor Gericht geringer erscheinen zu lassen. Auch ein Antrag der Nebenklage, die Verhaftung im Gerichtssaal vorzunehmen, wurde abgelehnt. Erst bei der Berfündung des Urteils wurde Schmelzer in Haft genommen, er befindet sich also knapp anderthalb Monate in Unter suchungshaft.

Aber Paul Schmelzer hat nicht den Nachteil, Republi­faner oder irgendwie linksverdächtig zu sein. Wegen viel geringerer Dinge haben Reichsbannermitglieder( es fei er inert an Orcwestmühlen, Finsterwalde usw.) Monate über Monate in der Haft zubringen müssen. Der rechtsradikale Totschläger jpaziert nach wenigen Wochen aus der Haft hin­aus. Er ist angeblich nicht mehr fluchtverdächtig, weil die Angehörigen der Geöteten und die Berlegten auf seinem Gut eine Sicherheitshypothef non 40 000 m. haben eintragen faffen! Offenbar traut das Gericht einem Großbauern zu, bas es ihm schwerer fällt, ein überschuldetes An wefen im Stich zu laffen, als ein schuldenfreies!

Noch einmal: Marx über Luther .

Der Rechtsblock ignoriert den Staatsgerichtshof.

Reichskanzler Marr hat nun endlich das Bedürfnis verspürt, das letzte bislang unerledigte Schreiben Preußens vom 26. Dezember in der Frage der Besetzung des Berwal­tungsrats der. Reichsbahn zu beantworten. Auch das tat er nicht aus freiem Antrieb, sondern erst gedrängt durch die preußische Denkschrift, die mir fürzlich würdigten. Der Reichsfanzler hat nun in einer Ergänzung zu seiner eigenen Denkschrift dem Reichstag ein Schreiben vorgelegt, das dem ganzen Streitfall eine neuartige Wendung zu geben sucht. Erinnert der Reid) stanzler doch ein eine Ber einbarung vom August 1924, in der die Reichs­regierung sich bereit erklärte, sich vor der Benennung neuer Berwaltungsratsmitglieder mit Preußen zu verständigen. Diese Bereinbarung blieb zwar nur ein Entwurf. Marr stellt aber die Sache heute so dar, als ob dieser Entwurf Gefeß gewesen sei. Darin läßt er sich auch nicht beirren durch die Tatsache, daß der Staatsgerichtshof den ganzen Streitfall gänzlich aufgeflärt und Preußen Recht ge geben hat, als es sich nicht an diesen Entwurf" hielt, jon: bern darauf bestand, selbst einen Bertreter in die Reichsbahn zu benennen.

Aber Gründe find wohlfeil wie Brombeeren, sagt schon Falstaff. Wir erinnern uns unwillkürlich, daß die Deutsch völkische Partei den Schmelzer wegen seiner Mordtaten zum Wenn man die Ausflüchte des Rechtsblocks und seine Ehrenmitglied ernannt hat. Dies hat natürlich in den Richtachtung gegenüber dem höchsten Gerichtshof des deut Erwägungen der Richter teine Rolle gespielt. Aber: menn schen Boffes sieht, so wird man in Erstaunen versetzt. Eine die Hatenkreuzlerpartei in dem Doppelmörder ein Ehren- Meinungsäußerung der Reichsregierung von 1924 soll mehr mitglied sieht, waruin sollen dann nicht rechts eingestellte Geltung haben als eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs. Richter wenigstens eirren Ehrenmann in ihm sehen?! Derartige ans Sinnlose grenzende Behauptungen finden sich in der offiziellen Denkschrift des Kabinettschefs des Reiches, der obendrein sich noch nicht einmal auf den Mangel juristischer Vorbildung berufen kann, fondern lange Jahre hindurch selber Senats präsident gewesen ist! Die Reichsregierung irrt, wenn sie mit derartigen Lüfteleien über den wahren Inhalt des Streitfalles hins megtäuschen fann. Lächerlich ist die Behauptung, Preußen sei ja genügend vertreten, weil sieben der neuen Mitglieder des Verwaltungsrats der Reichsbahn Breußens Staats­angehörigteit besitzen.

Hente abend versammeln sich die Republikaner auf dem Gendarmenmarkt, um gegen diesen neuesten Streich der Justiz zu protestieren. Es gilt gleichzeitig, wachsam zu sein, daß der Befreiung des Totschlägers Schmelzer nicht die Befreiung der Fememörder folge!

Friedensangebot in Merito.

Die Bischöfe an Calles.

Rom , 1. Februar.

Die Tatsache der Staatsangehörigkeit besagt doch noch gar nichts dafür, daß jemand auch Bertreter staatlicher Interessen ist. Jedenfalls würde sich doch Reichstanzler Marr sehr energisch dagegen verwahren, wenn ein kom munist, der die Bürgerrechte eines deutschen Freistaates befißt, sich als Vertreter der Reichsregierung auf spielen wollte.

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Die merikanischen Bischöfe haben an Präsident Calles einen Aufruf gerichtet zur Beilegung des Konflikts zwischen Kirche und Staat auf Grund einer Anerkennung der religiösen Freiheit. Sie führen aus, der Konflitt bilde den Vorwand zur Fortsetzung der Mirren und Unruhen. Der öffentliche Brief wurde Marg hat der Sache des Rechtsblods und der Autorität vom Komitee des tatholischen Epistopats in Merito aufgesetzt und der Reichsregierung einen außerordentlich schlech mit Genehmigung aller Bischöfe vom Erzbischof Diaz als Sekretär ten Dienst erwiesen. Jeder seiner neuen Briefe beweist nur, bes Epiflopats bem Präsidenten Calles zugeftelt. Gleichzeitig wurde daß die Reichsregierung in der ganzen Angelegenheit ein eine Kopie dem megifonischen Botschafter in Washington übergeben. fehr schlechtes Gewissen hat und sich aus Gründen, die sie Die Freiheit der Religlonsübung zu beschränken ist nicht die öffentlich nicht eingestehen will, gegen den berechtigten An­Abitat der Republik Merito; ihre Gejeggebung richtet sich gegen die spruch Preußens auf einen Siz im Verwaltungsrat der geistige und materieile Borherrschaft der katholischen Kirche . Reichsbahn sperrt. Der Rechtsblock fühlt sich eben viel zu Benn die Bischöfe, wie zu vermuten ist, die Aufhebung dieser Gefehr als Vertreter der Besiginteressen, um Preußen jeggebung fordern, so werden fie nichts erreichen. bas Recht zuzugestehen, eine eigene Vertretung in der Reichs.

bahnverwaltung zu befizen. Man versteht, daß Marr das nicht öffentlich aussprechen will. Inverständlich aber bleibt, daß man zu den verwegenften Deutungen des Rechts greift und das Ansehen der Reichsleitung vor dem Volfe in Mißkredit bringt, nur um eine berechtigte Forderung eines links regierten Freistaates streitig machen zu fönnen.

Die Last der Rheinlandbesehung.

Das Bolf hofft auf das Wahljahr.

Der Reichstag erledigte bei Beginn seiner heufigen Sigung die Einsprüche der fommunistischen Abgg. Florian und Bers gegen den vom Bizepräsidenten Graef gegen fie verhängten Aus schluß von den Berhandlungen. Die Einsprüche wurden son der aus den Regierungsparteien bestehenden Mehrheit gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und kommu nisten zurüdgewiesen. Eine Aussprache barüber fonnie nicht vorgenommen werden, da sie non der Geschäftsordnung mot zugelassen ist. Es folgte die zweite Beratung des Haushaltes des Reichsministeriums für die beseßten Gebiete. Als erster Redner sprach Abg. Witte( S03.):

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Er wiederholte in eindringlicher Formulierung den Ruf nach Räumung als eine Forderung der Bewohner des besetzten Ge bietes. Besetzung ist nicht möglich ohne Schikane. Wehr als 100 Ordonnanzen existieren, wer soll sie also tennen? Wie leicht find sie übertreien? Die fremde Militärgerichtsbarkeit hat für den deutschen Staatsbürger etwas Entwürdigendes. Fremde Gendarmerie, fremde Geheimpolizei durchzieht das Land. Wirtschaft­lich fieht es trübe aus. Im Aachener Bezirt allein stehen 57 Bee triebe, 40 000 Personen find unter Fürsorge, ähnlich ist es auch sonst.

Die Ermerbslofigfeit ist um 30 bis 50 Proz. höher als im un befehten Gebiet.

Die Gemeinden fönnen die Fürsorgelast nicht mehr tragen und bedürfen dringend der Unterstügung. Berkehrswege perkommen, fie können den Verkehr nicht mehr bewältigen, aber Geld zu ihrem Ausbau fehlt. Bie steht es mit der Entschädigungsfrage? Die Geschädigten lefen van den Ruhrmillionen; ihnen aber sagt man, daß kein Geld mehr da ist. Die Bevölkerung des besetzten Gebietes wünscht friedliches Zusammenleben mit anderen Völkern, aber sie hofft auf das Wahljahr 1928, das hüben und drüben den Sieg der Verständigung über die Gewaltpofitit bringen foll.( Betfall bei den Sozialdemokraten.)

Staatssekretär Schmidt führte aus, daß infolge der Zurückziehung von 10 000 Mann nur 436 Wohnungen frei. gegeben worden sind, während 8600 beschlagnahmt find. od 1000 farbige Soldaten sind anwesend. Schießübungen und Herbstmanöver find eine Bondplage für die Landwirtschaft. Die Musterung der Zug- und Lastiere ist auch in diesem Jahr wieber