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Morgenausgabe

Nr. 147

A74

45. Jahrgang

Böchentlich 70 Big. monatlich 3,- im voraus zahlbar. Poftbezug 3,72 m einscht Bestellgeld, Auslandsabonne ment 5,50 m. pro Monat.

Der Borwärts" erscheint mochentag­lich zweimal, Sonntags und Montags. einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit" und Kinderfreund" Ferner Unterhaltung und Wissen". Frauen ftimme". Tecnif", Blid in die Bücherwelt und Jugend- Borwärts".

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Dienstag

27. März 1928

Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.

Die et nipattige Ronpareillezetle 80 Pfennig Reflamezeile 5.- Reichs mart Kleine Anzeigen" das fettge. brudte Wort 25 Pfennig( guläffig zwet fettgedruckte Borte), jedes mettere Wort 12 Biennig Stellengesuche das erste Bort 15 Brennig. Jedes weitere Bort 10 Pfennig Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte Arbeitsmarkt Beile 60 Bfennig Familianzeigen für Abonnenten Zeite 40 Pfennig Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden Straße 3. wochentägl von 81%, bis 17 Uhr

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Bereit zur Wahlschlacht!

Sozialdemokratische Kandidatenaufstellung im Bezirk Brandenburg- Grenzmark.

Der Parteitag für den Bezirk Brandenburg Grenz. mart hat am Sonntag ohne Debatte die folgenden Kandidaten­listen für die Wahlkreise Potsdam I und Frankfurt   a. d. D. gutgeheißen:

Wahlkreis Potsdam I: Reichstag  :

1. Rudolf Wiffell, Berlin  ; 2. Dr. R. Breiffcheid, Berlin  ; 3. Marie Juchacz  , Berlin  ; 4. Hermann Müller  , Lichtenberg  ; 5. Wil­ helm Staab  , Potsdam  ; 6. Friedrich Ebert  , Brandenburg  ; 7. Dr. Salomon, Luckenwalde  ; 8. Bruno Theet, Berlin  ; 9. Adolf Wufchic, Lichtenberg  ; 10. Mag Bauer, Erfner.

Landtag:

1. Wilhelm Siering  , Nauen  ; 2. Elfriede Ryned, Berlin  ; 3. Wilhelm Krüger, Berlin  ; 4 Emil Stahl, Berlin  ; 5. Paul Szillat  , Rathenow  ; 6. Joh. Bauer, Luckenwalde  ; 7. Christoph König, Berlin  ; 8. Adolph Wuschid, Lichtenberg  ; 9. Heinrich Witt, Brandenburg  ; 10. Arthur Richter, Lichtenberg  ; 11. Wilhelm Reimann, Weißensee  ; 12. Paul Judrian, Friedrichsfelde  ; 13. Gottl. Münsinger, Spandau  ; 14. Wilhelm Kubig, Pantow; 15. Erich Paschke, Erfner; 16. Gustav Löffler, Pankow  ; 17. Gustav Schwabedahl, Rosenthal  .

Wahlkreis Frankfurt   a. d. O.:

Reichstag  :

1. Offo Wels, Berlin  ; 2. Oswald Schumann  , Berlin  ; 3. Franz Kohle, Berlin  ; 4. Ernst Heilmann  , Berlin  ; 5. Anton Reigner, Elch­walde; 6. Otto Neitsch, Koffbus; 7. Anna Matschte, Berlin  ; 8. Ostar Wegner, Frankfurt   a. d. O.; 9. Karl Stoll, Fürstenwalde; 10. Willi Sielaff, Neudamm  .

Landtag:

1. Emil Faber, Frankfurt   a. d. D.; 2. Wilhelm Paetzel, Berlin  ; 3. Ernst Heilmann  , Berlin  ; 4. Eugen Brückner, Berlin  ; 5. Wilhelm Schadow  , Kottbus  ; 6. Hedwig Wachenheim  , Berlin  ; 7. Karl Freter, Calau  ; 8. Georg Steinbrecher, Mejerih; 9. Kurt Wegner  , Sommer­feld; 10. Ferdinand Jäckel, Güstebiefe.

Wahltermin: 20. Mai.

Ein Beschluß des Reichskabinetts. Amtlich wird mitgeteilt: Der Reichsminister des Innern hat die Landesregierungen durch Rundschreiben davon verständigt, daß der Termin für die Neuwahl des Reichstags auf den 20. Mai festgesett werden wird. Die Landesregierungen wurden ge­beten, die Gemeindebehörden anzuweisen, mit der An­legung der Wählerlisten zu beginnen und als Stichtag für die Aufnahme der Wahlberechtigten den 20. Mai vorzusehen.

Das Reichskabinett hat sich gestern mit Mehrheit auf den 20. Mai als Wahltermin geeinigt. Die politischen und tech­nischen Gründe, die für einen früheren Wahltermin geltend gemacht wurden der 20. Mai ist der Sonntag vor Pfingsten sind nicht durchgedrungen. Die letzte Ent­scheidung fällt der Reichspräsident, er wird sich voraussichtlich ebenfalls für den 20. Mai entscheiden.

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Der Wahlkampf in Frankreich  .

Renaudel gegen Einigkeits": Schwindel.

Paris  , 26. März.( Eigenbericht.)

In Toulon  ( prach der sozialistische Abgeordnete Renaudel vor feinen Wählern über den politischen Charakter der Nationalen Ein­heit", bie Boincaré zur selben Stunde in Bordeaug verherrlichte. Re­naudel führte aus, daß Poincaré   trotz seiner persönlichen Inte­grität der Gefangene des Großfapitals sei, dessen Wirt­schaftspolitit er machen müsse, um dafür seine Unterstügung in den Steuer und Finanzfragen zu erlangen. Darüber hinaus tönne der Ministerpräsident es auch nicht verhindern, daß die Reaktion aus der Tatsache seiner Rückkehr zur Regierungsmacht Profit ziehe. Die von dem sozialistischen   Parteitag aufgestellte Formel: Die nationale Einheit ist die Reaktion" habe sich seitdem bestätigt. Die französischen   Sozialisten würden den Kampf gegen die Reaktion mit aller Energie führen, um die hinter den Reaktionären und den mit ihnen verbündeten Barteien stehenden Proletarier für sich zu ge­winnen. Dabei würden die Sozialisten im zweiten Wahlgang gern jeden Republikaner   unterstüßen, der die Fortsetzung der Natio nalen Einheit" ablehne.

Poincarés Rede und die Deutschnationalen.

Die große Wahlrede, die Poincaré   am Sonntag in Bor­beaug gehalten hat, enthält eine Stelle, in der er seine Ruhr­politit von 1923 nachträglich zu rechtfertigen versucht hat. Seine Beweisführung läßt sich etwa wie folgt zufammenfassen: Ohne Ruhr  

besetzung hätte Deutschland   niemals den Dawes- Plan   angenommen, ohne den Dames- Plan wären auch die Verträge von Locarno   nicht zustandegekommen. Folglich bin ich, Poincaré  , der eigentliche Bater

der Politik von Locarno  .

Es ist nicht erstaunlich, daß Boincaré, zu dessen markantesten Charakterzügen die Recht haberet gehört, das Bedürfnis emp findet. seine Gewaltpolitit von 1923 mit seiner Anpassung an die Verständigungspolitik von 1928 in Einklang zu bringen. Vor vier Jahren ist er als der, Mann der Ruhrbesehung" in den Wahlkampf gezogen und befiegt worden. Innerpolitische Wechselfälle, vor allem die Finanzkrise, haben ihn wieder ans Ruder gebracht. Er möchte nun wenigstens diesmal als Sieger aus dem Kampf hervor. gehen, um seine Regierung der nationalen Einigkeit über die Wahlen hinaus zu behaupten. Das ist aber nur möglich, wenn er fich außenpolitisch die Politit Briands zu eigen macht. Des­halb der frampfhafte Verfuch, mit rabulistischen Argumenten zu beweisen, daß die Locarno  - Politik Briands nicht nur feinen Bruch mit der Ruhrpolitit Poincarés bedeute, sondern daß die Ruhr­belegung Locarno   erst möglich gemacht habe.

In Frankreich   wird man diese geistigen Burzelbäume Boincarés nicht tragisch nehmen, vor allem wird Briand   selbst derüber lächeln. In Deutschland   aber stürzt sich die gesamte deutschnationale Bresse wie auf Kommando auf die Rede Poincarés und versucht, daraus den Nachweis herzuleiten, als hätte die gesamte deutsche   Außenpolitik Fiasko erlitten: denn da der französische   Ministerpräsident sich heute noch zu seiner Ruhrpolitik betenne, so liege darin der Beweis, daß wir durch Locarno   und Völkerbund nicht das Geringste erreicht hätten. Wir feien feit Locarno   immer nur die Gebenden gewesen und die Rede von Bordeaux   zeige, daß wir von Frankreich   nichts zu erwarten hätten.

Ein plumpes deutschnationales Ablenkungs. manöver! Denn, selbst angenommen, diese Behauptung wäre richtig, so würden die Deutschnationalen genau dasselbe Maß an Schuld an dieser Illufionspolitit" tragen wie die anderen Parteien. Denn die Deutschnationalen haben bei ihrem Eintritt in die Koalition des Bürgerblocks, dessen stärkster Bestand­teil sie waren und noch heute sind, die außenpolitischen Richtlinien des Zentrums vorbehaltlos angenommen: fie ver. pflichteten sich damals zur Fortsetzung der Politik von Lo­ carno   und zum Verzicht auf alle bisherigen chauvinistischen Schlagworte und Forderungen. Deutschnationale Minister und Ab­geordnete haben sich dementsprechend verhalten. Zähneknirschend und vielleicht auch innerlich widerstrebend haben sie auf die bequeme nationale Opposition" verzichten müssen. Sobald ein ver­antwortlicher Führer ihrer Partei außer der Reihe zu tanzen ver­fuchte 3. B. Herr von Freytagh- Loringhoven  - wurde er auf Befehl des Zentrums sofort de savouiert. So trägt die Deutsch nationale Partei als stärkste Regierungspartei die Hauptverant­wortung für die deutsche   Außenpolitik der legten 15 Mo­nate, insbesondere für ihre Erfolglosigkeit. Der Versuch, die Rede Poincarés gegen die Linke auszubeuten, ist deshalb ebenso plump Aber diese Rede beweist, wie gesagt, in Wirklichkeit nichts gegen die deutsche   Außenpolitit, sondern sie zeigt nur, daß Poincaré   seine innere Anpassung an die Politit Briands nach außen zu rechtfertigen bemüht ist. Poincaré   hat in seinem Leben vor allem durch die Ruhrbefeßung manchen Gefallen erwiesen. Deshalb stürzen sich die Deutschnationalen instinktiv auf die Rede von Bordeaux   und suchen aus ihr Kapital zu schlagen. Aber diesmal ist den Deutsch nationalen bei den Wahlen nicht mehr zu helfen, diesmal wird selbst Poincaré   als Retter" versagen.

wie aussichtslos.

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Sozialdemokratie und Amnestie

Noch mehr Gnade für reaktionäre Mörder und Tots schläger? Nein!

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Der Rechtsausschuß des Reichstags hat sich in den letzten Wochen mit der Frage einer Amnestie befaßt. Die Sozial demokraten stellten dazu den weitestgehenden Antrag. Wäre er angenommen worden, so wäre allen Arbeitern, die bei politischen, wirtschaftlichen und sozialen Kämpfen in die Maschen des Strafgesetzes geraten waren, die Freiheit wieder­gegeben worden. Leider wurde er abgelehnt. Um eine Mehr­heit zu schaffen, verhandelten dann die Kommunisten mit den Deutschnationalen über einen Austausch der beiderseitigen politischen Gefangenen. Die Kommunisten sollten freigelassen werden. Die Fememörder und die Mörder von Arensdorf aber auch. Dem verweigerten die Sozial­demokraten ihre Zustimmung. Die Deutschnationalen ließen jedoch mit sich handeln und so entstand folgender Antrag, zu dem auch die Mehrheit der Sozialdemokraten im Rechtsausschuß vorbehaltlich der Zustimmung der Fraktion ihr Einverständnis erklärte:

§ 1: Es wird Straferlaß gewährt für die zur Zeit des Infrafttretens dieses Gesetzes noch nicht verbüßten Strafen, die von Gerichten des Reiches und der Länder verhängt wurden megen Straftaten, die aus politischen Beweggründen begangen worden sind. Der Straferlaß erstreckt sich auch auf Nebenstrafen, Sicherungs­maßnahmen, rückständige Geldbußen und Kosten.

§ 2: Anhängige Verfahren wegen der im§ 1 Absatz 1 umschriebenen Straftaten werden eingestellt. Neue Verfahren werden nicht eingeleitet, soweit sie sich auf Handlungen beziehen, die vor dem 1. Januar 1928 begangen worden sind.

§ 3: Ausgeschlossen von der Straffreiheit(§§ 1 und 2) bleiben Landesverrat( SS 87-92 des Reichsstrafgefehbuches) und Berrat militärischer Geheimnisse( Reichsgesetz vom 3. Juli 1914), wenn die Tat aus Eigennut begangen ist.

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§ 4: Ausgeschloffen von der Straffreiheit sind ferner vollendeter oder versuchter Mord oder Totschlag und Teilnahme an einer folchen Straftat. Strafen, die wegen eines der in Absah 1 be­zeichneten, aus politischen Beweggründen begangenen Verbrechens zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes rechtskräftig erkannt sind, werden in Festung umgewandelt. Freiheitsstrafen werden auf ein Drittel der durch Urteil oder Gnadenerweis fefigefehten Zeifdauer, jedenfalls aber auf nicht mehr als die Hälfte der ge­jehlichen Höchst   dauer zeitiger Freiheitsstrafen herabgefeht.

Die erlittene Untersuchungshaft ist auf die hiernach zu ver­büßenden Strafen anzurechnen.

Die Befugnis der zuständigen Gnadeninstanzen zu weiter­gehenden Gnadenerweisen bleibt unberührt.

Die Sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat gestern abend nach mehrstündiger Debatte bei aller Anerkennung der Motive, von denen sich die Anhänger dieses Kom­promiffes leiten ließendem Antrag die Zustimmung verweigert.

Entscheidend war dafür der§ 4, der den Feme­mördern und den sonstigen rechtsgerichteten Mördern und Totschlägern ganz unerträgliche mit der Schwere ihrer Tat und der Gemeinheit ihrer Gesinnung ganz unvereinbare Gnadenbeweise verheißt.

Fememörder würden nach Gesetzwerdung dieses Antrags im Höchftfall eine Ehrenhaft von 712 Jahren( für lebens­längliches Zuchthaus) zumeist aber noch viel geringere Ehrenstrafen zu verbüßen haben. Die Totschläger pon Arensdorf würden mit einigen Monaten Ehren­haft davonkommen! Folge davon wäre, daß auch die Mörder von Erzberger  , Gareis usw., wenn sie gefaßt werden sollten, und die zahllosen Gewaltverbrecher von rechts, die von Rechts wegen längst ins Zuchthaus gehören, auf ähnlich gelinde Bestrafung- Ehrenhaft von verhältnismäßig furzer Dauer- Anspruch erhalten würden.

Die Sozialdemokratische Partei   bekämpft seit Jahr und Tag die schier unbegreifliche Milde, die die deutschen Ge­richte gegenüber rechts gerichteten Gewaltsverbrechern gefordert, dem Treiben dieser Leute schärfere Aufmerkſam­feit zuzuwenden. Damit hat sie neuerdings gewiffe, wenn auch lange nicht ausreichende Erfolge erzielt. Es ist ge­legentlich auch nach rechts zugegriffen worden, es wurden Todesurteile ausgesprochen, sie wurden,- entsprechend unseren Grundsägen- durch die Gnade der preußischen Re­gierung in Buchthausstrafe umgewandelt. War es wirklich zu verantworten, wenn man diesem eben erst erfolgten Gnadenerlaß sofort einen neuen und viel weitergehenden hinzufügte? Wenn man Leute, die den Arm der Gerechtig­feit faum noch oder überhaupt noch nicht gespürt hatten, wieder laufen ließ oder sie zu verhältnismäßig furzer Ehren­haft begnadigte? Ehrenhaft für Leute, die Gemeinheit der Gesinnung, an viehischer Roheit bei Aus­übung ihrer Laten und an Feigheit ihres Berhaltens vor Gericht das Menschenunwürdigste geleistet hatten?!

an

Die Sozialdemokratische Partei   verbaute sich selber die Möglichkeit, in Zukunft noch Lässigkeit der Verwaltung und Milde der Justiz gegen rechts zu rügen, wenn sie die ge­ringen Erfolge, die sie im Kampf für die Anwendung der