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Morgenausgabe

Nr. 93

45. Jahrgang

A 47

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Freitag 24. Februar 1928

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Völkerbund gegen Horthy - Ungarn .

Einhaltsbefehl gegen die Waffenversteigerung.

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Genf , 23. Februar.

Der Generalsekretär des Bölkerbundes hat von dem gegen wärtigen Präsidenten des Rates, dem chinesischen Gesandten in Ciffabon, Tfchengloh, eine Depesche erhalten, in der der Prä­fident bittet, der ungarischen Regierung fofort mitzuteilen, daß der Rat mit einem Schritt der Tschechoslowakei , Rumäniens und Süd flawiens befaßt sei: da er durch die Preffe erfahren habe, die un­garische Regierung fel zu dem Verkauf derjenigen Gegenstände gefchritten, die den Anlaß des Schrittes der drei Regierungen bilde, halte er es für angezeigt, die Ausführung des Beschlusses der ungarischen Regierung aufzuschieben, bis der Rat fich mit der Angelegenheit befaßt habe.

Der Generalsekretär hat dieses Telegramm sofort im Wortlaut dem ungarischen Ministerpräsidenten Bethlen übermittelt.

Randstaaten Not.

zebenzfall schaffen wollten, um ihn später in eigener Sache nur geringe Bedeutung. Anders in Zeiten revolutionärer auszunußen.

Bethlen stellt sich dumm.

Das Ungarische Telegraphen- Korrespondenzbureau ineldet: Ministerpräsident Graf Bethlen hat heute abend an den General. jetretär des Böllerbundes, Sir Eric Drummond , auf deffen Telegramm In der Angelegenhelt von S3 Gotthard nach­ftehende Antwortdepesche gesandt:

Der Inhalt Jhres Telegramms hat die ungarische Regierung licher Quelle herrührten, ist es nämlich bereits seit mehreren Wochen überrascht. Auf Grund von. Prefsenachrichten, die aus amt­bekannt, daß die kompetenten Behörden im Sinne der bestehenden Borschriften das in Rede stehende material unbrauchbar machen und im Wege der Versteigerung verwerten werden. machen und im Wege der Bersteigerung verwerten werden. falls der rechtmäßige Eigentümer sich nicht melden sollte. Da die Bersteigerung für morgen früh angefeht worden ist und fie im Beijein der kompetenten Gerichtsbehörden in Szt. Goff­hard den Bestimmungen des Staatseisenbahnreglements gemäß durchgeführt werden muß, wäre es unter den gegebenen Umständen unmöglich, die Durchführung dieses Berfahrens zu verschieben. Jch gestatte mir weiter zu bemerken, daß die Vorschriften betreffend die Ausübung des Investigationsrechtes feine Be­ftimmung für solche Fälle enthalten. Nichtsdestoweniger wird de ungarische Regierung aus Courtoisie gegenüber der Person des derzelfigen Ratspräsidenten nicht verfäumen, die aufer zu er­derzelfigen Ratspräsidenten nicht verfäumen, die äufer zu er­fuchen, die Gegenstände, die sie laufen werden, an Ort und Stelle

Das Pariser Journal des Débats forbert, daß infolge des Bergehens der ungarischen Regierung als normale Sanktion die Ständige Interalliierte Militärkontrollfommission in Ungarn wiedergeschaffen werde, die dank der übertrie benen Gefälligkeit der Alliierten aufgelöst worden sei Ungarn zeige felbst, daß es einer derartigen Bergünstigung un würdig gewesen sei. Eine unangebrachte Langmut würde hier einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Es bestehe die Möglichkeit, daß einige Staaten gerade einen solchen Brazu selalien

Wo liegt die wahre Sicherheit"?

So viel Länder, so viel Meinungen.

Genf , 23. Februar.( Eigenbericht.) Ergebnis der heutigen Diskussion: England sieht im Bölfer­bundspaft eine genügende Friedenssicherung. Es ist bereit, Schiedsgerichts- und Schlichtungsverträge abzuschließen, mo es seine Interessen gebieten. Aber England hält einen allge met­nen Schiedsgerichtsvertrag für feine Stärkung der Friedenssiche rung und würde einen solchen nicht unterschreiben. Es kann sich auch nicht in allen Streitfragen dem Spruch des Internationalen Schiedsgerichts unterwerfen." Das ist in dürren Worten der Inhalt der am Donnerstag gehaltenen Rede des britischen Ver treters, Lord Cushendern. im Sicherheitskomitee des Bölkerbundes.

Bir fehen im Bölkerbund eine gewisse Sicherheit, aber feine ausreichende. Wir wollen die gegenwärtige Weltlage durch ein weltumfassendes Schieds- und Sicherheitsablommen, das durch Santtionen garantiert wird, verankern." Das steht wörtlich und zwischen den Zeilen der Abänderungsanträge zu der Einleitung und dem Schiedsgerichtsteil des Prager Gutachtens, die Polen , Rumänien und Jugoslawien eingebracht haben.

Frankreich hat sich am Donnerstag mit Wünschen nach Er­weiterung und besseren Garantien des Schiedsgerichtswesens be­gnügt. Seine Meinung über den Baft wird es erst bei dem Einzel­thema Sicherheit" sagen. Italien , der Staat, der freie hand für seine Expansionspläne braucht, schloß sich England an, dem Land, das für seine Kriegseroberungen nicht die gleichen Befürch­tungen hat wie die Sieger Kontinentaleuropas . Japan , Chile , Holland , Schweden und Canada stellten sich in der Grund­idee neben England, find aber weniger nationalegoistisch und for= dern Schieds- und Schlichtungsverfahren für alle Streitfälle. Politis machte den technischen Vermittlungsvorschlag, einen all­gemeinen Schiedsvertrag als Rahmenvertrag zu verfaffen, dem auf die Besonderheiten der staatlichen Interessen rücksichtneh­mende Einzelverträge einzugliedern sind. Beschlüsse werden erst nach Beratung im Redaktionskomitee, also frühestens am Freitag abend, gefaßt..

Der Zollkampf in Frankreich . Die Gozialisten gegen Lebensverteuerung.

Paris , 23. Februar.( Eigenbericht.) Im Kampf um die 3oll novelle ist jekt eine Einigung erzielt worden Nachdem schon in der Donnerstagmorgenfitzung der Rammer die Handelsverträge mit Deutschland und der Schweiz ge­nehmigt worden sind, hat nun der Handelsausschuß beschlossen, den Widerstand gegen die sofortige Beratung der Bollnovelle fallen. zulassen; er will aber bei der Diskussion mehrere Abänderungs. anträge stellen, die nach Möglichkeit die aus der Zollnovelle er­Dartete Berteuerung der Lebenshaltung einschränten foll

Die fozialistische Rammerfraftion hat befchloffen, gegen jebe Eröhung der Lebensmittelzölle aufzutreten, vor allem für Milch, Zuder, Trodengemüse, Fleisch und Getreide.

Oppositionssieg in Japan .

Die Regierung hofft noch.

London , 23. Februar.( Eigenbericht.) Das endgültige Ergebnis der japanischen Neuwahl liegt jegt vor. Die Oppositionspartei Minseito hat insgesamt 218 Gige erobert gegen 217 der Regierungsparteien. Außerdem find 8 Arbeiterfandidaten gewählt. einen Sit weniger als die Minseito- Opposition erhalten hat, hofft Obwohl die Regierung sie durch die Unterstützung eines Teiles der kleineren Parteien, die insgesamt 31 Size haben, am 23. März in dem neugewählten Bar­lament doch noch eine Mehrheit zu finden.

Das amtliche Ergebnis.

Tokio , 23. Februar. Gewählt find: 215 Konservative( Seinukai), 212 Liberale( Min­feito), 16 Unabhängige, 8 Proletarier, 4 Kaufmannsparteiler und 3 Reformparteiler. Die noch ausstehenden Ergebnisse der Lut schau- 3rifeln( 8 Mandate) werden das Gesamtergebnis nicht wesent­

lich beeinflussen.

Judenstaat in Ostsibirien?

Raum für Hunderttausende.

An die Sowjetregierung ist das Erfuchen gelangt, in der fibirischen Provinz Amur etwa fünf Millionen Morgen Land zur Judenansiedlung freizugeben. Das in Aussicht genommene Gebiet liegt in der Gegend des Burdejagebirges, 940 Kilometer on Bladiwostok entfernt, und ist bisher außerordentlich dünn bevölkert. da nur 27 000 Menschen, meist Ruffen und Koreaner, dort mohnen. Nach dem Urteti der Kenner des Landes ist in jenen Gebieten aber Raum für etwa eine million Einwohner, die dort ihren austömmlichen Unterhalt zu finden vermögen. Das Klima ist ge­fund, Malaria oder anftedende Strankheiten sind bisher nicht wahr genommen worden, und die Zahl der Grundbefizer ist so gering, daß ber überwiegend größte Teil des Landes herrenloses Gut ist. Erst feit der Revolution ist eine Bahn dorthin gebaut worden. Nach einer Schägung, die in der Abteilung für Judenansiedlung, der Romzet, vorgenommen wurde, erfordert die Ueberfiedlung einer Familie nach Oftfibirien etwa 4000 m fo dak ohne große Schwierig. teiten 35 000 Familien dort ansässig gemacht werden tönnien

Bum zehnten Jahrestage der Republik Estland . Bon M. Martna Reval , Gekretär der Sozialistischen Arbeiterpartei Im normalen Berlauf der Geschichte haben zehn Jahre Umwälzungen, in denen wir jetzt leben, und in welche die ersten zehn Jahre der Republik Eesti gehören. Hier umfassen fie die geschichtlichen Umgestaltungen, die für das kleine, 14 Millionen zählende estnische Bolt den Beginn einer neuen Epoche bedeuten und die in der Hauptsache darin bestehen, daß ein bisher hart unterdrücktes, niedergehaltenes, faft ge­fchichtsloses Bolt die Freiheit erhält, sein Geschick selber ge­stalten zu können! Bisher nur Objekt der Geschichte, wird es von nun an auch Subjekt derselben: im Leben eines Boltes wohl ein Moment von weittragender Bedeutung!

Politisch völlig rechtlos, wirtschaftlich einer mächtigen Adelstafte unterstellt, fulturell zur völligen Unmöglichkeit der Selbsthilfe verdammt und einer rücksichtslosesten Entnatio­naliſierung nalisierung der gewalttätigsten Ruffifizierung ausge liefert das war das Los des estnischen Volkes vor der Märzrevolution.

Diese Hemmnisse einer naturgemäßen Entwicklung hat die Märzrevolution hinweggeräumi, geftüzt auf das Selbst­bestimmungsrecht der Völker ist am 24. Februar 1918 auch die Republik Eesti gegründet worden auf der Grund­lage einer demokratischen Verfassung. für die die hesten Ber­faffungen der anerkanntesten Demokratien als Beispiel ge­bient haben. Aber Verfassungen find Bostulate, aufgestellte Ziele! Sie zu verwirklichen, das ist schwieriger, erfordert unausgesetzte Entwicklungsenergien, Kämpfe. Dazu find die zehn Jahre entschieden nicht lang genug gewesen. In einem Agrarian de wie Estland , mo 59 Proz. der Bevölkerung vom Acerbau lebten, spielt die Agrar Derfaffung eine große Rolle. Die Bauernschaft befand fich in drückender Abhängigkeit von dem grundbesitzenden. Adel, der absoluter Herr des Bodens war und den Land­hunger dazu ausnußte, um den Preis des Bodens durchaus noch nicht beendet, obgleich der exproprilerte Boden derart hochzuhalten, daß die bäuerliche Landwirtschaft fich aus der Tributpflicht nicht herauszuarbeiten vermochte. Als die Macht des 3arismus 1917 endgültig gebrochen wurde, verlor der Adel seine eigentliche Stüße und stürzte gleich der Barenmacht zusammen. Nun wurden nicht nur die Altbauern aller Lasten ledig. wozu fie dem Großgrundbesig verpflichtet waren. fondern der Großgrundbesik wurde ver­staatlicht, um aufgeteilt zu werden. Dieser Boden ist nunmehr etwa 30 000 sogenannten Ansiedlern" zugeteilt worden, und zwar in der Größe von fleinen und mittleren Familienbetrieben.

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Die Ansiedlung der Neubauern ist zum großen Teil mit Hilfe des Staates erfolgt Sie erfordert große Summen und bedeutet daher den Steuerzahlern empfindliche Opfer. Die Bersorgung der Landhungrigen" mit Land ist damit durchaus noch nicht beendet. obgleich der erproviierte Boden fast aufgeteilt ist. Es heißt also neuen Boden urbar zu tracht, der wohl reichlich vorhanden ist, dessen Urbarmachung macher Es kommt hauptsächlich Moorboden in Be­Heimstätten erst eine Frage der Zukunft. jedoch sehr fostspielig ist. Daher ist die Erstellung neuer

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Aber zur Lösung der Agrarfrage gehört auch die Ver­forgung der etwa 80 000 zählenden Masse der kleinen land­wirtschaftlichen Betriebe mit mehr Land oder Ar­beitsgelegenheit! Diefe Betriebe find nämlich so flein, daß sie die Inhaberfamilien weder mit genügend Arbeitsmöglichkeit, noch mit genügend Lebensmitteln ver­sehen könnten. Es ist also unmöglich, die Arbeitskraft in den tieinen Eigenwirtschaften nugbringend zu verwenden, sie anderwärts für Lohn zu verwerten namentlich im Winter. ist ebenso schwierig,

Die Industrie ist zurückgegangen. Die Großindustrie hat den russischen Markt verloren und sich auf dem Weltmarkt nicht durchgesetzt. Daher ist die Zahl der in der Industrie beschäftigten Arbeiter von etwa 45 000 auf etwa 30 000 ge­fallen! Das Baugewerbe ehemals das wichtigste Gewerbe mit zahlreichen Nebengewerben liegt lahm, ob gleich die drückenste Wohnungsnot es antreiben sollte... Die bürgerlichen Regierungen haben fich viel Mühe gegeben, die Industrie zu stüzen Man ist auf diesem Weg weiter ge gangen, als es gut war: leichtherzig gewährte Kredite hatten in den ersten Jahren ein Gründungsfieber zur Folge, das jetzt mit empfindlichen Verlusten abgebaut werden muß. Eine Rukunftshoffnung des Landes ist die Delfchiefer­industrie. Das ausländische Kapital scheint dafür bereits größeres Interesse zu haben, was soviel bedeutet, daß man aus der Periode der Experimente heraus ist und mit der praktischen Ausbeutung beginnen kann. In Anbetracht der großen Arbeitslosigkeit wird die Belebung der Delschieferindustrie sehr zu begrüßen sein. Hoffentlich wird burch wachsende Arbeitsgelegenheit auch die Arbeiter bewegung belebt, die infolge der Arbeitslosigkeit sehr schwach ist!

Die unbemittelten Boltsmassen sind unbefriedigt. Die Revolution hat Estland zwar die politische Selbständigkeit ge­