Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts
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Nr. 212
B 105 45. Jahrgang.
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Faule Geschäfte mit Eiern.
Die Eröffnung der Ernährungsausstellung am Kaiserdamm.
„ Chleboprodukt."
Kommunisten gegeneinander vor dem bürgerlichen Gericht
Auf der Anklagebant ist der Generalvertreter M. des Chleboprodukt und der WolgadeutschenBant in Berlin , Mitglied der Kommunistischen Partei seit 1904 Klägerin- die ruffische Handelsvertretung. Als Zeuge erschien C., der Leiter des Chleboprodukt, der staatlichen Exportgesellschaft für landwirtschaftliche Er. zeugniffe, mit einem Umfah von 1 Milliarde 700 millionen Marteinftmals Matrose, dann, als alter Bolschewift, Ge hilfe des Bolfskommissars für Bolfsernährung, während der Jahre 1919 bis 1921 Organisator der Straferpedifionen und Absperrungskommandos bei der Eintreibung der Broffteuer, die Taufende von Opfern an erfchoffenen Bauern gefordert hatten. Er ist zum Prozeß aus Moskau gekommen. Anfcheinend steht Wichtiges auf dem Spiele...
Der Sachverhalt für sich genommen stellt sich laut Antlage äußerst einfach dar: M. war mit seinem Borgefeßten L. in Diffe renzen geraten; es drohte ihm Entlassung. Da erhob er pon feinem Konto 60 893 M., die in Wirklichkeit dem Chlebo produkt gehörten. Das Schöffengericht verurteilte ihn wegen Unter.. Schlagung zu drei Monaten Gefängnis. Gegen dieses Urteil hatte er Berufung eingelegt. Die Berufungsverhandlung leuchtete aber fchlaglichtartig in die verwidelten Beziehungen der beiden Bolsche wisten M. und 2. hinein und lüftete einen Zipfel des Vorhangs, hinter dem fich die mitunter mehr als eigentümlichen Sowjetgeschäfte abwideln diesmal waren es faule Geschäfte mit frischen
Eiern.
J
Die Berliner Filiale des Chleboprodukt hatte mit der Jma", d. h. der Internationalen Warenaustauschgesellschaft, einen Bergleich geschlossen, laut dem ihr etwa für 5 Millionen Rubel Eier perfauft wurden. Bei Erfüllung des Vertrags entstanden Diffe renzen. Auf Veranlassung aus Mostau, unter Mitwirkung der Ju risten der Berliner Handelsvertretung und mit Zubilligung des Chleboprodukt, fam ein Zufagvertrag zustande. Die Differenzen waren aber dadurch nicht behoben. m. verlangte, daß aus Mostau ein Bertreter herüberfäme. Am 12. November 1926 erschien in Berlin der Leiter des Chleboprodukt 2. in eigener Person. Er machte dem M. Borwürfe wegen des Vertrages, baß sämtliche Ju risten der Handelsvertretung von der Ima bestochen seien und ver langte, daß er die Differenzen mit der Ima in der gleichen Weise, wie dies der Londoner Vertreter des Chleboprodukts getan habe. Dieser hatte einfach erklärt, daß die Eier, die die Jwa für sich beanSpruchte, bereits vorher der Gesellschaft Arcos in London verkauft seien. In Wirklichkeit war jedoch Arcos nichts anderes als ein Dr.. gan des russischen Außenhandels. Der Verkauf war rein fiftiver Natur. M. sollte in diesem Falle als Käuferin die Berliner Han delsvertretung angeben. Er weigerte sich, dies zu tun, erklärte, daß es Betrug sein würde; er molle fich aber nicht strafbar machen.. forderte M. auf, nach Moskau abzureisen; dieser weigerte sich, dem Befehl Folge zu leiften. Die Spannung zwischen beiden wurde er. höht durch einen scharfen Brief des M. an die Handelsvertretung, in dem er bat, den 2. zu veranlassen, daß er sich endlich um die Angelegenheit der Iwa fümmere. Am Sonntag, dem 21. Novem ber, veranlaßte M. seinen Sefretär S., ihm einen Sched auf die
L.
Das Restaurant im Flugzeug.
In einem Verkehrsflugzeng, das zwischen Paris und Berlin fliegt, ist zum erstenmal Restaurationsbetrieb eingeführt worden. Diese Einrichtung können sich vorläufig allerdings nur solche Leute zunutze machen, die über einen gefüllten Geldbeutel verfügen.
Eine Schau der Ernährungswirtſchaft.
Staatsminister Dr. Steiger führte in seiner Begrüßungsrede aus, daß während des Krieges allein 800 000 Angehörige der Zivil bevölkerung infolge Unterernährung zugrunde gegangen wären. Der Krieg und die Nachkriegszeit mit ihrer Lebensmittelknappheit haben die Kalorienlehre, die Prüfung des biologischen Wertes der verschie denen Eiweißstoffe, die Bitaminforschung und andere neue Theorien praktisch sowie wissenschaftlich zur Entwicklung gebracht. Wir stän den heute vor ganz neuen Problemen und deren Auswertung.
Im Ehrenhof der Halle I auf dem Messegelände am| gesundes und lebensträftiges Bolt Jahre der Besinnung, der Samma Kaiserdamm nor der prachtvollen Plastik Mutter Erde" des lung und der Vorbereitung für einen neuen Aufstieg. Heute ständen Bildhauers Prof. Ernst Seger wurde heute vormittag die wir an einem Wendepunkt. Ausstellung Die Ernährung" mit einem Festakt eröffnet. Oberbürgermeister Böß gab seiner Freude Ausdruck, daß die ret Gemeinwesen Reich, Staat und Stadt sich in einer für die gefamte Nation fo lebenswichtigen Frage zusammengefunden haben. Diese große wissenschaftliche Lehrschau sei nicht eine Berliner Angelegenheit, sondern eine Sache des ganzen deutschen Boltes. Die Ernährungswirtschaft habe für die gesamte Boltswirtschaft große Bedeutung, weil der Einfuhrüberschuß der Handelsbilanz allein durch mehrerzeugung von Nahrungsmitteln gesenkt werden könnte. Nach dem Oberbürgermeister sprach der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Schiele. In einer geordneten Ernährung läge die erste Borbedingung eines selbständigen Auftretens und jeg
Der österreichische Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Andreas Thaler wünschte in seiner Begrüßungsrede die Zeit heran, wo das österreichische Volk als ältester Sohn wieder in das deutsche Baterhaus zurückkehren würde. oma sic
Dresdner Bant auszuschreiben, auf den er 60 893 m. erheben ficher Machtstellung in der Welt. Notjahre wären für ein innerli Hygienemuseum in Dresden , das die Ausstellung beschickt hat. Das
molle. G. teilte davon sofort dem 2. mit, riet ihm, sich an die Kriminalpolizei zu wenden, was dieser jedoch abschlug.
Ueber den weiteren Berlauf der Dinge gehen die Aussagen 2.s und M.s auseinander. Der erstere behauptet, daß er am nächsten Tage M. wegen des Geldes zur Rede gestellt und nachdem ihm dieser gesagt habe, daß ihn die Sache nichts angehe, ihm gefündigt hase. M. dagegen erklärt, daß die Kündigung megen eines scharfen Busammenstoßes erfolgt sei, ohne daß die Erhebung der 60 000 m. überhaupt erwähnt worden wäre. Am 30. November fuhr 2. nach Moskau ab. Am 4. Dezember erstattete die Berliner Handelsvertretung Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen der von M. unterschlagenen Gelder.
Bei der polizeilichen Vernehmung erklärte M., er habe die Gelder erhoben, weil ihm vom Chleboprodukt größere Summen zu fämen. Bor Gericht und in den bereits früher eingereichten Zusätzen änderte er seine Aussage dahin, daß er die 60 000 m. auf Beranlassung von 2. von der Bant erhoben und sie diesen ausgehändigt habe. Die Quittungen darüber seien jedoch auf Ber anlaffung von 2. von seinem Sekretär seiner Schublade entnommen morben. Das jei ein Trid gemejen, um ihm hinterher die Unter
fchlagung von 60 000 m. vorwerfen zu fönnen; ähnliche Fälle seien auch schon früher bei der Entlassung von Angestellten vorgekommen. Allerdings. hatte M. auch die der Wolgadeutschen - Bant gehörenden 29 000 m. von der Bank erhoben. Das Zivilgericht sprach ihm von dieser Summe nur einen geringen Teil zu. Es verurteilte ihn auch zur Rückgabe der 60 000 m. Die„ Jwa" dagegen gemann alle Brozeffe, die sie mit dem Chleboprodukt führte; es lag nämlich ein Telegramm des Londoner Vertreters des Chleboprodukt vor, aus dem mit aller Klarheit zu ersehen war, daß sie durch einen fiktiven Berkauf der Eier an Arcos geschädigt werden sollte. In dem bereits vor einem Jahr von ihr gestellten Strafantrag gegen L. und den Londoner Bertreter des Chleboprodukt B. wegen Betruges ist jedoch bis heute nichts geschehen.
Die Berufungsfammer verwarf die Berufung, beließ es bei den drei Monaten Gefängnis, nicht wegen Unterschlagung, sondern wegen Untreue. Der Chleboprodukt hat seine Filiale in Berlin liquidiert. Ob das Geschäftsgebaren der Sowjetrufen feitdem ein anderes geworden ist, mag dahingestellt bleiben.
Hygienemuseum sei tein Museum im landläufigen Sinne. Es ist in erster Linie eine Werkstatt, die ihre Aufgabe darin erblickt, die gesicherten Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung auf dem Ge biete der Volksgesundheitspflege in volkstümliche Formen zu gießen und diese Formen der Allgemeinheit zugänglich zu machen.
Die Ausstellung, die vier große Hallen anfüllt, ist täg lich geöffnet von 9-20 Uhr, Sonnabends und Sonntags bis 21 Uhr. Einlaß jeden Tag bis eine Stunde vor Schluß. Die Aus. ftellungsdauer erstreckt sich auf die Zeit vom 5. Mai bis zum 12. Auguft. Der einmalige Eintritt foftet 1,50 m., Jugendliche bis 18 Jahren 75 Pf. Sammelfarten zum dreimaligen Besuch 3 Ml., für Jugendliche 1 Mt. Organisationen besondere Preise.
Berichte 2. Seite.