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BERLIN Montag,

9. Juli 1928

10 Pf.

320

Der Abend

Erfcheint tågli anßer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin SW 68, Lindenstr.3

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Spätausgabe des Vorwärts

158 45. Jahrgang.

Anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeile 80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Postscheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H.. Berlin Nr. 37 536. Fernsprecher: Donhoff 292 bis 297

Die Kinospitzel der Reichswehr

Doppelposten gegen den Potemkin- Film.

Deutschnationales Kehergericht

RORATY

1

Auf Anfrage teilte uns das Reichswehrgruppentommando unter dem 3. April 1920 mit, daß dies Flugblatt nicht von der Reichswehr hergestellt, sondern von unbekannten Radfahrern an den Ka= fernentoren ausgeteilt" worden sei. Aber das Reichswehr­gruppenfommando fonnte durch nichts unsere Feststellung ent­kräften, daß die Berteilung dieses gefälschten und hochverräterischen Flugblattes seitens des Gruppenfommandos ruhig geduldet worden ist. Damals, als wirklich die Aufheizung der Reichswehr gegen die Verfassung beabsichtigt mar, verhielt sich das Berliner Gruppenkommando gänzlich passiv.

Ein Bombenattentat auf die Tscheka ? Was geht in Rußland vor?

Riga , 9. Juli( Eigenbericht). Aus Moskau ist hier die Meldung eingetroffen, daß am Freitag auf das Hauptverwaltungsgebäude der Tscheka ein Bomben­attentat verübt wurde. Angeblich sind diesem Attentat mehrere Menschen zum Opfer gefallen. Das Attentat wird mit dem Donezprozeß in Verbindung gebracht.

Eine Bestätigung dieser Meldung durch die amtlichen Moskauer Stellen liegt bisher nicht vor.

Politischer Mord in Bulgarien .

Zwei Opfer eines Revolverattentats.

Der Führer

Sofia , 9. Juli. ( Eigenbericht.) des mazedonischen revolutionären

Der Handlungsgehilfe Lambach wird verurteilt, sich in Komitees, General Protogeroff, wurde in der Nacht seinen eigenen Federhalter zu stürzen."

Was tut die Reichswehr ?

Zu der Tatsache, daß am Sonnabendabend einem Reichswehr­feldaten von einer in 3ivil befindlichen Militärstreife der Besuch des Potemkin- Films im Tauenhien- Palast verwehrt wurde, verbreitet das Reichswehrministerium eine Mitteilung, wonach diese Maß­hahme durchaus zu Recht erfolgt sei. Der Besuch dieses Films wurde im Jahre 1926 durch eine Berfügung des damaligen Reichs­wehrminifters Dr. Geßler für alle Reichswehrangehörigen untersagt, und dieses Verbot blieb auch bestehen, nachdem die Filmzenfur diesen Film nach Weglaffung einiger Szenen all­gemein freigegeben hatte. Auch Reichswehrminifter Gröner hat diese

Berfügung nicht aufgehoben.

Um ihre Durchführung zu überwachen, hat die Komman­dantur Berlin , nachdem der Potemfin- Film jeht erneut auf dem Spielplan auftauchte, das betreffende Lichtspieltheater von einer Reichswehrstreife fontrollieren laffen, die, um nicht unnöfig Aufsehen zu erregen, in 3ivil Dienst fat. Diese Maßnahme er­folgte, um Reichswehrangehörige, die in der Zwischenzeit neu ein­getreten waren und das Verbot des Filmes nicht fannten, vor Strafe zu bewahren. Selbstverständlich darf die Streife nur den Eingang des Theaters überwachen, nicht aber den Zuschauerraum betreten. Es bleibt die Frage offen, ob der unmittelbar am Eingang gelegene Kaffenvorraum des Theaters als ein öffentlicher Raum an-. zufehen ift und ob die Patrouille dort ihres Dienftes walten durfte.

bom Sonnabend zum Sonntag durch drei Revolverschüsse in den Kopf ermordet. Ein in seiner Begleitung be. findlicher Freund wurde ebenfalls getötet. Die Ver­folgung der Täter blieb bisher ohne Erfolg.

Schachty - Urteil.

,, Die Todesstrafe ist in Rußland bekanntlich abgeschafft. 3hr werdet daher zur physischen Vernichtung begnadigt."

Die Katastrophe der Angamos".

Gegen 300 Personen ertrunken.- 5 Gerettete.

Das furchtbare Dampferunglück, das sich in der Nacht zum Sonntag im Stillen Ozean an der chilenischen Küste ereignete, hat nach der Meldung des chilenischen Marineministeriums gegen 300 Tote gefordert. Die ganze Katastrophe spielte sich in wenigen Minuten ab, so daß nicht einmal funken telegraphisch Hilfe herbeigeholt werden konnte. Gerettet wurden nur vier Mann der Be­sagung. Der Kapitän des Schiffes erschos fich auf der Kommandobrücke, als er den Tod vor Augen sah.

GROSSER

Valparaiso Santiago

Demnach nimmt die Reichswehr für sich das Recht in Anspruch, fich über die Filmzensur des Reiches hinweg­zufezen, wohlgemerkt, nur dann, wenn es sich um Filme mit lintsradikalem Einschlag handelt. Traditions­filme" monarchistischen Charakters fallen nicht unter die Sonderzenjur der Reichswehr , die sogar mit Spigeln in XS 3ivil durchgeführt wird!

Reichswehrminister Gröner sollte schleunigst das Ver­bot des Potemkinfilms für die Reichswehr , das zu derart un würdigen Bevormundungsversuchen geführt hat, auf­heben. Es entspricht meder dem Geist der Berfassung, Deren Diener ja die Reichswehr sein soll, noch dient es dem Ansehen der Reichswehr .

Dazu noch eine Erinnerung: Bierzehn Tage nach dem Kapp­Butsch wurden vor dem Portal des Berliner Reichswehrgruppen. tommandos Flugblätter verteilt, unterzeichnet ,, Bertrauensleute der Reichswehr". Diese Flugblätter enthielten die gemeinsten anti­

Arauco

Valdivia

OCEAN

CHILE

BUENOS AIRES

ARGENTINIEN

ATLANT OCEAN

Augenzeugenberichte.

19684

Santiago , 8. Juli. Das Truppentransportschiff 2 ngamos" verließ Bunta semitischen Beschimpfungen der rechtsmäßigen Reichsregierung. Arenas an der Magellanstraße mit einer Besagung von 215 Mann

und 76 Passagieren, also insgesamt 291 Personen an Bord. Es war mit Kohle für chilenische Marineschiffe in den nordchilenischen Gemässern beladen. Die Paffagiere waren zumeist Arbeiter, die in Regierungsdiensten standen, mit ihren Familien. Der Sturm erhob sich spät am Tage. Stundenlang kämpfte das Schiff gegen Sturm und Wellen, aber schließlich wurde sein Ruder zerbrochen, so daß das Schiff vom Sturm davongetrieben und gegen die Felfen ge­schleudert wurde. Das war etwa 10 Uhr abends. Man versuchte, die Rettungsboote herabzulassen, aber als sie taum das tosende Wasser berührten, wurden sie umgerissen und die Insassen durch die Brandung gegen die Felsen geschmettert oder in das stürmische Meer hinabgezogen. Das Waffer drang mit großer Schnelligkeit in das Schiff ein, und drei Stunden, nachdem die Angamos" aufgelaufen war, war sie so gut wie unter den Wogen begraben. Das Schiff brach in zwei Stücke, und die wenigen.Leute, die sich noch an Bord befanden, wurden vom Strudel hinabgezogen.

Der Rekrut Jose Aguila, der auf einem Wrackstück an die Rüfte gespült wurde und jetzt im Hospital in Belen liegt, erzählte: Es herrschte schrecklicher Sturm, in dem das Schiff seine Manövrier­fähigkeit verlor. Etwa 300 Yards von der Rüfte entfernt wurde es zwischen zwei große Felsriffe geschleudert. Bis 1 Uhr früh schwebten wir zwischen Tod und Leben, während das Schiff sant. Unaufhörlich ließ die Angamos" die Sirene ertönen, aber es nahte sich keine Hilfe. Als es flar wurde, daß auch nicht die geringste Aussicht auf Rettung vorhanden war, wurden die Rettungsboote hinabgelassen, aber diese wurden von den Bogen mit solcher Gewalt hin und her geworfen, daß sie fast sogleich sanken. Meine Gefährten und ich selbst wurden nur durch die Gnade Gottes gerettet. Das einzige, woran ich mich erinnere, ist, daß ich mich an ein schwim­

Ansteigende Temperatur:

Gegen Mittag: 22 Grad im Schatten.