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Selbstfritif in Sowjetrußland.

Unerfüllte Aufgaben der Industrie.

Selbstfriti! ist im Augenblick in Sowjetrußland Tagesparole; fie füllt ganze Spalten der Sowjetblätter und erftredt sich auf alle er­denklichen Gebiete des Lebens. Die Pramda" vom 21. Juni be= faßt sich in einem ausführlichen Artikel mit den Aufgaben der In­dustrie, die sie mit der selbstkritischen Sonde untersucht.

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Die Pläne der staatlichen Industrie in Sowjetrußland für das Jahr 1928/29 sehen eine Erhöhung der Produktion um 18,2 Proz. vor. Ohne Rationalisierung, so erklärt die Prawda", ist diese Steigerung der Staatsbetriebe vollkommen unmöglich. Wie sieht es aber auf dem Gebiete der Rationalisierung aus, fragt fie, und kommt zu folgenden sicher nicht erfreulichen Ergebnissen:

Die Rationalisierung macht äußerst langfame Fortschritte. Die Arbeiten auf diesem Gebiete entbehren nicht nur des Enthusiasmus, sondern auch jeglichen erhöhten Interesses. Anstatt die gesamte Energie für den Kampf gegen den hier herrschenden Indifferentismus aufzuwenden, wird sie in der Suche nach den Schuldigen" ver pulvert. Der Zweck der Uebung ist dabei nur, die eigene Untätigkeit zu rechtfertigen.

Die Gewerkschaften haben es nicht verstanden oder sind einfach nicht gewillt, selbst die Arbeit innerhalb der Produktionsberatungen zu rationalisieren. Anstatt die Fehlerquellen des langsamen Ratio­nalisierungstempos aufzudecen, wird hier des langen und des breiten über die allgemeine Wirtschaftslage diskutiert.

Die Konstruktionsbureaus führen ein jämmerliches Dasein; die Ingenieure und Technikerfonstrutteure laufen einfach davon; in den Fabrikationslaboratorien wird dermaßen gespart, daß es faft einem Berbrechen gleichkommt. Zwar fehlen zur Schaffung einer großen Anzahl von Laboratorien die nötigen wissenschaftlichen Kräfte; doch selbst dort, wo fowohl diefe als auch Geld und die erforderlichen Räumlichkeiten vorhanden sind, werden Laboratorien nicht ins Leben gerufen. Mehr noch: die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschungs. arbeit werden in der Fabrikpragis einfach nicht ausgenugt. Wiffen­schaftliche und technische Literatur wird nicht verlegt. Der wissen­schaftlichen Forschungsarbeit fehlt die Leitung.

Soll man etwa unter solchen Umständen auf dem Gebiete der Rationalisierung eine Belebung erwarten? Es ist natürlich unmög lich, sie von heute auf morgen durchzuführen. Sie macht eine ganze Reihe von Maßnahmen notwendig. Aber jede dieser Maßnahmen muß wissenschaftlich vorbereitet werden. Indes erhalten die Er­finder von den wissenschaftlichen Forschungsinstituten weder Unter­ftühung noch materiellen Ansporn. Was soll man dazu sagen, daß eine Erfindung, die 1100 Mart Ersparnisse gibt, dem Erfinder nur 55 Mark bringt, oder daß die Ersparnis von 1000 Mart mit einer Brämie von 152 Mart bezahlt wird. Ist es etwa angängig, daß eine Verbesserung, die an einer Fabrik bereits drei Jahre angewandt wird, auf einer anderen völlig unbekannt bleibt. Derlei Beispiele gibt es aber mehr.

aqui Amerikanische   Filme.

Jackie, der Schiffsjunge.

Ufa- Palast am 300.

irisches Talent. Die letzten Filme deuteten eine Gefahr für Jackie

Aus Kindern werden Leute. Auch Jadie Coogan ist nicht mehr the kid", das Kindchen mit Bonnies, zerrissenem Sweate: und Ballonmütze. Jezt, nach beinahe zweijähriger Pause, spiel: er einen Bierzehnjährigen, einen Schiffsjungen, oder besser, Hotel­stößt mit einem Eisberg zusammen und fintt. Ein paar Moment­pagen auf dem Schnelldampfer Queenland". Dieser Dampfe: aufnahmen aus dem Schiffsleben, verknüpft mit einer alltäglichen Filmhandlung, die aber den Schauspielern Gestaltungsmöglichkeiten biete:. Ein Manuskript, nicht schlecht und nicht überragend. Aller­dings bleibt die Rührung, mit der die üblichen Jackie- Filme auf­warten, auf ein Minimum beschränkt.

Jadie Coogan steht nicht beherrschend im Vordergrund, wie etwa im Bon von Flandern" oder im Oliver Twist", er hat Partner gefunden, er ist seine Primadonnenstellung enthoben und einem Ensemble eingeordnet worden. Dieses Ensemble setzt sih aus ausgezeichneten Darstellern zusammen, wie Lars Hanson  , Roy d'Arcy und Paul Hurst, Männerspieler, die über die typis he Haltung des dargestellten Berufs zur individuellen Aus­prägung der Gestalt gelangen, und das Bunder geschieht, daß sich Jackie hält, nicht aus dem Rahmen herausfällt, daß er als völlig Gleichberechtigter anzusehen ist. Gerade, weil er nicht mehr als Wunderkind in Großaufnahme serviert wird, sondern als ein Schau­spieler unter Schauspielern dasteht, zeigt sich sein großes, darlle­

Merkwürdige Heilige.

Ja, felbst die elementarsten Maßnahmen sind noch nicht ins Leben umgesetzt. Eine einheitliche, ganze Gebiete umfaffende Ber­sorgung der Fabriken mit Heizmaterial und Rohstoffen ist noch nicht durchgeführt; die Standardisierung in einzelnen Produktionszweigen, wie auch die Spezialisierung befindet sich buchstäblich in den Kinderschuhen; von einer richtigen Verteilung der technischen Kräfte ist man noch immer weit entfernt; der Mangel an solchen Kräften ist noch äußerst groß, während es andererseits eine große Anzahl arbeitsloser Spezialisten gibt. Kommt in Deutschland   ein Spezialist auf einige wenige Arbeiter, so sind es in Rußland   einige Dußend. Troftlos gestalten sich auch die inneren Beziehungen der Wirt­inneren schaftsorgane untereinander. Die Syndikate beschneiden in hohem Maße die Selbständigkeit der Truste; diese wieder spielen die Herren den Fabriken gegenüber. Ungeachtet der ergangenen Inftruftion find die Fabriken auch heute noch der erforderlichen Initiative be­raubt. Ein Austausch der Erfahrungen zwischen den einzelnen Berken besteht nicht. Der maschinelle Betrieb wird nicht voll aus­genutzt; in vielen Fällen nicht mehr als zu drei Bierteln. Ungeheuer hoch ist auch der Prozentsaz des Ausschusses; auf einzelnen Fabriken felbft 14,17 bis 22% Broz. Der unökonomische Berbrauch von Heizweigerten, Dienst mit der Waffe zu verrichten. material bedeutet Jahr für Jahr einen Schaden von Millionen Rubel. Nicht gering ist auch der Schaden durch die unrationelle Art der Instandsegung der Fabriken und das Blaumachen der Ar­

beiter.

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So die Klagen der ,, Prawda".

Theater der Woche.

Bom 7. bis 16. Juli. Volksbühne.

Theater am Bülowplah: Orpheus in der Unterwelt  . Theater am Schiffbauerdamm: Der Kuhhandel.

Theater mit festem Spielplan.

Deutsches Theater: Artisten.

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Die Komödie: Es liegt in der Luft. Theater in der Königgräher Straße: Leinen aus Irland. Theater des Westens  : Die ungefüßte Eva. Komische Oper: Zieh' dich aus. Luftfpielhaus: Die Reise durch Berlin   in 40 Stunden. Leffing- Theater: Spiel im Schloß. Zentral- Theater: Bei mir machts nur die Liebe. Neues Theater am 300: Frühlingsmädel. - Renaiffance- Theater: Das Bett. Residenz- Theater: Standal im Bett.

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Theater mit wechselndem Spielplan. Komödienhaus: Broadway. 12., 13. Der Herr Präsident. Deutsches Künstler- Theater: Bis 11. geschlossen. Ab 11. Es tommt jeder dran. Kleines Theater: Galante Nacht. Ab Sonntag: Das Sprungbrett der Liebe. Rose- Theater: 9., 14. Konzert und bunter Teif. 10. bis 13. und 15. Der Fürst von Pappenheim.-Thealer in der Klosterstraße: 7., 8. Der fröhliche Weinberg. 9., 12., 15. Büchse der Pandora. 10., 11., 13., 14., 16. Die Schiffbrüchigen. Büchte der Bando 14% 16. Die 6

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Erstaufführungen der Woche.

Dienstag: Theater in der Riosterstraße: Die Schiff brüchigen. Mittwoch: Deutsches Künstler Theater: Es kommt jeder dran. Donnerstag: Komödienhaus: Der Herr Präsident.

Eine ruffische Gefte in Kanada  .

Die Einwohner von Ottawa   in Britisch- Columbia find empört: seit einiger Zeit laufen Männlein und Weiblein aus dem Orte Nel­jon splitternact herum. Diese merkwürdigen Menschen gehören zur Sefte der Douchoborzen" und sind russischer Herkunft. Es ist eine nach Tolstoischen Lehren gebildete religiöse Gemeinschaft, die in Ruß­ land   schwere Verfolgungen zu erleiden hatte, weil ihre Anhänger sich

Als die Verfolgungen seitens der russischen Regierung vor etma 30 Jahren zu arg wurden, wanderten etwa 7000 Menschen dieser Religionsgemeinschaft nach Kanada   aus. Seit etwa 10 Jahren hat die übrige Einwohnerschaft des westlichen Teiles von Kanada Ge legenheit gehabt, an diesen sonderbaren Heiligen Wergernis zu neh­men, die ein unstetes Leben führten, meist im Freien übernächtigten und sich nur fümmerlich ernähren. Ihre Predigten halten sie heute noch in russischer Sprache.

Mehrmals ist berittene Polizei gegen sie eingeschritten, aber er­folglos. Wollte man dieser Sefte das Handwert legen, müßte man alle ihre Anhänger einsperren, erklärten die Ortsbehörden. Im übrigen erkennen die Douchoborzen" feinerlei Obrigkeit an, zahlen meder Miete nod) Steuern und nehmen weder Nahrung, die von toten Tieren herrührt, zu sich, noch fleiden sie sich mit Stoffen oder Belzen, weil diese ja auch nur durch Raub oder Mord, an unschuldi­gen Tieren begangen, erhältlich wären.

Eine neue Handschrift Marco Polos  .

Der Bericht, den der erste Weltreisende der neueren Zeit, Marco Bolo, über seine fabelhaften Fahrten und Abenteuer gegeben, war bisher nur in einer Handschrift aus dem Besiz der Familie Ghisi bekannt, die von Ramusio   zum Druck befördert worden war. Diese Aufzeichnungen waren aber sehr lückenhaft. Nun hat der italie­nische Gelehrte Luigi Foscolo Benedetto   ein andere Handschrift der Reisen Marco Polos   in der Ambrosianischen Bibliothek zu Mailand  aufgefunden, die bis um das Jahr 1400 zurückgeht und eine voll­ständigere Darstellung der Abenteuer des venezianischen Reisenden enthält. Besonders finden sich hier merkwürdige Aufzeichnungen über die Sitten der Russen. Diese Handschrift hat Benedetto einer neuen Ausgabe zugrunde gelegt, die jetzt erschienen ist.

Reichsunterfti hung für bildende Künstler. Der Reichsverband bildende Künstler Deutschlands   bat vom Reichsministerium des Innern eine Beihilf bon 38 000 Mt. zur Behebung der Notfände der deutschen Kunst erhalten. Die Gelder sollen in ciften Linie den in Not geratenen, gealterten Stünstlern zugute fommen.

an, die Gefahr, maniriert zu werden, immer wieder mit den bitten­den Kinderaugen und den Ponnies zu fofettieren. Diese Gefahr scheint überwunden zu sein, denn Jackie wirkt auch ohne die ge­wohnten Requisiten, und er wirft, wenn er etwa bettelnd seine Hände ausstreck: oder in Todesangst um Hilfe schreit, durchaus echt, ohne eine Spur von Pose oder einstudierter Gefte, er ist eben eine

große Begabung von föstlicher Naivität, und dieser Film liefert dazu den Beweis, denn hier spielt Jackie zum ersten Male als Part­ner bedeutender Gestalter.

Der Regisseur George Hill verliert sich nicht in dekorative

Einzelheiten. So deutet er den Shiffsuntergang nur an. Er fon­zentriert das Interesse allein auf den Kapitän und auf Jackie, und gibt keine Ausmalung des Kampfes um die Rettungsboote. Dies Beispiel für viele. Andererseits ein Tasten, da auch das Manuskript teine bestimmte Form aufweist und zwischen Handlung und Genres bild nicht den richtigen Ausgleich findet. Aber wenigstens bemüht fich Hill um eine sachliche, referierende Regie.

Bei der Erstaufführung sang der Brooklyner deutsch  - amerika­nische Gesangverein Arion". F. S.

Gier nach Geld.

Die Kamera."

Die Ger   nach Geld" hat eine beispiellose Geschichte, denn die Unbeliebheit des Regisseurs Stroheim ließ man diesen Film entgelten. Bei seiner Uraufführung im Ufa- Palast am 300 vor Jahresfrist pfiff man nicht nur, sondern das Publikum stand gefchloffen auf und verlangte sein Eintrittsgeld zurück, so daß die Aufführung unterbrochen werden mußie und der Film vom Spiel­plan abgesetzt wurde.

,, Die Kamera" jedoch, die unentwegt nach Edelgut fischt und stets sogenannte alte" Filme laufen läßt, bringt jetzt diesen um­strittenen Film heraus. Borweg bittet die Direktion das Bublifum, es möge weder pfeifen noch schelten, denn auch das Häßliche habe feine Berechtigung in der Kunst. Und dann erzählt der Film selbst von Trina, die aus fleinen Verhältnissen stammt, Geld gewinnt und durch den Besitz des Geldes in die Angst gerät, ihren Reichtum zu verlieren. Sie macht ihrem Mann das Leben zur Hölle, und er wird schließlich zum Raubmörder an ihr. Er geht in die Wüfte, wo er und sein Rivale, Trinas ehemaliger Verlobter, verenden und ungenutzt liegt das Geld im Wüstensand.

,, Dieser Film reißt dem Kleinbürgertum die Maske vom Gesicht," so behauptet man in der Ankündigung. Das ist falsch. Dieser Film schildert nur seelisch krante Menschen. Desgleichen geht durch die realistische Darstellung ein Riß, wei! Stroheim   zu viel mit Symbolen arbeitet und sich dabei grobe Unmöglichkeiten zuschulden kommen läßt. Fabelhaft ist er in der Schilderung von Kleinigkeiten, doch läßt er sich dadurch leider zu störenden Längen perführen. Alles in allem löst er sich von der Schablone. Das ist heute wirklich eine Tat. e. b.

Russische   Historiferwoche in Berlin  .

Am 7. Juli wird im Gebäude der Preußischen Akademie der Wissenschaften eine Russische histori termo che und zugleich die Ausstellung ,, Die Geschichtswissenschaft in Sowjet. rußland 1917-1927" eröffnet. Bekannte Geschichtsforscher der Sowjetländer werden in der Woche vom 7.- 14. Juli im Ge bäude der Preußischen Akademie Vorlesungen über ihr wissenschaft­liches Gebiet halten. Unter den Gelehrten finden sich sowohl Ber­treter der alten Richtung der Geschichtsforschung wie auch solche, die der neuen Richtung angehören. Beranstaltet sind die historikerwoche und die Ausstellung von der Deutschen Gesellsd, aft zum Studium Dsteuropas.

Die Schreckenstammer" der Frau.

Ein originelles Museum ist jetzt in London   eröffnet worden. Die Frauen waren jeher und sind noch heute geneigt, um der Mode zu folgen, die schlimmsten Opfer zu bringen. In früheren Zeiten haben sie Korsetts ertragen, die ebenso starr waren wie Küraffe, und heute noch legen manche Gürtel um, um schlank zu erscheinen, die faum geringere Marterwerfzeuge darstellen. Das englische   Mi nifterium für Hygiene har daher ein Museum eröffnet, das als die Schreckenstammer der Frauen" bezeichnet wird. Da sieht man allerlei furchtbare Mittel, die von Damen angewendet werden, um abzumagern oder auch um dicker zu werden oder ganz einfach um so zu bleiben, wie sie sind, und sonstige moderne Marterwerkzeuge der Frau. Man hofft, daß die Frauen, wenn sie ihnen so recht drastisch vorgeführt werden, in sich gehen und sich auf die Würde ihres Körpers befinnen werden, so daß sie aufhören, sich in dieser Weise zu mißhandeln.

Bibliothek der Stimmabdrücke.

Eine neue Waffe im Kampfe gegen das Verbrechertum hat man, wie berichtet wird, jetzt in Amerika   in der Methode der, Stimm abdrücke" gefunden. Die Besonderheiten einer Verbrecherstimme sind häufig dazu geeignet, die Wiedererkennung des Täters zu er möglichen. Es werden daher von allen Verdächtigen ohne deren Wissen bei einer gewöhnlichen Unterhaltung phonographische Stimmaufnahmen gemacht. Wenn man dann später über ein voll. ständiges Archiv solcher Stimmabdrücke verfügen wird, so wird man dieses dem Opfer eines Raubüberfalles vorführen und er wird, den Stimmen der der Tat verdächtigen Räuber zuhörend, dann diejenige erkennen fönnen, die ihm im Augenblicke der Tat ,, Hände hoch!" zurief. 1920

Sommer­

AUCH DIESER SONNTAG Ausstellung Kaiserdamm   NUR DER ,, ERNAHRUNG

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Von 9 bis 9 Uhr geöffnet( Einlaß bis 8 Uhr). Eintrittspreis: Erwachsene 1.50 Mk., Jugendliche 0.75 Mk. Familienkarten( für 2 Erwachsene und 2 Jugendliche oder 3 Erwachsene) 3.50 Mk., Kinder- Zusatzkarte 0.25 Mk.- BEI SCHÖNEM WETTER: KONZERT IN DEN FUNKTURMGÄRTEN

B.