Beilage
Donnerstag, 5. April 1928
АЯЯЗІ 2 ЯНА STAH
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
Um Dein Schicksal geht es!
Der Film im Dienste des Wahlkampfes.
Bier lange Parlamentsjahre und ein kurzer Wahltag! Nun soll es sich wieder einmal entscheiden, wem das deutsche Volk die Leitung seiner Geschicke anvertrauen will. Der 20. Mai ist Wahlta g. Ist Schicksalstag für 65 Millionen Deutscher . Ist Schicksalstag für das ganze Volt wie für jeden einzelnen.
in die Höhe gezogen wird, bevor sie ihn noch fassen fönnen. So ist das Zentrum; es hilft den Großagrariern das Brot verteuern und vertröstet die christlichen Arbeiter auf das Jenseits.
Und nun die Demokraten. Einer ihrer Führer, Herr Dr. Külz, der als Reichsinnenminstier für das Schund- und Schmutzgesetz verantwortlich ist. Die Demokraten sind für die Er haltung des Kapitalismus, denn das Privateigentum ist ihnen heilig.
Von Efeln und Wahrsagerinnen.
Aber diese Entscheidung muß vorbereitet werden. 41 Mil lionen stimmberechtigte Staatsbürger werden zur Wahlurne gehen, etwa 3 Millionen Wähler üben zum ersten Male das höchste Recht im demokratischen Staat, das Stimmrecht, aus. Um die Seelen dieser Millionen wird gerungen, mit Gründen, mit Zahlen, mit Beweisen, aber auch mit Lügen. Ganze Wälder Um genau zu sein: die kommunistischen Esel und merden in Druckpapier umgewandelt, das sich mit Aufrufen und| Wahrsagerinnen erscheinen nicht im Film. Die sind vorAufsäzen an die Wählerschaft wendet. Das gesprochene Wort wird läufig erst in den Richtlinien“ der Welt überliefert. Dafür sehen
Bitte die Köpfe hier abzugeben Komunistische- Garderobe
Russisch
$ 344
wir aber eine Menge andere lustiger Dinge. Sie können zugleich traurig stimmen, denn es sind ja Arbeiter, die immer noch auf die kommunisti schen Parolen hineinfallen. Ein Karussel, auf dessen Pferden die einstigen Führer der Kommunistischen Partei in Deutschland reiten. Die einzelnen Köpfe werden hinuntergeschleudert. Wir lesen einen Tert„ Von Sieg zu Sieg", eine Faust wischt die Worte weg und schreibt dafür:„ Von Niederlage zu Niederlage." Die verschiedenartigen Barolen, von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat wechselnd, werden illustriert. Von dem starken Block der Arbeiterbewegung spaltet ein Kommunist einige Stücke ab. Die russischen Führer huschen vorüber, Lenin , Troßfi, Sinomjem, sie verschwinden eiligst, sie gelten nichts mehr. Eine Garderobe, in der die tommunistischen Führer ihre Köpfe abgeben. Sie brauchen feinen Geist. Mostaus Befehle genügen. Es reg net Barolen, zuletzt werden sie von einem Arbeiter beiseite gefegt.
Bor Beginn des Films wird ein Bild gezeigt, das die Zensur
Die Kommunistische Partei kann keine Köpfe gebrauchen. Diese sind vorher in der gestrichen hatte: Der„ Transport
Garderobe abzugeben.
in Zehntausenden von Versammlungen tlingen. Von Haus zu Haus,| Generalfeldmarschall Hindenburg tragend. Ein Stückchen aus von Tür zu Tür wird die persönliche Agitation getragen werden. Der kommunistischen Weltrevolution".
Eine besonders wichtige Rolle in diesem Wahlkampf wird der Technik beschieden sein. Einem ihrer jüngsten und erfolgreichsten Kinder, dem Film, wird dabei eine Vorzugsstellung eingeräumt werden. Wo das gesprochene Wort nicht mehr ausreicht, da wird das wandelnde Bild zu den Massen reden. Auch die Sozial demokratische Partei wird den Film in den Dienst ihrer Werbearbeit stellen. Die erste Probe davon haben wir am Mitt woch im Lehrervereinshaus erlebt. Der Film nennt sich:„ Dein Schicksal".
Die Parteien des Krieges und des Kapitals.
Ueber die Leinwand flattern riesige Mengen von Flugblättern. Sie häufen sich zu wahren Bergen. Was soll der Wähler damit anfangen?. Da hebt sich aus der Masse ein Plakat heraus, das zur Wahl der Deutschvölkischen auffordert. Aus dem einen Plakat werden zwei, aus den zweien werden vier Stück. Das zeigt an, daß die Hakenkreuzler sich in ebensoviel Splitter aufgelöst haben. Hitlers Kopf erscheint, des Oberputschisten, Ehrhardt, Ludendorff. Also die ganze Gesellschaft, die das deutsche Volk in neues Kriegselend bineinführen möchte. Und nun sehen wir, was unserer wartet, wenn das Hakenkreuz die Oberhand gewinnen solite. Eine Wiederholung des blutigen Gemegels, das dem deutschen Volke, das der ganzen Welt so viele Millionen von Toten, von Krüppeln, von Hinterbliebenen gekostet hat. Ein Kriegsblinder tappt an einer Mauer entlang und reißt das völkische Papier in Fezzen.
Dann die Deutsch nationalen. Der cstpreußische Junter. Der kaiserliche Offizier auf dem Kasernenhof. Die berüchtigten Bilder großagrarischer Ausbeutung auf dem Lande. Dazu zwei Bilder aus dem dunkelsten Ostelbien: ein verfallenes Schulhaus und daneben ein moderner Schweinestall. Ein Landarbeiter tommt vor,
Wir wollen arbeiten, wir wollen fämpfen!
Die Kritik der Gegner muß besonders im Film kontrastreich sein. Aber sie würde ohne Wirkung bleiben, wenn die Sozialdemokratie es bei dieser Kritik bewenden laffen würde. Aber die Sozialdemokratische Partei kritisiert nicht nur, sie schafft neues, jie baut auf. Und dieser schöpferischen Arbeit ist der letzte Teil des Films gewidmet.
Dieser Teil ist von gewaltiger Kraft, von hinreißender Wucht. Er macht die Herzen warm, er wühlt die Zuschauer zu lodernder Begeisterung auf. Da ist zuerst die Illustration des alten Rufes an Die die Arbeiterschaft: Auf, erkenne deine Macht!" Maschinen sausen, wenn der Arbeiter es will, die Maschinen halten, wenn der Arbeiter es will. Auf den Willen des einzelnen kommt es an, auf den Willen der ganzen Arbeiter klasse!
Und dieser Wille schafft Wunder! Nicht von jener Art, die unserer im Himmel der Seligen warten, sondern solche, die schon unsere alte Erde mit mehr Freude und mehr Glück füllen sollen. Aus den engen, finsteren, feuchten Wohnhöhlen des Proletariats werden die freundlichen Heime, die die Arbeiterschaft dort baut, wo sie sich entscheidenden Einfluß in den öffentlichen Körperschaften gesichert hat. Das Alter soll vor Not geschützt werden, die Jugend, unsere Zukunft, soll in lichter Umgebung heranwachsen. Die Kinderheime der Arbeiterwohlfahrt, teren eines den stolzen Namen unseres August Bebel trägt, zeigen, was die gesammelte Kraft des Proletariats vermag.
Nie wieder Krieg!
Und damit klingt der Film aus: Niemals wieder sollen sich nimmt das deutschnationale Wahlplakat auf die Mistgabel jene Jahre wiederholen, die so entsetzliches Elend über die Mensch heit gebracht haben! In Frieden, Freiheit und Freude wollen wir
und wirft es zur Seite.
Die Deutsche Bolfspartei. Der Großindustrielle, der ja in dieser Partei dank seiner finanziellen Leistungsfähigkeit die wichtigste Rolle spielt, fperrt in brutaler Rüdsichtschigkeit die bei ihm beschäftigten Arbeiter aus. In langen Zügen fommen die Proletarier aus der Fabrikfaserne, meil tapitalistische Willkür sie feiern heißt. Während in der Arbeiterwohnung das legte Etüdchen Brot den quälenden Hunger stillen soll, predigt ein Gymnasiallehrer seinen Schülern die Boltsgemeinschaft. Schließlich erscheint ein Amboß, den ein Arbeiter mit fräftigem Schlage in Trümmer haut. Der Amboß trug die Aufschrift: Deutsche Volkspartei .
Sie fann fo, fie fann auch anders.
Sie ist nicht für die Republik , sie ist nicht für die Monarchie, die brave 3entrumspartei, sie ist für die Verfassung. So ungefähr hat Herr Dr. Marg, der Kanzler des Bürgerblocks, das Wesen des Zentrums charakterisiert. Es ist erklärlich, daß die Szenen des Films, die die Wandlungsfähigkeit des Zentrums zeigen, zu stürmischen Gelächter Anlaß geben. Aber auch zu heftigem Grolle, menn man bildlich dargestellt sieht, wie das Zentrum mitschuldig geworden ist an der Berteuerung der wichtigsten Lebensmittel. Außerordentlich eindrucksvoll eine Schar hungernder Frauen und Sinder, Sie greifen nach einem Brotforb, der aber immer wieder
Immer höher wird euch der Brotkorb gehängt!
unser Leben führen. Noch einmal huschen im Film die grausigen Kriegsbilder vorüber. Dann aber erscheinen, einander entgegenschreitend, zwei Trupps singender und spielender Arbeiterjungen und-mädel. Noch sind sie durch einen Grenzzaun von Stacheldraht voneinander getrennt. Aber über dieses Hindernis hinweg reichen sie sich die Hände, begrüßen sie sich als Freunde und Schicksalsgenossen. Die Grenze verschwindet, es gibt keine Feinde mehr, es gibt nur Schwestern und Brüder. Schwestern und Brüder in der ganzen Welt, die einige Arbeiterklasse der ganzen Welt!
Und in diesem Zeichen wird die Sozialdemokratische Partei Deutschlands siegen: Nicht mit dem Rüstzeug der Barbaren, sondern mit den Waffen des Geistes. Dieser Film, von Richard 2ohmann geschaffen, wird eines ihrer besten Kampfesmittel sein!
und ihr bleibt gefund.
Den Kopf voller Gedanken laufe ich durch die Straßen, meiner Wohnung zu. Nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit hat man so seine Gedanken. Zu Hause die Frau mit der Gesundheit nicht mehr auf der Höhe, die Kinder kränklich und ich selbst, nun, wie man so sagt, mir kann man das Vaterunser durch die Backen blafen. Wenn das so weiter geht, dann sind wir bald reif für den Friedhof. -
Also ich schleppe mich mit dem soeben gefaßten Stempelgeld in der Tasche durch die Straßen. Da fällt mein Blick auf ein Plakat im Schaufenster eines Gemüseladens:„ Eßt mehr Früchte und ihr
Unser Mitarbeiter Richard Huelsenbeck erhielt für seine Komödie ,,, Hauptsache ist den belgischen internationalen Preis für Kunst und Lateralu in Höhe von 10 000 Fr., der in diesem Jahr zum erstenmal zur Verteilung kam.
bleibt gesund!" Ich denke an die Frau, die Kinder, an mich selbst, und ich entschließe mich, etwas für unsere Gesundheit zu tun und faufe Obst. Wie ich, beglückt durch meinen Einfall, meiter mandere lese ich an einem Fleischerladen: Zur täglichen gesunden Ernährung gehört Fleisch, Fleisch und nochmals Fleisch!" Das Geld, das ihr zum Fleischer schafft, das bringt euch täglich neue Kraft!" Ich überlege nicht lange. Recht hat der Mann! Also taufe ich Fleisch und Wurst Kaum 100 Meter weiter mahnt wieder ein Schild:„ Mehr Milch!" Natürlich lasse ich mich wieder verleiten und kaufe, getreu dem Grundsay: Das Beste ist das Billigste!" ein paar Flaschen Vorzugsmilch, einige Eier, und, da mich im Laden ein Plakat be= lehrte: Gebt euren Kindern Pudding, Pudding ist gesund!", auch verschiedene Sorten Pudding.
Zu Hause angekommen, öffnete mir meine Frau die Tür. Wie fie mich so bepackt stehen sah, war vor freudigem Erstaunen ihre erste Frage: Du hast wohl Lebensmittelbeihilfe bekommen?"
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Dann aber nahm mich meine Frau beiseite und wollte wissen, wo ich das Zeug her hätte. Ich erklärte ihr, so gut ich fonnte, daß wir doch unbedingt für unsere Gesundheit etwas tun müßten da ich die Plakate gelesen hätte die Sachen wären alle sehr ge= sund- sie sähe doch, wie lebhaft die Kinder wären, seitdem sie die schönen Eßwaren hätten sie wollte doch nicht etwa daran zweifeln, daß ich nur nahrhafte Sachen gekauft habe. Da unterbrach fie meinen Redestrom. Wieviel ich denn noch Reld von meiner Unterstügung hätte, menn ich die Sachen gekauft habe? Aus meinen Taschen suchte ich den Rest von 2,79 M. zusammen und übergab es meiner Frau.
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,, Und davon sollen mir nun eine Woche leben? Wir sollen wir das machen? Wie kannst Du nur so leichtsinnig sein?" rief sie aus. Als sie mein gefnictes Geficht fah, wurde sie mitleidig. Sie glaube ja, daß die Sachen gesund seien. Aber ich müßte doch selber zugeben, daß wir mit 20 M. für 5 Personen nicht solche fostspieligen Sachen kaufen könnten und die Anpreisungen auf den Plakaten, da hätte es während des Krieges auch geheißen, Kohlrüben sind gesund, Fleisch sei Gift, Bennesseln sind nahrhaft, gute Butter ist schädlich usw. Das wäre alles Geschäft wenn ich mehr Geld verdienen würde, da könnte sie uns auch gesunde und nahrhafte Kost geben. Ob ich denn schon einmal ein Plakat in den Straßen gelejen. habe: Gebt den Arbeitern mehr Lohn, damit sie gesund bleiben!" oder ob in den Fabriken Platate hingen, wo darauf steht: Arbeitet weniger und ihr bleibt gesund!"
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Na, mit den 2,79 Mt. haben wir uns dann die eine Woche durch gehungert. Die Kinder fragen mich noch manchesmal, ob ich denn nicht bald wieder einmal Obst oder Schokolade mitbringe. Ja, jaund ihr bleibt gesund. Rofra.