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din DER GELBE DIWAN

VON V. WILLIAMS- ZEICHNUNGEN VON ADOLF LEHNERTI

2. Fortschung.

Dann sagte er sich, daß Carmen doch im Salon oder Wohn Bimmer fein müsse. Bielleicht schlief sie, wie es manchmal vorfam, auf irgendeinem Sofa.

Er stieg zum ersten Stod hinab und öffnete die Tür zum Salon, aber der große, fühle Raum war leer. Ebenso die kleine Bibliothet bahinter, seine eigene Höhle, wo er die wenigen Kriegserinnerungen und seine Zigarren aufbewahrte. Immer verwunderter begab er fich ins Wohnzimmer.

vergeblichem Telephonieren, ohne schließlich etwas anderes zu ers fahren, als daß niemand im Ranelagh auch nur eine Ahnung von Miß Driscol, Mrs. Cranmore oder ihren Begleitern hatte. Dann rief er Georg in seinem Klub an, aber der Portier teilte ihm mit, daß Mrs. Cranmore vor zwanzig Minuten den Klub verlassen habe. Als er den Hörer einhängte, schlug es auf dem Kirchturm in der Nachbarschaft acht Uhr.

Das Auto stand noch vor der Tür. Aber der Chauffeur fonnte feine andere Auskunft geben, als daß er die gnädige Frau zum

Das lag hinter dem Speifezimmer nach rüdwärts und war so lub gejahren hatte. Auch wo das Dienstmädchen zu finden war,

recht Carmens eigene Domäne. Der Blick durch die breiten Fenster euf grünende Gärten hatte ihr's angetan, und so hatte sie ein nüchternes Hinterzimmer in einem nüchternen Westendhaus in etwas Schönes und Erotisches verwandelt, das ihr selbst glich. Die Bände maren in Schwarz   gehaiten, die Decke war vergoldet, und das zusammen mit dem leuchtenden Gelb des Dimans  , auf dem große Kissen in Schwarz   und Gold verstreut lagen, den schwarzen Bor­hängen, ten Ladmöbeln und den seltsamen chinesischen Lampen, schien mit der ganzen bizarren Kunst des fernen Ditens eine Drgie von Farben in das Londoner   Düfter hereinzubringen.

Uber Carmen war nicht da. Der Raum par so durchtränkt pon ihrem Wesen, daß Jim fich mehrere Male umfah, ehe er begriff, daß fie fehlte. In seiner Einfachheit, Zierlichkeit und Schönheit glich der Rahmen dem Bilde, und in feiner Eigenart Tag ein wenig von dem Geheimnisvollen, das jedes Weib in den Augen der Männer umhüllt.

Cranmore blickte auf den gelben chinesischen Diwan, ein niedriges und breites Ruhebett mit fünstlich geschnitten Füßen aus schwarzem Teakholz, die die Klauen des fünftralligen Drachens, des einstigen faiserlichen Symbols, darstellten. Carmen hatte eine romantische Borliebe für dies merkwürdige alte Stüd, das einzige, was fie in die Ehe gebracht hatte. Meine Mitgift" pflegte sie's zu nennen. In früheren Tagen, da sie als Kunststudierende in New Yort sich

mußte er nicht.

Jim Cranmore stand einen Augenblid ratlos unter der Tür. Dann schrieb er auf die Rüdseite eines herumliegenden 3irtulars ein paar Beilen für Carmen, falls sie tommen sollte, ehe er wieder zurüd war. Sie möchte auf ihn warten, er wäre nur schnell nach ihrem Klub gefahren, um sich zu erkundigen, was aus ihr geworden wäre. Er legte das Blatt recht auffällig auf ein Tischchen und fuhr in die Bondstraße.

Im Klub erfuhr er nicht viel mehr, als er schon durchs Telephon gehört hatte. Ein rothaariges Servierfräulein erinnerte sich, daß Mrs. Cranmore allein Tee getrunken hätte. Sie habe einen kleinen schwarzen Hut mit weißem Reiher getragen, eine Berlenschnur und ein blaues Sergecape. 3wanzig Minuten nach fünf Uhr wäre fie sehr eilig aufgebrochen. Das Mädchen hatte diefen Umstand im Gebächtnis behalten, weil die Dame fie gebeten hatte, sich mit der Rechnung zu beeilen. Cranmore fuchte noch die Sekretärin auf, um mit ihrer Hilfe ausfindig zu machen, ob irgendein Mitglied des Klubs mit Carmen gesprochen hätte. Aber es war alles vergeblich. Bon den jezt Anwesenden war nachmittags niemand dagewesen.

Cine halbe Stunde später war Cranmore wieder zu Hause. Es war noch alles genau so, wie er's verlassen hatte. Die Fenster waren dunkel, und in der zunehmenden Dämmerung sah er sofort das weiße, für Carmen bestimmte Blatt auf der gleichen Stelle liegen, wohin er's gelegt hatte. Cranmore wandte sich an der Tür um und hieß den Chauffeur warten.

Mit Gewalt suchte er ein Gefühl des Entsezens von sich abzu­schütteln. Auch ohne auf die Uhr zu sehen oder in dem leeren Haus herumzuhorchen, war's ihm jezt gewiß, daß Carmen etwas zugestoßen war. Bolle fünf Minuten stand er in der Halle, die Hände in den Taschen, mit gerunzellen Brauen, während die un­fid; tbare Uhr erbarmungslos meitertidte.

Endlich riß er sich mit einem Rud zusammen, ging ans Le lephon und rief die Nummer des Planet  " an. Harringay antwor

"

tete. An feiner müden Stimme und furzangebundenen Ari mar 31 erkennen, daß er viel zu tun hatte.

,, Sind Sie das, Harringay?" fragte Jim. Ich muß Sie sprechen.

..

Schön, tommen Sie einmal zum Mittagessen... paßt Ihnen Donnerstag?"

.

,, Nein, nein," Cranmore versuchte, seiner Stimme Halt zu ge ben. Es ist wichtig, ich muß Sie heut abend noch sprechen Tut mir leid, aber das ist unmöglich. Ich stede bis über die Dhren in der Arbeit Harringay," drängte Cranmore mit bittender Etimme. Es ist... ich brauche Ihren Rat. Nur eine Minute will ich Sie stören. Aber es ist wichtig. Das Auto steht draußen... ,, Können Sie mir's denn nicht am Telephon sagen?" ,, Unmöglich. Nur fünf Minuten, Harringay!"

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Na schön," war die refignierte Antwort, ehe der Rebatteur abläutete.

Er empfing Cranmore in einem einfach möblierten Zimmer, deffen Doppeltüren tein Geräusch aus den Geschäftsräumen ein­bringen ließen, gab ihm die Hand und deutete auf einen Lederſtuhl vor dem Schreibtisch. Das Licht einer einzigen Stehlampe beleuchtete Haufen von Papieren und noch feuchte Drudbogen.

,, Also, Cranmore, was fönnen wir für Sie tun? Aber was iſt denn mit Ihnen, Gie fehen ein bißchen blaß aus."

,, Es ist sehr nett von Ihnen, Harringan, daß Sie mir Thre Seit opfern. Ich brauche Ihren Rat. Es handelt sich um meine Frau

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Der Redakteur setzte sich in seinem Stuhl zurecht, mie, um seinen Besuch besser ansehen zu können. Doch er sprach fein Wort, und Jim Cranmore fuhr fort:

"

Wir wollten uns um halb sieben Uhr zu Hause treffen, um auswärts zu essen und dann ins Theater zu gehen. Aber sie ist nicht gefommen, und ich weiß nicht, wo sie ist...

Der Redakteur stützte den Kopf in die Hand und sah den anderen nachdenklich an.

,, Bielleicht ist sie zu Freunden gegangen?" fragte er. Cranmore schüttelte lebhaft den Kopf.

In dem Fall wäre fie doch gelommen oder hätte mich wissen laffen, was sie abhält. Sie geht auch so wenig aus und hat gar nicht viele intime Freunde. Ich traf meinen Bruder heut abend, und er hat sie schon eine Woche lang nicht gesehen. Und meine Schwester, mit der sie sehr gut steht, wohnt drunten in Hampshire  ." Er blickte ratlos Harringay an ( Fortjegung folgt.)

Aber Carmen war nicht da...

mühsam hatte durchschlagen müssen, hatte sie in ihrem einzigen, min zigen Zimmer auf diefem Diman geschlafen. Er bildete, abgesehen von ihrem fünstlerischen Sinn und ihren blauen irischen Augen das ganze Bermächtnis, das sie von ihrem längst nerstorbenen Bater, Lucius Driscol, dem Baganten, Träumer und Bohemien geerbt hatte. Als Cranmore auf den Diman blidte, stieg eine große Sehnsucht nach Carmen in ihm auf. Und plöglich fühlte er sich ein menig be. unruhigt...

Er griff nach seiner Dose und zündete sich eine Zigarette an. Seine Uhr zeigte fünf Minuten auf sieben. Auf einem kleinen Tischchen lag die Mergenausgabe des Planet  ". Harringay, der Herausgeber, war ein Mitglied von Cranmores Klub, und hatte neulich erwähnt, daß fie eine Reihe von aufsehenerregenden Artifeln über die ökonomischen Verhältnisse Deutschlands   bringen würden.

WAS DER TAG

Wie groß ist Berlin  ?

Bom Magistrat der Stadt Berlin   wird uns gefchrieben: In Ihrer Ausgabe vom 1. Juni 1928 erscheint unter der Rubrik Ber   weiß das?" u. a. folgende Mitteilung:

,, Das Areal der Stadt London   ist fast dreißigmal so groß, mie das der Stadt Berlin  ."

Bir gestatten uns, darauf aufmerksam zu machen, daß London  nach dem Brockhaus" van 1923 als Grafschaft( Administrative Counin of London   oder Inner- London oder Registration) etwa 302 Quadratkilometer( 1921) und 4 488 249 Einwohner, als Polizei bezirk( Metropolitan and City of London Police Districts) pber Greater( Größer) London   1795 Quadratkilometer und 7 476 168 Ein. mohner und die durch Zusammenschluß der früheren Stadt Berlin  , die selbst mur 65,8 Quadratkilometer Fläche hatte, fomie der früheren Städte Charlottenburg  , Copenid, Berlin  - Lichten. berg, Neuköln  , Berlin- Schöneberg, Spandau   und Berlin  - Wilmers dorf und von 59 Landgemeinden sowie 27 Gutsbezirfen gebildete neue Stadt Berlin   878,1 Quadratkilometer Fläche hat. Offenbar sind die Zahlen 1795 Quadratkilometer und 65,8 Quadratkilometer gegenübergestellt worden. Dies gibt aber ein völlig falsches Bild. Szene im Gasthaus.

An einem Tisch zwei Leute mit diden Hafenkreuzabzeichen an der Brust.

Ein Mann in Reichsbanneruniform betritt das Lokal und jetzt sich, da alles überfüllt ist, mit turzem Gruß an den Tisch der Hafen. freugler.

Da springt der eine Behakenkreuzte auf, wirft sich mit ener gischem Ruch in stramme Haltung und schnarrt:

,, Entschludigen Sie, mein Herr, aber wir find, äh, National fozialisten!"

Das macht fast gar nichts," fagt der Reichsbannermann sehr freundlich, wenn Sie sich anständig benehmen, fönnen Sie ruhig figen bleiben."

Pfändung einer polnischen Stadt.

Die Stadt 3eled) om in der Bojewodschaft Lublin   schuldete der Firma Kalunomfi in Sta für gelieferte Autobusse mehrere

BRINGT.

Expeditionen ins Land der Bibel.

Nicht weniger als 14 Expeditionen aus Deutschland  , Amerika  , England, Frankreich  , Italien  , Desterreich und Dänemark   werden in diesem Jahre alte, in der Bibel erwähnte Stätten in Palästina nadh Schätzen des Altertums durchforschen. Den Anreiz dazu hat die neue Rockefeller- Stiftung   von 2 Millionen Dollar gegeben, die für die Er­richtung eines Altertumsmuseums in Jerusalem   bestimmt sind, das im Jahre 1930 vollendet sein dürfte. Die Ausgrabungen werden vorgenommen bei Berseba, Hebron  , Jehofaphat, Mare, Kiriat­Sepher, Schechem und Beisan.

Das Whiskyschiff nach Amerika  .

In einem Londoner Prozeß perlangte bas englische Barla mentsmitglied Sir Foster die Rückgabe von einer halben Million Mart pon einer Firma, die 7500 Riften mit schottischem Whisky aus England, permutlich nach Amerita, ausführen follte. Der ehren­werte Herr hatte diese Riefensumme jener Schmuggelfirma por= geschossen, damit sie damit ein Schiff faufte, das den Whisky in Dublin   an Bord nehmen sollte. Er hatte an dem Geschäft 50 000 m. zu verdienen gehofft. Die Berschiffung tam nicht zustande, weil die Bollbehörden die Ausfuhr einer solchen Menge Alkohol nicht ers laubten.

Leichenbestattung mit allem Komfort. Ein Inferat in der California- Staats- Zeitung": J. H. R IEDEMANN Deutscher Reichen Bestatter Damenbedienung

Telephon Westmore 4095

Es geht doch nichts über die deutsche Innigkeit, die auch in Amerifa nicht verloren geht. Einfargen mit Damenbedienung, wenn das nicht der Himmel auf Erden ist!

Wer weiß das?

Man hat bereits durch mehr als 2500 sichere Beobachtungen

Cranmore entfaltete das Blatt und begann zu lesen. Der Artikel mar sehr gut geschrieben, und er las ihn bis zum Ende durch. Hunderttausende Zloti. Sie war aber trotz der Berurteilung burch festgestellt, daß das Nordlicht in der Höhe von 65 bis 180 Kilometer Dann schlug die Uhr auf dem Kamin halb adht. Haftig sprang er auf die Füße. Was tonnte nur mit Carmen los sein? Er fing an, hungrig und daher ein bißchen ärgerlich zu werden.

In ein wenig gereizter Stimmung begab er sich in die Halle zum Telephon und rief Carmens Klub an. Sie war Mitglied eines Damenklubs in der Bondstraße und ging nachmittags manchmal hin. Es war der einzige Ort, an den er im Augenblick zu denken per­mochte, wo er wielleicht etwas über sie erfahren konnte.

Der Klubportier antwortete. Mrs. Cranmore wäre dagewesen, hätte Lee getrunken und wäre ungefähr um halb sechs Uhr wieder fargegangen.

Ob sie gefagt hätte, wohin sie ginge? Darüber wisse er nichts.

Bum Teufel!" stieß Cranmore leise hervor, während er den Hörer wieder einhängte. Warum hatten nur die Frauen feinen Zeifinn! Er fühlte sich gefränft, zündete sich eine neue Zigarette an und stand rauchend in der Halle herum, bis ihm einfiel, daß er durch seine Gereiztheit nur eine leise, eindringliche Stimme zu be. täuben versuchte, die ihm zuflüsterte, daß Carmen vielleicht etwas zugestoßen war.

Oder hatte sie fich plöglich entschieden, mit Dolores ins Ranelagh zu gehen? Jim wußte nicht, mit melchem Herrn Dolores bort mar, aber versuchen wollte er's doch und verbrachte eine Biertelstunde mit

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Die Bermehrung der Ratte ist ungeheuer. Man hat berechnet, daß ein Rattenpaar, falls es fich mit seiner Brut ungestört fort pflanzen tann, in drei Jahren von einem Heer von 20 Millionen Ratten umgeben fein könnte und im vierten Jahr bereits 100 Mil­lionen Nachkommen zählen würde.

alle Gerichtsinstanzen nicht zur Bezahlung der Schuldsumme zu beauftritt. wegen. Der Magiftrat weigerte sich solange den Gerichtsvollzieher zur Ausübung seiner Pflicht zuzulassen, bis auch hierüber eine Ent scheidung des höchsten Gerichts beigebracht war und der Beamte die Marken mit dem weißen. Adler der Republif an genügenden mert vollen Vermögensobjekten der Stadt anbringen fonnte. Nunmehr erwartet man, daß sich der hartnäckige Magistrat, der gegen die Ber­Steigerung der Objekte erneut Beschwerde eingelegt hat, sich zu einem Bergleich bequemen wird.

Eine nicht erfüllbare Bitte.

Man hatte in Paris   die Erkrankung Briands fehr ernst genommen. Und der französische   Außenminister zählt jest auch zu denjenigen Großen der Erde, denen man schon zu Lebzeiten einen Nachruf geschrieben hat. Dies hat sich allerdings als verfrüht er. wiejen. Der Außenminister lebt noch sehr zurückgezogen, er gab der Breffe aber trotzdem vor furzem einen Empfang. Er verstand es, mie gewöhnlich, die neugierigen Journalisten mit wenigen nichts­fagenden Worten abzufertigen. Sie waren danach nicht viel flüger als vorher. Schließlich mandte sich Briand   an den Redakteur eines ihm nahestehenden Bariser Lintsblattes. An Sie habe ich eine Ertrabitte." Der Redakteur beeilte sich zu beteuern, daß die Bitte erfüllt werden solle. Beigen Sie mir meinen Nachruf," sagte Briand  . Der Journalist hat die Bitte nicht erfüllt.

Ein eigenartiges Schicksal widerfuhr dem Dichter Delille. Einer der glühendsten Bewunderer Delilles, dessen Werf die Uebersehung pon Birgils Georgita" war, schnitt, als man die Leiche des Dichters einbalsamierte, heimlich zwei Streifen von der Körperhaut des Toten und ließ ein Exemplar obengenannten Wertes damit einbinden.

Beftbazillen fönnen sich im Körper der Insetten vermehren. Man hat berechnet, daß ein einziger Flohmagen die höchft gefähr liche, unter Umständen tödliche Dosis von 5000 Bestbazillen zu fassen vermag.

Nach Galli besaßer die Etrusker schon vor 2300 Jahren Zahn­technifer, we.che, wie er an einem bei Faleri aufgefundenen Schädel nachzuweisen vermochte, bereits funftgerechte Goldbrüdenarbeiten 8 machen perftanden,