Die Burg der weißen Frau.
Die Eisenbahnfahrt von Berlin über HalleJena- Saalfeld- Brobstzella- Bamberg- Nürnberg nach München ist eine der schönsten in Deutsch land . Bon Halle bis kurz vor Probstzella folgt die Bahn ununterbrochen dem Lauf der Saaie, dann aber zweigt sich die Loquiz ab; in ihrem Tal flimmt die. Bahn aufwärts, um den Kamm des Thüringer Waldes zu erreichen. Probstzella ist die letzte Station auf Thüringer Gebiet und in der kritischen Zeit des Jahres 1923 stiegen hier regelmäßig die bayerischen Bahnpolizeibeamten zu, um die Papiere der preußischen Ausländer" zu vifitieren. In Probstzella bekommen die Züge auch Schublokomotiven, die helfen müssen, die schweren Züge auf den Kamm des Gebirges zu bringen. Bald hinter dem Städtchen kommt die bayerische Grenze und nun erscheint für den ahnungslosen Reisenden die schönste Ueberraschung: unmittelbar über den Gleisen steigt schroff ein Bergkegel an, der von einer wunderbar erhaltenen Burg gekrönt wird. Es ist die fagenumwobene Burg Lauenstein mit dem Dorf gleichen Namens, die erste Ansiedlung auf bayerischem Gebiet, die in diesem Monat bereits 1000 Jahre dort oben steht. Einst eine Schutzburg gegen die bis hier und weiter bis Bamberg vorgedrungenen| Wenden, verfiel sie später, diente sogar noch bis in unsere Zeit Waldarbeitern als dürftige Wohnstätte und gab ihrem Vich die Ställe. Die Sage läßt hier jene Gräfin Orlamünde zu Hause sein, die später als Beiße Frau des Hohenzollernhauses herumgespult haben soll. Eines Tages entdeckte die Burg ein wohlhabender hallescher Gelehrter namens Mesmer. Es gelang ihm, mit seinen Mitteln den Bau stilgerecht wieder herstellen zu lassen und die Innenräume mit altthüringischen und altfräntischen Möbeln auszu statten. Vor dem Krieg waren viele Ausländer, besonders aber reiche Russen hier zu Gast, und es war fein billiges Vergnügen, in diesen schönen Zimmern wohnen zu dürfen. Nach dem Krieg
Hygienischer Amüsierbetrieb.
Die Wiedereröffnung des Lunaparks. Wenn man mittelit, daß der Lunapark wieder eröffnet ist, so genügt das im Grunde genommen, denn jeder Berliner weiß dann Bescheid. Nun wird aber viel zu wenig beachtet, daß auch Art und Formen der Vergnügungen, denen sich ein Bolt hingibt, charaf teristisch sind für den Bildungsstand, für die Kultur des Volfes. Heute kann man es ja getrost sagen, daß dieser größte Berliner Bergnügungspark vor einigen Jahren nahe daran war, zu einem großstädtischen Rummel zu werden. Die Gefahr scheint überwunden. Interessant ist es nun, zu beobachten, daß sich selbst auf diesem Gebiet die zwiespältigen Entwicklungstendenzen unserer Zeit zeigen.
Zunächst sind da die Amüsier- und Vergnügungsbetriebe. Man fieht ein sehr geschmackvoll ausgestattetes Varieté- Kabarett. Man sieht ein niedliches Tanz- Café. Dann aber etwas sehr unerfreuiches: Ein als Schiff mastiertes Restaurant, das die Flaggen aller Nationen der Welt zeigt, nur nicht die deutsche Nationalflagge. Hoch oben wimpelt die schwarzweißrote Flagge, der man wie zum Hohn eine allerwinzigste Gösch eingefügt hat. In dem Park selber sah man am Eröffnungstag überall die Berliner Stadtfahne, aber nicht die Nationalfahne. Man hat in der Eile wohl vergessen sie zu ziehen.
Dann ist da noch der störrische Automobil- Esel, bei dem der Zuschauer Tränen lachen kann, und die wirklich amüsante Radio Autobahn, die endlich den langweiligen eisernen See verdrängt hat. Das sind sehr lustige Attraktionen nach amerikanischem Muster. Go weit über den Amüsierbetrieb, der seine eigenen Wege geht. Nun aber die andere Richtung.
Zum Lunapark gehört bekanntlich noch mit Eingang von der Straße das erste Berliner Wellenschwimmbad, das sich in furzer Zeit außerordentliche Beliebtheit errungen hat. Diesem Bad wird man jetzt noch ein Kurbad angliedern, dem auf dem flachen Dach des Hauptrestaurants ein Luft- und Sonnenbad folgen wird und im Anschluß daran wird man zur Errichtung einer ersten Berliner Sommereisbahn, gleichfalls auf dem Dach des Hauses, schreiten. Mit anderen Worten: In diesen Einrichtungen kommt deutlich die zweite Tendenz unserer Zeit zum Ausdruck,
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DIE
hat dann der Besizer die Burg oft für Zusammenfünfte fultureller Art zur Verfügung gestellt. Besonders die Jugendbünde, die in Romantit nicht genug schwelgen fönnen, sind hier oft und gern zusammengekommen. Aber auch wer nicht der blauen Blume" nachgeht, wird mit einzigartigen Eindrücken von der Burg scheiden. Und der Wanderer wird ihrer mit Sehnsucht gedenken.
Tag für Tag fahren, von Berlin oder von München kommend, am Fuße der Burg die D- Züge vorbei, und wer den Zug benutzt, soll nicht versäumen, beizeiten herauszusehen. Wer aber Zeit hat, mag in Probstzella aussteigen und zur Burg pilgern. Er wird es nicht bereuen.
nämlich nicht Bergnügen um des Bergnügens willen zu suchen, um sinnlos Geld ausgeben zu können. Die moderne Jugend will vielmehr auch ihre Lust und ihre Freude finn- und zwedvoll gestalten; sie will sich förperlich betätigen, will lachen, viel lachen, aber sie will ihren flaren Kopf behalten. Mit zwei Worten: fie will den hygienischen Amüfierbetrieb. In diesem Bestreben wird sie weiter unterſtügt in dem zwar vom Lunapart getrennten, aber doch unmittelbar an ihn grenzenden Seebad des Halensees. Und wer unsere Zeit richtig versteht, der tann gar nicht mehr daran zweifeln, daß sich diese Tendenz zur Hygiene, zur Gesundheit, zu einem vernünftigen Lebensgenuß durchsetzen wird. Amüsant genug, daß sich selbst ein ursprünglich reiner Amüfierbetrieb diesem Zug der Zeit nicht länger verschließen darf.
Wieder eine Schülerin vermißt.
Seit dem 29. April wird die am 4. Juff 1914 zu Neukölln geborene Schülerin Erika 3ielensti vermißt, die in der WerderStraße 45 zu Briz bei ihren Großeltern Ruhlide wohnte.
Das frühzeitig entwickelte Mädchen besuchte gern Rummelplätze. Am 29. April ging sie um 8 Uhr abends wieder aus der Wohnung weg und ließ seitdem nichts mehr von sich hören. Wie die Kriminalpolizei feststellte, unterhielt sie Beziehungen zu einem Boger, der auf einem Rummelplay in Neukölln auftrat. Dieser wurde auch ermittelt, erklärte aber, daß er von dem Berbleib des Mädchens nichts. wisse. Er habe sie am 30. April zuletzt gesehen und nach Hause geschickt. Die Großeltern befürchten, daß die Vermißte verführt worden ist und verborgen gehalten wird.
Reichstagswahl und Tierschutz.
Der Allgemeine Tierschutzverein veranstaltete am Montagabend in den Kammersälen eine gut besuchte Kundgebung. Justizrat Fraenki erinnerte in seinem Vortrag daran, daß die Schaffung eines besseren Tierschutzes im Rahmen der schon vom verflossenen Reichstag begonnenen Reform der Strafgesetzgebung zur ersten Aufgabe des neuen Reichstages gehört. Der vorliegende Entwurf, der auch gegenüber den alten Bestimmungen
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teine wesentliche Verbesserung bringe, sei unzulänglich unb reaktionär und bedürfe einer grundsäglichen Umgestaltung. So verzichte er 3. B. auf das Moment der Erregung eines Aergernisses" und der Deffentlichkeit", verlange aber, daß die Tierquälerei eine„, absichtliche" sein müsse oder sich als„, rohe Mißhandlung" darstelle. Dat hat zur unausbleiblichen Folge, daß die meisten Tierquälereien nach wie vor ungefühnt bleiben. Ebenso erhält der Entwurf teine Bestimmung, die rück= fälligen Tierquälern das Recht zur Tierhaltung entzieht. Noch schlimmer aber ist, daß der neue Gesezentwurf, der die Erlaffung von Vorschriften für den Tierschuß dem Ermessen der Bermaltungsbehörden der Länder überläßt, Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften nicht zu den Bergehen", sondern lediglich zu den ,, llebertretungen" rechnet, die nur mit einer Geldstrafe geahndet werden können. In dem sich anschließenden ausgezeichneten Vortrag des Herrn Diamant wurde die Schaffung von Fahr= schulen zur fachgemäßen Ausbildung der Kutscher gefordert.
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Auch diese Kundgebung hat gezeigt, daß ein wirklicher Tierschutz nur durch eine politische Partei geschaffen werden kann, deren Hauptaufgabe der Kampf gegen jede Ausbeutung und Profitwirtschaft ist, die letzten Endes auch die Ursachen aller Tierquälereien sind. Der Menschen und der Tierschutz ist eine Frage der Weltanschauung, die das geistige Gut der Sozialdemokratie ist. Ihr am 20. Mai die Macht zu geben, sollten alle entschiedenen Tierschüßer als ihre Pflicht be= trachten.
Ergebnislose Lohnverhandlungen.
Im oberschlesischen Bergbau.
Gleiwitz , 8. Mai. Die geftrigen 2ohnverhandlungen im oberschlesischen Bergbau sind gescheitert. Die Arbeiter forderten Gleichstellung der Erzgruben und Rotereien mit den Steinfohlengruben im Lohn und Erhöhung der Löhne um 20 Proz. Da die Unternehmervertreter, bie Erklärung abgaben, daß sie diesen Forderungen nicht entsprechen könnten, wurden die Lohnstreitigkeiten dem Schlichter zur Entscheidung unterbreitet, der für Montag, den 14. mai, neue Verhandlungen angesetzt hat.
Nachverhandlung im sächsischen Metallfonflikt.
Wie bereits mitgeteilt, ist sowohl der für das Tarifgebiet Sachfen als auch der für das Tarifgebiet des Arbeitgeberschuhverbandes gefällte Schiedsspruch von den fächsischen Metallarbeitern abgelehnt worden. Die Leipziger Metallarbeiter nahmen gestern in neun Verfammlungen zu dem am Sonnabend für das Leipziger Tarifgebiet gefällten Schiedsspruch Stellung und beschloffen gleichfalls, diesen Schiedsspruch abzulehnen. In Leipzig wurde heute vormittag außerdem noch in den Betriebs- und Bezirksstreitlokalen eine Urabilimmung durchgeführt, die zweifellos eine übergroße Mehrheit für die Ablehnung dieses Schiedsspruches ergeben dürfte.
Der Reichsarbeitsminister hat die Parteien bereits zu morgen, Mittwoch, vormittag 12 Uhr, zu Nachverhandlungen über die drei Lohnschiedssprüche nach dem Reichsarbeitsminifterium geladen. Die Berbände der Metallindustriellen haben die drei Schiedssprüche ebenfalls abgelehnt.
Schweres Explosionsunglück.
Zwei Telegraphenarbeiter schwer verletzt. Vor dem Hause Schillstraße 4, wo gegenwärtig die Verlegung von Telegraphenfabeln vorgenommen wird, ereignete sich heute mittag gegen 12 Uhr ein schweres Explosionsunglück, bei dem zwei Arbeiter schwer verlegt wurden.
Der 35jährige Telegraphenarbeiter Kurt Wollert aus der Hohenfriedbergstraße 6 und der 27jährige Hermann oŋer aus der Lindenstraße 8 maren in dem Schacht mit Lötarbeiten an den Kabeln beschäftigt. Aus noch ungeklärter Ursache explodierte plötzlich unter lauter Detonation der Lötapparat. Die beiden Arbeiter wurden von den hervorschießenden Stichflammen getroffen, so daß die Kleider in Brand gerieten. Wollert lief in seiner Angst lichterloh brennend über die Straße. Passanten eilten hinzu und löschten die Flammen durch ueberwerfen von Sachen. Hoyer erlitt schwere Beinver legungen. Die Verunglückten mußten in das Elisabeth- Krankenhaus übergeführt werden, wo Wollert sehr bedenklich daniederliegt. Berantwortlich für die Redaktion: Eugen Brager, Berlin : Anzeigen: Tb. Glode, Berlin . Berlag: Borwärts Berlag G. m. 5. S., Berlin . Drud: Borwärts Buch bruderei und Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW 68, Lindenstraße 3.
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