Albendausgabe
Nr. 110
B 55
45. Jahrgang
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Montag 5. März 1928
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Stillegung der Metallindustrie.
200000 Arbeiter von Entlassung bedroht.
Auf Veranlassung des Reichsarbeitsministers finden. Mittwoch unter Vorsitz von drei Unparteiischen im Reichsarbeitsministerium Verhandlungen statt, um den Kampf in der Berliner Metallindustrie beizulegen. Aus Rücksicht auf diesen Versuch hat die Organisationsleitung des Deutschen Metallarbeiterverbandes weitere Arbeitsniederlegungen in größerem Umfange, die für morgen vorgesehen waren, bis nach den Verhandlungen vertagt. Es werden nur im Laufe des heutigen Tages aus einigen kleineren Betrieben die Werkzeugmacher herausgezogen, wo Gefahr besteht, daß dort für die bestreiften Betriebe Streitarbeit verrichtet wird.
Ueber den Umfang der Stillegungen bis heute vormittag erfahren mir, daß bei Siemens rund 30 000 2rbeiter entlassen find. Doch wird es dabei nicht bleiben. Man fann erwarten, daß biefe Zahl bis morgen sich noch wesentlich erhöhen wird. Bei Bergmann find insgesamt 10 200 Arbeiter ausgesperrt und bei Mig und Genest rund 3000. Die Arbeiterschaft der Deut schen Telephonwerke und der Firma Lorenz wird heute abend ent laffen. Insgesamt sind bis heute vormittag rund 45 000 Detallarbeiter und-arbeiterinnen ausgesperrt oder im Streit. c
Die Unternehmer scheinen begriffen zu haben, daß sie fidh in eine unhaltbare Situation begeben haben, als sie den Vorschlag des Vorsigenden des Schlichtungsaus schusses ablehnten. Sie bemühen sich nämlich in der ihnen zur Verfügung stehenden Presse die Schuld am Scheitern der Verhandlungen dem Deutschen Metallarbeiter verband zuzuschieben, der angeblich den Vorschlag des Gewerberats Körner abgelehnt habe.
Wir haben bereits festgestellt, daß der Deutsche Metallarbeiterverband bereit war, den Vorschlag des Gemerberats Körner auf Abschluß eines Affordtarifs anzunehmen und somit seine Forderung auf vollständige Beseitigung der Affordarbeit fallen zu lassen. Soweit Affordarbeit gemacht werden fann, will der DMB. diese Affordarbeit zulassen. Voraussetzung ist allerdings, daß für die Affordarbeit eine feste Berechnungsgrundlage besteht.
Wenn es sich bei den Unternehmern um ein Mißverständnis handeln sollte, dann werden sie ja am Mittwoch im Reichsarbeitsministerium Gelegenheit haben, dieses Mißverständnis zu berichtigen. Von dem Ausgang der Verhandlungen am Mittwoch wird es wesentlich abhängen, ob der Kampf in der Berliner Metallindustrie beigelegt wird, bevor er auf die anderen Großbetriebe übergreift und schließlich 200 000 Arbeiter und Arbeiterinnen in Mitleidenschaft zieht.
Letzter Weg der Grubenopfer.
Die 12 Toten der Zeche Ewald beigesetzt.
Datteln , 5. März.( Eigenbericht.) Unter Beteiligung der nach Zehntausenden zählen. den Menge wurden am Sonntagnachmittag die zwölf Todesopfer der Seilfahrtkatastrophe der Zeche„ Ewald- Fortsetzung" auf dem Baldfriedhof in Datteln beigesezt Bon dem Zechenplay aus, wo eine schlichte Trauerfeier stattfand, setzte sich der unabsehbare Trauerzug in Bewegung. An dem offenen Grabe appellierten die Bertreter der beiden Konfessionen an die Oeffentichkeit, dem schweren Beruf des Bergmanns mehr Achtung und Eh furcht entgegenzubringen. Der Oberpräsident der Proving Westfalen führte aus, daß es der feste Wille der Stactsregierung sei, nach der Ursache des Unglücks zu forschen und alles zu tun, um die Unglücksfälle im Bergbau zu verhüten oder wenigstens zu mindern. Der Einzeltod durch Unfall im Bergbau werde von der Deffentlichkeit kaum beachtet, und toch reiße er ungefähr 90 Proz. aller tödlich verunglückten Knappen dahin. Auch er hoffe, daß die öffentliche Meinung mehr Verständnis aufbringe für die harte und gefahrvolle Arbeit des deutschen Bergmanns . Mit der Beisetzung der Opfer fand die Tragödie auf Beche Ewald- Fortsetzung " ihren ergreifenden Abschluß.
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Berichte auf der 2. Seite.
Siemens- Arbeiter, die am Sonnabend ihre Entlassung erhielten.
Der Kunsthändler als Hehler.
Zwei wertvolle Altarflügel gestohlen und wieder herbeigeschafft.
Eine ungewöhnliche Diebstahlsaffäre, in die groel| Die Namen der Händler, die in Betracht tommen tonnten, haftent bekannte Berliner Kunsthändler, Lippmann und einen fo guten Klang, daß man teinem die Tat zutrauen fonnte. Meyer auf eigenartige Weise verwickelt sind, hat die Da fiel den Beamten die Geschäftigkeit des 45 Jahre alten KunstBerliner Kriminalpolizei jetzt zur Aufklärung gebracht. händlers Friedrich Wilhelm Lippmann auf, der zurzeit in einem Hotel in der Nähe des Anhalter Bahnhofes wohnt. Er Bor 14 Tagen erregte der Diebstahl zweier Altarflügel aus der ehemaligen Kapelle des Schloffes Cadolzburg großes Aufsehen. wurde beobachtet und am vergangenen Donnerstag festgenommen. Es handelte sich um zwei Flügel, die beiderseits bemalt waren. Er gab zwar zu von den Altarflügeln gehört zu haben, bestritt Die eine Hälfte zigte die HL. Margarete und die Hl. Barbara auf aber entschieden, mit dem Diebstahl in Verbindung zu stehen. Am damasziertem Goldgrund, die andere Maria und Chriftus als Abend des gleichen Tages hatten die Beamten auch die Bilder Ein Nürn entdeckt. L. hatte einen ihm bekannten Bildhauer in einem Vorort Weltenrichter auf landschaftlichem Hintergrund. berger Kunsthistoriker hatte bei seinen Arbeiten auf der Cadolzburg diese Werke entdeckt. Er hielt sie für Grünewaldsche Schöpfungen, andere glaubten, sie Cranach zuschreiben zu müssen. Allgemein aber schätzte man
ihren Wert auf mehrere hunderttausend Mark. Die Entdeckung war erst einem kleinen Kreise von Kunsthändlern befannt geworden. Um so größer war das Aufsehen, als die Nach richt eintraf, daß die Gemälde am Sonntag, dem 19. Februar, gericht eintraf, daß die Gemälde am Sonntag, dem 19. Februar, gestohlen worden waren. Die Art des Diebstahls war verwegen genug, um auch nicht funstinteressierte Kreise aufhorchen zu laffen. In dem Schloffe find nämlich das Amtsgericht und die Gendarmeriestation untergebracht; die Diebe hatten also ihre fostbare Beute sozusagen unter den Händen der Polizei weggeholt.
In aller Stille wurde nun von Kriminalkommissar Trettin und den Beamten der Dienststelle B. 3 nach den Gemälden geforscht. In dem Kreise der Wissenden bot sich zunächst kein Anhaltspunkt.
Berlins aufgesucht und ihm die Werke übergeben. Der Künstler wußte von dem Diebstahl nichts und konnte auch nicht annehmen, daß 2., der der Sohn des früheren Direktors des Kupferstich fabinetts ist, zu unredlichem Tun seine Hand bieten würde. Er hatte in gutem Glauben die Altarflügel
in der Mitte durchgeschnitten,
so daß aus zwei Doppelbilbern vier einzelne Bilder entstanden waren. L. gab jetzt zu, die Gemälde von einem angeblichen Redakteur Weiß und einem unbekannten„ Sportsmann" für 6000 m. getauft zu haben. Unabhängig von diesen Ermittlungen forschte man in Süddeutschland nach dem intimsten Freunde Lippmanns, dem 33 Jahre alten Kunsthändler August Meyer. Auf Veranlassung der Berliner Kriminalpolizei wurde er in München fest genommen und der Staatsanwaltschaft in Fürth ein. geliefert. Als Lippmann auch von dieser Verhaftung erfuhr, brach er zusammen und legte