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Sonntag
5. Februar 1928
Bainst Aus der Aus der Film- Welt
„ Schinderhannes."
( Lauenhien- Palast.)
Ein paar Gehirnwindungen mehr hätten vielleicht aus diesem Räuber ebel- romantischen Charafters einen großen Revolutionär, einen Boltsbefreier gemacht. Kühnheit und Kraft allein prädeftinieren noch nicht zum Führer und Organisator, fie leiten ohne den regulierenden Berstand ins Verderben. Dies ist das Schicksal des Schinderhannes, den Budmayer dramatisch behandelt und den jetzt auch ber Film zeigt. Gleichgültig, wie der historische Schinder. bannes, der Anfang des 19. Jahrhunderts den Hunsrüd beherrschte, geartet war, der ihm folgt allein dem Zuckmayerschen Schauspiel, bringt den Schinterhannes, wie Zudmaner ihn jah. Bon der Be fagungsbehörde mißhandelt, wird Schinderhannes Mitglied einer Räuberbande, die der Krüppel Leyendeder befehligt. Leyendecker ist ein weitschauender Geist, besessen von den Ideen der französischen Revolution. Er will die rheinischen Lande sowohl von den Fran30sen wie von den einheimischen Fürsten befreien und eine Boltsrepublik errichten. Doch Schinderhannes durchtreuzt die Pläne. Er stilisiert sich auf den Wohltäter, der die Bevölkerung an der Beute teilhaben läßt. Leyendecker muß weichen, und von diesem Augenblid beginnt das Berderben. Schinderhannes endet am Galgen. Ein großer Aufwand ist wieder einmal umsonst vertan.
Im Mittelpunkt der Handlung steht das Problem Kraft und Geist, romantisches Gefühl und fühl abwägender Verstand. Mert würdigerweise wird dieses Problem im Film schärfer herausgearbeitet als im Schauspiel. Und der Regiffeur Kurt Bernhardt löst es auf rein filmische Art ohne Uebermaß an Terteinlagen. Dies gelingt ihm dank der Gestaltungsfraft der beiden Gegenspieler Stuwe und Steinrück, die schon allein in der Maste zwei entgegengesetzte Belten offenbaren. Stüme ist der schöne Mann mit dem verfonnenen Blid, Verschwender aus Kraftgefühl heraus, mit glatter Stirn, die feine Gedanken fennt; Steinrüd, zergrübelt, verwittert, mit dem Blid eines Menschen, ber fanatisch an eine Idee glaubt. Um diefe beiden Menschen tonzentriert sich die Handlung, die in schnellem Tempo abläuft und die Bar gegliedert ist. Auch die Liebesangelegen heit des Schinderhannes wird nicht unter Scheinwerferbeleuchtung gefeßt, fie nimmt im Film den geringsten Platz ein. Ein paar Episodenszenen schaffen das Milieu. Vor allem aber, der Film ist nicht für zartbefaitete Gemüter zurechtfrisiert, man gibt die ganze Grausamkeit und Roheit dieses Guerillatrieges, man scheut sich nicht einmal, in Großaufnahme zu zeigen, wie Schinderhannes den Amtmann, der ihn zum Räuber machte, erwürgt und vom Kirchturm herunterwirft. Nur der Schluß ist auf Tränenfließen hin gearbeitet. Nach der Verlogenheit des Fridericus" und der Königin Luife" wirft dieser historische Film wie eine Erlösung.
Bon den anderen Darstellern sind noch zu nennen: Homolka, der lächelnde, perfettete und liebedienerische, feige Umtmann; Rasp, Der Spiegelberg der Bande, virtuos im Jutrigantenlächeln; Biener, ber blinde Bater, der mit menigen Strichen einen lebensnollen Men. fchen zeichnet und die wundervolle Frieda Richard , die teine, per fümmerte Bauernfrau. F. G.
Schuldige." ( Ufa Palast am 300.)
Sdmeidig feht dieser neue Ufa- Film ein. Man sagt sich: Respett vor einem Regiffeur( Johannes Meyer), ber uns endlich einmal mahrhaft filmisch tommt. Da ist tein Huschen und Wispern und Bauschen in dem großen Hotel, ein ameritanischer fdmper reicher Mann liegt im Sterben, aber nicht nur Aerzte und Rechts. anmatte tommmen, mit einem Male ist auch der Staatsanwalt mit fernen Gehilfen da Der Mann hat in Tobesfurcht ein Geständnis abgelegt, bas für eine von ihm begangene Morotot ein Freund non ihm bereits fechzehn Jahre unschuldig im Buchtbaus sitzt. 3war miderruft er; aber als ihm der Freund gegenübergestellt wird, mie ein Besen aus einer anderen Melt mit erloschenen Augen, da er neuert er sein Geständnis und bricht tödlich zusammen. Fabelhaft, mie sich das alles rein bildlich abrollt! Aber dann schlägt der Film eine neue Kurve ein. Der unschuldig Verurteilte, Thomas Feld, fehrt ins Leben zurüd, findet auch den Aufenthaltsort seiner Frau und der munmehr erwachsenen Tochter in einer Art Freudenhaus im Hafenviertel, in dem die merkwürdigsten Sachen vor sich gehen. ( Eine Romantif, die man in St. Pauli in Hamburg vergebens juchen würde.) Er findet Unterkunft und Anstellung bei einem branen Hundebreffeur und tann aus der Nähe das Leben und Treiben der Seinen benbachten. Eine breite Milieumalerei feßt ein: das Leben vor und hinter der Tingeltangelbühne, die Schicksale der beiden Frauen in diesem Hause, und daneben in Barallelhandlung die reine Liebe der Tochter zu einem jungen Rechtsanwalt. Das Hauptthema fcheint verlaffen, die Entwicklung auf eine tote Bahn gelangt zu sein. Da wird es pläßlich wieder aufgenommen, als der Inhaber des Lotals munmehr auch die Tochter dem 3wed des Hauses zuleiten will, die er bereits feinen Gästen als Lockvogel anbietet. Thomas Feld greift ein und erschlägt in seiner But den Berführer und Ausbeuter. Jezt ist er wirklich schuldig geworden, aber das Gericht spricht ihn frei, da er in der Notwehr gehandelt habe. Das Liebespaar findet den Weg zueinander frei und gewährt den Eltern eine Ruhestätte.
Obwohl auch in dem späteren Teil des Films fich ausgezeichnete Episoden finden, die dem Regiffeur Ehre machen, obwohl die ganze technische Durchführung auch in Bauten und Photographie auf der Höhe ist, bleibt doch der Gesamteindruck vielfach peinlich. Die Vorlage von Richard Boß wirkt sich hier verheerend aus, zudem erinnert der ganze Mittelteil an die Frauengaffe von Algier ", dem hier mur noch andere Motive beigefügt find. Die Darstellung verwendet durchgehends ausgezeichnete Kräfte auch in den fleineren Partien. Bernhard Goehre als der Schuldig- Unschuldige mit dem starren ftrengen Ausdrud, in den erst nach und nach wieder Leben kommt, Suzy Bernon als seine Tochter, Willi Fritsch als der sympa.
thische Rechtsanwalt und 5. A. Schlettow als der Lofalinhaber, der glücklicherweise nicht als Bösewicht auf drei Meilen erkenntlich charakterisiert ist, ergeben alle zufammen ein gut zusammenstimmen des Ensemble. Nur Jenny Hasselquist ( als Mutter) erscheint merkwürdig unbeweglich und verfteint. Nur einmal taut sie unter der Peitsche des Morphiums auf. D.
„ Die Liebe von Zigeunern stammt." ( Marmorhaus.)
Jebe Carmen- Darstellerin gibt in der Oper einen anderen Typ Carmen , und im Film fann es nicht anders sein. Pola Negri in dem Carmen- Film von Lubitsch ist eine andere als Raquel Meller , Dolores del Rio wieder eine ganz andere als die beiden früheren Filmverförperungen dieser ewigen Rolle. Dolores ist in dem neuen Forfilm die graziöseste, zierlichste, tagengeschmeidigfte Carmen, die man sich denken kann, aber sie ist auch weit entfernt von der notwendigerweise zum tragischen Ausgang führenden Dämonie der echten Carmen. Aber was tut's, sie ist sicherlich eine der interessantesten und raffigsten Vertreterinnen diefes spanischen Frauentypus: ganz Naturwesen, ganz auf Sinnlichkeit gestellt, spielerisch wie ein Rühchen, neugierig und verlangend nach allem Glänzenden, schlangenflug und abweisend zugleich, wenn sie nicht mehr liebt, ist sie ein Bündel strahlender Filmeigenschaften, und sie weiß sie zu nutzen. Diese schlanken Glieder gehorchen dem leisesten Impulje, diefer feingeschwungene Mund und die blizenden Augen find unendlich ausdrudsfähig. Der Regiffeur Walsh gibt ihr reichlich Gelegenheit, alle ihre Qualitäten glänzen zu lassen. Er gestaltet den Stoff natürlich ganz anders, als wir ihn in der Oper gewohnt find Milieumalerei wird in breit ausgesponnenen Bildern getrieben, die Carmen wird nicht nur in ihren großen und tragischen Momenten gezeigt, sondern im intimen Alltagsleben( und sie verliert dabura) an Größe und Geschlossenheit). Das lustige Treiben in der Tabatfabrik, der Kampf mit der Rivalin, ihre Gefangensetzung und Flucht und nachher die Eroberung des Toreadors, den sie mie ein zweites Käthchen von Heilbronn nicht mehr los läßt, den sie umschmeichelt und umspielt, bis er sie nach ihrem Berbetanz endlich erhört das alles ist Zugabe zum Opernstoff, oft luftige oft mijige, aber manchmal auch retardierende( dabei ist die deutsche Bearbeitung fchon gefürzt). Die Sterbeszene, die lang hingezogen wird, bringt auch ein paar neue Momente, das Augenspiel mit Don José und das Hinfinfen an dem von ihr geöffneten Tor, von dem aus sie den Triumph ihres Toreadors erschaut. Eine besondere Neuerung ist auch die Art, wie Victor Mc Laglen den Stierfämpfer gestaltet. Das ist ein robuster, vollsaftiger, häßlicher, aber auch gutmütig- phlegmatischer Kerl, der so gar nichts von der affettierten Bose des vergötterten Toreadors hat und sich vor allem aus, der Kröte Carmen , wie er fie nennt, gar nichts macht. Er muß erst unter Wein und in Stimmung versetzt werden, bis ihm die Sinne dafür aufgehen. Ganz weichlich und verschwommen wird der haltlose Don José in dieser Bearbeitung gegeben. Die Bilder aus dem Stierkampf find offenbar aus anderen Filmen übernommen, fie find erfreulicherweise turz gehalten.
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Am 10. Februar 1928
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D.
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Beilage des Borwäris
Lillian Gish , die lieblichste aller amerikanischen Stars, zu fehen, ist immer ein Genuß, felbst in einem historischen Film. Mit ihren Kinderaugen schaut fie immer fragend in die Welt der schredlichen Männer, zu denen sie doch eine tiefe Neugierde lockt, als verstünde sie sie nicht. Wie ein Friedensengel wirkt sie inmitten dieser wilden Gesellen, die Stamm gegen Stamm, am liebsten bis zur gegenseitigen Ausrottung, miteinander fämpfen. Wir sind mitten im schottischen Hochland, um das Jahr 1692. Die schottischen Highlanders führten damals ein Leben wie irgendwelche wilden Stämme heute in den entlegensten Teilen Afrikas . Ihre Geschlechter( Clans) lagen in dauerndem Kampf gegeneinander. Einig waren sie nur in ihrer Unbotmäßigkeit gegen ihren König, in ihrer Sucht, sich jeder Partei meiftbietend zu verfaufen, und in der Berteidigung ihres angestammten Rechtes, die Tieflande und die Städie auszuplündern. Man muß Macaulay nachlesen, um einen Begriff von diesen schier unglaublichen Zuständen zu bekommen. Der Film behandelt leider den Stoff es handelt sich um den Kampf der beiden Clans der Macdonals und Campbells in der Form der großen Oper und stellt in den Mittelpunkt die zarte und gebrechliche Gish, die von Liebe zu dem Häuptlingssohn des feindlichen Clans erfaßt wird, ihn durch ihren Verrat vor dem Untergang bewahrt und schließlich, nachdem der Königsfriede durchgeführt ist, ihren Gatten erhält. Leider werden hierbei die historischen Berspettiven start verschoben, und es entsteht ein reiner Liebesfilm in intereffantem historischen Kostüm. Die Aufzüge und Tänze, die rauhen Sitten und die schottische Tradt allein schon machen natürlich das Beiwert sehenswert; das Milieu ist, historisch gesehen, ganz veropert, d. h. die Primitivität schon viel zu sehr zivilisiert. Auch die Campbells, die schon etwas verengländert waren, lebten nicht in solchen Schlössern. Aber der Regisseur Robertson liebt es, die treue, brave Urwüchsigfeit gegen die perfide Berfeinerung auszuspielen, wie er auch in der Belegung der zarten und anmutigen Gish den Kraftkert Norman Kerry gegenüberstellt, der ein Allermelisafrobat im Stile Fairbanks ist und natürlich auf die Frauen mit seinem unwiderstehlichen Lächeln wirft. So ist im ganzen eine Mischgattung zustande gekommen, die meder historisch noch pinan logisch befriedigt, aber das liebliche Wunder Gish in neuem Kostüm bietet.
Artistenliebe." ( Mozart- Gaal.)
I'.
Eine Artistin lernt einen reichen Jüngling als ihren angeblichen Lebensretter fennen. Seine Höflichkeit, die freilich nur Maste ist, betört sie. Ein Kollege, der sie treu und aufrichtig flebt, gibt ihr tampflos den Weg zu dem reichen Manne frei. Und das geschieht in der Art urechtester Filmsensation, indem er scheinbar bei einem Artist erscheint rechtzeitig nach Mitternacht im Theater, um dort die Entfesselungstrid ertrinft. Doch der Tod war nur vorgetäuscht. Der Beliebte vor den Budringlichkeiten des reichen Jünglings zu schüßen.
Das Spiel der Darsteller, obwohl es vorzüglich und echt ameri fanisch- filmisch ist, wird durch die unwahrscheinlichteijen des Manuftripts oft start beschwert. Ein Artist, der auf der Höhe feines Ronnens steht, ist ein nervenstorter Mensch. Darum stört unwill fürlich bei ihm dieser franthaft weltschmerzliche Einschlag. Cline Broot spielt den Artiften fehr gut, als schönen, beberrichten Mann, ber glüdlicherweise felbft in den fentimentalsten Szenen Beint Schwächling wird. Lowell Sherman ist als Bebejingling der edyte amerikanische Filmbösewicht; jeber Gesichtsausbrud und jabe Hanbbemegung berlinden ben Schurter. Florence Bidor, pie umfchwärmte Artistin, ist sehr, sehr schön. Außer ein paar Baradeund ein paar Liebesfzenen gibt man dieser frau ja nicht piel zi Spielen und darf es auch wohl nicht. Aber man stellt sie jo heraus, daß ihre Schönheit den ganzen Film beherrscht. Der Photograph Bittor Milner erfaßt Florence Bidor in wunderbar weichen Bildern.
William A. Wellmanns Regie ist gut, aber da ihm die Afrobatentruppen Fortonello und Cerillino, fomie die Tanztruppe Bertoff zur Verfügung standen, hätte er aus diesem Material Befferes herausholen fönnen. Es macht den Eindrud, als feien die artistischen Darbietungen bei dem auf irgendeiner Barietébühne gerade vorhandenem Licht gedreht.
Deutsche Frauen- Deutsche Trene." ( Schauburg.)
e. b.
Es foll zugestanden werden, dieser Film verneint den Krieg. Bum Schluß gibt fogar die französische Mutter der deutschen Mutter die Hand und der Haß der Französin ist geschwunden, weil sie ja vor dem Kriege nicht wußte, wie gut" die deutschen Frauen find. Die ,, goldenen Tegtworte werden natürlich manchen nicht rühren, ebenso wpie der ganze Film an weite Kreise glatt vorbeispielt. Denn dieser filometerlange Edelmut, beladen mit all dem schweren Kriegserleben, ist eine Beweihräucherung der gehobenen Stände. Es dreht sich um einen Oberst, einen Major und deffen Tochter, eine Stabsarztwitwe und deren Sohn, einen Herrn Leutnant. Das Bolf tritt in Gestalt tomischer Soldatenfiguren in Erscheinung, die eigentlich lebende Illustrationen find, damit man fingen fann: ,, Schön ist das Soldatenleben. Die pazifistische Tendenz soll man daher nicht überschäzen; aber ohne fie märe mit diesem Film bestimmt fein Geschäft mehr zu machen.
Der Regiffeur Wolfgang Reff hatte das Bestreben, mit Kriegsszenen zu glänzen. Biele seiner zahlreichen Borgänger haben Diese Aufgaben technisch beffer gelöst. Hermine Sterler , die Hauptdarstellerin, hatte nicht nur große Momente, fie fah auch fehr gut aus; boch spielte fie zu Anfang Theater und nicht Film.
Ein großer Schlager
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ENVER BEY
25 ENVER BEY TÜRKISCH
BM
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25 ENVER BEY TURKISCH