Braun Berleumder vor Gericht.
800 Marf Geldstrafe.
Der Rebatteur des völkischen Deutschen Tageblatis" mit dem flawischen Namen Smoboda mußte fich heute megen Beleidigung des Ministerpräsidenten Braun vor dem Schöffengericht BerlinMitte verantworten.
Die zur Aburteilung stehende Sache geht bis auf das Jahr 1925 zurück. Der Strafantrag war bereits im gleichen Jahre gestellt worden. Es handelt sich um folgendes: Ministerpräsident Braun hatte an den Charlottenburger Bürgermeister und an bas Wohnungsamt Briefe gerichtet, in denen er unter Berufung auf innerpo'itische Gründe bat, dem ehemaligen Mitglied der utrainischen Militärischen Mission, Treswinsfi, zu einer Wohnung zu Derhelfen. Dieser stand seit 1920 auf der Wohnungsliste, er mar hit einer Deutschen verheiratet und mußte mit Frau und Kind teure Breife in Penfionen zahlen Seine Anwesenheit in Berlin mar für die preußische Regierung wegen der Informationen, die sie von ihm erhielt, von Bedeutung.
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Ministerpräsident Braun hob in seinen Briefen ausdrücklich her. vor, daß in diesem Falle die Verordnung des Wohlfahrtsministers, laut der von Often zugereiften Personen Wohnungen nicht zur Ver. fügung gestellt werden sollten, nicht in Betracht tomme, da Tres minsti ja nicht aus dem Often zugereift, sondern als Mitglied einer Militärmiffion nach Deutschland gekommen sei und wegen des Um. fturzes in der Sowjetukraine verhindert fei, in feine Heimat zurüdzufehren.
Trespinsti erhielt tatsächlich im Jahre 1925 einen Teil einer Achtzimmerwohnung; ein Zimmer behielt er für sich. Frau und Kind, in den beiden anderen Zimmern wohnten seine Befannien, deutsche Staatsangehörige. Die seinerzeit von Ministerpräsident Braun in der Wohnungsangelegenheit geschriebenen Briefe gelangten später in die Hände des völkischen Abgeordneten Mulle, der fie in einer Bandtagsrede gegen den Ministerpräsidenten aus. fchlachtete. Auch während des Wahltampfes um die neue Stadtverordnetenverfammlung gingen die Bulle- Brüber mit diesem Brief
trebjen.
Ueber eine besondere Schimpfrede Wulles war im„ Deutschen Tageblatt" ausführlich berichtet morden. Der Angeflagte Rebatteur Swoboda erklärte auf die Borhaltungen des Borsigenden, er fei noch heute der Ansicht, daß die Beschuldigungen, die jener Bericht enthalte, richtig seien. Auch heute noch würde er die Briefe als Bettelbriefe und die Handlung des Ministerpräsidenten Braun als Schiebung" bezeichnen In dem Bericht des Deutschen Tageblatts" hatte es 1. a. geheißen: Und fein Staatsgerichtshof findet sich, um den Ministerpräsidenten zur Berantwortung zu ziehen."
Der Zeuge Tresminfti bestätigte die Tatsachen, daß er seit 1920 auf der Wohnungsliste gestanden habe, daß er tatsächlich der preußischen Regierung wertvolle Informationen gegeben habe und daß er Die drei Zimmer, die er mit Frau und Kind bemohne, mit zwei Reichsdeutschen teile.
llebrigens ergab es sich, daß Tresminffi, ehemaliger Hauptmann der russischen Armee, nicht, wie Bulle aus demagogischen Gründen behauptet hatte, Oftjube, sondern Sohn eines ruffischen Geistlichen ist. Der Staatsanwalt beantragte gegen den Angeflagten eine Gelb strafe in Höhe non 800 m., wobei im Nichteintreibungsfalle für je 50 m. ein Tag Gefängnis einzutreten habe.
Rechtsanwalt Landsberg als Bertreter des Nebentlägers fezte fich ausführlich mit den verleumderischen Behauptungen des Deut. fchen Tageblatts" auseinander, die eine nollkommene Berdrehung der setloc sinsti Tatsachen darstellen
Der Angeflagte Swoboda wurde entsprechend dem Antrage des Staatsanwalts zu 800 mart Geldstrafe verurteilt, außerdem wird die Bublikationsbefugnis im Deutschen Tageblatt", im Lofal- Anzeiger" und im Borwärts" ausgesprochen.
In der Urteilsbegründung führte Amtsgerichtsrat Dr. Reßner u. a. aus, daß die Berhandlung auch feinen Schatten des Beweises für die Richtigkeit der Behauptungen des Angeklagten ergeben habe.
Der Kampf um das Gefrierfleisch. Berliner Konsumgenossenschaft an Reichstag und Regierung Aufsichtsrat und Borstand der Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend nahmen in einer gemeinschaftlichen Sizung am 2. März 1928 Stellung zu der von der Reichsregierung angeordneten Herabfegung des zollfreien Einfuhrtontingents für Gefrierfleisch. Ein stimmig murde folgender Beschluß gefaßt:
Die Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend als Vertre terin der Verbraucherinteressen von 150000 Berliner Ar beiter, Angestellten und Beamtenhaushal tungen erhebt nachdrücklichst Einspruch gegen die auf dem Berordnungswege erfolgte Einschränkung der zollfreien Einfuhr von Gefrierfleisch: fie erblickt in der Berordnung eine ich were Schädigung der Ernährung der minder bemittel. ten Berbrauchertreise und fordert neben der sofortigen Zurüdnahme der Berordnung die Zulaffung der unbeschrän f- ten Einfuhr von Gefrierfleisch, um die Berteuerung und Ber schlechterung der Ernährungsweise der arbeitenden Boltsschichten schlechterung der Ernährungsweise der arbeitenden Bolksschichten zu verhindern.
Die Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend erwartet von den volksfreundlichen Parteien im Reichstag die Ergreifung aller Maßnahmen, die geeignet erscheinen, den verderblichen Anschlag auf die Boltsernährung und Bolfsgesundheit abzuwehren."
Die Konsumgenossenschaft Berlin hat ihre nur allzu begründete Protestrefolution sofort den gefeßgebenden Körperschaften zugeleitet.
Die Genatsumbildung gescheitert.- Kleine Koalition oder Neuwahlen?
Bremen, 6. März.( Eigenbericht.) Die feit Dezember vorigen Jahres in Gang befindlichen Ber handlungen megen der Réubilbung des Bremer Senats find ergebnislos abgebrochen worden. Die Schuld an bem Scheitern der Berhandlungen liegt bei der Deutschen Bolts partei, die der Sozialdemokratie nicht den ihr zahlenmäßig ge bührenden Einfluß auf die Bremer Regierung einräumen mollie und die sich durch ihre Bindung mit der Wirtschaftspartei start ge hemmt fühlte. Mit dem Scheitern der Berhandlungen ist die Regierungstrife in Bremen afut gemorden. Es ist zurzeit noch nicht abzusehen, ob eine fleine Roalition, der sich die an die Bollspartei wirtschaftlich gefetteten Bremer Demotraten bisher hartnädig versagten, zustande kommt oder ob Bürgerschafts neumahlen erforderlich werden.
Danzig polnische Eisenbahnerabkommen. Die am 2. März paraphierte Bereinbarung amischen Danzig und Bolen über bie Eisenbahnerfrage ist von den Bertretern beider Regierungen unter seichnet worden
tal Der Unternehmerstandpunkt. gla
Die Berliner Metallindustrie sperrt die gesamten Belegschaften aus, obwohl die geforderte Lohnerhöhung für die ftreifenden Wert. seugmacher weit hinter den Aufsichtsratstantiemen zurückbleibt.
TANTIEME
Bon meinem überragenden Standpunkt aus erkläre ich Euch: Jede Lohnerhöhung ist ein Ding der Unmöglichkeit!"
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Völkerbund und Waffenschmuggel
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Noch feine Einigung der Mächte.
W. Schw. Genf, 6. März.( Eigenbericht.)
Die St Gotthard Affäre mar an das Ende der langen Tagesordnung der heutigen Ratssigung gefeßt worden. Da aber unter den Hauptmächten noch feine Einigung über die erft malige Anwendung der militärischen Böllerbundsaufsicht bestand, verbrachte der Nat den ganzen Bormittag mit der Beratung von Gegenständen, die feinerlei politische Sensationen hervorrufen, ob gleich sie nicht bebeutungslos find. So entdeckten die Ratsmitglieder, daß der Bölferbund fich in eine guds su d
blamable Situation and offgsis
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dadurch habe hineinmanövrieren laffen, daß er zwar viele inters nationale Berträge fabriziert habe, aber außerordentlich wenig davon durch die Regierungen in Kraft gefeßt morden sind.
Briand ermähnte, daß der Waffenhandelsverbots vertrag nur von Frankreich und einem einzigen anderen Staat mie bekannt Benezuela ratifiziert murde und Chamberlain wies auf die Opiumfonvention und die Seeschiffahrtsverträge hin, die feit Jahren vorhanden und ebenso wenig ratifiziert morben feien. Obwohl Ka nada. Holland und Rumänien mit der Mitteilung wetteiferten, daß fie in den nächsten Wochen die Opiumtonvention ratifizieren mürben, war der Eindruck der drohenden und schon eingetretenen Blamage so start, daß Stresemann den einstimmig begrüßten Borfchlag machte, die Unterlassungsfünden der Regierungen in dieser Frage von Rats wegen zu prüfen. Der Italiener Scialoja versprach denn auch als Berichterstatter mit seiner gewöhnlichen fauerfüßen Miene, der Junitagung des Rats Vorschläge für die Ab anderung dieser standalösen Zustände zu machen. Die Washingtoner Achtstundentonvention und andere soziale Bertragsentwürfe, bei denen die Situation genau gleich ist, betrifft dieser Beschluß natürlich nicht oder nur indirett, da sie zur Zuständigkeit des Arbeitsamtes und nicht des Völkerbunds
rates gehören.
Der Rat beschloß dann mit den fünf ausgewählten Architeften, an ihrer Spiße ein Frangoje, ben Bau vertrag für das neue Böllerbundpalais ausarbeiten zu faffen. Mit diesem Beschluß dürfte das Gerede von einer Sigverle gung nach Wien wohl endgültig und für immer erledigt sein. Eine Zusammenkunft zwischen Stresemann, Chamberlain, Briand und Adatci( Japan) brachte bann
ar Madmittag die erste Klärung darüber, ob und wie gegen über Ungarn das Aufsichtsrecht des Bölferbundes auszuüben märe. Die großen Fünf einigten sich dahin, im Rat morgen vorden Untersuchungsantrag der Kleinen mittag Entente gegen lngarn zu befprechen und vor allem einmal zu prüfen, ob die Entfendung einer militärischen Rommission an den Ort des Delifts überhaupt notwendig fei. Nachdem die Kläger und der Beklagte morgen gefprochen haben werden, wird dann noraussichtlich ein Ausschuß von drei ganz unbeteiligten Ratsniitgliedern gebildet merben, ber dem Rat bann fpätestens übermorgen einen weiteren Vorschlag unterbreiten wird. Diesen Ausschuß mählte man deshalb, um nicht einem einzelnen Ratsmitglied das peinliche Ddium beizulegen, gegen einen anderen Bölferbundsstaat 11nter fu dungsrichter zu spielen. Bei ber Besprechung heute nachmittag ging die Argumentation Deutschlands und der anderen in der Richtung,
daß ohne den legitimen Waffenhandel, den die große Mehrzahl der Staaten betreibt, es auch feinen Waffenschmuggel geben würde,
den man jegt dem einen Staat vorwerfe. Bei der Suche nach einem Schuldigen solle man doch nicht vergessen, daß an dem Delift noch die Gesellschaft", d. h. also die Gesellschaft der Nationen, schuld fel, die nicht die Kraft habe, den internationalen Waffenhandel du ächten.
Genf, 6 März.
Der russische stellvertretende Boltskommissar für auswärtige Angelegenheiten Bitwinow hat unter dem heutigen Datum an den Generalsekretär des Bölkerbundes ein Telegramim gerichtet, in dem er unter Hinweis auf die Bedeutung der türkischen Republir in der Weltpolitif und ihre geographische Lage erklärt, daß die Arbeiten des vorbereitenden Abrüftungsausschusses durch Teilnahme der türkischen Regierung viel gewinnen würden. Er beantrage deshalb, die türkische Regierung bereits zur nächsten am 15. März. beginnenden Tagung einzuladen, und bitte um Benachrichtigung, welche Folge seiner Anregung gegeben worden sei. ( Mostau handelt hier nach dem Grundsay: Berspringen foll Chamberlain!" Red.) Der Generalsekretär des Bölferbundes hat dieses Telegramm fofort den Ratsmitgliedern zur Kenntnis gebracht.
19 Mandate Zuwachs der Sozialisten. Warscha, 6. März( Bolnische Telegraphenagentur.) Es entfallen Mandate auf Lifte A( Regierungsliste) 128, Bifte 2( Sozialisten) 63( Gewinu 19), Lifte 3( yczwolenie) 40, Lifte 10( 2intstehende Bauern) 25, Lifte 7.( Nationale Arbeiterpartei) 8, 2ifte 13( Kommunisten) 5, Lifte 14( Bauern. verband) 3, Lifte 17( Jüdische Bereinigung in Galizien) 6, Lifte 18 ( Minderheitenb lo d) 57, Liffe 21( Rationaler ArbeitsblodBilfubffi- Gruppe in. Bojen) 5, Lifte, 24( Katholische Nationale Bartei) 38, Biste 25( Piaff und Chriftliche Demokraten) 33, Lifte 30 ( Ratholische Unton der Bestmarken) 2. Außerdem erreichten drei mandate die Korfanty- Liste in Rattowig, 19 Mandate die Utrainer auf vier verschiebenen Listen, und sieben Mandate entfielen auf Splittergruppen. Im gnzen sind 444 Abgeordnete gewählt, davon 22 Deutsche verschiedener Bartelrichtung.
Die zur Biffuditi Regierung in Oppofition stehende Rechts preffe berechnet die Kräfteverteilung im neuen Sejm folgendermaßen: Pilsubsti merbe über 130 Stimmen verfügen. Die Binte merde insgesamt 133 Mandate haben, von benen 63 ben
Sozialbemo fraten gehören, 88 der Wywolenje, 21 ber Kommunisten nahestanden. Das aus der Biaft- Partei und den chriftlichen Demofraten bestehende Sentrum hat 45 Mandate.
Die Rechte wird nur 38 Mandate haben, die nationalen Minderheiten 85, und der Rest von 13. Mandaten verteilt sich auf die Wilden". Infolgedeffen ist also nur eine mechselnde Mehrheit möglich, und für die von ber Regierung angestrebte Berfassungsänderung mit dem Stel einer Stärtung der Cretutine werben sich nach Meinung der Rechtsblätter die notwendigen zwei Drittel der Stimmen nicht finden.
Bon den gewählten 46 trainern und Weißrussen find 25 vom Minderheitenblod, 11 Ro- bitalfozialisten und acht von der dem Kommunismus nahestehenden Selrob- Gruppe. Bon den Gewählten des Regierungsblods rechnet man 40 als rechtstehend, bie übrigen 90 als fints oder mittelparteilich.
Strafantrag gegen Senator Reynald. Gegen ben in der Ange Tegenheit der fälschlich abgestempelten ungarischen Wertpapiere ver fchiedentlich genannten Senator Reynald haben die Rechtsanwälte der Angeflagten be Fallois, Lacaze und Blumenstein beim General. ftaatsanwalt Antrag auf Strafverfolgung wegen Verlegung bes Amisgeheimniffes gestellt.