Morgenausgabe
Nr. 95
45. Jahrgang
A 48
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Sonnabend 25. Februar 1928.
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Vorwärts- Verlag G. m. b. H.
Ungarn ist beim Waffenschmuggel ertappt worden. Das| heißt, um das gleich vorweg zu nehmen, Ungarn hat etwas getan. was bei anderen Ländern etwas durchaus Legales märe und nur bei den Besiegten etwas Berbotenes, weil Bertragswidriges ist. Dabei ist Ungarn erwischt worden. Es hat sich ungeschickt herauszuschwindeln versucht, ja es hat versucht, dem Bölferbund auf der Naje herumzutanzen. Es hat unter dem lächerlichen Vorwand, der Adressat der SenDungen sei nicht zu ermitteln, gegen den Einspruch des Vorfizenden und des Generalsekretärs des Bölkerbundes eine Bersteigerung der zuvor unbrauchbar gemachten" Waffen vorgenommen und damit den Verdacht genährt, die Waffen tönnten alsbald wieder in durchaus brauchbarem Zustande ihren Weg zu dem unbekannten Adressaten finden.
Bei den Nachbarn Ungarns , bei der Kleinen Entente , aber auch in Desterreich ist die Unruhe groß. Frankreich nimmt sich, seiner traditionellen Bolitik folgend, diese Nachbarn an, der geschäftsführende Borsigende des Bölterbund rats der Chinese Tschengloh, hatte eine Besprechung mit Briand . Die französische Bresse fordert eine förmliche Untersuchung gegen Ungarn , wie sie laut Friedensvertrag auf Beschluß einer Rats mehrheit vorgenommen werden kann und wirbt bei Deutschland lebhaft um Unterstützung. Die Antwort, die ihr in der deutschen Rechtspreise erteilt wird. ist mehr als froftig. Hier bricht das Gefühl der Solidarität der besiegten Staaten durch, hier wird die Sorge geäußert, Frankreich wolle den Apparat der Investigationen nur in Gang sehen, um ihn auch gegen Deutschland gebranchen zu können.
Man fann für diese Gefühle und Sorgen Norständnis haben, und wird doch zur dem Ergebnis fommen, daß es für Deutschland unmöglich ist, sich mit Ungarn 3 solidarisieren. Ungarns Vertra sverlegung lieat offen zutage. Deutschland aber als Ratsmacht hat mit dafür 2't forgen. daß die Berträge iofamae fi haftehon ouch re sprtert werden. Deu'sch'and muß selbst diese Verträge refpeftiere un fi te bash grose Bef hränkungen auferlegen, es fann nicht den Schuhherrn über ein Land spielen, das es
mit feinen Verpflichtungen weniger ernst nimmt. Deutsch land kann nicht für ein unmögliches Recht des Aufrüftens von hinten herum bei einem anderen eintreten, ohne den Berdacht auf sich zu laden, es verfolge selber die gleichen Pläne. Dadurch aber würde es die starke Stellung aufgeben, die es jetzt in der Abrüstung wie in der Räumungsfrage innehat.
Deutschland war im Jahre 1923 fo vernünftig, ein ita tenisches Angebot auf Belieferung mit Waffen abzu lehnen. Ungarn war so töricht, auf dieses zweifelhafte Geschäft einzugehen. Deu ſchland hat keinen Grund, für Ungarn die Kastanien aus dem Feuer zu holen.
Die Bersteigerung der Schmuggelwaffen.
Wien , 24. Februar.( Eigenbericht.)
Am Freitag vormittag hat in Szent- Gotthard die Bersteigerung der italienischen Munition stattgefunben. Aus Budapest waren Bertreter des Beteidigungs- und Finanzministeriums anwesend. Die fünf Waggons Kriegsmaterial waren in großen Haufen aufgeschüttet. Der Beginn der Ber steigerung verzögerte sich, weil offenbar noch mit Budapest verhandelt wurde, ob die Bersteigerung trotz des Verbots des Völker bundes vorgenommen werden solle. Mit zweistündiger Berzögerung begann dann die Versteigerung, zu der österreichische und ungarische Eisenhändler anwesend waren. Schließlich tauften ungarische Eisenhändler das Material, die nachher jagten, daß ihnen jedenfalls die Gewehre von der ungarischen. Regierung wieder abgenommen werden, würden.
Das ganze Material war höchst unvollständig; es war fein einsiges. Maschinengewehr tomplett. Man hat daraus den Schluß gezogen, daß. entweder die Sendung unvollständig war oder, was wahrsteinlicher ist, wichtige Gewehrbestandteile vor der Zerstörung und vor der Versteigerung beseitigt worden waren. Das ganze Waffenmaterial gehörte dem Typ 7/12 Steyr an; es ist also Fabrikat aus der Zeit vor dem Weltkriege und wahr scheinlich als Kriegsbeute nach Italien gekommen.
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Bürgerblocks Abschiedssegen.
Was der Nachtragsetat bringt.
Kurz vor seinem Abgang präsentiert der Bürgerblod dem Bolk die letzte Rechnung. Dem Reichsrat liegt jetzt der lange angekündigte Nachtrag zum Reichshaus= haltsplan für 1927 vor. Er enthält Mehrausgaben von 596 Millionen Mark. Davon entfallen auf die Gehaltsund Lohnerhöhungen sowie die Erhöhung der Ruhegehälter und Kriegsrenten 172 Millionen. Für die Barzahlungen nach dem Kriegsschädenschlußgefeß sind 160 Millionen erforderlich. Der Fürsorge für Grenzgebiete dienen Ausgaben in Höhe von 81 Millionen. Für Sozial- und Kleinreniner find 25 Millionen vorgesehen, während weitere 25 Millionen für die Linderung der Unwetterschäden und ähnliche Not
standsmaßnahmen bestimmt sind. Die Durchführung des Anleiheablösungsgesezes erfordert 44 Millionen. Für die Abgeltung von Länderansprüchen sind 56 Millionen eingesetzt, 25 Millionen entfallen auf sonstige Ausgaben der Ministerien und schließlich 7 Millionen auf die Abwicklung der berüch tigten Phoebus- Affäre.
Diese gewaltigen Mehrausgaben kann das Reich nur tragen, weil es im Jahre 1927 180 millionen bei den Kosten der Erwerbslosen und Krisen. fürsorge erspart hat, und weil die Steuererträge um 702 millionen Mart gestiegen sind. Da von diesen 702 Millionen 126 Millionen auf die sind. Da von diesen 702 Millionen 126 Millionen auf die Länder entfallen, so verbleiben dem Reiche 576 Millionen. wird hiervon der Mehrbedarf von rund 416 Millionen ge= deckt, so ergibt das Rechnungsjahr 1927 immer noch einen lleberschuß von 160 Millionen, der zur Deckung des Jehlbedarfs im Haushalt für 1928 dienen soll.
Es entsteht dadurch der Eindruck, als ob der Stand der Reichsfinanzen günstig sei. Das Gegenteil ist der Fall, und nur mit großer Sorge fann man der Zukunft entgegensehen. Aber das ist nur die Sorge derjenigen, die für das Schicksal des ganzen deutschen Volkes eine ernste Verantwortung emp finden und verhindern wollen, daß das deutsche Volk zum dritten Male durch eine leichtsinnige Finanz= politik in Ratastrophen hineingetrieben wird. Das ist jedenfalls nicht die Sorge des Rechtsblocks. Er denkt nur daran, wie er sich noch vor seinem Ende durch Geschenke möglichst populär machen und seine Wahlaussichten verbessern kann.
Das ist der einzige Sinn des Notprogramms, über das man sich im einzelnen noch nicht flar ist und dessen Kosten noch nicht im Nachtragsetat enthal ten sind. Dabei handelt es sich um Beträge von rund einer Viertelmilliarde Marf, die man also in den be
legung und Garantierung des heutigen Belt reits gewaltig überlasteten Hauptetat für 1928 einstellen. bildes bezwecken sollen.
Die Erklärung des französischen Vertreters, daß Frankreich der Fakultativklausel des Haager Schiedsgerichtshofes noch nicht beitreten fönne, ist um so merkwüridiger, als Briand im Sep tember 1927 Stresemann vor zahlreichen Zeugen beglüd wünschte, weil zur Fakultativklausel angekündigt hatte. Frankreich selbst lebnt aber diesen bedingungslosen Beitritt noch immer ab! Uns scheint, daß gegenwärtig Deutschland auf dem Gebiete der Sicherheit unvergleichlich mehr an praktischen Anregungen und an fonkreten Taten leistet, als Frankreich , ob wohl die Sicherheit zum Steckenpferd der französischen Politik in Genf geworden ist.
Die Freitagfizung des Sicherheitstomitees fand wegen Erkrankung von Benesch unter dem Vorsitz des schwedischen Vizepräsidenten Un dén statt. Es wurde darüber diskutiert, ob es ratfam fet, einen Rollettivschiedsvertrag auszuarbeiten oder ob Modelle zweiseitiger Schiedsverträge notwendig seien. Belgien und der Grieche Bolitis waren für beide, England und Italien weder für das eine noch das andere. Der Japaner hat nichts gegen Modellverträge einzuwenden, ließ aber ebenso wie England und Italien keinen Zweifel daran, daß er einem allgemeinen Schiedsvertrag nicht beitreten würde. Undén wies das Redaktionstomitee an, beides auszuarbeiten. Deutschland teilte zum nächsten Punkte Beitritt zu der Fakultatioflausel (§ 36) des ständigen internationalen Gerichtshofes" mit, daß es feinen Beitritt baldigst ratifizieren werde. Frankreich lehnte feinen Beitritt wiederum ab. Paul Boncour erklärte, das Ergebnis der Arbeit für einen generellen Schiedsvertrag abwarten zu müssen. Das Redaktionskomitee wurde beauftragt, Borbehalte und Ausnahmen zu entwerfen, die einer größeren Anzahl von Staaten die Zustimmung ermöglichten. Der Entwurf dieses allgemeinen Schlichtungsvertrages wurde von Italien abgelehnt, von England im einzelnen fritisiert. Italien und Holland fürchteten Kollufionen mit der Rolle des Völkerbundsrates als Schlichter. Kanada , Chile und Deutschland dagegen traten lebhaft für einen Ausbau des Schlichtungswesens ein. Der deutsche Vertreter non Simson verwies auf seine Dentschrift, in der Deutschland ein generelles Schlichtungswesen von zweiseitigen Berträgen bejaht hat. Auch hier wurde ein Entwurf vom Redaktionskomitee gewünscht. In diesem Komitee, das unter Ausschluß der Deffent lichkeit tagt, werden die Hauptkämpfe entschieden werden. Man weiß schon von der ersten Sigung, die am Freitag vormittag statt fand, daß lebhafte Auseinandersegungen stattfanden. Es ging um die sogenannten guten Dienste" des Rates, wieweit der Rat den Abschluß von Si.herheitsverträgen empfehle und auf Deutschland einen Drud ausüben sollte. Deutschland wehrte sich dagegen, daß der Rat mit der Empfehlung regionaler Sicherheitsverträge beauftragt werde. Nach den Reden Serbiens und Polens in ber Generafdebatte fürchtete man, daß diefe' cherBeitspafte im§ 19 des Bölferbundspattes eine endgültige est. I tann ja nett werben!
Die römische Bresse tobt über die vorgestrige Kunde gebung des österreichischen Nationalrates für Südtirol . So beansprucht die Tribuna" für Italien das unbedingte Recht, im Interesse der Sicherung seiner Brennergrenze die deutsche Minderheit in Südtirol einfach abzuschaffen"!
Die Angelegenheit wird ein Nachspiel im sogenannten ita lienischen Barlament haben. Die offizielle Stefani- Agentur meldet aus Rom , daß eine Gruppe von Abgeordneten in der Kammer eine Anfrage eingebracht hat, in der sie Mussolini um Mitteilung feiner Auffassung über die schmähliche Haßkundgebung" ersucht, die sich im öfterreichischen Nationalrat abspieite und über die, von verantwortlichen österreichischen Kreisen betriebene unverschämte Lügentampagne geçen die einfache Anwendung der italienischen Gesetze in der italienischen Provinz Bozen ." Es wird gefragt, ob es nicht angebracht sei, in diesen Kundgebungen fünftig eine unerträgliche Einmischung eines fremden Staates in die immere italienische Gefekoebung zu erblicken.
Wie bie Blätter melten. wird Mussolini bei dem benor ftehenden Barlamentsbeginn diese Anfrage beantworten. Das
will. Es gibt keinen besseren Beweis für die Leichtfertigkeit des Rechtsblocks, als diese Handlungswelse. Der Reichsetat für 1928 ist bereits jetzt ein Defizitetat. Wird er mit weiteren Riesensummen belastet, so wird das auch äußerlich in die Erscheinung treten. Solange der Rechtsblock glaubte, daß er bis in das Spätjahr 1928 hinein regieren würde, wollte er das verhindern. Jetzt, wo er mit seinem baldigen Ende rechnet, hofft er, die Berantwortung für die Auswirkungen seiner leichtsinnigen Finanzpolitt seinen Nachfolgern zuschieben zu können und dadurch auch noch politischen Gewinn zu erzielen.
Weit interessanter als die Ausgabenseite des Nachtragsetats ist seine Einnahmeseite. Mit erschreckender Deutlichkeit zeigt sie, wie brutal die Steuerpolitik des Rechtsblocks gewirkt hat, welche Riesensummen aus den gering entlohnten und kümmerlich sich ernährenden unteren Volksschichten herausgepreßt merden. Bar schon bisher der Anteil an den öffentlichen Lasten, den die Massen des Volkes zu tragen haben, sehr hoch, so wird der Rechtsblock den traurigen Ruhm für sich in Anspruch nehmen können, ihn noch gewalttg gesteigert zu haben. Den besten Beweis dafür enthält die folgende Aufstellung über die Einahmen des Reiches an Steuern, Zöllen und Abgaben:
früherer Boranschlag
jebiger Boranschlag
Das ist ein Mehr von
in Millionen Marf 8452
702
4870 2880
5 493 2959
623 79
Gesamtertrag. 7.750 Davon: Massenbelastung Besizbelastung.
Aber nur 79 Millionen davon entfallen auf BeDie Gesamtbelastung ist also um 702 Millionen gestiegen. fi steuern. Die Vermögenssteuer bringt 18 Millionen, die Erbschaftssteuer sogar 30 Millionen weniger als der Voranschlag! Trogdem mill der Bürgerblock den Be