Einzelbild herunterladen
 

Beilage

Freitag, 27. April 1928

Sitz der Althandler Deutschlands

RKRUEGER

E: V.

malo

Spät abends tomme ich aus einer Versammlung und schlendre durch den lichtreflamebestrahlten Menschenstrom. Bergnügungs­hungrige und vergnügungsgesättigte Gesichter schieben sich an mir vorbei

Pärchen Arm in Arm, Damen des horizontalen Gewerbes mit dickaufgetragener Schminke. An den Straßenecken rufen Zeitungshändler die neuesten Abendblätter aus, Streichholzverkäufer bieten ihre Schächtelchen an, Autos sausen, Straßenbahnen rattern. Da drängt sich eine Gestalt an mich heran und flüstert mir zu: Haben Sie alle Kleider zu verkaufen?"

Zugleich wird mir eine Karte in die hand gedrückt, auf der ich lese: Zahle unübertroffene Rekordhöchstpreise

für sämtliche Herrengarderobe, Damengarderobe, Jadette anzüge, Fradanzüge, Smotinganzüge, Herrenpaletots, Belzgegenstände, Uniformen, Nachlaßsachen. Berständigen Sie mich.

Karte genügt, fomme jofort! ( Folgt Name und Adresse.)

Von irgendeinem Onfel bekam ich einmal einen Anzug, der mir nicht paßt. Den will ich verkaufen. Am nächsten Tag schreibe ich also eine Karte, und ehe vierundzwanzig Stunden vergehen, meldet sich der freundliche Mann, der mir die Karte zugestedt hatte: Ich tomme wegen die abgelegten Kleiders," stellt er sich vor. Der besagte Anzug liegt bereit, wird mit fachkundiger Miene beschaut, mit ebenso fachkundigen Händen betastet und nach langem Hin und Her bekomme ich schließlich den dritten Teil von dem, was ich da­für gefordert hatte. Ich möchte noch wissen, welches Schicksal der Anzug meines Dufels nun haben merde. Da mill der Kleider: händler nicht recht mit der Sprache heraus. Aber schließlich erfahrz ich doch, daß in der Hirtenstraße eine Kleiderbörse sei, do.t würden die alten Sachen weiterverhandelt. Die Angelegenheit in­teressiert mich und am nächsten Tag reise ich dem alten Anzug nad und suche

die Kleiderbörse.

Zwischen Boltsbühne und Grenadierstraße , dort mo die letzten Reſte des Scheunenviertels stehen, ist die Hirtenstraße. 2in der einen Straßenseite wird in alten Bretterbuden allerlei Ges flügel feilgeboten. In einem der gegenüberliegenden Häuser ist die Kleiderbörse". Diese Bezeichnung flingt ein wenig pompös für den fleinen Laden, der die Börse" vorstellt. Zwei Ladenfenster find grau angestrichen und verwehren den Blick ins Innere. In schwarzen Lettern prangt die Aufschrift: Siß der Althändler Deutschlands e. V." und an der Tür lese ich: Eintritt nur für Mitglieder." Vor dem Eingang steht eine lebhaft gestikulierende Gruppe. Ein Mann mit einem Bündel Kleider unterm Arm fommt Gruppe. Ein Mann mit einem Bündel Kleider unterm Arm fommt die Straße entlang. Sofort lösen sich hastig zwei Gestalten aus der Gruppe. und stürzen dem Kommenden entgegen; der eine wechselt ein paar Worte mit ihm, nimmt ihm sein Bündel ab und

verschwindet damit in der Börse". Ich will mit hinein. Da ruft

einer: Ma ch' die Tür zu! Hier is doch tein Kien topp!" 3ch gehe trotzdem hinein.

Dicht neben der Tür steht ein Schanktisch. In dem nicht allzu großen Kaum fißen und stehen dicht gedrängt wohl an hundert Käufer und Verkäufer alter Kleider. Auf den Tischen liegen Bale­

tots, Jacketlanzüge und getragene Stiefel. Lautes Stimmengewirr

Monatsgarderobe.

Vor einem Altkleider- Laden

Alle Kleider auf Reisen

ich eine etwas laute Stimme. Das dürfen Sie mir nicht übel nehmen." Nein, ich nehme grundsäßlich nichts übel. Und so er­fahre ich denn von der Wirtin, daß die Kleiderbörse tein öffentliches Cotal sei, und daß man von der Zeitung überhaupt nichts wissen wolle.

In der Grenadierstraße versuche ich mein Glüd in ein paar Altfleiderläden. Aber nirgends läßt man sich auf theoretische Auseinandersetzungen ein. Eine Frau sagt mir:" Se woll'n ja doch nischt laufen. Was nüßt das Gerede. Die Kleider hat mein Mann ehrlich getauft. Gestohl'n is nig." Also weiter zur Linienstraße. Ein paar ergebnislose Besuche. Dann tomme ich in einen Laden, über dessen Eingang auf einem großen Schild zu lesen steht:

Monatsgarderobe.

Zunächst auch hier ein enttäuschtes Gesicht, sobald der gute Mann merkt, daß ich nicht als Käufer komme. Aber bald wird er

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

mitteilsam und gibt seine Geschäftsgeheimnisse preis. Monats­garderobe", das sind Sachen, die von Herrschaften" abgelegt sind, aber nur ein paar Monate getragen wurden. So genau wird das aber nicht genommen. Wie der Händler zu der Ware kommt? Das ist verschieden. Die einen gehen Klappen", das heißt, sie laufen von Tür zu Tür und fragen, ob alte Kleider zu verkaufen wären. Andere sprechen auf der Straße an, größere Händler inserieren. Manches wird auch von den Herrschaften gebracht. Die Versteigerung der verfallenen Sachen auf Leihämtern und Pfandkammern ist nicht sehr lohnend für den Händler, weil meist Private da sind, die mehr bieten, als der Händler zahlen kann, wenn er noch verdienen will.

Die letzte Reife.

Im Altkleiderhandel gibt es aber auch ein Er portgeschäft. Alte, aus der Mode gekommene Kleidungsstücke, wie Cut, alt= modische Gehröcke und Fräcke, aber auch Kleider, die zu schlecht sind, um in Deutschland noch verkauft werden zu können, werden von Spezialhändlern für billiges Geld an der Börse gekauft und treten dann in Mengen zu zehn oder zwanzig Tonnen die Seereise nach Britisch Südafrika an. Dort werfen die nicht mehr europafähigen Kleider noch einen erheblichen Gewinn ab.

Sind Kleider aber schon so schlecht, daß sie selbst für Südafrika nicht mehr verwertbar sind, dann wandern sie zum Lumpensammler, werden zertrennt und in großen Lumpenfortieranstalten nach Stoff­qualität fein säuberlich aussortiert. Bon da aus kommen sie in den Reißwolf, werden in kleine Fäserchen zerschlissen, um dann als Kunstwolle, oder bei schlechter Stoffqualität, als Papier oder Pappe neugeboren zu werden. Und der Kreislauf alles Werdens und Bergehens beginnt von neuem. Felix Fechenbach.

In der Börse"

KRUEGER

1999

WAS DER TAG BRINGT.

Der Landsknecht .

Der Vormarsch", das Kampfblatt der Nationalisten und Organ über, wie man sich den nationalistischen Idealmenschen denn nun des Kapitäns Ehrhardt, gibt endlich mal erschöpfend Auskunft dar vorzustellen habe. Soll das besser sein", heißt es da in einer Bolemit gegen den Jungdeutschen Orden ,,, im Graben liegen mit politischer Gesinnung, mit Erneuerungsgedanken meinetwegen, als wenn ein Ewiger des Krieges sich auf die Leiche eines Trichter fameraden jetzt und in gesammelter Härte dem Chaos seine Pfeife entgegenschmaucht." Welch ein Iby! Man wird sich das so vor­zustellen haben, daß am Abend vorher der Ewige des Krieges" mit seinem Kameraden gegessen, getrunken und gesungen hat, daß fie zufammen geplauscht haben. Ein Kugel fam geflogen... brach

zwei Augen, legte ein Herz still. Gemeinhin ist dieser Vorgang

von einem gewissen Wehmutsgefühl begleitet, das sich des Gemütes der Ueberlebenden bemächtigt, und sogar die Tiere pflegen scheu um ihre Toten herumzugehen. Mit solchen Sentimentalitäten auf geräumt zu haben, ist, wie wir hören, das Verdienst des Ewigen Kriegers". Er hat es verlernt, weich zu denken, er will nur weich fizen. Die Kameradenleiche wird ihm zur Blacierungsgelegenheit, und angesichts des Chaos, dieses Ergebnisses seiner Eristenz, denkt er an den Knafter.

Und da bleibt uns nichts übrig, als den ,, Ewigen des Krieges" in diefer Situation zu photographieren: Das Gefäß auf die Brust des getöteten Kampfgefährten gedrückt, stumpfsinnig- starr in die Dede zerschoffener Därfer blickend, den Sinn gerichtet nach Fraß und Suff, den Mord aussendend und im Ermordetwerden den legten Sinn des eigenen Lebens begreifend. Eigentlich ist er ja mur ein stumpfes, verrohtes Tierwelch ein Glück für ihn, daß er außerdem noch die Traumgestalt deutscher Patrioten ist! Hans Bauer.

Diphtherieschutzimpfung oder nicht?

erfüllt die Stube. Die meisten sprechen das ihnen gewohnte Jiddisch, das von lebhaften Armbewegungen nachdrücklich bezeichen mit der Aufschrift tragen: I am shicked!" Was auch gute gleitet wird. An den Wänden hängen Blafate:" Für abhanden ge­tommene Sachen wird nicht aufgekommen. Der Vorstand." Und ein anderes verfündet: Das Umherstehen vor dem Lofal und Handeln mit Sachen vor dem Lokal ist strengstens verboten und wird mit Ausschluß aus dem Verein bestraft. Der Borstand." Inzwischen ist die Prüfung meines Ausweises be. endet. Das Interesse sämtlicher Anwesenden wendet sich jetzt dem fremden Eindringling zu.

,, Wir wollen nicht in die Zeitung!"

Das wird mir mit erheblichem Stimmenaufwand in die Ohren gebrüllt. Zugleich bekomme ich meine Pressefarte zurüd. Die Wirtin der Kleiderbörse" tomint jetzt auf mich zu. Sie ist eine resolute Frau, nicht sehr groß, aber laut. Wegen ihres Schreiens entschuldigt sie sich gleich:" Wissen Sie, ich bin heifer und da habe

In Amerita tann man sehr oft Kindern begegnen, die Ab­Englischfundige nicht verstehen werden, wenn sie nicht wiffen, daß ,, shicked" von dem Namen des Diphtherieforschers Professor Schid abgeleitet ist, der eine Hautprobe eingeführt hat, die die Emp­fänglichkeit eines Kindes für eine Diphtherieertranfung anzeigt. Die Abzeichen der amerikanischen Kinder befagen also, daß sich ihre Träger der Schick- Brobe unterzogen haben. Was hat das aber nun weiter zu bedeuten? Nun, in Amerita ist es heute schon allgemeine lebung geworden, daß jene Kinder, bei denen die Hautprobe eine Empfänglichkeit für Diphtherie ergeben hat, die Schuhimpfung be­fommen, die sie in der überwiegenden Zahl der Fälle gegen die ansteckende Krankheit gefeit macht, immunisiert. Durch diese Schuß­impfung der empfänglichen Rinder fonnte es ja auch fommen, daß der Diphtherietob unter den amerikanischen Kindern gewaltig abgenommen hat. Als Beispiel diene der Staat Michigan , der früher auf jedes Hunderttausend seiner Einwohner 150 Todesfälle an

sad s

Diphtherie jährlich zu verzeichnen hatte. Als man die franken Kinder allgemein mit Heilferum behandelte, da wurden es bloß zwanzig Todesfälle im Jahre, und der Schußimpfung ist es nunmehr bereits gelungen, diese Todeszahl auf die Hälfte, auf zehn Opfer im Jahre, herunterzudrücken. Der Wert der Impfung geht noch über­zeugender aus einer Beobachtung in New York hervor, wo in einer beſtimmten Zeit zwölfmal soviel ungeimpfte Kinder an Diphtherie gestorben find als erfolgreich geimpfte. In einer kleineren englischen, Stadt wurden alle Kinder durchgeimpft; dort sterben nur mehr fünf Kinder im Jahre an der Diphtherie , die früher in derfelben Zeit

hundert Opfer erfordert hat.

Die allgemeine Anerkennung, die Popularität des Impfgedan fens in Amerita fommt in dem I am shicked" der Kinder zum

Ausdruck. Es ist das öffentlich sichtbare Symptom des Fortschrittes

der Diphtheriebekämpfung in Amerifa, wo man sich mit den Er­folgen der Heilſerumbehandlung am Krankenbett nicht mehr begnügt, fondern mit großzügigen Verhütungsmaßnahmen auch am Gesunden der Kinderfeuche mächtig entgegenwirkt.

Wer weiß das?

Die erste Uhr, die ein richtiges Uhrwert aufwies, ist um das Jahr 1000 von einem französischen Mönch mit Namen Geroert er­funden worden; bis dahin kannte man nur Sonnenuhren.

*

Sicherheitsnadeln gab es schon vor zwei Jahrtausenden. In Mittelfranken wurden kunstvoll gearbeitete Nadeln gefunden, die­aus der Zeit um 500 v. Chr. stammen.

Aus elf Kubiffuß Wasser werden zwölf Kubikfuß Eis.

*

Im Indischen Ozean zwischen Madagaskar und Indien liegen 15 000 Inseln, auf denen es nicht ein einziges menschliches Wesen gibt. Diese Inseln sind nicht groß. Einige haben, nur einen Flächen­umfang von ein bis zwei Hektar, andere sind fünf bis acht Kilometer lang und einen Kilometer breit. Ein Teil der Inseln besteht aus Granitfelsen, die sich schroff aus dem Meere heben, mit Urwald be­bedt und wenig fruchtbar.

Das Eisen ist das wichtigste und auch am meisten verbreitete Metall; ohne Eisen gäbe es fein rotes Blut, fein grünes Blatt, die braune oder gelbliche Farbe des Bodens, die rote der Ziegel rühren ebenfalls, vom Eisen her.

Aber schon vor Die Apfelfine ist füdchinesischen Ursprungs. mehreren tausend Jahren fam sie nach Indien und von da so all­mählich in das fübliche Europa . Der erste Apfelfinenbaum in Europa wurde Mitte des 16. Jahrhunderts in Lissabon gepflanzt.