Nr. 104 45. Jahrgang
Donnerstag 1. März 1928
Zeugen technifcher Vergangenheit.
Jedes technische Lau. werk wird aus dem Geist der. Zeit geboren. Moderne Technik hat ihre eigenen Formen. Unserem Jahr- hundert blieb es vorbe- halten, eine neu« Schönheit technischer Bauwerke zu finden, eine Schönheit, die ihrem Zweck und auch ihrer Umgebung angemessen er- scheint. Wir haben auf dem
Gebiet der Formgebung eine Neugestaltung, eine Revolution erlebt. die uns besonders stark dann zum Bewußtsein kommt, wenn wir die Werke der Vergangenheit betrachten. Nur aus der Kenntnis des Vergangenen können wir den Maßstab für das Neue gewinnen. Alte Kranbauten. Die heutige Nummer der.Technik' gibt eine Reih« alter Kronbauten wieder, die heute noch in Deutschland zu finden sind. Sie ragen aus früheren Jahrhunderten hinüber in unsere Zeit. Sic sind zu Denkmälern der Technik geworden, die einen guten An» schauungsunterricht geben. Es sind Denkmäler der Arbeit, die wertvoller sind als manches andere.Denkmal', das innerhalb der deutschen Grenzen errichtet wurde. Diese allen Krane sügen sich auch heute noch völlig hormonisch in ihre Umgebung ein. Sie sind aus einer grundanständigen Baugesinnung heraus entstanden. Der da- malige Ingenieur sühlle sich ebenso sehr als Künstler, der das Formgefühl seiner Zeit in sich aufgenommen Halle, und es treu bewahrte, wie als Ingenieur, der aus allen Erfahrungswelten heraus die Festigkeit seiner Bauten bestimmt«. Wenn man den Aufbau dieser ollen technischen Werke betrachtet, so erkennt man immer wieder mit Bewunderung, mit welcher inneren Sicherheit die allen Meister arbeiteten. Di« Ausleger der Kräne sind oft fast elegant, weder zu schwer noch zu leicht bamesien. Der Unterbau, der zum Schutz der Triebräder oieses einfachen Triebwerkes diente, gibt dem Ganzen auch den äußeren Eindruck der Standfestigkeit, so daß da» Wart gHdiegsn und s okbstbsmu ßt erscheint. Lei Andernach, Da ist dar alt« wunderbar wuchtig-leicht« Kran von Andernach am Rhein , der im IS. Jahrhundert(1öö4 bis 1SS7> erbaut wurde. Dreieinhalbes Jahrhundert hob dieser Kran schwere Lasten, vor allem Basaltblöcke, die man zu Mühlenstcinen verarbeitet Halle, in die Rheinschisse. Seine Lebensdauer und Arbeitsfähigkeit überwiegt bei weitem die der modernen technischen Bauten. Die Leistung aber war entsprechend der kleineren Anforderungen natürlich wesentlich ge> ringer. Noch heute sind seine Schöpser bekannt. In dem Aufbau teillen sich Hans Cmel, Philipp Hünermenger, Peter v. Frankfurt und Hans v. Speyer. Christossel Goldschmidt Ist der Schöpser der Architektur des allen Kranes. Don ihm stammt die Renaisiance- fasiade in ihrer formfröhlichen Erscheinung, die so recht der sanges- und weinfrohen Umgebung des Rheines angepaßt ist. Der Arm des Kranes, der Ausleger, ist hier wie bei allen Kronen drehbar. Die Drehsäule ist unten in einem horten Bosaltblock, oben in einem Eisenring gelagert. Fast erfrischend ist es. zu sehen, wie primitiv die Lagerkonstruktionen jener Zell waren, da kein« hohen Gc-
schwinbigkelten. sondern nur verhältnismäßig ruhig wirkend« Kräfte von Achsen, Spindeln und Wellen aufzunehmen und weiterzuleiten waren. Erst die immer größeren Maschinenleistungen erzwangen di« Schaffung besonderer Lagerkonstruttionen mit ollem Raffinement der heutigen Zeit. Der Ausleger des Krane» ist fast 17 Meter long. Eisenbänder klammern chn an der Mittelsäule fest. Querbalken gestatten, die ganze Konstruktion zu drehen. Eine Mauer von ein Meter Dicke nimmt den seitlichen Druck des Kranes auf. Sie ist außerdem noch durch Basaltblöcke gesichert. Zwei Treträder lasten die Lasten steigen und fallen. Die Frag« der Antriebskraft war In jener Zell »in besonderes Problem. � Da« Tretrad ist eigentlich nichts andere» als«in Wasserrad, dessen Schaufeln anstall vom Master von Menschen oder Tieren bewegt werden. Bei den alten Kränen wurde die müh» sam« Arbeit des Hebens und Senken» der Lasten ausschließlich von Menschen besorgt, die auch da» Tretrad zu bedienen hatten. In vielen Geschichten lebt die Arbelt in der.Tretmühle' fort. Stets war sie«ine Plag« für di« von ihr Betroffen«n Noch heut« findet der Mensch, der gezwungen ist, ewig gleiche Arbeit zu machen, daß er in di« Tretmühle eingespannt sei. So hat di« Arbell vergangener Jahr- hundert« sich in unserer Sprache erhalten. Der Mainkran von Würzburg . Ein ander«» unserer Bilder zeigt den Mainkran von Würz- bürg. Er besitzt zwei in der Länge oerschieden« Au?l«g«r. Di« Lasten werden ebenfalls durch zwei Treträder bewegt. Das sind
mächtige Ungeheuer von 5 Meter Höhe und Meter Breite. Dieser Kran wurde erst 1772 vollendet, zu einer Zell , als die doppeltwirkende Dampsmaschine bereits erfunden war. Ein InFenieuroffizier Franz Jgnaz Neumanu ist der Schöpfer der Anlage. Ein Danzigcr Wahrzeichen. Weltberühmt ist das Krantor zu Danzig , ein Zeuge aus dem Mittelalter. 1442 ist fein Geburtsjahr. Dieses für Danzig so kenn» zeichnend« Bauwerk wurde an der Stelle eines ganz aus Holz ge-
MWMWMM Krantor m Danzig. zimmerten Krantores errichtet. Dieses Hol.ztor war ein Raub der Flammen geworden. Der Rat der Stadt Danzig ließ darauf das heutig« Krantor aus Backsteinen aufrichten. 30 Meter ragt der stolze Vau empor. Sein« beiden Seitentürme waren ursprünglich für Lertcidigungszweck« vorgesehen. Die eigentliche Krananlage beher- bergt der Mittelbau. Zwei Treträder von 6 und 614 Meter Durch- mester dienen zum Heben und Senken der Lasten. Noch heut« tritt der alle Kran, besten Handsei! längst durch eine eiserne Krankette ersetzt wurde, zum Anheben von Schiffen, deren Schrauben nach- gesehen werden sollen, in Tätigkeit. Don 1442 bis 1928. bald 500 Jahr«, lebt dieses technische Bauwerk— ein rüstiger Greis unter den Zeugen der Vergangenheit. In der Heidestadt. An den Ufern der Ilmenau , in Lüneburg , dem Nürnberg d«s Nordens, steht«in anderer historischer Kran. Er hob 18ZS die erst« von Stephenson in England für die jetzt sanft entschlummerte Nürn- berg-Fürther Eisenbahn erbaute Lokoinotiv« au» dem Transport- schiff an Land. Dieser wundervolle, im grünlteyen Glanz seiner Kupferbedachung strahlend« Kran wurde 1797 errichtet. Dl« Wände de» Unterbaues und des Kranhauses sind aus Fachwerk kunswoll gefügt und mit Brettern verschalt. Schwere Felssteine bilden das Gegengewicht für den Ausleger. Auch hier sorgt ein Tretrad für da» Heben und Senken der Lasten. Im Jahre 1915 wurde das alte Bauwerk von der Stadt wieder hergerichtet, um als technisches Denk- mal Im Rahmen der alten gotischen und Renaistancehäuser der Heidestadt erhalten zu bleiben. » Aehniiche alte Krane wie die hier geschilderten sind noch in folgenden Orten zu finden: in Trier (zwei Krane aus den Jahren 1418 bis 1774), in Bingen (aus dem 16. Jahrhundert bis 1900 de- nutzt), in Oestrich im Rheingau (ein Kran aus dem Jahre 165?) und in Marktbreit am Main (ein Kran aus dem Jahre 1773).
Aus der Gegenwart! Die größte Fabrikunvtellung der Weit Die größte bisherig« Umstellung und Neueinrichtung einer Fabrik fand in den legten Monaten 1927 in den Ford- Werten zu Detroit stall Nicht weniger als hundert Millionen Dollar weidete Ford auf für Bau und Aufstellung neuer Maschinen, die di« Herstellung eines neuen Modells des Fordwagens in gigamifche,« Maßstab« ermöglichen sollten. Nachdem die Ergänzung des allen sogenannten T-Modells bis auf 7000 Stück täglich gestiegen war. und 15 ZNillionen wagen die Fabrik verlosten hatten, sah sich Ford doch genötigt, seinen Wagen von Grund auf zu modernisieren. Ford hatte die Zukunft»- möglichkeilen de» Kraftwagen » schon erkannt, als die Well noch über diesen Zeitvertreib reicher Sportfexe lohte. In unbeirrtem Eifer arbeitete er zwölf Jahre lang, um sein Erzeugnis zu vervollkommnen, bevor«r es der Oeffentlichkeit übergab. Ford glaubte, daß er diesen seinen Wagen bi» in alle Ewigkell fabrizieren könnte. Im Kraftwagen ging jedoch die Entwicklung mll Siebenmellen- stiefeln vor sich. Technisch« Neuerungen und ästhetisch« Derbesterungen wgten einander in rascher Folg«. Zwar nchte auch Ford nicht aus seinen Lorbeeren aus. sondern brachte unablässig Derbeflerun-
gen an seinem Wagen an, wenn auch in einer Weise, daß dies« Neuerungen ohne jede Veränderungen für alle Wagen paßten. Wmählich hausten sich jedoch die allgemeinen Fortschritt«. Fords Wettbewerber hatten ihm feine billige Herstellung geschickt abg»- guckt. Und vor ollen Dingen ging in der Denkweise de» amerikanischen Publikum» ein großer Umshwung vor sich. Nun aber ist Ford auf den amerikanischen Markt angewiesen, denn von 27 Millionen Kraft- wagen, die in der ganzen Welt laufen, entfallen 22 Millionen auf die Vereinigten Stayten. Die Amerikaner sind somit das Volk mif Nädern. Der alt« Ford-Wagen legte das Hauptgewicht auf Lei- fwngsföhigkeit und Dauerhaftigkeit. Das Aussehen hatte sich unter- zuordnen, und die Launen modischer Aufmachung kümmerten Ford nicht allzu sehr. Millionen liehen sich an der Freude genügen,«in eigenes, unabhängiges Fahrzeug zu besitzen. Seit Beginn des Kric- ge» nahm die Großmannssucht in Amerika sehr zu. So kam es, daß der Fordwagen als Armeleutefahrzeug galt. Das zunehmende An- gebot auf Abzahlung kam den gernegroßen Millionären entgegen. Insbesondere auch die Frauenwelt wollte nichts mehr misten van dem„Fliooer', der Landstraßenwanze. Ein großer Wagen mit Neberballonrelfcn, wenn auch auf klein« Ratenzahlungen gekauft. wurde da» Ideal aller derer, die der Mitwelt Sand in die Augen zu streuen suchen. Und das gehört in Amerika schon beinahe zum guten Ton. Dieser Umschwung tat in seinen psychologischen?luz- Wirkungen dem Fordwagen besonders in den Großstädten Abbruch. Doch auch auf dem Lande holten die Wettbewerber Fords i» den letzten Iahren mächtig auf. So sah sich Ford im Gegensatz zu seinen Erwartungen doch gezwungen, umzulernen— seine Werke auf die Erzeugung eines ganz neurn Wagens umzustellen. Schon in der ollen Fabrik war es Fords oberster Grundsatz. Zltenschevarbeit durch die Maschine zu ersetzen. Di« menschliche Hand sollte keine Arbell verrichten, für die sich eine Maschin« erfinden läßt. In keinem Erzeugnis einer anderen Fabrik steckt so wenig Meuschenarbell wie im Ford-Wagen. Die Neuem-- richtung der Werte. soll in dieser Hinsicht noch weitere.Ford. Schritte' oerwirllü�en. 10 000 Werkzeug- und S-t a n ze»> macher, tn«. größte Bereinigung erfahrener Maschinenbauer. arbeiten s»ll Monaten, unterstützt von 8V00 halb- und ungelernten Arbeitern. Die Ford-Werk« waren nur für«inen einzigen Artikel eingerichtet. Während ein kleiner Fabrikant ewe Bohrarbeit durch Mei oder drei Maschinen besorgen läßt, da et die Kosten für eine besondere Maschine nicht aufwenden kann, war Ford angesichts seiner riesigen Erzeugung auf die Spezialmaschine angewiesen, ohne Rück- sieht auf ihre Kosten. Seit Iahren erklärten die Faästeute die niedri- gen Herstellungskosten Fords in paradoxer Weife damit, daß er es sich leisten könne, eine halb« Million Dollar für den Bau einer Spezialmaschine aufzuwenden. In den Ford-Werken liefen eine große Anzahl Spezial- mafchinen, di« mir für einen Zweck zu gebrauchen waren: Teile
An der Ilmenau . für das T-Modell herzustellen. Vielfach hingen ein« ganz« Reihe dieser Maschinen voneinander ab. Wird eine von ihnen zum alten Eisen geworfen, so teilen die anderen dos gleich« Schicksal. Da» Unternehmen beginnt von vorn. ganz wie vor IL Jahren. Jedoch mll dem großen Unterschied, daß e» heut« über die langjährige Erfahrung im Krastwagenbau ver- fügt und außerdem mehr Kapital besitzt als irgendeine andere Ge- fcllfchaft. Vor 18 Iahren hatte Ford beides nicht. Di« neuen Werke werden imstande sein, das Doppelle wie früher zu erzeuge.i, da« heißt die gigantisch« Zahl von fast ISOOO Kraftwagen täglich. Mehr als bisher werden die Ford-Werke einzeln« Er- Zeugnisse an andere Fabriken abgeben, wie sie bisher schon Kohle, Holz und Glas an den allgemeinen Handel absetzten. Ein Beispiel.direkter Produktton' bieten die Schmelzwerke. Gewöhnlich wird in Gießereien Roh- und Alteisen mit beträchtlichen Kosten geschmolzen. In den Ford-Werken fällt das Schmelzen von Roheisen weg. Ein Kübel mit 100 Tonnen flüssigen Metalls wan- dert vom Hochofen in die Gießerei, wo das Altmaterial zum Der- femern hinzugefügt wird. Da hierbei di« Temperatur zurückgehl, wird fie mittels Gasheizung auf die nöttg« Höhe gebracht und da» Metall ist für die Formen berell. Alle Ersahrungen, die die Ford- Werk« im Herabmindern der Herstellungskosten machten, werden den neuen Anlogen zugute kommen. Hier sollen Maschinen noch mehr, Menschenhände jedoch weniger schaffen.