Kriegsschädenprofite in Frankreich .
Berwässerung des Nachprüfungsgefehes.
Paris , 15. Februar.( Eigenbericht.)
Die Sozialistische Partei führt seit Jahren einen scharfen Kampf gegen die Betrügereien beim Wiederaufbau der zerstörten Gebiete. Der Abg. Inghels hat schon 1924 in der Kammer nachgewiesen, daß der Staat durch zuerkennung von ungerechtfertigten Schadenerjagbeträgen um milliarden geschädigt worden ist. Unter dem Eindruck dieser Enthüllungen hat selbst die Regierung des Bloc national der öffentlichen Meinung weichen müssen. Knapp vor den Wahlen von 1924 tam ein Gesetz über die Reviston jener Kriegsschädenverfahren zustande, in denen mehr als 500 000 Franken Schadenersatz zuerfannt worden waren. Schon in den ersten Wochen nach dem Infrafttreten des Gesetzes wurden nicht weniger als 2251 Strafverfahren eingeleitet. Davon find bisher 422 so erledigt worden, daß dem französischen Staat 101 millionen Franken zurückerstattet wurden.
Nun versucht die Regierung, das Gesetz durch eine Novelle derart abzuschwächen, daß es jeden praktischen Wert verlieren würde. Für die sozialistische Frattion protestierte Genoffe Uhry gegen den Versuch, die Betrügereien zu vertuschen und ihre Nutznießer unge schoren zu lassen. Genosse 2 a font mies auf einen Fall hin, in dem ein Schaden von 900 000 Franken mit 10 millionen Franken vergütet worden ist! Nichtsdestoweniger wurden alle Anträge auf Rüdverweisung des Revisionsentwurfs an den Ausschuß mit großer Mehrheit abgelehnt. Die Parteien des Nationalen Blocks wollen offenbar den Kriegsschädenstandal aus mahltattischen Gründen endgültig niederschlagen.
Der sozialistische Robotnit" warnt sehr nachdrücklich vor der drohenden Gefahr administrativer Wa hI mißbräuche. In Galizien habe man schon früher' spöttisch von einer sogenannten ,, Geisterstunde" nach Schluß der Stimmabgabe ge sprochen; dann pflegten die regierungsfeindlichen Stimmen ,, wunder barermeise" aus den Wahlurnen zu verschwinden. Der ,, Robotnik" meint, daß auch jetzt ähnliche Prozeduren vor sich gehen und druckt als Beweis für seine Behauptung die Instruktionen eines Wojewoden an die ihm unterstellten Starosten( Landräte) ab. Es wird darin empfohlen, in die Bezirkswahlkomitees der Regie= rung ergebene Personen aufzunehmen. Ferner zählt die Instruktion des Wojewoden genau diejenigen Abweichungen von den strikten Wahlvorschriften auf, die anwendbar wären, ohne eine spätere ungültigkeitserklärung der Wahlen zu verursachen. Auch wird hervorgehoben, daß der Bezirkswahlleiter die eingefandten Stimmzettelpatete der Unterbezirfe öffnen darf, bevor das Wahlkomitee zufammentritt.
Raffe und Religion.
Ein Zwischenfall im Budapester Parlament.
Während der Behandlung der Borlage über die( fcheinbare! Red. d. 3.) Abänderung des Numerus- claufus- Gefeges über bie Beschränkung der Zulassung jüdischer Stubenten tam es im Ab geordnetenhause zu einem Zwischenfall. As ein christlich- sozialer Redner darüber sprach, daß der Raffencharafter des Judentums auch in seiner Konfession zum Ausdrud tomme, rief der Redakteur des jüdischen Wochenblatts Egyenlözét", Ludwig Szabolcsi, von der Journalistentribüne aus, wo er ohne Eintrittskarte er. schienen mar, dem demokratischen Abgeordneten laut zu:„ Das ist unrichtig! Man fann non der jüdischen Konfeffion auch über. treten." Da die Journalisten zum Stillschweigen verpflichtet find, wurde Szabolcsi vom Präsidenten zum Berlassen der Journalistenbühne aufgefordert und zur Legitimierung in die Quäftur geführt. Nachdem er wegen seines Benehmens schriftlich um Entschuldigung gebeten hatte, wurde von einem weiteren Verfahren gegen ihn Abstand genommen. Da jedoch festgestellt wurde, daß er unrechtmäßig im Hause erschienen war, wurde er auf die Dauer von sechs Monaten aus dem Abgeordnetenhause ausgewiesen.
Bündnis gegen Tschangtfolin.
Aber Aufffand im eigenen Lager!
Pefing. 15. Februar.( Agence Indopacifique.) In Schenschau, Provinz Honan , ist auf einer Konferenz das neue Bündnis gegen Nordchina geschlossen worden. Tschang taischet wird die Operationen auf der Linie Tientsin- Bufan leiten, Fengyuhsiang auf der Linie Peting- Hantau und Jensihan auf der Linie Beting- Suijoang und im Schanfigebiet. Der Aufstand unter den Truppen Fengyuhsiangs dauert an. Der aufständische General Hstchaoschuan hat sich des Arsenals Kuhfien bemächtigt.
Selbst die Toten müffen Steuer zahlen!
Der chriftliche General Fengyuhsiang hat das in der Brovinz Honan liegende Gut des verstorbenen Präsidenten von China , Juanschifai, das einen Wert von sechs Millionen Silberdollar repräsentiert, beschlagnahmt. Gleichzeitig ließ er die Gruft Yuanschifais öffnen, um in ihr nach eventuell verborgenen Schäßen zu suchen.
Der verhaftete Polizeifommiffar.
Tauschobjekt für den verurteilten Franzosen?
Wie schon gemeldet, ist der Polizeikommiffar Steinebach in Bad Neuenahr verhaftet und in das jest französische Unter fuchungsgefängnis Mainz eingeliefert morden
Die deutschen Regierungsstellen haben jetzt den Grund der Ber haftung erfahren. Steinebach foll in dem Landesverratsverfahren gegen den Franzosen Cremer, der vom Reichsgericht zu langer Suchthausstrafe verurteilt ist, eine falsche Aussage gemacht haben. Die Verteidigung Steinebachs hat Rechtsanwalt Dr. Führ in Landau übernommen, der zahlreiche Deutsche , vor französischen Bejagungsgerichten während der legten Jahre nertreten hat.
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Die verfeuchte Marine.
Zu den Enthüllungen Heilmanns auf dem Preußentag.
Da hat sich die Spinne ein feines Net gesponnen!
Preußens Beileid.
Bürgerblockdebatte vor dem Landtag/ Der Fall Badice/ Abstimmungen zum Wohlfahrtsetat.
Im Landtag ist ein fommunistischer Mig trauensantrag gegen den Handelsminister Dr. Schreiber eingegangen, über den am Freitag abgestimmt wird. Das Haus nahm Bann zunächst die Abstimmungen zum Etat für Bolts. mohlfahrt vor Einstimmig angenommen wird der Antrag, daß mohlfahrt vor. Einstimmig angenommen wird der Antrag, daß die Staatsregierung fofort ein Wohnungsbauprogramm mindestens im Unifange des vorjährigen aufstellen foll und daß das Reich und Breußen auch Auslandstrebite für Neubauzwecke flüssig machen sollen. Gegen die Rechtsparteien wird auf fozialdemokratischen Antrag beschlossen, daß die Dienst anweisung gestaltet und Fortbildungskurse für Baufontrolleure eingerichtet für Bautontrolleure nach den Vorschlägen des ADGB. neuwerden sollen. Die von den Sozialdemokraten geforderte Einfegung eines parlamentarischen Beirates zur Kontrolle der Fürsorgeerziehung wird gegen die Stimmen der Linten abgelehnt. Der sozialdemo fratische Antrag auf Bermehrung der Zahl der Landes gewerbeärzte wird einstimmig angenommen. Ebenso eine fozialdemokratische Resolution, daß die Gewerbeärzte die Gesundheitsgefährdung von Schulkindern bei der Erwerbsarbeit, insbesondere in der Tabatindustrie und in der Landwirtschaft, nachprüfen sollen. Einstimmig angenommen wird die sozialdemokratische Resolution auf gesetzliche Regelung der Ferien für Jugendliche unter Fortzahlung des Lohnes und Förderung des Jugendherbergswesens.
Der sozialdemokratische Antrag, den Fonds zur Unterstigung für die Bekämpfung der Geschlechtstrantheiten zu erhöhen, wird mit 168 gegen 162 Stimmen abgelehnt. Ebenso der sozialdemokratische Antrag auf vermehrte Bewilligung von Geldern zur Errichtung und Erhaltung von Entbindungsheimen. Der sozialdemokratische Antrag. Den gestrichenen Betrag von 1 Million Mark für Kinderspeisungen wieder in den Etat einzustellen, wird an den Hauptausschuß zurüdverwiesen. Angenommen wird ein Antrag, der eine Einwirtung auf die Reichsregierung dahin verlangt, daß Borbestrafte nicht wegen ihrer Borstrafe von der Aufnahme in Heilstätten ausgeschlossen sein sollen.
Es folgt die zweite Lesung des Etats des Ministeriums des Innern. Der Fall Badicke.
Abg. Heilmann( Soz.) berichtet über die Ausschußverhandlungen: Der Innenminister habe u. a. im Hauptausschuß erklärt, daß dem Major Badide seinerzeit auf Wunsch des Reichs: wehrministeriums auch ein preußischer Ausweis durch den Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg ausgestellt worden sei. Diesen Ausweis habe aber Preußen bereits vor Jahren zurüdgezogen. Uls Badide sich daher in seinem Prozeß gegen von Tresdow auf den preußischen Ausweis berufen habe, sei er nicht in gutem Glauben gewefen.
Abg. Bubert( Soz.):
In früheren Jahren ist die Personalpolitik des Innenministers im Hauptausschuß ausführlicher und scharfer Stritit unterworfen morden. In diesem Jahr hat man bacon taum noch ein Wort gefprochen. Man war außerordentlich friedfertig, und die aufgeregten Kriegsberichte der Deutschen 3eitung und Deutschen Tageszeitung" aus dem Hauptausschuß haben bei seinen Mit gliedern nur ein stilles Lächeln hervorgerufen. Sollten die Deutschnationalen hier im Plenum aus mahltaftischen Rücksichten einen anderen Ton anschlagen, so ändert das gar nichts an unserer Fest ftellung, die durch die Ausschußberatung bemiefen wird: die preußische Berjonalpolitit hat sich felbst bei ihren Gegnern burchgesett( Sehr wahr! bei den Soz.) Aber wo ist überhaupt die Opposition der Rechten gegen den fozial. demokratischen Innenminister geblieben? Am 16. Ottober 1925 hat Herr Schlange Schöningen uns hier von dieser Stelle aus erflärt: Möge die Zeit tommen, wie sie wolle, niemals wird es an dem großen Zug fehlen, der durch unsere Opposition geht! Bir werden den Kampf führen, ohne Grmatten und Waffenstillstand. Und wir werden den Kampf morgen oder übermorgen, fiegreich zu Ende führen." Zu Ende ist der Kampf allerdings. Aber das Ende ist, daß die deutschnationale Opposition nor der fachlichen und ruhigen Arbeit der preußischen Regierung völlig zusammen.
gebrochen ist.( Lebhafte Zustimmung links.) Der große Zug, der durch diese Opposition ging, hörte auf den Namen Bied. An dem Tage, an dem Freiherr von Mirbach hier weinte, die Kommunisten hätten leider die Deutschnationalen im Stiche gelaffen. ist sich die deutschnationale Opposition ihrer ganzen Bedeutungslofigfeit hemußt gemorden.
Heute wiffen die Deutschnationalen, daß fie dem Siege ferner als je find. Daher die frampfhaften Bersuche, die Neuwahlen hinauszuschieben. Aber die Deutschnationalen haben inzwischen in zmeimaliger, furzer Regierungsbeteiligung im Reich ihren ganzen Kredit verwirtschaftet. Wir können den Fachministern" von Kendell und Koch unser herzliches Belleid nicht versagen. ( Sehr gut! und Heiterkeit links.)
Herr Keudell hat bewiesen, daß ein bestandenes Assessoreramen noch nicht den Minister macht, und Herr Koch hat bewiesen, daß ein Außenseiter noch nicht deshalb sein Amt ausfüllen fann, weil er deutschnational ift. Bielleicht haben die Deutschnationalen endlich begriffen, daß die Regierungsmethoden der Kaiser3eit nicht mehr in die Gegenwart passen und find in Zukunft in ihrer Kritik wesentlich bescheidener.( Sehr gut! links.)
Der Gedanke des Einheitsstaates hat unter dem Druc der Finanznot in allen Parteien Anhänger gewonnen. Die Sozialdemokratie ist gemäß dem Beschluß der Landesversammlung nont 1919 noch heute bereit, Preußen mit allen anderen Ländern zugleich jede 3erschlagung Preußens, die das Glend im Reiche aufgehen zu lassen. Auf der anderen Seite lehnen wir Kleinstaaterei nur vergrößern würde, schon im Intereffe der Republik ab.
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Noch dringender ist die innere Berwaltungsreform Preußens, obwohl die Verwaltung Preußens billiger arbeitet als die jedes anderen deutschen Landes.
Wir danken dem Innenminister für die Initiative, alle notwendigen Borlagen zur Berwaltungsreform bereits jetzt für den nächsten Landtag ausarbeiten zu laffen. Wir begrüßen insbesondere seine. Anweisung zu übersichtlicher Sammlung aller Berwaltungsgefeße. In Hannover z. B. bea ruht das ganze Polizeiftrafrecht noch auf längst überholten Bestim mungen aus den 40er Jahren. Auch die Aufhebung ber Landschaften und Ritterschaften darf nicht länger hinausgezögert werden. Mit Entschiedenheit verwahren wir die Städte gegen den Vorwurf der Verschwendungssucht. Das Geschrei über die sogenannten Lurusausgaben der Städte soll nur dazu dienen, die Betriebe in öffentlicher Hand wieder dem Privatfapital auszuliefern und die soziale Betätigung der Gemeinden einzuschränken. Dabei sind die Ausgaben der Städte gegenüber der Borfriegszeit nur um 62 Broz. gestiegen, weit weniger als Reichs- und Staatsausgaben, und auch ihre Ansprüche an den Auslandsanleihemarkt sind gegenüber der Borfriegszeit fleiner geworden.( hört, hört!) Wir sind im letzten Jahre in der Demokratifierung Breußens ein gutes Stück vorwärts gefommen. In dem gleichen Maße ist das Vertrauen meitester Bevölkerungsfreise zur preußischen Regierung gemachfen. hoffen, daß dieser staatspolitische Gesundungsprozeß weiter geht. ( Lachen und Unruhe rechts Surufe: 3hr macht Euch gefund!) Seien Sie nur still, Sie figen hier nur noch auf Kündigung. Am Wahltage wird das Bolt über die Gericht halten, die kein Berständnis dafür haben, den wahren Volksstaat in Freiheit und Gerechtigkeit aufzubauen.( Lebhafter Beifall bei den Soz.)
Wir
Abg. Dr. von Winterfeld( Dnat.): Dem Einheitsstaat stehen wir ablehnend gegenüber. Wir geben darin mit dem Zentrum völlig fonform.( Buruf lints:„ Das Poussieren des Zentrums hat jetzt feinen 3wed mehr!" Heiterfeit.) Die Auflösung der Gutsbezirke erfolgt überſtürzt. Lurusausgaben der Städte, insbesondere Berlins , laffen sich gar nicht bestreiten. Die Personalpolitik des Ministers ist durch das Lob der Sozialdemokratie genügend gekennzeichnet. ( Bravo ! rechts. Lachen linfs.)
Abg. Dr. Beudert( 3.): begründet eine Zentrumsresolution über Richtlinien zur Verwaltungsreform.
Hierauf wird die weitere Berhandlung auf Donnerstag, mittags 12 Uhr, vertagt.