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Morgenausgabe

Nr.103

45. Jahrgang

A52

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113.1

Vorwürts

Berliner Boltsblatt

Donnerstag

1. März 1928

Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Df.

Die einipattige onpareillezelle 80 Pfennig Reflamezeile 5. Reichs mart Kleine Anzeigen" das fettge druckte Bort 25 Pfennig( zuläffig zwet fettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Biennig Stellengeluche das erste Bort 15 Brennig jebes weitere Bort 10 Pfennig Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte Arbeitsmarti Beile 60 Bfennig Familianzeigen für Abonnenten Zeite 40 Pfennig Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Lindens ( traße 3 wochentagl von 8%, bis 17 Uhr

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Vor Stillegung der Metallindustrie Nach dem Schulkampf.

Die Arbeiter verhandlungsbereit und kampfentschloffen.

Die Herren vom Berband Berliner Metallindustrieller| fpruch zu fallen, und verwies die Arbeiter nochmals auf Ber. belieben es, sich als die verfolgte Unschuld hinzustellen. Sie handlungen in den Betrieben. jagen in ihren Mitteilungen an die Presse zwar nicht aus- Obwohl eine ernsthafte Hoffnung bestand, daß auf diesem drücklich, aber man fann es zwischen den Zeilen lesen, als Wege ein greifbares Resultat heraustommen würde, hat der feien die streifluftigen" Arbeiter und der Deutsche Metallarbeiter- Berband feinen Mitgliedern Anweisung ge­Metallarbeiter Verband schuld daran, daß es am geben, entsprechend der Empfehlung des Schlichtungsaus Sonnabend zur Stillegung eines wesentlichen Teiles der Ber- schusses zu handeln. Diese Verhandlungen endigten überall infolge der ablehnenden Haltung der Unternehmer mit einem negativen Resultat.

liner Metallindustrie fommen wird.

Die Metallindustriellen haben es wohlweislich versäumt, auch nur mit einem Worte zu erwähnen, wie oft und seit wann der DMV. fich bemüht hat, um einen friedlichen Ab schluß für die Löhne der Facharbeiter im allgemeinen und im befonderen der Werkzeugmacher herbeizuführen. Der Ver­Hand Berliner Metallindustrieller hat aber unter allerlei nich tigen Borwänden bisher abgelehnt, einen Bahntarif für bie Facharbeiter abzuschlieeßn, wie er bis vor vier Jahren übrigens bestanden hat.

Der DM2. hat, da in Verhandlungen mit dem BBMI. non den Industriellen angedeutet wurde, daß man gruppenweise eventuell sich verständigen fönne, den Berfuch gemacht, Gruppentarife abzuschließen. So wurde im Herbst des vergangenen Jahres der Berfuch ge macht, einen Gruppentarif für die Former abzuschließen. Nach langen Verhandlungen gelang es nur, eine allgemeine Lohnerhöhung für die Former durchzusehen, ohne daß ein eigentlicher Tarifvertrag abgeschlossen wurde.

Der DMB. hat dann einen z meiten Bersuch für die Bertzeugmacher gemacht. 3 weimal wurde zwifchen den Organisationen verhandelt.. Die Herren im BBMI. er klärten schließlich, daß die Arbeiter in den Betrieben vor stellig werden follen. Der DMV. hat auch diesen Beg be­schritten. Der Erfolg war gleich null

Auf Eingreifen des Schlichtungsausschusses fanden vor biefem nochmals Verhandlungen statt. Auch hier lehnten Die Unternehmer eine allgemeine Lohnregelung für die Werf zeugmacher ab. Der Schlichtungsausschuß erklärte sich außerstande, unter diesen Umständen einen Schieds­

Der Deutsche Metallarbeiter- Berband hat also alle er bentbaren Verhandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Obwohl ein mit erbrüdender Mehrheit gefaßter Beschluß der Werkzeugmacher, in den Streit zu treten, vorlag, hat ber Deutsche Metallarbeiter- Berband aus Rücksicht auf die schweren Konsequenzen, die ein Streit der Berkzeugmacher nach sich ziehen muß, von den rub 4000 Werkzeugmachern, die in den Betrieben des Verbandes Berliner Metallindu strieller beschäftigt werden, nur 1100 zunächst aus den Be­trieben herausgezogen. Er hat dabei, wie es nur natürlich ist, besonders die Unternehmer berücksichtigt, die die hart nädigsten Gegner eines Tarifvertrages sind.

Der Deutsche Metallarbeiter- Berband ist unbeschadet der Haltung des BBM3. auch heute noch bereit, wenn es irgend möglich ist, auf friedlichem Wege den Konflikt zu beenden. Er wird sich aber durch die Drohungen der führenden Scharfmacher des VVMI. nicht einschüch tern laffen. Der Streifbeschluß der Werkzeugnacher ist noch in Kraft.

Heute vormittag tritt das Metallfartell, d. h. die Ortsverwaltungen der Gewerkschaften, die an dem Konflikt interessiert sind, zusammen. Heute nachmittag beraten die Funktionäre der streitenden Werkzeug. macher. Wenn der Metallarbeiter- Berband bereit ist, den Konflikt durch eine Vereinbarung zu beenden, be por es zur Stillegung der Betriebe fommt, jo behält er sich selbstverständlich auch vor, dem Streit eine weitere Ausdehnung zu geben. An den Unternehmern im BBMI. liegt es, ob Frieden herrschen oder der Kampf weitere Ausdehnung gewinnen soll.

Deutschlands Vorschläge in Genf .

Zum ersten Male stimmt Frankreich zu- aber England opponiert!

Genf , 29. Februar.( Eigenbericht.) Die deutschen Anregungen zur Berhinderung von Berfchlimmerungen eines beftehenden Konflikts während eines fchwebenden Schlichtungsverfahrens wurden am Mittwoch der Sicherheitstommiffion mit einigen empfehlenden Worten des Staats­Jekretärs a. D. von Simson vorgelegt. Er erklärte, feine An­regungen feien nur ein Giled, aber ein wichtiges, in der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Staaten. Das Berantwortungsgefühl der Staaten würde durch sie ge hoben. Die Nichteinhaltung oder Einhaltung der vorgesehenen Nicht mobilisierung oder des eventuellen Waffenstillstandes ließe ersehen, welcher der streitenden Partner eine friedliche Beilegung wolle und welcher nicht. Die deutschen Anregungen feien als Ausfüllung einer Lücke im§ 11 des Bölferbundspattes gemeint. Die deutschen Bor­fchläge befagen folgendes:

1. Die Staaten verpflichten fidh, im konfliktsfall vor­läufige Empfehlungen des Böllerbundsrats aus juführen, um einer Verschärfung der Streitigkeiten vorzubeugen. 2. Die Staaten verpflichten sich, bei Kriegsgefahr im voraus Bölkerbundsempfehlungen auszuführen, die den militäri­fchen Normalfriedenstand aufrechterhalten sollen. 3. Die Staaten verpflichten sich, bei Ausbruch von Feind­feligkeiten im voraus einen vom Bölferbundsrat vorgeschlagenen Waffenstillstand anzunehmen, die eima über die Grenze gegangenen Streitkräfte zurückzuziehen und die Staats­

hoheit des anderen Telles zu sichern.

4. Diese Verpflichtungen follen in einem Berfrage oder Protokoll festgelegt werden, das alle Mitglieds- und Nichtmit­gliedstaaten des Bölkerbundes unterzeichnen tönnen.

Der britische Vertreter Cushenben wandte sich gegen einen allgemeinen Bertrag, dem England taum beitreten tönne. Dagegen fönnten die deutschen Vorschläge in eventuelle neue

Regionalverträge hineingearbeltet werden. Im übrigen bezweifelt der Engländer, daß man den normalen Friedensstand der Armeen feststellen könnte und ein Waffenstillstand ohne Benach. teiligung eines Partners Immer erreichbar fei. Wie im voraus be fürchtet, war der Engländer gegen jede Milderung des Einstimmigkeitsprinzips. Die Einstimmigkeit der Rats Einstimmigkeitsprinzips. beschlüsse sei mit voller Absicht zu einem Grundstein des Battes ge­macht worden.

Weniger unfruchtbar war bie Stellungnahme Paul Boncours, der für Frankreich dem deutschen Projekt in seinen großen Linien Die Details müßten ernsthaft durchgearbeitet 8ustimmte. werden. Entsprechend einem ähnlichen Borschlag einer Rats. tommiffion müsse eine Kontrolle der Innehaltung der Nichtmobili. fierung und des eventuellen Waffenstillstandes durch Böllerbunds organe vorgeschrieben merden. Polen stimmte ebenfalls im Bringip zu, forderte aber auch Kontrolle und Sicherung der vorgesehenen Maßnahmen. Wie England, will Bolen die endgültige Entscheidung den einzelnen Regierungen überlassen.

Der deutsche Delegierte ermiberte, daß die englische Stritit ebensogut entsprechende Teile des Locarno Bertrages trifft wie die neuen deutschen Borschläge. Er stimme im Prinzip mit Frankreich darin überein, daß eine Kontrollmöglichkeit des Rates objektiv für beide Bartner wünschenswert sei und sei zu jeder detaillierten Durch arbeitung bereit. Nach einer langen von dem Japaner entfelfelten Geschäftsordnungsdebatte wurde dahin ent. schieden, daß die deutschen Vorschläge im allgemeinen Bericht der Rommission, der jeder Regierung zugeht, behandelt werden sollen

Deutschland hat ratifiziert.

Der beutsche Generalfonful in Genf hat gestern dem Böfter bunbsjefretariat die Ratifitation surkunde bes Beitritts Deutschlands zur fatultativen Riaufel bes Haager Schiedsgerichts übergeben,

Das Trümmerfeld des Schulgefehes.

Bon Kurt Löwenstein .

Das Reichsschulgesetz ist an der Frage der Erhaltung der Simultanschulen in Baden, Hessen und Frankfurt a. M. ge­scheitert und hat nach einigen trampfhaften Zuckungen zur einer Katastrophe des Bürgerblocks geführt. Urfache und Wirkung stehen in feinem Verhältnis zueinander. Der volls­Sachsen, Hamburg , Bremen , Braunschweig usw. schützte, son­parteiliche Antrag, der feineswegs die Simultanſchulen in bern sich auf die sogenannten alten Gimultanländer be­schränkte, war in dieser Form verfassungswidrig. Doch er hätte leicht eine Form annehmen fönnen, die für das Zentrum erträglich war und der Verfassung entsprochen hätte. In Wirklichkeit hat nach zuverlässigen Berichten die Volkspartei auch das Angebot gemacht, die Verhältnisse der Simultanländer der Landesgefeßgebung zu überlassen, so wie man die Schulverwaltungsfragen in Hamburg , Bremen und Lübeck der Landesgefeßgebung überwiesen hat. Wenn dennoch die Verhandlungen scheiterten, so hat das seine tiefe­ren Ursachen.

politische unwahrhaftigkeit standen an der Wiege Sachlich unüberbrüdbare Gegensäge und innere des Bürgerblods, genügten zum gemeinsamen Raubzug gegen die arbeitende Bevölkerung, aber reichten niemals aus zu irgendeiner aufbauenden Tätigkeit, befonders nicht zur Lösung einer so schwierigen Frage wie die des Reichsschul gefezes. Es war von vornherein eine politische innere Un­wahrhaftigkeit. daß die Rechtsparteien. Die die schärfsten Gegner der Weimarer Verfassung im allgemeinen und des Artifels 146 im befonderen waren, geistige und moralische Träger einer Gesetzgebung werden sollten, die auf Grund der Berfassung erfolgen mußie. Es war von vornherein ffar, daß diese Parteien hemmungslos ihren engen Barteistand­punft verfolgten und die Verfassung höchstens zu dialektischen Afrobatenstücken mißbrauchen würden So verfuchte bereits der Gefeßentwurf die Stellung der Gemeinschaftsschule ver faffungswidrig festzulegen und diese Verfassungswidrigkeit durch juristischen Formalismus zu verfchleiern. Diefes Spiel fehte der deutschnationale Katholit Spahn fort, indem er mit gefünftelter Knifflichkeit die Gemeinschaftsschule über­haupt aus der Berfaffung hinausinterpretierte. Die Boltspartei versuchte ährliche Manöver mit dem Inhalt der Gemeinschaftsschule. In der Nationalversamm lung hatte sie bewegte Klage darüber erhoben. daß die Ge­meinschaftsschule der Berfassung feinen christlichen Charakter trüge und damit ihre Ablehnung der verfassungsmäßigen Ge­meinschaftsschule begründet. Derselbe Bertreter erklärte bei den jezigen Beratungen, daß die Verfassung sinngemäß eine thriftliche Gemeinschaftsschule verlange.

Das Zentrum, das in der Koalition die einzige Ber­faffungspartei ist, zeigte sich den Verfassungsgegnern durch­aus entgegentommend. Im Zentrum rächte sich der Ein fluß des Kleritalismus. der bei der Bürgerblock­toalition Pate gestanden hatte. Es fehlte dem Zentrum eine fluge und attive Leitung. Man glaubte nach allen Opfern bas Schulgesetz schon sicher vereinbart und unterschäßte die Wantelmütigkeit des Nationalliberalismus und die starke Bo­fition der Opposition innerhalb und außerhalb des Parla­ments. Die von Gefftlichen und schriftlichen Elternbünden in Maffen fabrizierten Refolutionen find noch lange feine öffent liche Meinung und wiegen nicht den Protest der Lehrerschaft und aller freiheitlich gesinnten Kreise auf, besonders dann nicht, wenn eine Partei von der Stärfe der Sozialdemokra tischen Partei diesen Protesten polttische Wirksamkeit gibt.

Die

Es ist der Sozialdemokratischen Partei ge lungen. Die Bürgerblodeinheit immer stärker zu lodern und der Volkspartei die Zustimmung zu einem ausgesprochen firchenfreundlichen Gesetz zu erschweren. An sich war die Bollspartei durchaus zur Nachgiebigkeit bereit. Wenn heute in Erwartung des kommenden Wahlkampfes die Bolkspartei fich als die Retterin der deutschen Volksschule anyreist, so tut fie das völlig zu Unrecht. Es darf nicht vergessen werden, baß die Boltspartei durchaus bereit war, dem Geistlichen bie Einsichtnahme in den Religionsunter richt der Befenntnisschulen wie der Gemeinschaftsschulen zu geftatten und damit dem Lehrer eine indirekte und un­fontrollierbare geistliche Schulaufsicht aufzuhalsen. Boltspartei hat fogar Anträge der Sozialbemofraten abge­lehnt, die verlangten, daß die geistliche Einsichtnahme in den vorher zu melden fei, und die Kontrolle des Geiftlichen ledig Religionsunterricht dem staatlichen Schulaufsichtsbeamten lich auf den Lehrinhalt beschränken, jede methodische oder didaktische Kontrolle jedoch verhindern wollten. Die deutsche Boltspartei hat ferner der sogenannten Ler Saconia, durd die die fortschrittliche Schulentwicklung in Sachsen miderrecht­lich auf den Zustand von vor 1918 zurückgeschraubt werden follte, zugestimmt, und sie würde auch das bayerische Konfor­bat nachträglich fanttioniert haben, wenn nicht Sozialdemo traten und Demokraten durch ihre scharfe Opposition fie baran gehindert hätten. Man redete zwar in der Volkspartei viel von liberalen Traditionen, doch die schulpolitische Grund­