1928
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318
Der Abend™
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Spätausgabe des„ Vorwärts
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B 157 45. Jahrgang.
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Es ist faum glaublich, daß das faschistische Regime nach bald fechs Jahren Herrschaft noch immer nicht alle Deffnungen und Luftlöcher verstopft hat, durch die zwar nicht wahre Freiheit, aber doch die Jülusion der Freiheit nach Italien dringen konnte. Doch von Zeit zu Zeit erscheint ein Dekret, durch das Feffeln geschmiedet werden für Leute, für die bis dahin noch fein Bersflavungsgesetz bestand.
Den Advokaten, Aerzten, Tierärzten und Buchsachverständigen wurde bereits durch ihre Berufskollegien und Kammern der Maulforb angelegt. Aber man hatte noch die Boltsschullehrer ( die Lehrer an den Mittelschulen und Universitäten sind bereits nach allen Regeln der Kunst gefnebelt) und die Chemifer vergeffen. Nun ist auch das geschehen. Für die Lehrer: ein Defret und bas allgemeine Reglement stellen ausdrücklich fest( Artikel 133 des Reglements), daß sie entlassen werden können wegen jeder Kundgebung in oder außerhalb der Schule, in der fie gegen die allgemeinen politischen Richtlinien der Regierung Stellung nehmen". Bohlverstanden: der Regierung. So wird der Lehrer zum Sprachrohr nicht eines philosophischen Enstems, nicht einer Religion, sondern eines gewöhnlichen Regierungsprogramms erniedrigt!
Und auch die Chemiker müssen sich hüten, eine politische Meinung zu äußern: fie fönnen von nun on von den Berufslisten gestrichen und somit an der Ausübung ihres Berufes gehindert werden, wenn fie öffentlich eine Tätigkeit entfalten, die im Gegen fatz zu den Intereffen der Nation steht". Es sollte heißen: Intereffen des faschistischen Regimes und dann ist jeder weitere Rommentar überflüssig.
Sinne des Wortes!
Die Journalisten waren bereits jeglicher Freiheit beraubt worden, nicht nur durch die Gesetze, die die Pressefreiheit beseitigten, sondern noch viel radikaler durch die obligatorische und kontrollierte Registrierung bei ihrem Syndikat. Aber da ein Syndifat immer noch ein wenig ungehorsam sein könnte, wird jetzt der Borstand des Syndikats vom Justizministerium ernannt. In Italien gibt es jetzt nur noch einen polizeilich reglementierten Journalismus im wahrsten Aber auch die„ Reinheit des faschistischen Journalismus muß gesichert werden. Bei der Aufstellung des Reglements der Breffe Synditate hat man dies nicht vergessen. Dafür für Artikel 5 mit folgendem Text vorgesehen: Bersonen, die eine öffentliche Tätig feit gegen die Intereffen der Nation entfaltet haben, fönnen nicht aufgenommen werden und sind, falls sie bereits eingetragen sind, zu streichen( Art. 5)". Da jede Opposition gegen den Faschismus gegen die Interessen der Nation" verstößt und in den meisten Fällen ein schweres Berbrechen ist, so find alle oppofitionellen Journalisten mit einem Schlag ausgeschlossen. Außer wenn sie ihre Tätigkeit nicht öffentlich ausüben. Für einen Jouralisten ist das allerdings einigermaßen schwierig.
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Eine Verschandelung des Stadtbildes
Was im Abend", im„ Borwärts" und anderen großen Tages-| wenn unmittelbar an sie angeflatscht eine Siedlung entsteht, die Beitungen über die„ Gagfah"-Siedlung in Zehlendorf gefchrieben eine Berunstaltung des Städtebildes darstellt. Immer flarer tritt worden ist, wird durch unser Bild bestätigt. Dem deutschnationalen| hervor, daß der Bau der„ Gagfah"-Siedlung für die Gegner der Bürgermeister Dr. Schuhmacher von Zehlendorf und der unter starkem Einfluß des deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes stehenden„ Gagfah" kam es mit dem Bau ihrer Siedlung darauf an, das Wert der Architekten Bruno Taut , Salwisberg und Hering, die Zehlendorfer Großfiedlung der„ Gehag", zu verschandeln. Das abgeschlossene Bild der nach modernsten Grundfäßen gebauten Siedlung der„ Gehag " muß an Wirkung verlieren,
gemeinnütißigen Bautätigkeit und der modernen Wohnungsarchiteftur eine politische Aufgabe war, die ihnen insoweit gelungen ist, als fie tatsächlich erreicht haben, daß der geschlossene Eindruck der neuen Architektur vollkommen zerstört worden ist. Bedauerlich bleibt es nur, daß der Architekt Tessenow, unter dessen Leitung 18 andere Architekten an der„ Bagfah"-Siedlung mitgearbeitet haben, mit seinem guten Namen diese ganze Sache decen läßt.
Das Rätsel um Löwenstein.
Nur ein Manöver des Großbankiers?
mit welcher Strenge vorgegangen wird, dafür ein Beispiel: Das geheimnisvolle Berschwinden des belgischen Banfiers| gischen Grenze eingeschlagen. Erst später sei es umgekehrt und bei Für die Eintragung in ein Register wird( Art. 6) ein vom Präfet. Löwenstein beschäftigt noch immer in hohem Maße die französische Dünkirchen gelandet. Dort seien gestern zahlreiche Journalisten fen ausgestelltes Siffenzeugnis über die politische Haltung verlangt. Dabei fann der Präfett selbst die Streichung eines bereits einge- Presse. Man diskutiert eifrig die Umstände, die für einen Selbst eingetroffen, um diesem Gerücht auf den Grund zu gehen. tragenen Mitglieds verlangen. Man muß nicht erst hinzufügen, daß der faschistische„ Apparat" über die verschiedensten disziplinären
Strafmöglichkeiten verfügt.
Kennen die ausländischen Journalisten, die auf Einladung von Mussolini nach Italien tommen, um das faschistische Regime zu preisen, diese Dinge?
Sie mögen jedenfalls nicht vergeffen, daß das faschistische Gesetz für( oder besser gesagt gegen) die Journalisten sich nicht nur auf die Redakteure politif her Zeitungen bezieht. Es ist ebenso streng gegen die Publizisten" geri htet, b. h.( Art. 4) gegen jene, die neben ihrer journalistischen Tätigkeit noch einen anderen Beruf ausüben usw. Das bedeutet( Art. 4), daß selbst ein Mann der Wiffenschaft, ein großer Arzt, ein berühmter Techniker, be: fich in das Register der Journalisten eintragen ließ, um an einer Revue der eine reinen Fachzeitschrift mitzuarbeiten, als antinational" gestrichen werden und der Möglichkeit beraubt werden tann, jene Entfaltung einer öffentlichen Tätigkeit" Borzunehmen, die ihm, entsprechend seinen Ideen als Wissenschaftler oder Techniter, am geeignetsten scheint.
Aber die Angst, die dem faschistischen Regime alle reaftionären Bejege zur Unterbrüdung des Landes diftiert, macht schließlich wie immer, lächerlich. So das Gefeß vom 8. März 1928, Nr. 383. Ein richtiges Gefes, so daß sich nicht nur die Mitglieder der Regierung, fondern die gesamte faschistische Gesetzgebung dadurch
mord oder für einen Unfall sprechen. Die Theorie des Selbstgestern in Croydon und Le Bourget angestellt wurden, einwandfrei mordes hat dadurch Unterstützung gefunden, daß Versuche, die ergeben haben, daß die Oeffnung der Außenbordtür unmöglich ist. Daneben hat man in wachsendem Maße die Möglichkeit ins Auge gefaßt, daß es sich um ein Manöver Löwensteins handeln fönne. das Gerücht umläuft, der Bankier habe das Flugzeug an einer So gibt das„ Deuvre" auf die Meldung wieder, daß in Dünkirchen einsamen Stelle bei Bray verlassen. Das Flugzeug sei dann aber wieder aufgestiegen und habe zunächst die Richtung nach de: bel
lächerlich machen. Es verbietet den Leuten, sich so zu nennen, wie fie wollen. Es gibt vor, verbieten zu wollen, den Kindern Schimpf oder Scherznamen" zu geben( Art. 1), aber zugleich verbietet es auch, ihnen Namen zu geben, die das„ nationale oder religiöse Gefühl beleidigen" fönnten. Es ist also vers boten, sich Giordano Bruno zu nennen. Berboten sind auch die tamen Ferrer und Lucifer, die in Italien nicht selten sind. Man darf auch nicht als Vornamen den Namen von Helden oder Märfyrern des Antifaschismus oder der proletarischen Bewegung verwenden, wie Marg, Bakunin , Lenin , Matteotti , was Hunderte von Leuten in Jtalien tun.
Macbeth fürchtete sich vor einem Gespenst. Die Faschisten haben schon vor einem einfachen Namen Angst. Sogar vor einem bloßen Bornamen! G. E. Modigliani .
daß das Flugzeug Löwensteins um 19.20 an der französi Der Berichterstatter des Journal" in Calais weist darauf hin, chen Küste gelandet ist, nachdem es die etwa 200 Kilometer lange trede zwischen Croydon und Dünkirchen in einer Stunde elf minuten zurückgelegt hatte. Es sei daher unmöglich, daß der Flugzeugführer seinen Herrn irgendwo in England, an der
belgischen oder französischen Küste abgesetzt habe, da sonst die für den Flug benötigte Zeit zu sehr überschritten worden wäre. Die Annahme eines Verbrechens müsse gleichfall von der Hand gewiesen werden.
Um den Dauerflugrekord. Die Junkersflieger 57 Stunden in der Luft.
Die Juntersflieger Risticz und 3immermann befinden sich mit ihrer Maschine noch immer in der Luft. Sie haben auch heute vormittag mitgeteilt, daß an Bord alles wohl sei. Die Maschine fliegt bereits über 57 Stunden. Wenn die Piloten noch bis heute nachmittag 4 Uhr durchhalten, so wird der Dauerflugreford wieder im deutschen Befih sein. Wie uns versichert wird, ist es durchaus wahrscheinlich, daß die Maschine erst gegen Abend landen wird.