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Abendausgabe

Nr. 66

B 33

45. Jahrgang

Böchentlich 70 Pfennig, monatlich 3,- Reichsmart, im voraus zahlbar. Unter Streifband im In- und Aus­land 5,50 Reichsmart pro Monat. *

Der Vorwärts" mit der illustrier ten Sonntagsbeilage Bolf und Zeit" fowie den Beilagen Unterhaltung und Wiffen", Aus der Filmwelt", Stadtbeilage"," Frauenstimme", " Der Kinderfreund", Jugend- Bor­märts", Blid in die Bücherwelt", " Kulturarbeit" und Technit" erscheint wochentäglich zweimal,

Sonntags und Montags einmal

Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Mittwoch 8. Februar 1928

10 Pfennig

Die etui paltige Nonpareillegeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart. Kleine Anzeigen" das fettge brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen­annahme im Hauptgeschäft Linden­ftraße 3, wochentägl. von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  

In der Schlinge.

Stresemanns Angebot und die Deutschnationalen.

Drei Tage hat es gedauert, bis die Deutschnationalen eine Antwort auf unsere Feststellung fanden, daß die Bürger­blockregierung für das Stresemannsche Angebot m Sinne der Luxemburger   Resolution solidarisch ver antwortlich ist. Darauf erläßt die Deutschnationale Bolkspartei nachstehende offizielle Erklärung:

Im Vorwärts"( Nr 59 vom 4. Februar 1928) wird von tinem Angebot des Reichsaußenministers Dr. Stresemann an Frankreich   berichtet, das dieser im Namen einer Reichsregierung jemaht habe, in dem vier deutschnationale Minister sizen. Der , Borwärts" bezieht sich dabei auf einen Satz in der Reichstagsrede Dr. Stresemanns vom 30. Januar, der folgendermaßen lautet: Wir werden eine Diskussion über diese Fragen und Fragen, die tine Beobachtung der Verhältnisse im Grenz­gebiet bis zur Beendigung der für die Besatzung des Rhein­andes in Aussicht genommenen Zeit vorsehen, nicht grund läglich ablehnen, aber wir tönnen nicht der Auffassung Raum faffen lassen, als wenn Deutschland   bereit wäre, die Ber­fürzung der Rheinlandbesetzung, auf die es ein Recht hat, mit Dauernden Maßnahmen zu erkaufen, die über den Vertrag von Bersailles hinausgehen und die geeignet wären, an Stelle des Ver­trauens von Volk zu Volk das Mißtrauen zu verewigen und da­Durch eine wirtliche und wirksame Friedenspolitik zu verhindern." Der Vorwärts" hat natürlich die zweite Hälfte des Satzes von dem Börtchen aber" an ausgelaffen. Die Deutschnationale Volkspartei  hat selbstverständlich nichts gegen eine Fortführung der Diskussion einzuwenden, deren Ziel eine Verkürzung de Rheinlandbesetzung ist. Im übrigen fönnen wir feststellen, daß der entscheidende Punkt, nämlich die Beobachtung" der Berhältniffe im Grenzgebiet bis zur Beendigung der für die Be sagung des Rheinlandes in Aussicht genommenen Zeit, im Kabinett als solcher nicht besprochen worden ist. Es gehört zu den selbst­verständlichen Vorrechten eines Außenministers, derlei Besprechungen selbständig zu führen. Aber wir haben Anlaß zu ermuten, daß man im sozialdemokratischer Lager diese Berhand. ingen so geführt zu sehen wünscht, daß daraus eine Festlegung er deutschnationalen Minister im Sinne der Luxemburger   Ent­schließung herausspringt. Wir glauben, im übrigen nicht fehizu­gehen, wenn wir die Absichten des deutschen   Reichsaußenministers dahingehend interpretieren, daß die von ihm ins Auge gefaßte Beobachtung" der im Investigationsprotokoll vorgesehene Fall ist, also feine éléments stables", auch nicht zeitweiliger Art; denn es handelt sich bei der Rheinlandräumung um unser gutes Recht."

Diese Antwort ist reichlich verlegen. Es sei zunächst bemerkt, daß der Vorwärts" den Schluß des Stresemann­schen Sazes gar nicht zu zitieren brauchte, weil er eine Selbstverständlichkeit enthält, über die es feine Meinungsverschiedenheit zwischen uns und Stresemann gibt. Die Luxemburger   Resolution regt nur eine besondere Rheinlandkontrolle bis zum Jahre 1935 an, wie es der Führer der französischen   Sozialisten Léon Blum   aus­drücklich bestätigt hat. Das Schwergewicht der von Strese­ mann   ausgesprochenen Verhandlungsbereitschaft lag in dem ersten Teil des Sages.

Die Deutschnationalen erklären nun, sie hätten selbst­verständlich nichts gegen eine Fortführung der Diskussion einzuwenden, deren Ziel eine Berkürzung der Rheinland­befegung ist". Mit diesem z weideutigen Satz bereitet man eine Neuauflage der unehrlichen Tattit vor, die die deutschnationalen Minister bereits im ersten Bürgerblockfabinett von Februar bis November 1925 befolgt haben: damals machten sie acht Monate lang als Re­gierungspartei die Politik mit, die zu den Locarno  - Berträgen führten. Sie ließen Stresemann die Verhandlungen führen, erflärten aber, als das Ziel erreicht war, sie seien niemals informiert worden, sie müßten daher die Verantwortung für alles ablehnen und aus der Regierung austreten.

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Die Analogie mit der damaligen Zeit ist unverkennbar: Stresemann   hat ein Angebot gemacht. Die deutschnationalen Minister sind davon nicht abgerückt; sie sind in der Regierung geblieben. Aber sie erklären: das ist ein Vorrecht" des Außenministers, und der entscheidende Punkt ist im Kabinett nicht besprochen worden. Mit anderen Worten: die deutsch­nationalen Kabinettsmitglieder haben nichts dagegen einzu­wenden, daß Stresemann auf eigene Verantwortung in diesem Sinne verhandle, aber sie nehmen für sich das Recht in Anspruch, ihn jederzeit zu desavouieren.

Aber diesmal ist die Deffentlichkeit durch den Präzedenz­fall von Locarno   gewarnt. Die deutschnationalen Mi­nister merden sich nicht wie Herr Schiele im Jahre 1925 ahnungslos hinstellen und erklären können, sie hätten nicht gewußt, worum es ginge. Sie müssen jetzt Farbe be Pennen: verbleiben sie in der Regierung, dann tragen sie ihren Teil von Verantwortung für den Borschlag Stresemanns, über eine Beobachtung der Verhältnisse im Grenzgebiet" bis 1935 zu diskutieren. Und dann sollen uns die Deutschnationalen, wenn sie nach den Reichstags­mahlen aus der Regierung hinausgeflogen sein werden, nicht mit Klagen und Anklagen kommen, man habe wieder einmal Die vaterländischen Belange" preisgegeben.

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Parlamentseröffnung in London  .

Nichtssagende Thronrede.- Macdonalds Angriff.

London  , 7. Februar.( Eigenbericht.)

bis die Neuwahlen tämen und die Majorität der Re­gierung gestürzt würde. Schließlich erkundigte der sozia­liftische Redner sich auch nach den Balutaschiebereien hoher Beamter des Auswärtigen Amts.

Lloyd George  

fragte, ob in den neuen Schiedsvertragsvorschlägen gegen­über den früheren irgendein Fortschritt enthalten sei. Werde es ein alle umfassender Schiedsvertrag sein? Schließe er irgend etwas aus? Werde jede Streitfrage zwischen England und der Bereinigten Staaten einem Schiedsspruch unterworfen sein? Das Bereinigten Staaten einem Schiebsspruch unterworfen sein? Das Scheitern der Genfer   Konferenz mache es um so notwendiger, daß ein Vertrag dieser Art zwischen den beiden Regierungen abge ihlossen werde. Ja seiner Erwiderung sagte

Die am Dienstag vom König vorgelesene Thronrede war ungewöhnlich furz. Sie beginnt mit der Versicherung, daß die britische   Regierung dauernd bemüht sei, im Zusammenwirken mit dem Bölferbund die Regelung internationaler Differenzen herbei­zuführen, um die Sache des Friedens zu fördern. Die Lage in China   habe sich inzwischen soweit gebessert, daß große Ber­minderungen in den nach Ostasien   entsandten Flotten und Mili­tärstreitkräften möglich seien. Die durch innere Unruhen und Bürger­friege verursachte Lage gebe aber trotzdem noch immer zu Besorg­nissen Anlaß. Dennoch stehe die englische Regierung noch zu den vor einem Jahre bekanntgegebenen Grundsägen, den chinesischen   Be­strebungen entgegenzukommen, wenn die Chinesen befriedigenden Schutz für britisches Leben und Eigentum zusichern. Ueber die Haltung der britischen   Regierung zur Ratifizierung des Washingtoner Abtommens enthält die Thronrede fein daß der Absatz über China   in die Thronrebe absichtlich hinein­Die Debatte wurde von der Opposition mit längeren Aus- gesetzt worden sei, damit er in der ganzen Welt gelesen werde. führungen Er freue sich, daß Macdonald und Lloyd George   ihn angenommen hätten und hoffe, daß er damit zur Grundlage einer nationalen Baldwin teilte mit, daß Chamberlain morgen Politik werde. nachmittag mit jeder außenpolitischen Frage, die aufgeworfen wer­den sollte, sich befassen werde.

Wort

Ramjay Macdonalds

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eröffnet. Er betonte, daß die Thronrede inhaltlich die armseligste Erklärung darstelle, mit der seit seinem Eintritt ins parlamen tarische Leben das Parlament jemals eröffnet worden sei. Das Be­merkenswerteste an der Thronrede seien die Auslassungen. Sowohl das Fabrifgefeß, das vom Innenminister und Mini­sterpräsidenten immer wieder versprochen worden sei, als auch die Ratifitation der Washingtoner Ronvention feien nicht er wähnt worden. Die Arbeiterpartei fönne die soziale Lage in Groß­ britannien   nicht so günstig beurteilen wie die Thronrede das tue. Niemand, der die Thronrede lese, fönne auf den Gedanken tommen, daß es eine Million Arbeitslose in England gebe. Die Regierung müsse damit rechnen, daß die Opposition die in der Rede ausgelassenen sozialen Fragen nicht vergessen werde und Tag für Tag und Schritt für Schritt um diese Probleme kämpfen werde,

Baldwin,

Zur Untersuchung der angeblichen Währungsspekulationen von Regierungsbeamten bemerkte Baldwin, die Regierung werde von der Untersuchungsfommission über die Tatsachen unterrichtet mer­den und werde dann beschließen, welche Schritte ange= messen seien. Der Bericht der Untersuchungskommission werde dem Parlament zugleich mit der Entscheidung der Regierung darüber oorgelegt werden.

Die Aktion der Arbeiterpartei.

London  , 8. Januar. Die Arbeiterpartei hat im Unterhaus einen Abänderungsantrag für die Antwort auf die Thronrede angekündigt, nämlich das Be dauern darüber auszudrücken, daß keine Maßnahmen für das drins gende Arbeitslosenproblem, besonders in der Kohlen­

Heute soll er gestürzt werden! industrie, erwähnt werden.

Norwegens   Ministerpräsident Genosse Hornsrud  .

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Die erst vor wenigen Tagen gebildete Arbeiter regierung Norwegens   soll schon heute bei ihrem ersten Erscheinen vor dem Parlament gestürzt werden. Als Minderheitskabinett war das Ministerium Horns rud auf die Unterstütung der bürgerlichen Linken an Ministerpräsident gewiesen, die ihr versagt wird. Hornsrud   erklärte selber, daß nach dieser Stellungnahme der Liberalen das Schicksal der Regierung besiegelt sei.

Anläßlich der Eröffnung des Parlaments hatte die Arbeiter. partei eine große Bersammlung nach der Albert- Hall einberufen, in der Ramsay Macdonald   Hauptredner war. Er wurde verschiedentlich von einer Anzahl Kommunisten unterbrochen, von benen einer eine große rote Fahne schwenkte. Die Ruhestörer wur den schließlich von Aufseher aus der Halle herausgeschafft. Kundgebung für volles Frauenstimmrecht. London  , 8. Februar.

Bier Suffragetten überbrachten der Regierung eine Petition über sofortige Einführung des gleichen Stimm- und Wahlrechts für die Frauen; fie erflärten, sie würden dem Ministerpräsi denten keine Ruhe lassen, bis er den drei Millionen englischen Frauen unter 30 Jahren, die die Blüte des Landes darstellten, das­selbe Recht gewähre wie den Männern. Die Delegation begab sich darauf nach dem Buckingham- Palast und ersuchte, vom König empfangen zu werden. Die Wache weigerte sich aber, die Frauen Dorzulassen, worauf diese durch List ihr Ziel zu erreichen versuchten. Während drei von ihnen mit den wachthabenden Soldaten sprachen, versuchte eine vierte durch eine Seitentür in den Balast einzubringen. Sie wurde aber von einem anderen Wachtpoften bemerkt und fest­gehalten.

Der Kampf in Mitteldeutschland  . Schwierige Verhandlungen.

Die Verhandlungen im Reichsarbeitsministeriumt zur Beilegung des Kampfes in der Metall. industrie in Mitteldeutschland   find bis heute mittag Uhr noch nicht über das Stadium von Vorver handlungen hinausgekommen. In Mitteldeutschland  bestehen drei Tarifgebiete mit unterschiedlichen Vertragsbestimmungen. Die Vorverhandlungen haben zunächst den Zweck diese verschiedenen Tarifgebiete auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

Bei diesen Vorverhandlungen, die zunächst noch nicht gemeinsam geführt werden, sondern mittelst eines so. genannten Pendelverkehrs durch den Schlichter zwischen den beiden Parteien vermittelt werden, zeigen Vertreter der Metallindustrie keinerlei die Neigung zu irgendwelchen ernsthaften Konzessionen. Da die Metallarbeiter Mitteldeutschlands jedoch entschlossen sind, unter keinen Umständen zu den Bedingungen der Metallindustriellen in die Betriebe zurückzukehren, so muß man dem Ausgang dieser Ver­handlungen frei von jedem Optimismus entgegensehen.