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Nr. 17345. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Donnerstag, 12. April 1928
Kohlenwirtschaft und Bergarbeiterlöhne.
Die Kommission, die vom Reichswirtschaftsminister zur Unterfuchung der Frage eingefeßt worden war ,,, welche Möglichkeiten bestehen, die dem Braunkohlenbergbau durch die neuen Lohnerhöhungen entstandenen Mehrbelastungen durch Ersparnisse auszugleichen", hat den Arbeiterstandpunkt in dem mitteldeutschen Lohnstreit glänzend gerechtfertigt und die wortreichen Beteuerungen der mitteldeutschen und oftelbischen Braunkolenunternehmer über die angebliche untragbarkeit der Lohnerhöhung und über die Notwendigkeit einer Preiserhöhung gründlich zer pflückt. Es ist dem mitteldeutschen und oftelbischen Braunfohlenbergbau bescheinigt worden, daß er äußerst unzweckmäßig organisiert
ist, daß allein in den Syndikaten und den von ihnen beeinflußten Großhandelsgesellschaften Ersparnismöglichkeiten liegen, die etwa drei Fünftel der Lohnerhöhungen ausmachen. Durch Bermeidung ,, unwirtschaftlicher Transporte", d. h. durch Bermeidung des Aneinandervorbeifahrens der Kohlenzüge, lassen sich weiter in Mittel
deutschland Millionenersparniffe erzielen.
Die weiteren Feststellungen der Kommiffion, insbesondere über die Ersparnismöglichkeiten in der Kleinhandelsorganija: tion fomie über die Rationalisierungsmöglichkeiten durch eine straffere Handhabung der Produktionstapazität und durch die Einschränkung verlust bringender Verkäufe in den umstrittenen Gebieten fönnten als meniger aktuell erscheinen.
Der aufmerffame Leser dieses Braunkohlengutachtens wird jedoch zu dem Ergebnis fommen, daß hier
viel grundsätzlichere und umfaffendere Fragen angeschnitten find als die Tagesfrage, ob die 56 Pf. Mehrbelastung durch die Lohnerhöhung durch Ersparnisse in der Organisation statt der geforderten Preiserhöhung ausgeglichen werden fann. Insbesondere zeigt die im Gutachten immer erneute Aufrollung der Frage, wie die Syndikatsorganisation funktioniert, und wie sie nicht funktioniert, und welche Einflüsse von diesem Funktionieren und Nichtfunttionieren auf Produktion und Absatz ausgehen, daß hier die grund legenden Fragen rationeller und unrationeller Wirtschaftsorganisation angeschnitten sind. Und wenn Die Kommission gegenüber einer Ersparnismöglichkeit in der Kleinhandelsorganisation, die nach dem Urteil einzelner im Ausschuß Dernommener praktischer Sachverständiger bis zu 20 Pf. je Zentner gleich 4 Mart je Lonne oder bis zum sechs bis siebenfachen der legten Lohnerhöhung beträgt, nicht zu hoffen wagt, daß die Einwirtungsmöglichkeit der Syndikate auf Rationalisierung der Kleinhandelsverhältnisse ausreicht, um die hier erzielbaren Ersparnisse der Produktion zugute kommen zu laffen, so erhebt sich für die Allgemeinheit der Kohlenverbraucher ebenso gut wie für die völlig unzureichend entlohnte und unter einer überanäßigen Arbeitslast leidenden Bergarbeiterschaft vor allem die Frage, welche Unzulänglichkeiten in der Wirtschafts- und in der Syndifatsorganisation die Nutzbarmachung so verlockender Rationalifierungsmöglichkeiten verhindern.
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Unsere deutsche Kohlenwirtschaft ist ja ein merkwürdiges 3wischengebilde von gemeinwirtschaftlicher und privattapitalistischer Wirtschaft, das Ergebnis jener nach der Revolution mit großen Hoffnungen begonnenen, aber dann in dem Kompromiß des Kohlenwirtschaftsgesetzes stedengebliebenen Sozialisierung des Kohlenbergbaues". Der Gedanke, daß die Bodenschätze und damit der Bergbau nicht ein Gegenstand von Privatmonopolen, sondern Gemeinbesih des ganzen Bolles fein müffen, tommt angesichts der geringen Machtbefugniffe des Reichs fohlenrates heute in erster Linie noch in dem Aufsichtsrecht und vor allem in dem Betorecht des Reichswirtschaftsministers gegen Preiserhöhungen zum Ausdruck. Abgesehen von diesem Betorecht endet aber in unserer heutigen Kohlenwirtschaft die Macht der Gemeinwirtschaft an jener Schranfe, welche zwischen dem Reichskohlen rat einerseits und den Kohlensynditaten andererseits errichtet ist. Bis zu dieser Schranke herrscht das Prinzip der Gemeinwirtschaft; hier sind neben den Besitzern der Bergwerfe auch die Arbeitnehmer und die Verbraucher vertreten. Jenseits der Schranke aber, in den ebenfalls durch das Kohlenwirtschaftsgesetz vorgesehenen, nötigenfalls sogar durch staatlichen Att zwangsweise zu bildenden Kohlensyndikaten, haben wir wieder die Domäne des reinen Privatkapitalismus, denn die Zuziehung einzelner, von vornherein in einer Hoffnungslosen Minorität stehenden Arbeitnehmervertreter in die Leitung der Syndikate bedeutet selbstverständlich nicht mehr als eine höfliche Verbeugung vor den neuen gemeinwirtschaftlichen Formen; an den tatsächlichen Machtverhältnissen ändert sich dadurch nicht das geringste.
Bei dieser Konstruktion unserer Kohlenwirtschaft mag der Gedante vorgeschwebt haben, daß die allgemeinen Fragen der Kohlenwirtschaft zwar geeignet find, in paritätisch zusammengefeßten, zum Teil parlamentsartigen Selbstverwaltungsförpern geordnet zu merden, daß aber dort, wo es auf die tatsächliche Gestaltung von Erzeugung und Abjaz antommt, doch der privatkapitalistische Unter nehmer nicht zu entbehren ist und deshalb auch in seiner Tätigkeit möglichst wenig durch gemeinwirtschaftliche Organe eingeschränkt werden follte.
Wie die vielgepriesene Privatwirtschaft versagt. Dieser rührende Kinderglaube an die durch nichts zu ersetzende wirtschaftliche Gestaltungskraft des privatkapitali stischen Unternehmens und privatfapitalistischer Organi fationsformen hat nun aber, wie das Schmelenbach- Gutachten zeigt, gerade in der Kohlenwirtschaft und zumal im Braunkohlenbergbau in der krassesten Weise versagt. Das aufgezeigt zu haben, ist die eigentliche Bedeutung des Gutachtens über die über die Ersparnismöglichkeiten im Braunfohlenbergbau.
Dasjenige Gebiet, das bei der Schaffung der gesetzlichen Kohlen: wirtschaft am allerenergischsten der privatkapitalistischen Wirtschaft vorbehalten werden sollte, ist die Absazorganisation. Hier wäre es nun Aufgabe der Syndikate gewesen, die durch das Kohlenwirt schaftsgesetz in ihre Hand gelegte zusammenfaffende Verfügung über die gesamte Kohlenproduktion ihres Bereiches planmäßig dazu zu benutzen, um in der Organisation des ihnen nachgeordneten Groß und Kleinhandels das allerhöchste Maß an zweckmäßig feit und Sparsamkeit zu erzwingen. Kann es ein vernichtenderes Urteil über das Bersagen der privatkapitalistischen Syndikatsorgani sation gegenüber dieser verhältnismäßig einfachen Organisations: aufgabe geben, als die Feststellungen, die die Schmalenbach Kommission beispielsweise zum System der Rabattstaffelung im oftelbischen Enndifat machte:
Dieses System der Rabattftaffelung, verbunden mit der Kontingentierung der direkt bei dem Syndikat zu laufenden Mengen und den Kontingentsverschiebungen, hat also die Tendenz, die Abjazorganisation fort gefeßt zu verfeuern und die den Produzenten auszuzahlenden Erlöse zugunsten der Handelsgesellschaften zu verfürzen."
An einer anderen Stelle des Gutachtens wird festgestellt, daß die Absatzorganisation durchweg die Tendenz verfolgt, zwischen Syndikat und Verbrauchern ein unnötiges 3wischenglied, nämlich die Werthandelsgesellschaft, zufäglich einzufchaiten und den Anteil dieser Werthandelsgesellschaften fortgesetzt zu vermehren, und daß in einer ganzen Reihe von Fällen die Kette der Vermittlung, nicht nur um ein Glied, sondern jogar um zwei Glieder vermehrt wird. Auch den privatkapitalistischen Grund für diese verschwenderische Aufblähung der Absazorganisation, wobei übrigens nach dem Urteil des Ausschusses ein großer Teil der Gewinne durch den Beamtenapparat aufgezehrt wird, nennt das Gutachten mit voller Deutlichkeit:
„ Dieses ganze System der Absazorganisation erflärt sich aus dem Umstand, daß im ostelbischen Braunkohlensyndikat Händ= ler und Erzeugerinteressen im engsten Maße verquidt sind, und daß die mächtigsten Großhandelsfirmen einen sehr großen Teil der Produktion beherrschen, als Produzenten auf die Beschlüsse des Syndifats einen maßgebenden Einfluß haben und diesen Einfluß dazu benutzen, um die Abfazpolitit des Syndikats im Sinne ihrer Handelsintereffen zu gestalten."
Dieses vollkommene Versagen des Syndikais zeigt sich befonders in Mitteldeutschland . Hier ist der vom Kohlenwirtschaftsgesetz geforderten Synditatsbildung nur formell Rechnung getragen worden, indem man ein Syndikat schuf, das lediglich als Berrechnungsstelle für die Verkäufe und für gewiffe statistische 3mecke dient.
„ Ein besonderer Grund für die Kostspieligkeit der Absatz organisation im mitteldeutschen Braunkohlensyndikat liegt darin, daß hier auf jeden Versuch einer planmäßigen Aufteilung des Abfaggebietes verzichtet wurde, und die Werfs. handelsgesellschaften machen einander uneingeschränkt Konkurrenz fast in demselben Maße, als wenn gar fein Syndikat bestände." Diese uneingeschränkte Konkurrenz der Werkshandelsgesell schaften unter dem Schutze eines Scheinsnnditats ein gut be fannter Industrieführer hat diesen Zustand einmal derb, aber treffend die Schweinerei hinter der Brettermand" genannt ist aber etwas viel Schlimmeres, als das bloße Fortbestehen uneingeschränkter freier Wirtschaft. Es ist hier vielmehr eine Organisationsform entstanden, welche geradezu
alle Nachteile der gebundenen mit allen Nachteilen der freien Wirtschaft vereinigt.
Unter dem Schute des Syndikats fönnen sich die einzelnen Werke cine geradezu unsinnige Geschäftspolitif erlauben, und zwar an drei entscheidenden Punkten: in der Preisbildung, in der Frachtenregelung und in der Produktionsentwidlung.
Die verheerenden Folgen einer unwirtschaftlichen Regelung fommen bei der Preisbildung vor allem bei den Berluftverfäufen zum Ausdruck. Während bei völlig freier Wirtschaft jede einzelne Wertshandelsgesellschaft sich bei jedem Geschäft nachdrücklich überlegen muß, ob dei hereingebrachte Breis auch wirklich die Unfosten bedt, und während in einem vernünftig konstruierten Gesamtwirtschaftskörper die verlaufende Stelle von einer zentralen Stelle angemessene Mindestpreise vorgeschrieben befemmt, zu denen fie äußerstenfalls verkaufen darf, erlaubt die Konstruktion des Mitteldeutschen Syndikats den Werkshandelsgesellschaften nahezu unbegrenzte Berlustverkäufe auf Kosten der Enndifats gefamtheit abzuschließen, da die vertaufende Wertshandelsgesellschaft
Dom Syndikat nicht den tatsächlich erzielten Erlös, sondern einen Durchschnittspreis abgerechnet befommt.
Ganz ähnlich liegt es bei der Frachtorganisation. Auch hier bestimmen die einzelnen Werke, welche Geschäfte sie ausführen wollen, und welche Frachtwege daher die Kohle vom Erzeuger zum Verbraucher zurückzulegen hat. Während aber bei völlig freier Konkurrenz das Spiel von Angebot und Nachfrage sehr bald dazu führen würde, daß die Erzeuger unter Berücksichtigung der Qualitäten im allgemeinen von den ihnen am frachtgünstigsten gelegenen Gruben beliefert werden, und während bei einem wirklichen Syndikat dieser Ausgleich der freien Konkurrenz durch planmäßige 3uteilung der einzelnen Aufträge an die verschiedenen Berle unter möglichster Verkürzung der Transportwege erreicht werden würde, gesellschaften verlustbringende und fostspielige Frachtdispositionen fönnen im mitteldeutschen Braunkohlensyndikat die Werkshandelsauf dem Rücken der Syndikatsgesamtheit treiben, da auch hier ihnen nicht die tatsächlich verursachten Frachtkosten, sondern Durchschnittsfäße in Anrechnung gebracht werden. Die Unfähigkeit des Syndikats, die einfachsten Grundsäge sparsamer Berwaltung und richtiger Wirtschaftsplanung gegenüber den Einzelintereffen mächtiger Syndifatsmitglieder durchzusetzen, führt also dazu, daß im mitteldeutschen Revier die Kohlen unter Umständen Hunderte von Kilometern aneinander vorbei- und spazierengefahren werden, wobei noch dem Urteil des Ausschusses Frachtvergendungen entstehen, die vielleicht die Ersparnismöglichkeiten im Großhandel noch erheblich übertreffen.
Auch in der Regelung der Produktion zeigt sich die organisatorische Hilflosigkeit des Synditats. Bei freier Wirtschaft würde jedem einzelnen Wert die Entscheidung überlassen bleiben, ob es seine Erzeugung ausdehnen oder einschränken soll. Der unabhängige fapitalistische Unternehmer wird zu einer einigermaßen pernünftigen Entscheidung dieser Frage vor allem dadurch gedrängt, daß er eine Fehldisposition legten Endes mit dem Berlust seines Vermögens und wirtschaftlichem Untergang bezahlen muß. In einer fynditatsmäßig organisierten Wirtschaft ist es dagegen unsinnig, diese Entscheidung dem einzelnen zu überlassen, der ja durch die Tatsache des Synditats gegen die Folgen etwaiger lleberexpansion geschützt ist und daher eine Art Existenzgarantie besigt. Auch hier wird festgestellt, daß
,, das mitteldeutsche Braunkohlensyndikat in besonderem Grade versagt, und daß das andere Syndikat deutlich Miene macht, sich dem mitteldeutschen Syndikat anzunähern".
50 bis 60 Millionen mögliche Ersparnisse. Man wird trog der Schwierigkeit richtiger Schätzungen wohl feineswegs zu hoch greifen, wenn man diese Rationalisierungsgewinne einschließlich der Ersparnisse in der Kleinhandelsorganifation, die bei einer strafferen Organisation allmählich sehr wohl zu verwirklichen wären, auf insgesamt 50 bis 60 Millionen, also auf das Drei bis Bierfache der legten Lohnerhöhungs fchäßt. Wichtig aber für die Bergarbeiter und die Deffentlich feit ist es zu wissen, daß hier Beträge von so ungeheuer sozialpolitischer und lohnpolitischer Bedeutung stecken und daß nur die Unvolltommenheiten unserer Kohlenwirtschaft, die allzu großen Restbestände tapitalistischer Anarchie. uns heute noch hindern, diese volkswirtschaftlichen Echätze zu heben. Unser gesamtes Wirtschaftsleben ist heute durchsetzt von derartigen Zwischengebilden privatkapitalistischer und öffentlicher Wirtschaft. Es ist zweifellos von höchster Bedeutung, wenn ein von Wissenschaftlern und Bratnfern erstattetes Gutachten hier für den Brauntchienbergbau gezeigt hat, wie schwere Unwirtschaftlichkeiten gerade in felchen Grenzgebieten auftreten fönnen, und wie große Gewinne durch zielbemußtes Weiterfreiben der Organisationswirt= schaft hier zu erzielen sind. Sache des politischen Kampfes wird es fein, für ein derartiges, im Interesse der Berbraucher wie im Intereffe der Arbeiterschaft in gleicher Weise lebensnotwendiges Borgehen die machtpolitischen Voraussetzungen zu schaffen.
Alte Günden rächen sich. Große Verluste in der Maschinenindustrie.
Wir haben es immer als einen schweren Fehler bezeichnet, daß die deutsche Industrie im groben Durchschnitt bei der Goldumstellung im Jahre 1924 ihr Attienkapital höher bemessen hat als in der Vorfriegszeit. Mit ebenso großem Nachdruck haben wir hinsichtlich der Bereinigten Stahlwerte 21.-G. in Düsseldorf immer betont, daß bei der Trustgründung das Kapital zu hoch bemessen worden ist. Zwei deutliche Beweise für die Berechtigung unserer von der Gegenseite vergeblich, bestrittenen Kritik liegen jetzt wieder vor.
Die von der Lokomotivfirma Henschel u. Sohn beherrschte Kalter Maschinenfabrit 2.-G. in Köln - Kalf hatte im Jahre 1913 ein Kapital von 3,6 Millionen Mart und hat bei der Umstellung im Jahre 1924 das Goldfapital auf 3,35 Millionen Mark festgesetzt.
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