Einzelbild herunterladen
 

Nr. 95 45. 3ahrgang

1. Beilage des Vorwärts bend. 25. Februar 1928

Subtoff zu 500 M. Geldstrafe verurteilt

Er wird uns bald verlassen.

In England, der Heimat des Boxsports, wird dieser an sich etwas roh aussehende Sport damit verteidigt, daß man erklärt, er erziehe die ihn ausübenden Anhänger wie faum ein anderer Sport zu einer überlegenen Ruhe und Gelassenheit. Ein echter Boger jei auch ein wahrer Gentlemen. Niemals wird er sich an einen Schwachen vergreifen. In diesem Sinne ist Herr Alexander Subkoff, der Schwager Wilhelms II. von Doorn, be­stimmt tein echter Borer, denn er hat sich an einem kleinen hilflosen Pagen vergriffen. Subtoff, am Freitag wegen seiner Heldentat, die selbst durch Trunkenheit nicht entschuldbar ist, ver­nommen, gibt zu, den Pagen Friedrich geohrfeigt zu haben, weitere Mißhandlungen aber bestreitet er. Der Page selbst, der durch einen Knod- out- Hieb zu Boden geftredt wurde und infolgedessen für kurze Zeit befinmungslos war, tann nicht sagen, ob ihn Subkoff mit Füßen getreten habe. Er weiß das nicht, weil er eben das Bewußtsein ver­loren hatte. Jedoch flagt er über Rippen- und Leibschmerzen, die von dem Fauftschlag ins Geficht nicht herrühren tönnen. Friedrich ist noch zu Hause in ärztlicher Behandlung. Der Vater des Pagen hat sich selbstverständlich vorbehalten, ob er wegen tätlicher Beleidigung einen Strafantrag stellen wird. Eine Körperverlegung mit einem gefährlichen Werkzeug fommt nicht in Frage. Bei der Untersuchung des Auftrittes tam auch heraus, daß Subkoff, ein staatenloser Mann, teinen gülfigen Auslandspaß und feine Aufenthaltsbewilligung befaß. Es wurde weiter fest­gestellt, daß er wegen Paßvergehens schon einmal mit 100 mart bestraft worden ist. Mit Rücksicht darauf wurde er wegen des neuen Bergehens vom Schnellrichter zu 500, Mart Geldstrafe ver­urteilt. Ueber eine etwaige Ausweisung, die ihn als lästigen Aus­länder treffen fonnte, ist nicht in Berlin zu entscheiden, sondern in Bonn , wo er beheimatet ist. Subtoff hat bei seiner Bernehmung erklärt, daß er beabsichtige, mit seiner Frau demnächst ins Ausland abzureifen.

Sonnabend,

Der erweiterte Krematoriumsbau.

Krematorium Gerichtstraße.

Die Eröffnung des Erweiterungsbaues des Krema| faffen, die aus allen Teilen des Reiches gekommen waren, um die toriums in der Gerichtstraße hat am gestrigen Bormittag

Das Bergmann- Konto Dr. Jacobys I. stattgefunden.

Was hat er bekommen?

Die Ermittelungen in dem Verfahren gegen den Inhaber der Allgemeinen Lombard und Kreditgesellschaft, den Kaufmann Paul Galin Bergmann, geftalten sich außerordentlich schwierig. Augenblicklich beschäftigt man sich mit der Aufklärung der nerſchie denen Guthaben. Nach außen hin find die Bergmannschen Bücher mit großer Sorgfalt geführt, denn Bergmann hat fie alle vierzehn Tage durch einen vereidigten Bücher revisor prüfen lassen. Freilich ist Bergmann schmer belastet durch den Um­stand, daß 288 000 Mart über sein Privatfonto liefen. Bergmann erflärt, selbst uur monatlich 1500 Mart für sich ver­braucht zu haben, die restlichen Summen diejes nerdächtigen Privat­fontos feien für andere 3 mede vermendet worden. So seien über dieses Konto auch die Zuwendungen an Staatsanwaltschaftsrat Dr. Jacoby I gegangens Jnsgesamt hätten die Einnahmen des Staatsanwaltschaftsrats aus diesem Konto sich auf etwa 30 000 Mart belaufen. Sachverständige sollen die Höhe dieser Zahlungen ge.n a n feststellen. Ueber einen Posten, der als Darlehen von 50 000 Mart bezeichnet wird, mobei aber über den Empfänger die Auf­flärung noch fehlt, werden besondere Nachforschungen angestellt. Bergmann meint, daß sein Geschäftsführer Wu strom Berumtren ungen begangen, Gelder unterschlagen und auf sein Privat­tonto perbucht hätte.

Die Vertreter Bergmanns, die Rechtsanwälte Dr. Jolenberg und Dr. Feulomic3, stellten beim Untersuchungsrichter den An­trag, daß Bergmann mit einem gerichtlichen Sachverständigen und feinem eigenen Bücherrevisor das Privattonto, das so heiß umstritten mird, durchgehen soll.

Menschen, Göttern gleich...

28]

Roman von Herbert George Wells .

Lord Barralongas Gesellschaft tritt auf.

1.

Nach dieser Ankündigung wurde die Versammlung auf­gehoben. Lord Barralonga und seine Gesellschaft wurden jedoch erst lange nach Einbruch der Dunkelheit in die Kon­ferenz- Gärten gebracht. Es wurde kein Versuch gemacht, die Erdlinge in ihrer Bewegungsfreiheit zu beschränken oder sie zu bewachen. Mr. Burleigh spazierte mit Lady Stella und dem Psychologen, namens Lion, zum See hinunter, Fragen und Antworten austauschend. Mr. Burleighs Chauffeur wandelte ziemlich beunruhigt in Rufweite hinter seinem Herrn. Mr. Rupert Catskill nahm Mr. Mush unterm Arm, als ob er ihm Instruktionen erteilen wolle.

Der mit Blumen würdig geschmüdte Rapellenraum ĉonnte farm die große Zahl der Freunde der Feuerbestattung

Verbrennungsöfen.

Traum würde, ein Traum, der schließlich ganz aus seinem Denken verschwinden würde.

Pater Amertons Bedürfnis nach einem Zuhörer verhin­derte indessen für einige Zeit eine derartige Loslösung von irdischen Gedanken und Dingen. Er hielt sich dicht an Mr. Barnstaples Seite und überschüttete ihn mit einem un­unterbrochenen Schwall von Fragen und Bemerkungen, die sich über diese utopische Szenerie verbreiteten und aus ihr eine Ausstellung in Earls Court machten, welche die beiden besuchten und kritisierten. Diese Szenerie erschien ihm offen­bar so provisorisch, so zweifelhaft und unecht, daß Mr. Barn­staple das Gefühl hatte, Amerton würde nicht das geringste Erstaunen zeigen, wenn eine Spalte in den Kulissen plöglich den Lärm von Earls Court- Bahnhof hereinließe oder einen Ausblick auf die konventionelle gotische Kirchturmipize von St. Barnabas im Westen gewährte.

Zuerst beschäftigte sich Pater Amerton hauptsächlich mit der Drohung, daß er morgen wegen der Szene in der Ver­sammlung behandelt" werden sollte. behandeln?" fragte er zum vierten Male.

"

"

,, Wie können sie mich

Wie bitte?" sagte Mr. Barnstaple. Jedesmal, wenn Mr. Amerton zu sprechen begann, sagte Mr. Barnstaple: Wie bitte?", um ihn darauf zu bringen, daß er seinen Ge­danfengang störe. Aber jedesmal, menn Mr. Barnstaple wie bitte?" sagte, bemerkte Mr. Amerton bloß: ,, Sie sollten jemanden wegen Ihres Gehörs fonfultieren" und legte dann von neuem mit dem, was er auf dem Herzen hatte, los. Wie fann man mich behandeln wollen?" fragte er Mr. Barnstaple und in die sie umgebende Dämmerung hin­ein. Wie fann man mich behandeln wollen?".

" 1

Oh! Psychoanalyse oder so etwas ähnliches," sagte Mr. Barnstaple.

Mr. Barnstaple wünschte, allein spazieren zu gehen, um sich die erstaunlichen Ereignisse dieses Nachmittags ins Ge­dächtnis zurückzurufen und um sie zu verarbeiten. Er wollte fich an das Wunder dieser herrlichen Welt gewöhnen, die so schön und jetzt im Zwielicht auch so geheimnisvoll war, mit ihren Bäumen und. Blumen, die einen verschwommenen und schattenlosen Ton von Blässe und Dunkelheit angenommen hatten, und mit den reinen Formen und gefälligen Proportio­nen ihrer Gebäude, die nun in dämmrige Undeutlichkeit über gingen. Die Erdhaftigkeit seiner Gefährten stand zwischen ihm und dieser Welt, von welcher er fühlte, daß sie ihn andern­falls angenommen und ganz in sich aufgenommen hätte. Er befand sich in ihr, aber nur als ein fremder und störender Eindringling. Doch er liebte fie schon, begehrte sie und wünschte leidenschaftlich, ein Teil von ihr zu werden. Er hatte das unbestimmte, aber mächtige Gefühl, daß er wie ein geborener Utope werden würde, wenn er sich nur von seinen Gefährten entfernen, in irgendeiner Weise seine Erdenklei­dung und alles, was ihn als einen Erdling fennzeichnete und ihn an die Erde heftete, abstreifen könnte, daß ihn dieses Ab- Eine Zeitlang gingen sie zwischen den süß duftenden, streifen allein schon zum Utopen machen würde, und daß er großen, weißblühenden Sträuchern still dahin. Dann und dann das quälende Gefühl, die frostige, beklemmende Fremdwann wollte Mr. Barnstaple seine Schritte beschleunigen Er würde sich oder verzögern in der Absicht. Die Entfernung von Pater heit aus feinem Denten verbannen fönnte. plöglich dem Wesen nach und in Wirklichkeit als ein Utope Amerion zu vergrößern, aber Bater Amerton reagierte auf fühlen und es wäre die Erde, die nun ein unglaubhafter diese Versuche ganz mechanisch.

Dazu gehören zwei," sagte Pater Amerton, aber mie es Mr. Barnstaple schien, mit einem Unterton der Erleich­terung. ,, Was sie mich auch fragen werden, was sie mir auch immer zumuten werden, ich werde nicht ermatten, ich werde befennen." ,, Ich zweifle nicht, daß es jenen schwer fallen wird, Sie unterzufriegen," sagte Mr. Barnstaple bitter...

in hygienischer Beziehung einzig dastehende Einrichtung zu studieren. Der stellvertretende Borsigende des Bezirksamts Bedding, Stadtrat Dr. Ries, begrüßte die Gäste im Namen der städtischen Körper­fchaft und erwähnte, daß es das Bestreben der heutigen Kommunal­Dermaltung fei, alle Tätigkeit in der Deffentlichkeit abrollen zu lassen. 12 000 Verstorbene im Jahre wurden in Berlin auf städtischen Friedhöfen der Erdbestattung übergeben, aber fast 13 000 in den drei Gemeindefrematorien der Berbrennung zugeführt. Diese Zahl von 25 000 entspricht also der Einwohnerzahl einer Mittelstadt. Der Redner hob das hygienische, bodenpolitische und städtebauliche Moment hervor, das für die Feuerbestat tung in den Großstädten spricht, ebenso aber die sozialpolifi. fchen Gesichtspunkte, die eine Verbilligung der Bestattungs­Posten für die Hinterbliebenen bedeuten.

Gerichtsarzt Medizinalrat Dr. Dyrenfurth gab hierauf in einem ausgezeichneten Lichtbilderportrag den Unterschied zu erkennen, der zwischen Erd- und Feuerbestattung besteht und für die Feuer­bestattung spricht.

Stadtrat Genosse Bud, der Dezernent für das Bestattungs­mesen, zeigte die Entwidlungsgeschichte des Krema toriums von ihren Anfängen vor zwanzig Jahren bis heute auf und vergaß auch nicht, die Widerstände zu streifen, die dieser großen Reform entgegenstanden. Insgesamt sind seit Inbetriebnahme bis heute 54 526 Einäscherungen erfolgt.

Es sei besonders darauf hingewiesen, daß bei den Anlagen in der Gerichtstraße Borkommnisse wie in Wilmersdorf vollständig unmöglich sind.

Der Todestag Friedrich Eberts jährt sich am 28. Februar zum dritten Male. Aus diesem Grunde veranstaltet das Berliner Reichs­banner am Dienstag, dem 28. Februar, abends 8 Uhr, auf dem iGendarmenmarkt eine Gedächtnisfeier.

Was für

,, Unzucht!" begann er auf einmal wieder. ein anderes Wort würden Sie dafür gebrauchen?" ,, Wie bitte? Ich habe wirklich nicht verstanden!" sagte Mr. Barnstaple.

,, Was für ein anderes Wort hätte ich gebrauchen können als Unzucht? Was konnte man onderes erwarten bei Leuten, die in einer so erstaunlich mangelhaften Kleidung herumlaufen, als die Sitten des Affenfönigs? Sie geben ja zu, daß ihnen unsere Einrichtung der Ehe so gut wie un­befannt ist."

,, Es ist eben eine andere Welt," sagte Mr. Barnstaple gereizt, eine andere Welt." gereizt, eine andere Welt."

,, Die Sittengesetze gelten für jede erdenkliche Welt." ,, Aber in einer Welt, in welcher sich die Leute durch Spaltung fortpflanzen und wo es keine Geschlechter gibt?" ,, Die Moral wäre einfacher, aber es wäre dieselbe Moral!"

Gleich äußerte Barnstaple abermals sein Wie bitte?" ,, Ich sagte eben, daß dies eine verlorene Welt sei." Mr. Barnstaple . ,, Sie sieht gar nicht so verloren aus," erwiderte

,, Sie hat die Seligkeit zurückgewiesen und vergessen." Mr. Barnstaple steckte die Hände in die Hosentaschen und begann ganz leise die Barcarole aus Hoffmanns Er­ zählungen " zu pfeifen. Würde Pater Amerton ihn niemals allein lassen? Konnte man mit Pater Amerton gar nichts anfangen? In den Ausstellungen in Earls Court gab es gewöhnlich Drahtkörbe für Papier, Zigarettenstummel und alle möglichen Abfälle. Wenn man nur Pater Amerton plößlich in so einen Behälter hineinsteden fönnte.

,, Die Seligkeit wurde ihnen dargeboten, sie haben sie nermorfen und wohl auch fast vergessen und deshalb find wir zu ihnen gesandt worden. Wir sind zu ihnen gesandt morden, um sie an das einzige, das von Wichtigkeit ist, und das fie vergessen haben, zu erinnern. Noch einmal haben mir das Beichen des Heiles zu errichten, wie es Moses in der Wüste errichtet hat. Unsere Mission ist nicht leicht. mir sind gesandt worden in diese Hölle von sinnlichem Mate­rialismus

"

D Gott!" sagte Mr. Barnstaple und verfiel wieder in die Barcarole. ,, Wie bitte?" rief er gleich darauf aufs neue. ,, Wo ist der Polarstern ? Was ist mit dem Bären" ges schehen?" ( Fortsetzung folgt.)

11