Freie sozialistische Hochschule. DevölkervugSpollttk und soziale Krage. Am Sonnabend abend sprach im Hause des Staatsrats für die Freie Sozialistische Hochschul« Genosse Prof. A. G r o t- sahn, Dekan der medizinischen Fakultät der Umversttät Berlin , der bekennte Sozialhygiemter über das Thema„Beoölterunxs» Politik und soziale Frage". Abweichend von der in sozialistischen Kreisen oft üblichen Weise fornruUerte Genosse Trot» sahn die entscheidenden Fragen noch«inigen einleitenden Worten über die Bedeutung der Sozialhygiene, im Gegensatz zur Hygiene des Einzelmenschen, besonders für die sozialistische Lewe- gung. Desondere Wichtigkeit maß Grotjachn dem noch sehr jungen, mit sehr schwierigen Problemen ringenben Teilgebiet der Sozialhygiene, der Eugenik oder der Hygiene der menschlichen Fort - Pflanzung bei. Dieser Wissenschoftszweig sei bei seinen For- schungen auch starken und zum Teil berechtigten Angristen ausgesetzt gewesen. Das Hauptargmnent gegen die Ergebnisse dieses For« schungszweiges sei, daß man auf dem Gebiete der.Lüchtung" von Menschen keine Zuchtziel« ähnlich wie bei der Tierzüchtung auf» stellen könne. Dieser Einwand falle fort, wenn man die Eugenik aurschlietzlich vom sozialen und nicht vom individuellen Ge- sichlspuntt aus betrachtet. Die qualitativ« Eugenik, die sich die Verhinderung der Erzeugung sozial schädlicher Individuen zum Ziel setz«, stelle Fragen wie die der Unfruchtbarmachung von Geistes- kranken, Verbrechern usw., während die quantitative Eugenik sich mit Geburtenzahl, Säuglingssterblichkeit usw. befasse. Dieses Gebiet stehe mit dem Thema des Abends auf der Tagesordnung. Nach Ansicht Grotjahns werden über kurz oder lang die sozialistischen Theoretiker sich wieder lebhaft mit Bevölke- rungsfragen befassen müssen. Für diesen Fall sei ihnen ernstlich zu raten,.nht mehr um Malthus zu kreisen oder Marx aus- zudeuten, sondern zunächst einmal die neuzeitlichen Tatsachen der Bevölkerungsstatistik aus sich wirken zu lassen. D!« Dereinfacbung und Vcrbilligung der P r S v« n t i v t e ch n i t. d. h. der Erzsu- gung geburtenoerhütcnder Mittel lasse auch bei der Arbeiterschaft, der bevölkerungspolitisch wichtigsten Schicht, nicht mehr wie in der Zert des F r ü h ka p i t a l i sm u s die natürliche Furchtbarkeit, sondern den Willen zum Kind« der einzelnen Elternpaare ausschlaggebend werden. Zunächst ergebe sich daraus ein gewaltiger Geburtenrückgang. Sei ooch die Zahl der Lebend- geborenen auf das Tausend der Bevölkerung Deutschlands in den ichlen 50 Zahnen von 40 auf 19 gesunken die Großstädte zählen nur noch 13, Berlin sogar nur noch 11! Die Bedeutung dieser Ziffern werde«st klar, wenn man sich vergegenwärtig«, daß 20 Lebendgeburten nötig seien, um eine Bevölkerung von normaler Ältersllassenbes etzung und einer durchschnittlichen Lebensdauer von 50 Jahren, wie sie Deutschland vor dem Kriege aufwies, in ihrem Bestände zu«halten. Der Geburtenrückgang, früh« eine französisch« Eigentümlichkeit, habe jetzt die Volk« des westeuropäischen Kulturkreises unabhängig von ihren Schicksalen im Weltkriege ergriffen. Er entspreche einer Notwendigkeit, weil«in Wachstum der Bevölkerung ähnlich dem im vorigen Jahrhundert beobachteten wirtschaftlich unerträglich sein tvürre. Doch drohe der Mfall der Geburtenzist« jetzt so stark zu w«den, daß der Bevölkeruugsbestand zu sinken beginne. Das könne" auch der Schicht. t»e mi Industriestaat« zoblenmäßig die bei weitem größte sei, nämlich der Lohnorbeiterschaft, nicht gleichgültig bleiben. Ein stark« andauernder-Rückgang der Geburten werde ihre, vornehmlich aus Menge und Ueberzahl gegründete politi- sche und sozial« Macht einschrumpfen lassen. Schon deshalb dürfe die Einschränkung der Geburten nicht uferlos werden. In einer sozialistischen Wirtschaftsordnung mit der ihr eigenen planvollen Bedarfsdeckung auf gemeinwtrtichasUicher Grundlage werden diese Probleme nicht mehr bestehen. In einer Zeit aber. in d« wie in der unseren erst Teilerfolge der um soziale Geltung ringenden Arbeiterschaft vorhanden seien, wüste eine wirts chaft- nche Bevorrechtung der Elternschaft besonders In die Wege geleitet iverden. Es frage sich nur, auf welch« Weile das zu geschehen habe. Die Abstufung des Lohnes nach d« Kinderzahl werde von d« organisierten Arbeiterschaft mit Recht verworfen, well et zur Lohndrückerei zu führen pflege und das ohnehin vor- wickelte Tariswesen noch unübersichtlicher machen würde. Es bleib« nichts ond«es übrig, als dem sozialen Versicherungswesen einen neuen Zweig anzugliedern; indem man die dort bereits verankerte Reichswochenhilfe zu einer Elternschosts- oder Mutterschafts- od« Kinderrentenvcrsichcrung ausbaue, deren Beiträge von den Ledigen und Kinderlosen zu zahlen wären und deren Leistungen den Eltern mit mehreren Kindern zugute kommen müßten. Die Probleme, die Grostahn anschnitt, und die Ergebnisse statistischer Forschung, die er mitteilte, fordern ohne Zweifel, daß sich die Arbeiterbewegung grundsätzlich mit ihnen auseinandersetzt. Ob sie dabei zu den gleichen sozialen Forderungen gelangt, muß dahin- gestellt werden. Wertvoll waren die Anregungen des Redner» in jedem Fall. Diese Stellung nahm auch Genossin Bohm-Schuch ein. die die gutbesuchte Veranstaltung leitete.
Neue Ohrfeige für de« Reichslandbund . Ein« Äerleumduag der Domänenbank. Der Reichsländbund hat sich in seinem Kamps gegen den neuen Kurs in der Preußischen Zentralgenossenschaft»- k a s s e«in« neu« Niederlage geholt. Die„Deutsche Tageszeitung" behauptete nämlich vor Tagen, die Leitung d« Domänenbank durch den jetzt ruft d« Leitung der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse betrauten Rechtsanwalt Dr. Klepper habe zu einem„eklatanten Mißerfolg" geführt. Daraufhin stellt das Direktorium der Preußenkass« folgendes fest'„Gegen die Leitung d« Domänenbank sind Einwände in keiner Weis« begründet Die Domänenbant gehört zu den wenigen ländlichen Zentralkossen, die ihr Kreditkontingent bei der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse nicht «schöpft haben, sie verfügt vielmehr über eine Kreditreserve von mehr al» 3 Millionen Mark. Die Liquidftät der Domänenbank und die Sicherheit d« ihr zugesagten Kredit« sind nach den Grundsätzen d« Preußischen Zentralgenossenschaftskasse einwandfrei."_ Zum Fall Schmelzer. Zu d« Haftenllassung Paul Schmelz«» erfährt das Nachrichten- bureau des v«eins Deutscher Zeitirngsonleger: Ein Anlaß für da» Einschreiten de» Justizministeriums liegt in dies« Angelegenheft zur- zeit noch nicht vor, da die zuständige Frankfurter Staatsanwallschaft sofort Beschwerde gegen die Hastentlassung einlegte, die be- kannklich mit der Begründung erfolgte, daß Fluchtverdacht nicht vor- liege. Die Akten Schmelzers sind bei der Gen«alstaatsanwaltschaft des Kammergerichts in Berlin eingegangen. Da es sich um eine Haftbeschwerdesache Handeft, wird da» Kammergericht sich in aller Kürze, vielleicht schon am Montag mtt diesem Fall zu beschäftigen haben Berufung du Zievekiug-Prozeß. Die Staatsanwaftschaft hat m dein Prozeß gegen den Reichsfuhr« der Bismarckjugend, H. O. �ieoeking, Berufung gegen da» fretsprecheotze Urteil«mgelegt.
Die Einigkeit im Bürgerblock.
Wie sie gedacht war...
und aussieht in der Gchulfrage..»
in der Außenpolitik...
in der Frage der Staatsform!
Republikanische Studenten. Gründung des Deutschen Studeutenverbandes. In den Räumen des Bundes freiheitlicher Akademiker zu Berlin fand gestern der organisatorische Zusammenschluß aller linken Studentengr Uppen an den Hochschulen des Deut- schen Reiches statt. Der Zusammenschluß, d« den Namen„Deut- scher Studenten-Verband" trägt und eine Gegenorgani- sation gegen die völkische„Deutsche Studentenschast" darstellt, baut sick) auf den an einzelnen Hochschulen bereits gegründeten freiheft- liehen Studentenschaften und sozialistischen Hochschulaus- l ch ü s f e n auf. Es wurde unter zustimmend« Beteiligung sämtlicher erschienenen sozialistischen, demokratischen und freiheitlich torpvrierten Studenten mit dem Ziele des Abwehrkampfes gegen jedwede Hochschulreaktion und der Vertretung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen aller republikanischen Studierenden«Ine vorläufige Satzung festgelegt und ein Vorstand für diese- neue studentische Retchsorganijatioo gewählt. Fern« wurde in klären Entschließungen auf die Initiative d« sozialistischen Delegierten eine klare und eindeutige ablehvend« Haftung gegen jede Zusammenarbeit mit d« bisherigen deutschen Studentenschast zum Ausdruck gebracht. D« neue Zusammenschluß wird einen durchaus gewerkschaftlichen Eharakt« tragen und pari- tätische Vertretung an allen von den Hochschulen geschaffenen Wirt- schastsorganisationen fordern. Auch eine enge Zusammenarbeit wft den bestehenden internattonolen Studentenvereinigungen soll ange- strebt werden. Die Tagung wird im Laufe des Sonntags ihren Abschluß finden.
Oer Arzt wider Willen. Neueinstudierung in der Stoatsoper. Mählich kehrt in der heutigen Musikwelt die Besinnung wieder— die Besinnung auf das Jahrhundert, aus dem wir so- zusagen alle kommen: auf das neunzehnte Der große D«di wird Werk für Werk neu entdeckt; nun kommen auch die(kleineren) Meister der französischen Op« an die Reihe: neulich in der Städti- scheu Oper Massenet ; nun in der Staatsoper G o u n o d. Dessen .Arzt widerWillen" zeigt im Musikalischen alle traditionellen Borzüge der französischen komischen Oper, etwa eines Auber oder Adam; aber die wärmere Melodik Gounods gibt dieser Musik ihre persönliche Rote, und die bewußte Stilisierung im Geist der Molitre- Zeit— well es denn eine Komödie von MoliSre ist, die der Oper zugrunde liegt— v«leiht der Partftur ihren besonderen artistischen Reiz. Aber diese handlungsarme Komödie gehört kaum zu denen, die heute bei uns leicht ihr Publikum fänden, und auf der Bühnc v«sogt alle Wirkung, sobald das Wort— ohne Musik— ganz auf sich angewiesen ist. Dieses Zuwenig an Substanz wird in einer Aufführung doppelt fühlbar, die unter einem peinlichen Zuviel an Regie leidet— an Regie, die nur sich, statt das Werk, in Szene setzt. Gegen diesen Geist der neuen Unsachlichkeit, der unter den Opernregisseuren epidemisch zu werden beginnt, und den hier Hanns Schulz-Dornburg vukörpert, hat Gounods Musik, für die Fritz Zweig als Dirigent alle Leichttgkeft d« Hand und alle Einsühifomkeft des feinnervigen, instinktsicheren Musiters hat. es nicht leicht, sich durchzusetzen. Für den Erfolg entscheidend wird der Träg« der Hauptrolle, Karl Hammes, der ausgezeichnete San- g«, der als Darsteller seder Situation gewachsen, die Bühne mit natürlichem Leben erfüllt. Rings um ihn viel Krampfig-Unnatür- liches. Aber dos Spiel- und Singtalent der jungen Ellen B u r g e r fällt vorteilhaft auf. Und Tilly Blättermanu hat Momente echter Komik. Klaus Pringsheim . Zehners Inszenierung der„Weber". Eine künstlerische Tat des Staatstheaters. Unvergänglichkeft der W e b er-Tra gö die. Bereitschaft de» Staatsthsat«s. an der Erschütterung dieses Leides teilzunehmen. Ein Pfiff, d« in den Beifall d« Ergriffen«, hineinfchrMeu sollte. wir hörbar wie d« Ausbruch eines Wahnsinnigen. Jetzn«s Arbeft ist zu spüren a!« die Bemühung des Regisseurs, der fern von atzen gewaftsamen Wirkungen nur die Schlichtheft d« Not reden läßt. Darum ein verttefttt Eindruck, ausströmend von der Dichtung allein. 9t&
Achtung! Achtung! Aman Lllloh Khan kommt. Die.Deutsche Allgemeine Zeitung" hat es kürzlich schon ver- raten. Reichspräsident, Reichskanzler und Reichsminister sind seit Wochen in schwerer Sorge Aman Ullah Khan kommt. Wie soll ich ihn empfangen, und wie begegn' ich ihm? Wer Aman Ullah Khan ist? Majestät; König aller Afghanen. In der Republik Frankreich mag es üblich sein, daß man Könige in Hotels und bei schäbigen Ministen, mft«bringt. In der deutschen Rachbarrcpublik wäre eine derartige— roden wir preußisch— Sauerei undenkbar. Deshalb Wochen bang« Sorgen in de? Reichskanzlei. Aber weshalb hat Deutschland sein« Königsschlösser? Wir wissen nicht, wer aus den rettenden Gedanken kam, der j Herr Dr. Marx, dem der mutige Versuch, das Wort„republikg- rnsch" aus dem Firmenschild des Zentrums fortzuputzen, als histori- . sche» Berdienst angerechnet zu. werden, werdiem, der Ingeniöse. Herr v. Keudell, Herr Schiele, der Minister für Londbundernäh- rung. He« Dr. h. c. Koch, Verkehrsminister von vielen Graden. oder Herr Dr. H« r g t. Jedenfalls beehrte man eine» Tsges die preußische Kropgutsverwaltung mit der Anfrage, ob eines d« früheren königlichen Schlösser vorübergehend bewohnbor gemach: werden könne. Preußen sagte nicht nein. Verwies auf Schloß Bellevue und das Reue Palais in Potsdam . Gut. Oder vielmehr nicht gut. Denn einem der weisen Herren fiel plötzlich ein: Wie kann ein richtiger König w einem ehe- maligen Königsschloh residieren, das zudem noch im Besitz einer republikanischen Landesregierung ist? Allgemein« Bestür- zung. Neues Kopfzerbrechen. Man wird es nachfühlen können, wenn Herrn Dr. Marx der Schreck in die Glieder und Herr Dr. S t r e f e m a n n auf einen längeren Erholungsurlaub gefahren ist. Man wird es verstehen, wenn die Sache mit dem Schul- gesetz einen peinlichen Auffchub erfahren hat. Ab« ein Keudell,«in Hergt, ein Schiele, ein Koch sitzen nicht vergebens in einen, Kabinett d« deutschen Republik. Bald war auch diese Schwierigkeit überwunden. Munt« sagte man der preußischen Landesregierung wieder ab: dos Potsdamer Polais sei zu weit obgelegen, Bellevue entspreche in seiner inneren Ein- richwng nicht den Ansprüchen der Reichsregierung.... und fragte bei den Hohenzolkern an, ob sie einer armen republikanischen Reichsregierung nicht einige Zimmer für eine Königliche Majestät vermieten könnten. Der Dertreter der Hohcnzollcrn hielt es nicht für unter seiner Würde der töniglich-kaiserlichen Familie, mft der Republik das Gc- schäft zu machen. So wurde denn das Prinz-Albrecht- Palais gemietet, um Aman Ullah Khan , König von A f g h o- niftan, zu beherbergen, und einem unserer Bericht«statter. der so vorwitzig war, sich nach dem Mietpreis zu erkundigen, wurde geantwortet:„Bas geht dich..." Man könnte sagen, daß diese Geschichte, wenn sie nicht wahr sein sollte, doch gut ersui,den ist. Wir befürchten ab«, man wird vergeblich auf ein Dementi warten.
Reservieri für den Adel. Zfus der jüngsten Beförderuugsllst« der Reichs» wehr ergibt sich, daß mit Wirkung ab 1. Februar befördert wurden zum: Insgesamt bürgerlich adlig
Es Ist auffällig, wie stark d« Prozentsatz d« Adligen bei der Mojorsecke steigt. Trotz de? Z u so m m« n b r uch s des kaifer- lichen Regimes hat sich im Heer wenig geändert, es sei denn. daß die leitenden Stellen noch mehr als vor dem Krieg« ein Reservat de» Adel » sind. Zu der Athen « Aeuler-Alarmmeldoug schreibt uns die griechi sche Gesandtschafi. daß seit Beseitigung der Diktatur P a n g o l o s schon oft Alormgerüchte aus Athen verbreitet wurden, die sich aber stets als Phontasieprodukte erwiesen haben, Augenblicklich ist in 2llhen Kabinettskrise» da der Landwtrtschasts minist« nicht zustimmt, daß die Finanzierung der Straßenbauten einem«nglisch-omerikanischen Konzern übertrage» werde,