Der schießwütige Lehrling.
Waldemar friegt Prügel.
Eine Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Berlin regte unwillkürlich zu einem Vergleich mit dem Sensationsprozeß Kranz an. Hier wie dort war die treibende Kraft, war die Veranlassung zu dem Konflikt ein Revolver in der Hand eines unreifen Menschen. Hier wie dort war auch das Motiv die verlegte Eitelkeit. Nur daß der Fall, der vor dem Arbeitsgericht zur Verhandlung stand, ein nicht so tragisches Ende nahm.
Der 17 Jahre alte Lehrling Waldemar 3. in einem Handelsgeschäft war fristlos entlassen worden und sein Vormund flagte nun nicht auf Fortsetzung des Lehrvertrages, sondern auf Zahlung einer Entschädigung, da nach seiner Behauptung der Lehrling das Recht habe, den Vertrag seinerseits zu lösen, da ihn der Lehrherr in ehrenrühriger Weise behandelt hätte. Die ,, ehrenrührige Behandlung" wurde darin erblickt, daß der beklagte Lehrherr seinen Schützling über den Ladentisch gelegt und ihm die Verlängerung des Rückens massiert hatte. Dann hatte der schlagfertige Lehrherr die Polizei holen lassen, der er den in dieser ,, ehrenrührigen" Weise behandelten Lehrling übergab. Die Polizei holte dann aus der Tasche des Lehrjings einen geladenen und entsicherten Revolver hervor.
Dieser Fall war aber eigentlich nur der Höhepunkt in einem Lehrlingsroman. Angefangen hatte er bereits mit dem Abschluß des Lehrvertrages. Damals hatte der Stiefvater des neuen Lehrlings dem Chef ausdrücklich Bollmacht erteilt, notfalls dem angehenden Handelsherrn ,, ein paar hinter die Ohren" zu hauen, da der junge Mensch schwer zu erziehen sei. Von dieser fonderbaren Vollmacht hatte der Lehrherr bis zu jenem Höhepunkt" feinen Gebrauch gemacht. Wohl aber hatte er bereits mehrmals den Lehrling wegen ungebührlichen Betragens entlassen, auf Bitten des Vormundes aber immer wieder eingestellt.
Eines Tages wegen einer Arbeitsverweigerung vom Chef zur Rede gestellt, gab der Lehrling unverschämte Antworten, wie er es bereits vorher mit dessen Gattin gemacht hatte. Als Ant wort schlug der Chef zunächst seinem Lehrling einmal den Hut vom Kopf, den diefer im Privatkontor nicht abzunehmen für nötig befunden hatte, und warf dann den Lehrling hinaus. Aber am andern Tag tam Waldemar wieder an und äußerte zu dem Personal, daß es heute etwas ,, segen" würde; er wolle seinem Chef ein paar blaue Veilchen" beibringen. Dann begab er sich in das Privatfontor, eine Hand immer in der Hosentasche, wo sich deutlich ein Revolver markierte. Der Chef wartete nicht erst ab, bis sein Lehrling im Privatkontor Schießübungen anstellen würde, sondern.. fiehe oben.
Bei dieser Sachlage kam das Gericht zu der Auffassung, daß der Lehrherr voll im Recht gehandelt hatte. Der Lehrling wurde mit der Klage abgewiesen.
RESIDENZSTADT POTSDAM
Potsdam war in alten Zeiten ,, Residenzstadt ". Heute zehrt es von verflossenem ,, Glanz". Die Stadt ist so rückständig, dass sie die moderne Zeit zu verschlafen scheint. Oder sollte die ,, Bezeichnung Residenzstadt" aut dem Müllauto symbolische Bedeutung haben? Es hat ja schon manches auf dem Kehrichthaufen geendet.
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Tanz zwischen Bajonetten. In einem Dörfchen in der Pfalz wurde eine Tanzmusit abgehalten, an der drei französische Soldaten teilnehmen wollten. Das wurde ihnen aber, da es sich um eine geschlossene Gesellschaft handelte, nicht gestattet. Als sie fich trotzdem in den Saal drängten, tam es zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung, bei der einer der Soldaten Schläge erhielt. Bald darauf erschienen 15 französische Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten, die das Tanzlofal umstellten. Unter dieser Bedeckung wurde bis gegen 3 Uhr morgens von den deutschen Teilnehmern weiter gtanzt, bis nach Beilegung der Angelegenheit durch die Ortspolizei die Truppe fich entfernte.
Was der Mieter wissen muß.
Die Verschlechterung des Mieterschutzes.
Die Berschlechterung des Mieterschutzes ist Wirklichkeit geworden. Soeben wird das„ Reichsgesetzblatt" ausgegeben, das die neuen Beftimmungen enthält. Sie treten vom 1. April 1928 an in Kraft, und die Mieter werden sich die wichtigsten Bestimmungen einprägen müssen, um nicht gleich von den Hauswirten in den April geschickt zu werden.
Die wichtigste Neuerung ist
das Kündigungsverfahren.
Während vor der Mieterschutzgesetzgebung die Kündigung durch Brief des Hauswirtes erfolgte und in der letzten Zeit das Mietverhältnis nur durch Mietaufhebungsklage beendet werden konnte, ist jetzt wieder das Kündigungsschreiben eingeführt( für den Hauswirt wahl weise neben der Einreichung der Mietaufhebungsflage), aber durch Bermittelung des Gerichts. Ein Mieter also, der aus seiner Wohnung entfernt werden soll, wird in der Regel ab 1. April ein Kündigungsschreiben seines Hauswirtes vom Gericht zugestellt erhalten, wie eine Klage oder einen Zahlungsbefehl. In diesem Kündigungsschreiben wird gesagt, aus welchem Grunde( erhebliche Beläftigung, Zahlungsverzug, dringender Bedarf des Vermieters oder unberechtigte Untervermietung) er die Wohnung räumen soll. Das ist Vorschrift, wie überhaupt das ganze Kündigungsschreiben nach einem amtlichen, noch nicht veröffentlichten Formular abgefaßt sein soll. Gegen dieses Kündigungsschreiben muß der Mieter, der seine Woh nung behalten will, Widerspruch erheben, so wie heute gegen einen Zahlungsbefehl. Erhebt er Widerspruch und zwar binnen zwei Wochen! so fommt es auf neuen Antrag des Vermieters zu einer Güfeverhandlung, die, falls die Parteien sich nicht einigen, in die Streitverhandlung des Mietaufhebungsprozesses übergeht, so wie bisher in der letzten Zeit die Mietprozesse wegen Räumung geführt wurden. Erhebt der Mieter aber keinen Widerspruch oder verspätet, so erläßt das Gericht auf neuen Antrag des Vermieters
Räumungsbefehl,
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so wie heute nach dem Zahlungsbefehl den Vollstreckungsbefehl, und gibt dem Mieter auf, die Wohnung bis zu dem vom Vermieter angegebenen Zeitpunkt zu räumen und die Kosten des Verfahrens zu tragen. Ist es so weit gekommen, so ist der Mieter in einer sehr schlechten Lage. Zwar fann er auch gegen den Räumungsbefehl noch Einspruch einlegen, da der Räumungsbefehl noch nicht wie ein rechtskräftiges Urteil, sondern erst wie ein Versäumnisurteil angesehen wird. Aber in dem neuen Verfahren kann er gegen den Kündigungsgrund des Vermieters nichts mehr einwenden, außer wenn er nachweist, daß er ohne sein Verschulden den rechtzeitigen Widerspruch versäumt hat oder daß er innerhalb der Widerspruchsfrist schon mündlich dem Vermieter die Ablehnung der Kündigung erklärt hat. Will der Mieter ausziehen, aber nur
nach einer Räumungsfrist,
so muß er auf das Kündigungsschreiben bei Gericht eine Räumungsfrist beantragen. Alle diese Rechte des Mieters sollen ihm in den betreffenden Formularen, die er zugestellt befommt, flargemacht werden. Aber erfahrungsgemäß werden diese Formulare, die vom Gericht kommen, nicht genügend beachtet, zum Teil auch, weil sie in einer Sprache abgefaßt sind, die der einfache Mann häufig nicht versteht. Es ist also auf jeden Fall gut, wenn der Mieter sich folgendes einprägt:
a) gegen das Kündigungsschreiben binnen zwei Wochen Widerspruch erheben!
b) gegen den Räumungsbefehl binnen einer Woche Einspruch einlegen!
c) eventuell, falls die Wohnung aufgegeben werden soll, Räumungsfrist beantragen.
Die Tasche voll Geld.
Ein Gonderling, der sich erhängte.
Ein nicht alltäglicher Fall von Freito d hat sich gestern nacht in einem Toilettenraum des Bahnhofes Süden de abgespielt: Erhängt fand man dort einen Greis auf, und als die Polizei herbeigerufen war und zur Untersuchung geschritten wurde, entdeckte man etwas Seltsames. In den Taschen des Toten befand sich ein fleines Vermögen: zweitausend Mark in Hundertmarkttscheinen, vierhundert Mark in ein Taschentuch eingeknüpft und zweihundert Mark in einer Rolle von alten goldenen Zehnmarkstücken.
Der Tote ist nach den bisherigen Ermittlungen wahrscheinlich ein 75 Jahre alter Kaufmann P. aus der Mariendorfer Straße in Südende, ein etwas sonderlicher Mann, der jeden Tag nach Wannsee fuhr, wo er stiller Teilhaber eines 31garrengeschäftes, war. Gestern hatte er zur gewohnten Zeit feine Wohnung verlassen, ist aber nicht im Geschäft gewesen. Die Leiche wurde nach dem Friedhof in Steglitz gebracht. Was den Sonderling veranlaßt haben kann, Hand an sich zu legen, weiß man nicht.
Bor Rügen gestrandet.
Ein dänischer Schoner, der Hilfe ablehnte.
magisc
Bei dem starten Weststurm ist in der Nacht zum 16. Februar an der Küste von Wittow , in der Nähe der Rettungsstation
Dranske , ein Schoner gestrandet. Wie wir dazu erfahren, handelt es sich um den dänischen Segler„ Marie" aus Aalborg . Der
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Kapitän der über zwanzig Jahre alten Galeasse, die Delkuchen von Stettin nach Dänemark geladen hatte, lehnte die ihm von den Bergungsdampfern Seehund" und„ Stubbenfammer" angebotene Hilfeleistung ab, angeblich, weil er Hilfe von einer schwedischen Bergungsgesellschaft erwartete. Ueber Nacht kam dann ein so starker orfanartiger Weststurm auf, der das Schiff vollständig vernichtete. Die Mannschaft hat sich in Sicherheit gebracht.
In demselben Sturm wurde, wie eine hier eingelaufene Drahtmeldung bekanntgab, ein nach Saßniz bestimmter schwedischer Fischfutter, der einige hundert Zentner Fische an Bord hatte, bei Born holm auf den Strand geworfen. Der Rutter ist mit der Ladung verlorengegangen. Die Mannschaft wurde gerettet.
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Dies sind die hauptsächlichsten Bestimmungen des neuen Gesetzes. Berantwortlich für die Redaktion: Eugen Brager, Berlin : Anzeigen: Th. Glode, Wegen weiterer Aenderungen ein anderes Mal mehr.
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