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Rr. 147 45. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Keudell demaskiert sich.

Dienstag 27. März 1928

Genosse Sollmann weist ihm seine deutschnationale Beamtenpolitik nach.

Der Reichstag   überwies gestern zunächst einen gemeinsamen Antrag der Sozialdemokraten, Demokraten, der Bayerischen   Bolts­partei und der Wirtschaftlichen Vereinigung, die Fristen für die Bahlungen der Zigarettenbanderole steuer zu verkürzen, dem Steuerausschuß.

Ohne Aussprache wurden angenommen die Verlängerung des Gesetzes über den Verkehr mit unedlen Metallen, die Fracht perbilligung für Siedlerbauten material, die Bor­fchriftsergänzung über den Vorsiz bei den Kollegialgerichten.

Die zweite Beratung des Haushalts des Reichsinnenminifte­riums wird fortgesetzt.

Abg. Dr. Moses( Soz.)

beflagt den Geburtenrüdgang und erklärt, daß bessere Löhne und bessere Ernährungs- und Wohnungsverhält= nisse der beste Weg zur Erhaltung der deutschen   Volkskraft seien.

In der Durchführung des Gesetzes zur Befämpfung der Ge­schlechtskrankheiten herrscht ein fürchterliches Durcheinander. Daran ändert auch die Verleihung des medizinischen Ehrendoktorats an den für die Durchführung des Gesezes verantwortlichen Herrn Dammann nichts. Ueberhaupt hat sich diese Berleihung von Doktor hüten Ludendorff   in Königsberg   wegen seiner Berdienste um die medizinische Wissenschaft während des Krieges" über Verkehrs­minister Koch Sund Herrn Dammann bis zu Amanullah Khan  ,, megen Förderung der deutschen   Technik in Afghanistan   zu einer lächerlichen Farce, zu einem Unfug ausgewachsen. Der Redner wiederholt unter lebhaften Hört- Hört- Rufen der Sozialdemo­fraten seine Veröffentlichungen im Vorwärts" über sträfliche Ber­suche von Aerzten an sterbenden Kindern usw. Er verlangt ein Ein­greifen des Präsidenten des Reichsgesundheitsamtes, zumal diese Ver­suche der Wissenschaft gar feinen Nugen gebracht hätten.

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Abg. Schred( S03.) fordert Fahrpreisermäßigung bei Jugend wanderungen   und Förderung der Werkstudenten.

Abg. Meyer- Franten( Komm.) führt Beschwerde über die Unter­brückung der Vereins- und Versammlungsfreiheit in Bayern  .

Reichsinnenminister v. Reudell

aubert fich zu den Anfragen verschiedener Redner und fündigt eine wiffenschaftliche Untersuchung des Problems des Geburten. rudgangs an. Als er davon spricht, daß auch in diesen Fragen die Kräfte des Glaubens und der Weltanschauung geweckt werden müßten, tommen von den Kommunisten Entrüstungsrufe: Heuchelei!" Abg. Schneller( Komm.) erhält einen Ordnungeruf. Abg Crispien hat eine Reihe von Einzelfällen auf dem Gebiete des Rundfunkwesens zur Sprache gebracht. Schon im Aus­schuß habe ich mir auszuführen erlaubt, daß die Vorwürfe über mangelnde Berücksichtigung der Belange der Arbeiterschaft im Pro­gramm des Rundfunks unbegründet sind; wer das Programm zu verfolgen Gelegenheit hat, wird mir das auch durchaus zu­geben.( Unruhe links und Rufe: Unglaublich! Abg. Crispien( Soz.): Ich habe heute wieder neue Fälle bekommen!) Wenn uns neue Fälle eingereicht werden, werden wir sie im einzelnen prüfen. ( Buruf lints: Sie wandern ja doch nur in den Papierforb.) Ebenso wenig fann ich eine Berechtigung für die Forderung anerkennen, Daß die Regierung auf das Programm der Morgenfeier im Rund funt irgendeine Einflußnahme ausüben soll. Denn das würde mit den Richtlinien nicht im Einklang stehen.( Widerspruch links. Abg. Crispien( Soz.): Bequeme Ausrede!) Herr Sollmann hat nochmals die Angelegenheit Badt

zur Sprache gebracht. Ich habe mit Rücksicht auf die Debatte im Reichsrat einen Brief geschrieben; in dem steht einiges drin, einiges nicht.( Heitertett rechts.) Aus ihm ergibt sich aber eine flare und pofitive Stellungnahme, die, wie ich annehme, von den Nächstbeteiligten durchaus verstanden worden ist. Im übrigen pflege ich Ratschläge, wie es unter gefitteten Menschen üblich ist, in aufrichtiger Erwiderung der Empfindungen auf der anderen Seite, mit derjenigen stummen Hochschähung entgegenzunehmen, welche der Bedeutung folcher Ratschläge zukommt.( Heiterfeit rechts, große Unruhe lints.) Herr Sollmann hat einige pofitive präzise Anfra gen an mich gerichtet, welche sich auf den eventuellen Inhalt meiner Unterrebung mit Herrn Brecht beziehen. Ich nehme an, der Ber­  

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mutung des Herrn Sollmann felbst zu entsprechen, wenn ich nicht glaube, daß er erwartet, daß ich diese Fragen beantworten werde. Heiterfeit rechts.) Ich muß aus grundfählichen Erwägungen eine Beantwortung ablehnen. Es ist mir nicht erinnerlich, daß der Abg. Sollmann seinerzeit in der Deffentlichkeit Gründe dafür angegeben hat, weshalb der Reichs minister Sollmann den Staats­minister v. Welser  , Reichsminister Köster den Staatssekretär Lewald zur Disposition gestellt hat. Die Tatsache, daß in meinem Ministerium eine sogenannte politische Abteilung abge­weigt worden ist und demgegenüber gewiß der Charakter der Abteilung I als besonders friedlich angefehen werden fann, ändert nichts daran,

daß nach den Vorschriften des Beamtengefehes der politische Charakter der Staatssekretäre und der Ministerialdirektoren absolut derselbe ist.( Buruf links: Dann geben Sie es doch menigstens zu!) Ich habe das nie geleugnet.

Ich möchte aber diese Betrachtung doch nicht schließen, ohne mich bereit zu erklären, Herrn Sollmann noch mit Material behilflich zu sein bei seinen Untersuchungen in der Richtung, wie die Berabschie­bungen zu seiner Zeit und wie sie während meiner Amtszeit erfolgt sind. Er wird sich bei dieser Untersuchung auch mit der Frage beschäftigen müssen, was man eigentlich unter dem Begriff eines Präzedenzfalles versteht.( Heiterkeit rechis; Lärm links.)

Abg. Schulz- Königsberg( Soz.)

behauptet, daß man die für Ostpreußen   zur Verfügung ge= stellten Mittel falsch verwende. Die öffentlichen Einrich tungen, wie Verkehr, Schulwesen usw. befänden sich in fata= strophalem Zustand. Der Redner befürwortet den Antrag feiner Fraftion, für die gefährdeten Ost- und Westgebiete weitere Mittel zur Verfügung zu stellen.

Abg. Frölich( Soz.)

fritisiert das schlechte Verhältnis zwischen der Reichsregierung und der preußischen Staatsregierung und betont, daß der Reichsinnen­minister an diesem Verhältnis zum großen Teil schuld sei. Der Redner beantragt die Aufhebung des Reichstommiffa= riats für öffentliche Ordnung, das in Thüringen   mit sehr bedent­lichem Material gearbeitet habe. Dem früheren thüringischen Minister Herrmann fei schweres Unredyt angetan worden. Ministerialdirektor Dammann weist die sozialdemokratischen Bor. würfe auf medizinischem Gebiet zurück. Die Angriffe gegen die Be­handlung der Rachitis im Augusta- Viktoria- 5) aus feien von dem Leiter der Anstalt entfräftet worden. Die Staatsan=

Vor­

waltschaft sei in eine Untersuchung der Angelegenheit eingetreten und man warte am besten das Ergebnis dieser Untersuchung ab. Auch die Vorwürfe gegen das Reichsgesundheitsamt feien unberechtigt. Er gebe zu, daß die Ausdrucksweise in der medizinischen Lieblosigkeit erweden tönnte. Hier wäre eine Aenderung am Plazze. Fachpresse oft nicht sehr glücklich sei und bei Laien den Eindruck der Abg. Janschet( Soz.)

beantragt Streichung der Mittel für die Technische Mothilfe, die der Redner eine Provokation gegen die Arbeiterschaft nennt. Präsident Löbe teilt mit, daß foeben ein kommunistischer Miß trauensantrag gegen den Reichsinnenminister eingegangen ist.

Der Präsident des Reichsgesundheitsamtes, Geheimrat v. Hamel, gibt einen Ueberblick über die Gesundheitslage im Deutschen Reich. Die Lage sei im großen und ganzen befriedigend. Bei der Tuberkulose habe das industriereichste Land Sachsen die fleinste Sterblichkeitsziffer.

Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung der Ge. schlechtskrankheiten seien diese in Hamburg   ganz erheblich zurück­gegangen.

Die Rachitis greife immer mehr um sich. Gegenüber den An griffen des sozialdemokratischen Abg. Dr. Moses sei festzustellen, daß Experimente an sterbenden Kindern unzulässig feien und auch nicht vorgenommen wurden. Das Reichsgesundheitsamt set nach Kräften bemüht, seine Aufgabe zum Wohle des deutschen   Volkes unbeirrt zu erfüllen.

Abg. Sollmann( Soz.):

Der Reichsminister des Innern hat am Freitag eine Ost. preußenstelle im Reichsministerium des Innern an gekündigt. Meine Fraktion spricht sich gegen diese Stelle aus. Hier ist ein neuer überflüssiger und schädlicher Dualismus zwischen Reich und Preußen im Entstehen. Preußen hat für die preußische Proving Ostpreußen   schon eine eigene gutarbeitende Stelle. Ostpreußen   verlangt finanzielle Unterstützung und feine neuen Be­amtenstellen. Dann muß ich auf die Erklärung des Herrn Ministers bezüglich des sogenannten Beamtenschutzes zurückkommen. Er hat bestritten, daß Beamtenernennungen unter dem Gesichts­punft politischer Zusammenhänge bevorstehen und jeden Beamtenschub in das Reich der Fabel gewiesen. Ich frage nun:

Jst es richtig, Herr Minister, daß Sie, bevor Sie diese Er­flärung im Reichstag abgegeben haben, die Beförderung der beiden Regierungsräte Wallraf und Niessen zu Oberregierungs­räten angeordnet haben?

3ft es richtig, daß durch die Ernennung dieser beiden Regierungs­räte fünf oder jegs andere mindestens gleichqualifizierte Herren übergangen worden sind?

Ist es richtig, daß aus den Reihen Ihrer Beamten. schaft bei 3hnen gegen diese Ernennung prote­stiert worden ist?

Nach unserer Auffassung stehen die Tatsachen mit Ihrer Er. flärung vom Freitag in flaffendem Widerspruch. Die Art, in der der Herr Minister sich heute erneut über die grundlose schwere Beleidigung eines Beamten hinweggefeht hat, macht es mir unmöglich, noch ein Wort zu dem Falle Badt zu sagen. Hier gibt es teine Brücken des Verständnisses. Ich beneide den Minister nicht um die Rolle, in die er sich gebracht.

Im Falle Brecht hat der Minister endlich zugegeben, daß er diesen Ministerialdirektor wegen der republikanischen Gesinnung ent­laffen hat.

Der Minister hat also zunächst die Richtlinien zum Schuße der Reichsverfassung unterschrieben und dann den republikanischen Leiter der Verfassungsabteilung entlassen. Es waren also lediglich politische Gründe, die die deutschnationale Presse monatelang und der Minister selbst noch vor einigen Tagen hier im Hause ge­leugnet haben. Wir haben nie bestritten, daß die Staatssekretäre Welser   und Lewald aus politischen Gründen zur Disposition gestellt worden sind. Das war Form der Ehrlichkeit. Mangel an dieser Form der Erziehung tann durch keinerlei Aeußer­lichkeit verdeckt werden.

Reichsinnenminister Dr. v. Kendell:

Der Abg. Sollmann scheint in einem Punkte einem MiB

perständnis unterlegen zu sein, indem er nämlich zu der Auf­faffung gelangt ist, als ob ich vorhin in Widerspruch zu meinen 245­fernt worden ist. Ich habe nicht ein Wort davon gesagt und stelle führungen vom Freitag etwa zugegeben hätte, daß Ministerialdirektor Brecht wegen seiner republitanischen Gesinnung ent­anheim, das Stenogramm nachzulesen. Vor allem, was der Reichs­minister des Innern auf beamtenpolitischem Gebiete zu veranlassen oder zu unterlassen hat, tönnen Sie ganz versichert sein, daß der Um­stand, ob der Reichstag persammelt ist oder nicht, nicht entscheidend ist. Es muß einmal vor dem Reichstag ausgesprochen werden, daß es zu den Aufgaben des Ver. faffungsministers gehört, die Grenze zwischen den Befug niffen der Exekutive und der Legislative   innezuhalten. Damit hat es nichts zu tun, daß ich Ihnen für das, was ich tue oder unter laffe, staatsrechtlich verantwortlich bin, und ich überlasse Ihnen gern, die staatsrechtlichen Konsequenzen daraus zu ziehen.

Abg. Sollmann( Soz.):

Ich stelle fest, daß der Herr Reichsminister des Innern meine Behauptungen von der bevorstehenden Beförderung zweier Regie­rungsräte, die den Regierungsparteien nahe stehen. durch sein Schweigen als richtig anerkannt hat. Die Tatsache, daß die Entlassung des Ministerialdirektors Brecht   wegen dessen republifa­nischer Gesinnung erfolgt ist, wird auch durch die neuerliche Er­flärung des Herrn Ministers nicht erschüttert. Wenn ein anderer

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