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Reichswehr und Tradition.

Das Potsdamer Reiterregiment als Attraktion für eine monarchistische Demonstration.

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In Potsdam fand am Sonnabend und Sonntag eine Zusammenkunft der ehemaligen Angehörigen des früheren Beib Garbe Husaren- Regiments statt. In der Boraussicht, daß es fich um eine monarchistische Demonstration handeln werde, hatte man den Teilnehmern die Benugung eines öffentlichen Plazes untersagt. Die Kreuzzeitung " be­richtet darüber:

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Aber ein Zeichen der Zeit! Die Leib- Garde- Husaren konnten für ihren Regiments appell und die damit verbundene Standartenweihe des Vereins Westfalen in ihrer alten Garnisonstadt feinen Blag finden. Da die 3 umutung, bei dieser Feier mit feinem Wort des einstigen Regimentschefs Raiser Wil­helms II. zu gedenten, zu der sich die Leiter der Tagung ver­pflichten sollten, zurückgewiesen wurde, wurde den alten Kameraden der Kasernenhof, der Lustgarten, das Bornstedter Feld alles Stätten, an die sich für jeden alten Hufaren ehr­würdige Erinnerungen fnüpfen verweigert. Ja, selbst nicht einmal der städtische Turnplah und der Botanische Garten wurden ihnen für die Feier überlassen, da man in dem Festhalten an der Treue zum einstigen obersten Kriegsherrn und Regimentschef eine regierungsfeindliche Kundgebung sah.

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Wie richtig die Behörden gehandelt haben, ergab der Ver. lauf der Feier. Der Festredner, Fürst Stollberg, übermittelte nicht nur die Wünsche des Herrn von Doorn , seine Ansprache flang auch in die Mahnung aus, daß es für jeden heilige Pflicht sei, der Jugend einzuhämmern, wie es einst gewesen fei, um festzuhalten an der alten Devise: Mit Gott für König und Vaterland."

Damit könnte es sein Bewenden haben, wenn man aus dem Bericht der Kreuzzeitung " nicht meiter erführe, daß an den Nachmittagsveranstaltungen eine Abteilung des Pots­ damer Reiterregiments, das die Tradition der Garde- Husaren pflegt", teilnahm. Die Ausrede, daß man vorher nicht habe wissen fönnen, daß es zu ,, Entgleisungen" kommen werde, verfängt hier nicht. Wie den anderen Be­hörden die Tendenz der Veranstaltung befannt war und wie fie die einzig mögliche Konsequenz daraus zogen, so mußte sie auch der Reichswehr bekannt sein, und für sie gab es feine andere Konsequenz, als die, einen deutlichen Trennungsstrich zu ziehen

Wir teilten vor kurzem zwei Fälle mit, in denen die

Der mißglückte Rummel. 218

Daß der Stahlhelm in Hamburg Pleite machte, war ja vorauszusehen. Da hat doch St. Pauli ein viel befferes Affentheater."

Die 138000 des Stahlhelm.

Reichswehr einem Arbeiterturnverein und einem Aber es waren nur 40000!- Die Andenken, die sie in Hamburg hinterließen.

Konsumverein unter Hinweis auf seine politische Neutralität die Benugung von der Militärverwaltung unter­stelltem Gelände versagte. Wie diese Neutralität in Wirklich­feit aussieht, zeigt der Potsdamer Borfall.

Reichswehrminister Groener hat bei seinem Amts. antritt eine schöne Rede gehalten, in der er versicherte, er werde einen Mißbrauch der Reichswehr nach Art der Potsdamer Borfälle nicht bulben. An den ihm untergeord neten Stellen scheint man auf diese schöne Rede nicht das ge­ringste Gewicht zu legen, sonst wäre der Mißbrauch des Pots damer Reiterregiments nicht denkbar.

Bürgerblock in Württemberg ! Koalition aller bürgerlichen Kreife" fordert die Bolkspartei. Zustimmung des Zentrums.

Stuttgart , 4. Juni. ( Eigenbericht.) Die mürttembergische Regierungsbildung fößt badurch auf große Gdymierigteiten, daß fomohl das Zentrum mie die nur nier Abgeordnete zählende Gruppe der Deutschen Boltspartei sich bemühen, eine rein bürgerliche Re gierung zu bilden, in der jedoch das Schwergewicht von rechts mehr nach der Mitte zu verlegt werden soll. Die Deutsche Bolts, partei neröffentlicht eine Entschließung, in der es heißt, daß fie fich Der Mitwirkung bei der Regierungsbildung nicht entziehen will:

,, Borauslegung einer Mitarbeit in jeber Roalition ist indeffen, baß der Kurs der Regierung mehr als bisher von der Mitte bestimmt wird und daß die Persönlichkeiten des Rabinetts nicht nur für eine reibungslose Zusammenarbeit Ge­mähr bieten, sondern auch die Anbahnung eines besseren Ber hältnisses zur Oppofition nicht unnötig erschweren. Die Deutsche Boltspartei erstrebt als nächstes Ziel die Schaffung einer Stoalition aller bürgerlichen Kreise. Sie würde daher eine Re­gierungsbildung begrüßen, die sämtliche bürgerlichen Parteien Dom Bauernbund bis zu den Demotraten ums faßt und erfucht die Landtagsfraktion, in dieser Richtung tätig au ſein." Das ist nichts anderes als der Versuch, die alte echt national. Itberale Schaufelpolitik wieder zu Ehren zu bringen. Dieser Ver­such dürfte diesmal wohl bestimmt daran scheitern, daß der Wahl. ausfall das Saywergewicht der Sozialdemokratie ganz erheblich ver­stärkt hot. Die Sozialdemokratie erblidt in dem Wahlausfall einen so deutlichen Auftrag des Bollswillens, sich an der Regierung und an der Uebernahme der Verantwortlichkeit zu beteiligen, daß sie nicht daran denten fann, sich mit der ihr gnädigst zugedachten Rolle einer maßpollen und besonnenen Oppofition zu bescheiden, ist felbfiver­ständlich. Sie würde eine solche Regierung, wie sie von den ge nannten beiden Parteien angestrebt wird, auch dann, wenn sich die Deutschdemokraten wirklich daran beteiligen sollten, und wenn die Rechte nicht mehr durch Bazille und Dehlinger, sondern durch weniger provozierend wirkende Persönlichkeiten darin vertreten märe, als cine gegen die Arbeiterschaft gerichtete bürgerliche Klassen regierung, als die Berkörperung unverhüllter reaktionärer Ten­denzen betrachten und mit aller Entschiedenheit be fämpfen.

Infolge diefer vom Zentrum und der Deutschen Boltspartei ver­folgten Tendenzen wird es in der am Dienstag stattfindenden ersten Sizung des Landtages voraussichtlich noch nicht zur Wahl des Staatspräsidenten tommen, ja, es ist jogar fraglich geworden, ob es überhaupt zur Wahl eines Landtagspräsi diums fommen wird, da in den Parteien der Rechten der Anspruch der Sozialdemokraten hierauf auch angefochten wird. Man vertritt die Auffassung, daß die stärkste Bartei der Regierungstoalition den Bräsidenten stellen soll. Dann würde, das Gelingen dieser Pläne norausgesezt, der Bauernbündler Körner wiederum den Präsi dentenstuhl zieren.

Freie Bahn!

Darmstadt , 4. Juni. ( Eigenbericht) In der Personalpolitik hat die heffifche Reglerung in legter geit norwiegend republikanische Beamie ernannt. Benasse Rechthien, Bürgermeister in Bilbel und Mitglied des beffüschen Landtags, wurde non dem Innenminifter Genossen Leuschner zum Preisdirektor

Hamburg , 4. Juni( Eigenbericht).

Hamburg hat den Stahlhelm tag glücklich überwunden. Nun rauscht es durch den schwarzweißroten Blätterwald, und die schwarzweißroten Herzen schlagen im Taft des Torgauer Marfches. Nach Verkündung der Botschaft und nach dem Schlachtenfeuerwert sollte der Sonntag die Spitzenleistung des Stahlheimtages, nämlich der Appell im Hamburger Stadtpart, bringen. Als Teilnehmerzahl waren der Polizei schon lange vorher 97 000 Mann angegeben. Als der Bundesführer Seldte im Stadtpark vor seinen Mannen stand, da entschloß er sich dreift und gottesfürchtig, zu verfünden, daß es 125 000 Mann seien. Die Stahlhelmpressestelle aber war noch großzügiger, fie stellte ihren Bundesführer in den Schatten und gab frant und frei die Melbung heraus, es feien 138 000 Mann gewesen. Um das Unglaubwürdige glaubwürdig zu machen, fegte sie hinzu: Diese Bahl ist reichsbahnamtlich bestätigt Auf Erkundigungen bei der Reichsbahn fonnte man erfahren, daß die Reichsbahn von nichts miffe, daß also die Stahlhelmleitung fich die angebliche reichs bahnamtliche Bestätigung selbst zurechtgeschustert hatte

Bie mar nun die tatsächliche Teilnehmerzahl? Sie ist von Ham burger Reichsbannerleuten an den Eintrittsstellen der Züge in den Hamburger Stadtpart unter doppelter Rontrolle fest. gestellt worden. Danach sind in den Zügen 33 700 Mann mar­schiert. Schäzt man die Zahl derjenigen, die mit Berkehrsmitteln das Appellgelände aufgesucht haben, auf 6300 Mann, dann ergibt fich eine Teilnehmerzahl von 40 000. Mann. Das mit ihr ungefähr das richtige getroffen sein wird, kann man übrigens aus einer Spe­zifikation entnehmen, die der Stahlhelm selbst ausgegeben hat. Es wird berichtet, daß 176 Kolonnen zu je 800 Mann aufmarschiert seien. Bon diesen 176 Kolonnen soll der Landesverband Branden burg ohne Berlin allein 88, das find 70 400 Mann, gestellt haben, während Groß- Berlin nur mit 3 200 Mann, Hamburg und schließ. lich Holstein ebenfalls nur mit 3 200 Mann beteiligt gewefen fein sollen. Aus der Angabe über die Beteiligung Brandenburgs tann man schließen, wie systematisch und bemußt die Teilnehmerzahlen im Bureau der Stahlhelmpressestelle auf das drei bis pier fache hinauftorrigiert worden sind.

Zahl an Orden und Ehrenzeichen, von denen die Männerbrüste aller ehemaligen Frontsoldaten zum Teil bedeckt waren. Man kann nicht sagen, daß dieses Stahlhelmschauspiel in Hamburg erhebend war, zumal die Stadt taum Notiz vom Stahlhelm nahm, was man aus der Tatsache entnehmen fonnte, daß nur vereinzelt fchwarzweißrote Flaggen gezeigt wurden.

Mit dem Eindringen des Stahlhelmgeistes in alle Kreise der Hamburger Bevölkerung ist es also nichts geworden. Trozdem hat der Stahlhelm in Hamburg etwas hinterlassen, und zwar zunächst eine geradezu furchtbar verwüftete Festwiese im Hamburger Stadt­part. Auf dieser Festmies. marschiert sonst die Hamburger Sozial­demokratie am 1. Mai auf, aus melchem Anlaß regelmäßig über 100 000 Menschen im Stadtpart zusammenftröment. Nach den Mai­feiern sieht man taum, daß 100 000 Menschen versammelt maren. Nachdem die 40 000 Stahlhelmer am Sonntag den Platz verlassen hatten, war die große Festwieje überfät mit Papier - und Zeitungs­reften, mit Taufenden von zerbrochenen Seltersflaschen und Bier­feideln. Un vielen Stellen der Wiese war Feuer angelegt worden, wodurch die Wiele, die als Lagerplak den Stadtparkbesuchern dient, start beschädigt worden ist.

Dieses Zeugnis von Stahlhelmzucht und Ordnung" hat ber Stahlhelm in Hamburg hinterlassen, außerdem aber noch eine ge­bührende But weiter Kreise der Hamburger Bevölkerung, denn der eine ernste Zwischenfall, der am Stahlhelmtag in Hamburg passierte, tommt auf das Schuldkonto des Stahlhelms. Ohne Anlah brachen einige Stahlhelmtolonnen in die Frei. lichtbühne des Stadtpartes ein, in der gerade ein Ronzert eines Hamburger Arbeitergesangver eins beginnen follte. Die Stahlhelmer wollten einen jungen Men­schen verfolgen, der sich in die Freilichtbühne geflüchtet hatte. Die Stahlhelmer schlugen dann mit Flaschen und stachen mit. Messern auf die Konzertbesucher ein, von denen 17 verlegt wurden.

Die Bilanz des Stahlhelmtages? Man wollte Hamburger­abern" und hat das gerade Gegenteil erreicht. Dazu trugen natür lich auch noch das aufdringliche Auftreten der Stahlhelmer, alto­holische Erzeffe und der theaterhafte Aufzug der Beranstaltungen

40 000 Mann aus ganz Deutschland und vielleicht die fünffache und der Stahlhelmleute bei.

in Bilbel ernannt. Genoffe Rechthien ist von Beruf Weber.| einigung aufgelöst habe. 8 Abgeordnete der 11 Mitglieder zäh Er arbeitete in verschiedenen Städten Deutschlands , mar fpäter beiterjekretär in Borms und ist seit dem 1. Sepember 1919 Bürgermeister in Vilbel .

Die Auflösung der Gutsbezirke.

Das preußische Innenministerium bearbeitet zurzeit unter größ­ter Beschleunigung die Berichte der Regierungsbezirte über die Auflösung der Gutsbezirke. Noch in feinem Landkreis find die vorbereiteten Arbeiten vollständig durchgeführt. Sehr kom­pliziert ist vor allem die Zerlegung der großen Forstbezirte, auf die in der Regel eine Reihe von Gemeinden Anspruch erheben. In etwa 80 Proz. der Fälle sollen die Gutsbezirte den Gemeinden zugeteilt werden, mit denen sie mirtschaftlich und räumlich zusam menhängen. Nur ganz wenige große Gutsbezirke, die vorwiegend im Often liegen, sollen in selbständige Gemeindebezirte umgewandelt werden. Man nimmt an, daß die Arbeiten vor Ausgabe des neuen Steuerschlüssels am 1. Oktober und vor den neuen Gemeindewahlen beendet find.

Rechtsblock- Krach in Baden . Auflösung der Bürgerlichen Vereinigung. Karlsruhe , 4. Juni( Eigenbericht).

Der Badische Landtag begann am Montag seine Etats­beratungen mit einer Genfation. Der Vorsitzende der bisherigen Fraktion der bürgerlichen Bereinigung, die sich aus Ber­tretern der Deutschnationalen, des Landbundes und Mittelständlern zusammenfeßte, gab die Erklärung ab, daß sich die bürgerliche Ber.

lenden bürgerlichen Bereinigung haben sich zu einer neuen Deutsnationalen Fraktion zusammengeschlossen, mäh. rend die drei restlichen Mitglieder eine Gruppe der Wirte faftspartei bilden. Diese Gruppe besteht aus einem Haus­befizervertreter, einem früheren Landbundabgeordneten und einem Mittelstandsvertreter. Im Berfolg dieser Spaltung legte auch der weite Bizepräsident des Landtags, der der neuen Gruppe zugehört, aber das Bizepräsidium als Mitglied der bürgerlichen Ver einigung erhalten hatte, seinen Posten nieder.

Zum Zusammentritt des Landtags.

Boraussichtlich am Freitag. Eine neue Fraftion? Das Staatsministerium beabsichtigt, den Landtag zu Freitag nachmittag 4 Uhr zusammenzuberufen. Ein endgültiger Beschluß liegt jedoch noch nicht vor. Es dürfte fraglich sein, ob die Inne haltung dieses Zeitpunktes möglich ist. Beim Landeswahl. leiter stehen noch eine große Zahl von Erklärungen der gemählten Abgeordneten aus, ab und mo fie die Wahl annehmen.

Am Dienstag find die Fraktionsführer zu einer Besprechung zu sammenberufen worden, in der vor allem die Frage der Bertci. lung der Blaze geregelt werden soll. Die Fraktionen selbst werben, wenn es bei der Eröffnung am 8. Juni bleibt, am Freitag bzw. schon am Donnerstag ihre Sigungen abhalten.

Im übrigen wird sich dem Landtag wahrscheinlich eine neue Brattion vorstellen, da sich die sieben Abgeordneten der Bauern­partei, die fünf Deutsch- Hanoveraner, die beiden Abgeordneten des Bölfisch Nationalen Blocs und die heiden Bolfsrechtsparteiler, darunter der noraussichtliche Alterspräsident Graf Bosadowsfy Behner, au einer Arbeitsgemeinschaft zusammenschließen wollen.