■ IN Unterhaltung unü
Aus der Geschichte der Attentate. Höllenmaschinen, die zur Llnzeit losgehen...
posers Irrtum. Don Werner dichter. Poser hatte als ungewöhnlich kräftiger Möbel träz er«gefangen trnd im Wettstreit um das Stenunen schwerer Gewichte manchen Kasten Wer gewonnen. Dann war er Ringkämpfer geworden. worauf es wiederum nicht lange dauerte, bis er einsah, wie un- ergiebig es ist, allabendlich, Stirn on Stirn mit büffeldummen Ge- fährten, beste Lebenskrast in Schweiß und Dampf umzusetzen. So Zvurde er mit Smoking und Signalpfeife selbst Manager einer Ring- kömpfertruppe. In ihr nun aber Siege und Niederlagen aus die einzelnen Ringer so zu verteilen, daß keinerlei Aufsaßigkeit entstand, war ein Amt, bei dem sich nicht weniger strotzend als zuvor fein« Muskelpracht, sein diplomatisches Geschick entwickelte. Ihm oer- traute er sich darum auch rückhaltlos an, als er. vom Krieg in Amsterdam überrascht, seine Truppe in alle Winde verstreut sah und feine Ersparnisse in ein frisch erblühendes Geschäft mineralischer und pflanzlicher Fette hineinwarf. Msbald hoben ihn die Kriegstonfunk- turen, einander überstürzend, wie über Stufen eines tobenden Ka- taraktes höher und höher. Zwei Jahre nach Friedensschluß thront« er demgemäß, Generaldirektor der.Internationalen Oel- und Fett- Kultur-A.-G.". in einem Bureaupalast des Berliner Zentrums. ölller nötigen Lebensformen hatte sich sein ousgeschlosiener Kopf rasch bemächtigt: niemand merkte ihm in der halb verhungerten und nahezu tollen Stadt seine Herkunft an. Wenn er, aus Lackschuhen mit weißem Glaceeinsatz massiv aufgebaut, ein Monokel im Auge, die v Nachtlokale am Kursürstendamm mustert«, hielt man ihn stets für einen ostelbifchen Grafen und hieß dos Orchester, patriotische Lieder spielen. Nun erst kam er verschnaufend zur Besinnung und glänzend war, was er da hinter sich gewahrte: einen Aufstieg, wie er wenigen nur geglückt war. stets in Gefahr, das Genick zu brechen und dennoch aufs verläßlichst« untermauert. Umdienert von der Börse, angesehen in. Gesandtschaftspalais, geehrt in Ministerien, dabei auch kein übler vorgesetzter— den vielmehr seine Angestellten unter sich nicht ohne Zuneigung„Marquis Poser" nannten—, die Muskelpakete, deren er nun nicht mehr bedurft«, würdig mit Fett durchsetzt,— so blieb ihm für Gegenwart und Zukunft nichts zu wünschen. Um so stärker allerdings begann die Vergangenheit ihn zu be- fchästigen,— zumal er jetzt in die Jahre trat, in denen das nahende Älter gern der Empfindsamkeit die Tür öffnet. Unterirdisch ergab sich darauf ein halbdunkler Trieb zum Wohltun, besonders dort, wo das rückblickende Auge on gewissen, nicht völlig gelösten Verbind- lichkeiten Anstoß nahm: es waren da etwa einige Manöver gegen längst niedergetrampelte Konkurrenten, weiterhin die Erbausein- ondersetzimg mit zwei inzwischen ausgewanderten Neffen, besonders aber die Erinnerung an ein gutgläubiges Dienstmädchen, angestellt bei einem Tierarzt in Leipzig , die damals, als Poser dort noch, „Ostpreußische Eiche" genannt. Ringkämpfer war, durch zielbewußt entwendete Butterkloben zu seineu Erfolgen sehr wesentlich beige- tragen hatte: voll Vertrauen war sie restlos feine Braut gewesen: gleichwohl hott« er späterhin all« ihre aus Tränen und Tinten- flecken gemischten Briefe unbeantwortet gelassen, sobald nämlich sich ihm in Amsterdam Gelegenheit zur Heirat mit Henriette, der Tochter eines mittleren, doch energiegeladenen Terpentin- und Rizinusöl- Händlers bot.— eine Heirat, die ihn mitten in den sonst streng in sich geschlossenen holländischen Oelhandel hineintrug und sich also aus» beste bezahlte. Nun aber sprang ihn, wie gesagt, diese Erinnerung oft aufs lästigst« an: und alz er eines Tages in einem seiner Bureaus eine Stenotypistin entdeckt«, die nicht nur den Nomen der Berlassenen, Emma Trautwein, führte, sondern auch ihr haltloses Profil aufwies, ihr« freundlich kirschroten Backchen und ihr weißgelbes Haar— vbfchon nicht wie das der Leipzigerin zu bescheidenem Knötchen ge- wunden, sondern von billigem Friseur ungeschickt verschnitten—. da stand sein Entschluß fest, diesem Fräulein zum Glück zu verhelfen. Während ste, den Mick des allmächtigen Ehess spürend, mit der entschlossenen Wut eines Maschinengewehrschützen ihre Tasten be- arbeitete, ging in ihm zärtlich dos Gefühl auf, daß er etwas vor sich sehe, was er vielleicht sein eigen Fleisch und Blut nennen könne: urü» selbst wenn die Namengleichheit nur ein Zufall wäre, könnt« er. andeutend und symbolhast, ja wenigstens hier wieder gut machen, was in Wirklichkeit natürlich niemals mehr zu ändern war: schließlich schien ihm, es könne nie schaden, sich durch Wohltun ein wenig vom Neid der Erfolglosen freizukaufen. Bon dem eilends herangeholten Ehef des Personalbureaus erfuhr er, daß Emma Trautwein feit zwei Iahren bei der Firma angestellt, von mittelmäßiger Brauch- barkeit,«sternlos, aber offenbar verlobt mit einem Herrn Timm sei, der als kaufmännischer Angestellter den Schmierölwcrken Linden- laub u. Sohn angehörte, einem Unternehmen, das Poser aus oer« schiedenen KoNkurrenzfähden gut bekannt war. Ein Tag nur verging, bis Herr Timm selbst, durch einen höflichen Eilbrief darum ersucht, nach Geschäftes chluß bei Poser«r- schien: ein knochiger, blasser Mensch, eine mißtrauisch« Hakennase voran, schob sich an dem roten Leder der Polstertür vorbei ins Chefbureau. Poser. nicht viel weniger befangen, da er zum ersten Male als Ziel einer Verhandlung nicht Gewinnen, sondern Geben vor sich sah, eröffnete ihm, er habe zufällig Fräulein Trautweins Heiratsabsichten erfahren und sei willens, da das Fräulein sich außerordentlich« Verdienste um die Firma erworben habe, sie und also auch Herrn Timm bei der Verwirklichung ihrer Pläne möglichst zu unterstützen: allerdings dürfe sie selbst vorläufig noch nichts davon wissen. Und da der sunge Mann nun keineswegs, wie Pojer' dunkel vorausgesetzt hotte, dankerfüllt vor ihm niedersank, sondern immer «ur wie besessen aus die breiten, geschlissenen Nägel des General- birektor» starrte, die beim Umherfahren seiner Hände wie kleine Vxtklingen blitzten, strengte Poser sich auch noch an, auseinander- zusetzen, welch« Formen seine Hilssbereitschaft etwa annehmen könne: falls Timm sich in der Branche selbständig machen wolle, werde er ihm mit Kredit zur Seite stehen:«mpsehlenswerter fei Beteiligung an einem schon bestehenden Unternehmen oder auch »in erstklassiges Engagement, das sich zur Lebensstellung ausbauen faiffe; selbstverständlich werde auch Fräulein Trautwein ein« an- ständig« Mitgift erhalten. Immer noch vermocht« Herr Timm nicht» zu äußern, als stotternden Zweifel daran, ob er soviel Liebens- Würdigkeit verdiene— womit er gleichwohl Poferz Ueberlegenheit wiederherstellte.„Seien Sie nicht zu bescheiden, junger Mann," schnob er herzlich,„greifen Sie Ihr Glück beim Schopf«. Uebereiien brauchen Si« sich nicht. Wir sind noch eine Firma aus der alten Zeit. Was wir sagen, hat Hand und Fuß." Während Timm sich empfahl, glitt Poser voll glücklichster Empfindungen in seinen Sessel zurück: diese Aktton war gut angelegt pai> glatt im Ganx das Gewissen stonto Emma Traut»«« würde
Die Höllenmaschine, die gegen den italienischen König gerichtet war. hat ihr Ziel nicht erreicht, denn sie ist zu einer falschen Zeit explodiert. Sie hat damit das Schicksal der meisten ähnlichen Mord- wertzeuge geteilt, von denen nur selten ein« nach dem Willen ihrer Urheber arbeitete. Seit dem Weihnachtstage 1800, wo die erste Höllenmaschine der Well gegen Napoleon I. gerichtet war, aber durch zu späte Eni- zündung nur vielen unschuldigen Menschen das Leben kostet«, ist bis auf den heutigen Tag die mangelhaft« Bauart dieser Neuzeit- lichen Kampfmittel schon dutzende Male die Todesursache Undeteilig- ter geworden. Für den Attentäter hat die Höllenmaschine den Vor- teil, daß er sie zu einer Zeit, wo er unbeachtet ist, an dem Ort des Angriffs niederlegen kann, denn mit Hils« einer Uhr kann er ihre Wirkung für einen ganz bestimmten Augenblick vorausbestimmen. Wenn der Zeiger die Stunde des Zifferblattes erreicht hat, in der die Explosion stattfinden soll, löst er durch einen besonderen Mecha- nismus«ine Abzugsvorrichtung aus, die das Dynamit entzündet. Während der Bombenwerser mit seiner eigenen Person für seine Tat eintritt, kann jener aus dem Hinterhall und unbemerkt zu- schauen, welchen Erfolg seine totbringende Arbeit hat. In den meisten Fällen tut ihm die Höllenmaschine allerdings nicht den Ge- fallen, gerade in dem Augenblick loszugehen— es lmndelt sich immer um Sekunden—, wo das in Aussicht genommene Opfer sich in ihrer Näh« befindet. So war es auch jetzt wieder bei dem Attentat gegen den König von Italien, der verschont wurde, während mehr als 50 Soldaten und junge Männer zum Teil getötet, zum Teil schwer verwundet wurden. Die meisten ähnlichen Angriffe aus sein Leben hatte der Zar Alexander lll. von Rußland zu erleiden. Cr war von der Polizei stets bewacht, besonders wenn er sich auf einer Fahrt außer- halb seines Palastes befand. Alle Wege waren im weiten Umkreis abgesperrt, so daß kein Unbefugter in seine Nähe kommen konnte. Die Nihilisten, die es auf das Leben des Zaren abgesehen hatten, mußten darum zu den sonderbarsten Mahnahmen greisen, um ihr Ziel zu erreichen. Zweimal entging Alexander nur durch Zufälle
getill werden. Er trommelte ein wenig zwischen den Westenknöpfen umher, ehe er klingelte, um die letzten Unterschriften des Tages zu vollziehen. Seim gelüstete Stimmung hiell sich etwa drei Wochen. Beinahe begeisterte er sich inzwischen selbst an dem Glück des künftigen Ehe- paars: ein« Dreizimmerwohnung in einem hübschen Gartenhaus, die man durch irgendeinen persönlichen Eingriff schon frei machen würde, dazu Möbel, die noch den ermutigenden Geruch der Fabrik- politur an sich trugen, Staubsauger und Grammophon natürlich, vielleicht auch ein zweisitziges Motorrad für Sonntag sausflüge. oder ein Paddelboot,— ein Glück kurzum, wie es dem kleinen Mittel- stand angemessen war. Dies dauert« bis zu jenem Nachmittag, an dem er den Mailänder Seidenspinner Tondani,«inen Großabnehmer der Firma, im Auto zum Anhalter Bahnhos brachte. Es war ein strahlend hitziger Sonntag, der die Straßen nahezu leer machte: nur dann und wann begegnete ihm eine«injäme Kriegerwitwe mit ihrem Kinderwagen, ein schon halb betrunkener Junggeselle oder ein Kom- mis mit jenem mißmutigen Trotz im Gesicht, den ein verfehltes Stelldichein hinterläßt. Da aber sah Poser, in der Nähe des Bahn- Hofs schon, an den Uferböschungen i>es stillen Kanals, ein Mädchen fchwerfüßig entlangschleichen, das durchaus Emma Trautwein glich, — weniger vielleicht noch der aus feinem Bureau, als der, die vor Iahren an eben solchen Sonntagen settdurchr.äßte Paket« für ihn durch die Hitze geschleppt hatte. Sie gefiel ihm übrigens— der feit Henriettes frühem Tode besseres gewähnt war— nicht besonders: das Bein unter dem kurzen Rock etwa schien ihm allzu kugelig: immerhin,— den Ansprüchen, zu denen der Angestellt« Timm be- rechtigt war, konnte sie genügen. Wo aber war er selbst? Welcher Leichtsinn, ein« so unverhofft gut« Parti« am Sonntag, an dem kein Mädchen lange allein zu sein braucht, sich selbst zu übevlassenl Poser fühll«, wie sein« gut« Laune ins Wanken geriet, konnte aber mit Rücksicht auf den fröhlich schwatzenden Italiener den Wagen nicht hallen lassen. Zehn Minuten später vom Bahnhof zurück- kehrend aber fand er das Kanaluser weit und breit leer. _(Schluß folgt.)
Ein musikalisches Kuriosum. Berichtet von Anna Schwabacher-Bleichröder. Es sind etwa fünfzig Jahre vergangen, fest in Berlin «in musikalisches Erlebnis stattfand, das alle Dirigenten Deutschlands und auch des Auslandes aufhorchen ließ, Orchestermusiker und Sänger in beinahe ehrfurchtsvolles Staunen versetzte und sich in dem Ausmaß wohl kaum wiederholt hat. Obzwar ein« Wieder- holung des kühnen Unternehmens heute nicht auf die Henimnisse stoßen würde wie damals. Es wurde nämlich in der Berliner Philharmonie Beethovens Neunte Sinsoni« zweimal hintereinander an einem Slbend ausgeführt. Ohne jede Kürzung selbstredend. Ein kolossales Experi- ment, das aber gelang. Um so kühner war das Unternehmen, als. ganz am End« der Konzentscison. schon fast„Winterstürme dem Wonnemond wichen" und der Saal nach frischen Veilchen duftete, die die Damen trugen. Drückend voll der große Raum. 4500 Per- sonen erfüllten ihn sitzend und stehend. Keine Stufe leer. Ganz droben, wie meist, die Äunstbeflissenen mit der Partitur. Hans v. Bülow, damals ein Wandervogel, sührt« den Dirigentenstab. Die Sache erschwerend wirlt« noch der Umstand, daß ziemlich kurz vorher der damalige Hoftapellmeister Sucher die Beethovensch« Neunte meisterhaft mit seiner Opernkapell«, dem alt- berühmten Sternschen Gesangverein und den besten Sangcskünsllern der Hosoper herausgebracht hatte. Bülows begeisterte, kunstverständige Gefolgschaft bildete zu- nächst das Philhannonische Orchester, während die weiblichen Solo- Partien in den fänden von Frau Metzler-Loewy aus Leipzig und Fräulein v. Sicherer au» München lagen. Die männlichen sangen «in bis dahin unbekanmer Tenorist Dippol und— io berichtet der bekannte Musikkritiker Ehrlich—„der Groß herzoglich Weimarsche (treffliche) Hofopernsänger Schwarz, endlich«in ganz junger, erst seit«enig Iahren von einem ganz jungen Herrn Och» gesttfteter philharmonischer Chor". Dieser junge Herr Och« ist natürlich unser «roßer Chordirigent Siegfried vch». der dieser Tage seine» 70. Ge-
dem Tode, der ihm durch Höllenmaschinen zugedacht worden war. Die Bahnstrecken, aus denen sein Extrazug fahren sollte, waren beide Male ausgehöhll und im Augenblick, wo die Eisenbahn über diese Stellen raste, sollt« sich durch«in Uhrwerk eine Höllenmaschine ent- zünden, deren Dynamitmenge groß genug war, um den ganzen Zug in die Lust zu sprengen. Beide Male ging aber die Explosion zu spät vor sich, so daß die kaiserlich« Familie dem Verderben ent- rann. Auch König Alfons Xlll. von Spanien , König Louis Philippe und Kaiser Napoleon III. wurden mehrfach durch ähnliche Mordmaschinen bedroht, die aber stets nur anderen Mcn- schen das Leben kosteten. Während sich alle dies« Attentate gegen Staatsoberhäupter rich- teten, hatte das grausigste Verbrechen ähnlicher Art nicht einen poli- tischen Grund, sondern schnöd« Gewinnsucht war die Veranlassung dazu. Es handell sich um die bekannte Katastrophe von Bremerhaven vom 11. Dezember 1875. Der Amerikaner Thomas hatte ein Schiff mit billigen Waren beladen und mit einer gewaltigen Summe oersichert. Unter Deck bracht« er ein Faß mit Nitroglyzerin an, in dem sich ein Uhrwerk befand, das nach acht Tagen in Tätigkeit treten und das Schiff mit Mann und Maus in die Luft sprengen sollt«. Aber auch hier waliete ein furchtbares Geschick, denn die Höllenmaschine ging infolge eines Fehlers zu früh los, als sich das Schiff noch im Hofen befand. Mehr als hundert Menschen fanden dabei ihren Tod. Dies ist der einzige Fall dieser Art, den die Geschichte der Verbrechen auszuweisen hat, denn erfreulicherweise hat bisher noch niemand außer Thomas die Ge- wisienlosigteit besessen, ein« ganze Schisssbesatzung in den Tod zu schicken, um sich dadurch zu bereichern. Es liehe sich noch eine große Anzahl ähnlicher Bergänge an- führen,, die iin politischen Haß ihre Ursache haben, denn das Ka- pitel der polittschen Attentate ist sehr groß. Aber der Verlaus der meisten von ihnen ist ziemlich gleichmäßig gewesen und den bisher geschilderten Ereignissen sehr änlich. Noch viel größer ist die Zahl der Attentat«, in denen die Männer unter Einsatz ihres Lebens mit Revolver oder Bombe verhaßte Machthaber befestigen wollten.
burtstag feierte, und dessen Ruhmeslaufbahn mit diesem„musikali- schen Kuriosum" beginnt. Nach der einmaligen Darbietung der herrlichen Schöpfimg lohnt lauter Dank den beiden genialen Dirigenten Hans v. Bülow und Siegfried Ochs und dem seinsinnigen Mitgehen der Solisten und des Orchesters. Dann aber, als das Brausen abebbt,.schwirrt es durch den Saal:„Undenkbar, unmöglich, dies noch einmal und so zu leisten— das Orchester gab sein bestes— die Solisten müssen auch«rschöpst sein— und mm gar die Laster der grandiosen Sache... Fast wollt« man gehen. Um so mehr, als man wußte, daß Bülow damals von einem Rheumatismus derart gequält wuriK, daß er oft nur unter unsäglichen Schmerzen mit eiserner Energie dirigieren tonnte. Und Ochs— er freilich war ganz jung damals. Wer aber, wie die Verfasserin, die noch vor drei Jahren Gelegen- hest hatte, in Wildbad Meister Ochs zu sprechen, von seinen Lebens- erinnerungen zu hören, feine Augen leuchten zu sehen, aul die das Dichterwort paßt, daß„sein Alter so frisch blüht, wie edler Wein". der zweifelt keinen Moment daran, daß Meister Ochs dies„musi- kalifche Kuriosum" auch heut« noch gelingen würde, wie es damals gelang. Geben wir da» Schlußwort für die Beurteilung der zweiten Aufführung der Neunten on einem Abend einem der ersten Musik- kritiker jener Tage:„Auch das zweitemal vereinigt« Bülow all dies« verschiedenartigen Kräfte in unvergleichlicher Weise. Di« Soli er- schallten so sicher und frei wie nie zuvor... Die Chöre unter dem jungen Ochs waren ganz vortresslich, und das herrliche Orchester bildete eine vollendete, jedem leisesten Wink begeistert und per- ständnisvoll solgende siegreiche Gesamtheit."
Die Baukunst der neueste» Zeit. Em allgemein verständliches Werk über moderne Architekwrfragen. Im Format und in der Aufmachung der großen Propyläen. kunstgeichichte(aber nicht in ihrem Verband) ist unter dem Titel „Die Baukunst der neuesten Zeit" eine monumentale Darstellung der heutigen Baukunst von dem Mannheimer Architekten Gustav A d o l s Platz erschienen. Der Propyläen ver- l a g hat den gewichtigen Band mit etwa 400 vorzüglichen Abbildun» gen ausgestattet. Cs ist das stoffrrichstc und vielseitigste Werk über die Architektur der letzten 30 Jahre, mit stärkster Betonung der Deutschen , die uns ja auch am nächsten liegen: kaum ein beöeut- sames Wert öffentlicher und privater Art fehlt: cs ist«in Nachschlagewerk für jedermann und besitzt, da die Baukunst lieut« ohne Zweifel die sührende Kunst ist. allgemeines Interesse. Daß in der Tat über- all die Ausmerksamkeit für architektonische Fragen, die früher wenig beachtet waren. In erstaunlichem Grade gewachsen ist, beweist der. Umstoiü), daß von hicsem gar nicht billigen und sehr handlichen Buch nach wenigen Monaten eine zweite Auslage erscheinen mußle Text und Abbildungen greifen zurück einerseits zu den be- deutendsten Ingenieurbauten(Eisenbrücken, Riesenkrane, Londoner Kristallpalast usw.), andererseits bis ,zu Messel . Otto Wagner , Fischer und der Darmstädter Künstlerkoloni«. Hauptanteil und besondere Liebe des Verfassers aber gebort, und das bildet den besonderen Wert des Buches, der neuesten Entwicklung seit Kriegsende, deren kühne und neu« Zwcckformen wir überall durchdringen und endlich auch in Berlin in entsprechendem Maße sichtbor werden sehen. Die Träger dieser Entwicklung sehen wir bei der älteren Generation in Poelzig , Behrens, Teisenow, in der jüngeren, radikal vorgehen. den, etwa in Gropius, May, Mies v. d. Robe, Mendelssohn, Gell- Horn, Schareun, Taut u. a., um bei den Deutsche » zu bleiben. Der vorsschttg fundamentterte Optimismus, den Platz dieser neuen, das Gesicht unserer Zeit bestimmenden Baukunst entgegenbringt, ist ebenso sympathisch und macht das Buch ebenso lesenswert wie seine allaemein verständliche Art, moderne Baufragen zu behandeln und von den verschiedensten Seiton aus zu beleuchten Er geht auf die � Entwicklung des Ganzen»in wie au! die einzelnen Künstler irnd widmet die Hälft« seiner Arbeit der eingehenden Betrachtung aller Emzelsrcgen formaler, technischer, materieller, konstruktiver Art, vom Baumaterial bl» zum Städtebau und dem Begriff des Monumentalen. Ein höchst tesmswevtes, ein dankenswertes und not- weichiges Buch. Dr. Paul F. Schmidt.