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Morgenausgabe

Nr. 165

A 83

45. Jahrgang

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Vorwärts

Beeliner Bolksblatt

Freitag

6. Apríl 1928 Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.

Die etnipalttge Ronpareillezetts 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart Kleine Anzeigen" das fettge brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwet fettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Blennig Stellengesuche das erste Bort 15 Brennig. tedes meitere Bort 10 Pfennig Borte über 15 Buchstaben gablen für zwet Worte Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig Familianzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden. ftraße 3. wochentägl von 81%, bis 17 Uhe

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Drohende Aussperrung in Sachsen

Pläne der Reaktion.

Die Osterbotschaft der sächsischen Metallindustriellen.- 200 000 Arbeiter betroffen Angriffsziel unserer Sozialreaktionäre; unter allen Zweigen

Chemnit, 5. April. ( WTB.)

Wie wir erfahren, hat die Vereinigung der Verbände sächsischer Metallindustrieller Donnerstag abend be­schlossen, sämtliche Arbeiterbelegschaften für Donners tag, dem 12. April, mit Arbeitsschluß auszu sperren. Von dieser Maßnahme werden rund 200 000 Metallarbeiter betroffen.

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Diese Botschaft wendet sich offenbar in erster Linie an die Adresse des Reichsarbeitsministers, um ihn zu be­stimmen, dem Antrag der Herren folgend, die Berbindlichkeitserklä­die sächsischen Metallarbeiter durch die Drohung mit der Gesamtaus­

rung des Manteltarifs auszusprechen. In zweiter Linie aber sollen

[ perrung genötigt werden, auf ihre Lohnforderungen zu verzichten, die den Herrschaften nicht angenehm sind. Allein die Metall­arbeiter sind nachgerade an solche Drohungen zu sehr gewöhnt, um ihnen besondere Bedeutung beizumessen. Aber auch der Reichs­arbeitsminister dürfte an solche starte Gesten bereits so gewöhnt fein, um sie gebührend zu würdigen.

In Sachsen besteht neben der Vereinigung der Verbände der Metallindustriellen noch ein Arbeitgeberschutzverband der Metallindustrie. Mit diesem Verband wurden Lohnverhandlun gen vor dem Schiedsamt Dresden geführt, deren Weiterführung auf Freitag, den 13. April, vertagt wurden, offenbar im Hinblick auf den Aussperrungsbeschluß der Vereinigung.

Möbeltransportarbeiter ftreifen weiter. Sie beforgen jedoch umzüge!

3wischen den Parteien wurde Donnerstag nachmittag erneut über die Beilegung des Streifs verhandelt. Veranlassung hierzu bot vor allem die Erwägung, den Umziehenden dazu zu verhelfen, daß sie möglichst noch vor den Osterfeiertagen in den Besitz ihrer bei den Spediteuren lagernden Möbel gelangen.

Die Aussprache zwischen den Parteien ergab, daß, obgleich die Arbeiter von ihren Forderungen abermals zurückgingen, die möbelspediteure nicht geneigt waren, den Arbeitern das geringste Entgegenkommen zu zeigen. Die Unternehmer machten eine Verständigung unmöglich und verschärften die Gegenfäße noch mehr, indem sie mit ihrem Angebot noch unter den Sägen des Schiedsspruches blieben.

Wähler, verteidigt die Arbeitslosenversicherung! Seit Jahr und Tag ist die Arbeitslosenversicherung das der Sozialpolitik wird sie am meisten gehaßt. Die Angriffe gegen die Arbeitslosenversicherung sind vorzugsweise von Profitinteressen diftiert. Hinter ihnen stehen die großen Versicherungsgesellschaften. Ihr Plan ist fol­gender: Da das Arbeitslosenrisiko in der modernen Industrie größer ist als jemals, und die Arbeiterschaft sich heute an eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, also gegen Kon­junfturrückschläge in der Wirtschaft, gewöhnt hat, werden Die Differenz, an der die Möbelspediteure die Verständigung große Teile der arbeitenden Schichten freiwillig eine Ar­fcheitern ließen, beträgt, foweit es sich um festangestellte Pader und beitslosenversicherung eingehen, wenn die staatliche Einrich­und Arbeiter handelt, pro Tag und Mann 15 Pf., für nicht angestellte tung zertrümmert ist. Das Versicherungstapital wittert in der Arbeitslosenversicherung ein neues, glänzendes Arbeiter pro Urbeitstag 30 Pf.! Die Deffentlichkeit kann daraus er= Geschäft. Gelingt es ihnen, die gegenwärtige Arbeitslosen­versicherung zu beseitigen, so ist der Weg für die Verwirk­lichung dieser kapitalistischen Pläne frei. Die Aufsichtsräte der großen Versicherungskonzerne werden dann mit Hilfe der freiwilligen Arbeitslosenversicherung ungeheure Tantiemen für Nichtstun einstecken; der Arbeiter tauscht aber die schon jetzt taum ausreichenden Unterstüßungen gegen geringere ein und wird dafür höhere Prämien, Beiträge zahlen müssen. Für die Unternehmer ist die Arbeitslosenversiche­rung ein Hindernis, um die Löhne möglichst niedrig zu halten. hnen wäre es natürlich am liebsten, wenn keine Arbeits­Losenversicherung existierte; dann würde die in Krisenzeiten entstehende industrielle Reservearmee gezwungen sein, auch die miserabelsten Lohnangebote der Industriellen zu akzep­tieren. So befämpfen gerade die Groß grundbesizer die Arbeitslosenversicherung. Gerade der von den Agrariern geführte Kampf ist jedoch nur ein Kampf um die Höhe der Landarbeiterföhne. Bezeichnend ist, daß die Regierungs­

sehen, auf welcher Seite die Schuld an der Fortdauer des

Streifs liegt.

Dringende Abrollaufträge werden, falls die Um ziehenden sich in den Besitz der Fracht briefe segen fönnen, von den streifenden Möbeltransportarbeitern prompt und sicher erledigt. Auch Stadtumzüge werden auftragsgemäß ausgeführt. Mel­dungen an die Streitleitung, F. 7 Jannowitz 3719, Engel­ufer 22, Restaurant Schulz.

Bei der Streitleitung liegen bereits genügend Angebote von Firmen vor, die die Forderung der Arbeiter bewilligt haben, und die in der Lage sind, sämtliche Aufträge auszuführen. Straßenbahnerkonflikt in Ostoberschlesien beendet. Saffowih, 5. April.

Die heutigen mehrstündigen Berhandlungen vor dem Schlich Die heutigen mehrstündigen Berhandlungen vor dem Schlich tungsausschuß über die Lohnforderungen der oftaberschlesischen Straßenbahner endeten mit der Fällung eines Schiedsip ruch sparteien im legten Reichstag eine Interpellation ein­nach dem den Angestellten der Kleinbahn eine 2ohn: brachten, die besagte, daß die Arbeitslosenversiche erhöhung um 8 Broz, den Arbeitern eine solche von rung nicht ein hindernis für den schlimmsten Lohndruck in der Landwirtschaft sein darf. 7 Bro 3. bewilligt wurde. Mit dieser Interpellation haben die Rechtsparteien feinen Er­

Der Spruch wurde von den beteiligten Parteien angefolg gehabt. Der Wähler muß aber bei den kommenden

nommen, so daß ein Streit vermieden ist.

Arbeiterwahlfieg in Schottland .

Shinwell erobert seinen früheren Wahlkreis zurück.

Shinwell ist nämlich jüdischer Herkunft, und sogar der einzige jüdische Parlamentarier in der Labour- Fraktion, während es mehrere solcher in den beiden bürgerlichen Fraktionen gibt. Die genauen Zahlen der Nachwahl lauten: Shinwell( Arb.- Partei)... 14 446 Stimmen Miß Kidd( Konserv.) 9 268 Young( Lib.). 5.690 Dieses Wahlergebnis bemeift, daß völkische Schimpfereien Großbritannien feinen Eindruck machen.

London , 5. April. ( Eigenbericht.) Die Arbeiterpartei hat bei den Nachwahlen in Linlithgow ( Schottland ) einen großen Erfolg er rungen und damit einen ihrer alten Wahlbezirke, der ihr bei den allgemeinen Wahlen im Jahre 1924 von den Konservativen genommen war, wieder zurückgewonnen. Mit über 5000 Stimmen Mehrheit wurde Shin well, der frühere Bergwerksminister der Regierung Macdonald, vor der konservativen Kandidatin in Miß Margot Kidd gewählt. Der liberale Kandidat Young erhielt 5690 Stimmen.

Der Erfolg der Arbeiterpartei ist um so bemerkens. merter, als er wiederum beweist, daß sie auch von liberaler Seite nichts zu befürchten hat.

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Genoffe Shin well war neben dem Bergarbeiterführer Frank Hodges das einzige Mitglied der Regierung Mac donald, das bei den Neuwahlen von Oftober 1924 befiegt worden war. Damals hatte sich in seinem Wahlkreis eine bürgerliche Einheitsfront gegen ihn gebildet. Die Liberalen hatten auf die Aufstellung eines eigenen Randi­daten verzichtet und ihre Stimmen das ergibt sich aus der jezigen Nachwahl unzweifelhaft waren fast restlos dem Konservativen Kidd zugute gekommen. Damals lautete das Wahlergebnis: Kidd( Konserv.)... Shinmell( Arb.- Bart.)

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14 765 Stimmen 14 123

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Als jetzt das Mandat durch den Tod Kidds frei wurde, versuchte dessen Tochter es für die Konservativen zu be­haupten. Shinmell stellte sich wieder seinen alten Wählern zur Verfügung. Seine Aufgabe wurde zwar dadurch er­leichtert, daß diesmal die Liberalen einen eigenen Kandidaten aufstellten, hätten sie aber darauf verzichtet, dann würde ein großer Teil ihrer Stimmen dem Arbeiterfandidaten zugute gekommen sein, denn der ultrareaftionäre Kurs der Tory­Regierung läßt jogar vielen bürgerlich- liberalen Wählern die Arbeiterpartei als das fleinere Uebel erscheinen.

Interessant ist es übrigens, daß die Konservativen den Rampf gegen Shinwell unter anderem mit Argumenten ge­führt haben, die in England nur selten in der Politif eine Rolle spielen, nämlich mit einer antisemitischen Barole,

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Der Merifo- Protestrummel. Erklärung des Generalfonfuls in Hamburg .

Hamburg , 5. April.

Zu einer Protesttundgebung der hamburgischen Katholiken gegen Ratholitenverfolgungen in Merifo gibt der merikanische Generalfonful in Hamburg eine Erklärung aus, in der es heißt: Wenn die katholischen Gläubigen sich heute ihrem Gottesdienst entzogen sehen, so ist das nicht Schuld der Regierung, wie im Aus land glauben gemacht wird, sondern weil der Rlerus selbst feit August 1926 als Zeichen des Protestes gegen die Ber­faffung von 1917 die Aufhebung der Gottesdienste im ganzen Lande angeordnet hat. Die Kirchen stehen unter Aufsicht von Rom­missionen, die aus fatholischen Gläubigen selbst bestehen." Der Generalfonful wendet sich ferner gegen die Behauptung von Ber brechen und Grausamkeiten der merikanischen Regierung gegen Katholiken, die er als unwahr bezeichnet.

Ein persischer Minister getötet. Bon einem Stamm, den er aufsuchte.

Teheran , 5. April.

Der Minister für öffentliche Arbeiten, Amir Tahmas pi, ist auf einer Besichtigungsreise durch Luristan in der Nähe von Rhora mabab bei einem Zusammenstoß mit Angehörigen des Stammes ber Buren getötet worden. Das Barlament hat fich nach Ein gang diefer Nachricht vertagt. Der Schah ist nach Khoramabab abgereift.

Wahlen dafür sorgen, daß sie auch im kommenden Reichstag fein Glüd mit ähnlichen Anträgen haben werden. Besonders der Landarbeiter muß sich darüber klar sein, daß er die Ar­beitslosenversicherung und damit Lohnhöhe und Lebenshal tung verteidigt, wenn er am 20. Mai sozialdemokratisch wählt. Die wirklichen Ursachen, meshalb man die Arbeitslosen­unterſtügung haßt und sie möglichst bald beseitigen will, mer­den natürlich von den Gegnern der Arbeitslosenversicherung wohlweislich verschwiegen. Die Unternehmer flagen deshalb auch über unerträgliche Belastung der Wirtschaft und be­haupten, daß die Arbeitslosenversicherung die Arbeiterschaft demoralisiere und die Arbeiter zu Faulenzern erziehe! Was ist an diesen Vorwürfen wahr?

merden.

In jedem Geschäftsbericht wird der Klagegesang über die steigende Sozialbelastung angestimmt. In jedem Geschäfts­bericht muß aber auch zugegeben werden, daß die Gewinne trotz der angeblich unerträglichen Sozialbelastung steigen. Daraus geht hervor, daß der Beitrag der Arbeitgeber zur Sozialversicherung ohne ungünstigen Einfluß auf die Profit­quote ist. Die Arbeitgeber nehmen sich auch in acht, ihren Klagegefang in den Geschäftsberichten durch Zahlen zu er läutern. Sie lieben mehr die lyrische Weise, das Lied ohne Zahlen und weniger den glatten Beweis. Solange aber das deutsche Unternehmertum für seine Behauptung, die soziale Belastung gefährde die Rentabilität der Betriebe, feinen eraften, feinen schlüssigen Beweis erbringt, fönnen seine Klagen über die Sozialbelastung nicht ernst genommen Soweit die Arbeitslosenversicherung in Frage kommt, teilt der letzte Bericht der Reichsanstalt für Arbeits­vermittlung und Arbeitslosenversicherung mit, daß die Bei­träge für die Arbeitslosenversicherung im Monatsdurchschnitt 4,02 m. pro Kopf der Versicherten ausmachen. Davon zahlt der Unternehmer die Hälfte, also rund 2 m. pro Kopf. Das ist bei weitem weniger, als viele Unter­nehmer für ihre Kampffonds zu entrichten haben. So werden zum Beispiel in der nordwestlichen Gruppe der Schwerindustrie, also im eigentlichen rheinisch­westfälischen Industrierevier, 5 m. pro Kopf der Belegschaft als Beiträge zum Kampffonds erhoben und gezahlt. In den Geschäftsberichten des Ruhrtrufts wird aber natürlich nicht über die Kampffondsbeiträge, sondern über die unerträgliche Sozialbelastung, insbesondere über die Belastung aus der Arbeitslosenversicherung lamentiert. Das ist Heuchelei.

Wenn gesagt wird, die Arbeitslosenversicherung sei eine Brämiierung der Faulheit, so ist das natürlich Unsinn. Jeder wird aber schon in bürgerlichen Blättern die Geschichte von dem Arbeitslosen gelesen haben, der auf Arbeit verzichtete, um im Genuß der hohen Arbeitslosenunterstützung zu bleiben. Neulich wurde sogar von einer pommerschen Beitung be hauptet, ein Arbeitsloser habe einem Unternehmer eine Ab­findungsfumme für den Fall angeboten, daß dieser ihn nicht in feinem Betriebe einstellt. Die zuständigen Instanzen haben sich natürlich sofort nach diesem Krösus vom pommer