sx Unterhaltung unö ÄVlssen
Vellage des Vorwärts
Bankherr Löwenstein. Oer König der Kunstseide.
Er ist tot. Wie starb er? Woher kam er? Wohin ging er? Wer war er? Er war der kühnste Adler in den freien Lüften der internationalen Hochfinanz. Adler sind Räuber. Adler sind aber auch das Sinnbild des Mutes und der stolzen Einsamkeit. Und Symbol des Herrschens sind die Adler. Aha— herrschen— richtig getroffen: jawohl, der tote Bankherr Alfred Löwenstein war ein Herrscher: er beherrschte mit kühnem Mute, mit Trotz und Hohn- lachen die Börsen in London , Brüssel und Paris . Ein König war der tote Löwenstein, er war der König der europäischen Kunstseide — und er war der Herzog der spanisch-amerikanischen Elektrizitäts- werke. Eine unbändige Natur war er, ein Außenseiter der„soliden" alteingesessenen Hochfinanz: er war ein Kondottiere im Reiche der Aktien, ein Abenteurer war er. Seine Freunde sagen: Er war ein Finanzgenie. Seine Feinde sagen: Er war ein« Hornisse im Netz unserer sicher berechnenden Finanzkunst, er zerriß boshaft all die zarten Fäden unserer klugen Börsenpläne.— Er war ein SchSd- ling? Er war ein Genie? Für und wider. Ja und nein. Sicher aber war er ein Komet: ein Komet am nächtlichen Himmel des funkelnden Goldes. Und nun ist er tot. Alles ist vorbei. Wie starb er? Ueber der See. Er starb wie ein Seeadler, der vom Schicksal den tödlichen Schuß bekam. Aber was heißt hier Schicksal? Ist Schicksal nicht Zufall? Oder steht hinter den Menschen eine ewig und gerecht wallende Kraft? Ich weiß das nicht. Wer das weiß: der hat den uralten Stein der Weisen aus- einandergeschlagen— der hat die blaue Perle von den letzten Geheimnissen des Seins gefunden. Ja, über der See starb Alfred Löwenstein. Oder besser: in der See. Aus einem sausenden Flugzeug ist er herausgestürzt. Er fiel hinein in die Nordsee . Zwischen London und Brüssel . Aus tausend Meter Höhe— stürzte er ab. Der Propeller sang ihm das Todeslied. Warum starb Bankherr Löwenstein? Die einen sagen: Unglücks- fall. Die anderen wissen es besser: die triumphieren: Selbstmord! Und die dritten gar, die spinnen um seinen Tod schon die Sage, wie um den toten Kaiser vom Kyffhäuser : Er wird wiederkehren, er kommt zurück, in sein Börsenreich, ins Reich der Aktienwälder: der König der Kunstseide ist nicht tot, laßt euch nicht düpieren. Er wird aber nicht wiederkehren. Alfred Löwenstein ist mause - mausetot! Sein Leben. Warum ward er— wie er war? Ja. warum? Warum ward ich— wie ich bin? Und warum— lieber Genosse, wurdest du: wie du bist? Hier: Veranlagung, Erziehung und Um- weit! Das ist die große Drei: die uns alle geprägt hat. Alfred Löwenstein Dater. Der kam aus Deutschland , aus der Stadt Soest in Westfalen . Vater Löwenstein ist in Brüssel ein kleiner Geschäftsmann: Inhaber einer Wechselstube. Die sloriert— vom Handel mit Münzen schreitet Vater Löwenstein zum Handel mit Effekten: zum Handel mit Börsenwerten. Er ist nun Makler und kleiner Spekulant. Er hat glücklich geheiratet, eine Belgierin, in deren Adern brennt wallonisches Blut, freurige französische Rasse. Und dann ist das Kind da: Wir gratulieren! Wie soll das Kindchen heißen? Alfred. Alfred Löwenstein junior wächst als rundliches Bourgeois- söhnchen glücklich heran. Aus den grünen Wiesen vor Brüssel treibt er Sport, Fußball: Der Kibitz schreit und weißsilberne Wolken trei- den von der See her über den blaßblauen belgischen Sommerhimmel. Der Jüngling Alfred ist ein starker Bursche, klein— ober muskulös. Sportsmann. Auch schon Geschäftsmann. Unter der Leitung des Boters erwirbt er sich die ersten Sporen und Lorbeeren— an der Börse von Brüssel : Er oerdient, er spekuliert mit Glück. Glück wie Sonne. Aber das neidische Swrmwetter kommt herauf, unheil- schwanger, mit Wetterleuchten und grollendem Donner— Zickzack, der Blitz schlägt ein: Vater Löwenstein ist tot! Trauer zieht schwarz vor die Sonne des häuslichen und geschäftlichen Glücks. Alfred Löwenstein hat keinen Vater mehr. Er weint mit einem Auge. Aber die Väter leben doch in den Söhnen weiter? Der Sohn Löwenstein übernimmt das väterliche Effektengeschäft, er steigert dessen Rentabiliät, er erweitert den geschäftlichen Wirkungskreis, immer eine Stufe höher— und plötzlich staunt der junge Löwen- stein selbst: Er ist ein Bankherr geworden, ein feudaler Ritter des großen allmächtigen Kaisers, der da heißt:.Die Börse!" Der Krieg. Europa fällt in sich zusammen wie ein Kartenhaus: um- und eingeblafen vom Teufel Habsucht und von dessen Tra- banten: dem allgemeinen Militarismus. Das eingestürzte Karten- haus fängt Feuer: Europa brennt, an allen acht Ecken, piff-paff- pum: der Mord geht um— der Krieg: der Krieg! Alfred Löwenstein, wohin nun? Du lebst zwar in Brüssel , aber dein Vater war doch ein Deutscher. Jawohl. Und die Mutter war
französische Belgierin: feueräugige Wallonin. Das heiße Blut der Mutter überwiegt das kühlere Blut des nordischen Vaters. Alfred Löwenstein fühlt sich im Kriege als Belgier. Zunächst. Er steht gegen Deutschland . Wird er kämpfen? Ach was— Unsinn. Alfred Löwenstein will kein Blut, er will Geld. Gegen Deutschland , ja: aber Geschäft dabei machen. Töten? Nein, das überlassen wir dem .Musketenpöbel", der muß schießen: wie wir Herren kommandieren! Der Krieg. Der Krieg. Europa zittert und bebt wi« ein kochen- der Erbjenbrei: eine Teufelsküche: Schwefeldämpfe und giftige Gase. In dieser Teufelsküche walten ihres Amtes die kapitalistischen Köche. Einer von ihnen heißt Alfred Löwenstein. Er ist in London . Er organisiert(als Vertreter Belgiens !) mit britischen Finanzgrößen alle Wirtschaftskräfte: zum Widerstand gegen die �Hunnen", gegen die.Barbaren". Und alle Organisatoren werden reich. Schwer, schwer reich. Nur in London ? Vielleicht in Paris und in Berlin nicht? Der Krieg war für die Hochfinanz ein glänzendes Geschäft. In allen Ländern. Nun aber ist der Krieg vorbei. Der Krieg mit Waffen. Nun kommt der andere Krieg: der Krieg der Inflation, der Krieg des Hungers. Stinnes wird Papierherzog in Deutschland . Alfred Löwenstein wird Eoldherzog in Belgien . Ungeheuer reich sind beide: Aus Krieg und aus Inflatton heraus. Das Licht Stinnes wird schnell ausgeblasen, vom Rächer Tod. Aber das Licht Löwen- stein brennt auf zur wehenden Fackel. Löwenstein ist der Löwe der hohen Börsen, mit seinen gewagten Spekulationsgeschäften be- herrscht er die Finanz von London , Brüssel und Paris . Er spekuliert m Elektrizitätswerten, mit Glück. Er beleuchtet Spanien , Südamerika und Zentralamerika — dabei verdient er hundert Millionen, in blankem, schwerem Gold«. In blitzendem Golde. Aber da blitz noch etwas. Strahlenblitze, langgezogen wie silberne Sonnenstrahlen durch das Laub der Wälder. Dieses an- der« Blitzen sst das Geblitze des Seidenfadens, das blanke Ge- strahle der Kunstseide. Kunstseid«, leichte Bekleidung, ein« neue Industrie. Ein neues Erwerbsreich, das auf seinen König wartet. Hier ist er schon: der König, der belgisch « Großfinanzier, der Bankherr Alfred Löwen- stein! Er konzentriert. Um die Gespinste der Kunstseid« spinnt er seine Profitgespinste. Er verbündet die Kunstseid« zu einer Weltmacht. England, Deutschland , Italien , Belgien , Polen , Spa- nien— dann Holland — und selbst Kanada : alles, was Kunstseide produziert, das muß hinein in den internationalen Profitbund. „British Celanese",„Glanzstoff ",„Demberg",„Enta",„Breda ", „Tomaszow ",„Ceda Espana",„Tubize " und andere große Kunst- seidenzentralen: alle werden sie da» Ausbeutungsreich des Seiden- königs Alfred Löwenstein. Hunderttausend und mehr Menschen arbeiten— um den König der Seid« und dessen Vasallen ungeheuer zu bereichern. Mit den Arbeitswerten der Menschen treibt der Bankherr Schacher— wie mit alten Lumpen. Was ist der einzelne Mensch? Gar nichts. Das Aktienpaket— das heißt alles. Erfolg wechselt mit Mißerfolg. Löwenstein hat seine Feind«. Die stellen ihm ein Bein. Aber der König der Kunstseide steht gut und sicher, er steht aus marmornen Säulen— so glaubt man. Und doch gerät eines Tages sein Tempel ins Schwanken— der Tempel, den er dem Gotte Gold gebaut hatte. Säulen splittern— Archi- traoe senken sich— Tresore bekommen Risse— Goldströme verflüchten. Das war für den Bankherrn Löwenstein der Unglückstag zu London . Sein« Konzerne bluten, tödlich verwundet von seinen Feinden. Er stürzt! Und nach diesem Unglllckstag kam die Nacht, die letzte Nacht, die Nacht über der See. Alfred Löwenstein stürzt— zum zweiten Male, aus tausend Meter Höh«, er fällt heraus aus dem stürmenden Flugzeug, unten— die Tiefe der See: die hat mit ihrem schwarzen Rachen den König der Kunstseide gefressen, die Strömung treibt ihn fort— die Gedärme der See verdauen das arme klein« Menschlein. Alle» ist aus. Aber die Spindeln sausen weiter. Und die Sonne geht auf— und die Sonne geht wieder unter. Und über ollem vergänglichen Glanz des Goldes strahlt das bessere Gold: das Gold der jungen Sterne, die nichts anderes sind, als die Schritt der Ewigkett: Segen wächst den Menschen nur aus ehrlicher Arbeit! Aber diese Frage: Was bedeuten am Nachthimmel die Ko- meten? Auch sie schreiben in goldener Schrift, eine Schrift, die abseits oller sicheren Berechnung wächst. Und so eine Schrift schrieb in höherem Sinne der Bankherr Alfred Löwenstein. War er ein Genie— oder ein Schädling? Sicher war er kein Durchschnitts- mensch. Vielleicht war seine Persönlichkeit das Wetterleuchten einer herausziehenden sozialen Weltwirtschaft? Denn in der Konzen- tration blitzt die Zukunft. Allerdings kommt es darauf an: War- um man konzentriert! Max D o r t u.
in der Dlarf)h IStcaxn der Straße irrt betruvkeu. Bleiche Häuseruacht llmtcurmelt Seiuer Seele roarme Trädsal. Sterne tanzell, Änto heult, flamme Sä»de greifen Leere, Feuchte Lippen ächzeu Elend, Frau ist tot, ste starb am Nebel, Starb an Husten, diese Nacht. List das nicht ein Grund zum Saufen? Ja. das ist es. LNädchen ruft ihn: .kommst du? ,Äomm doch!"»Ja, Ich tomme," Eingehakt und abgefchaukelt. Stunden rinnen» Binder wimmern, Luge rollen,'Wolken wandern, lind das heilige Herz der Erde Schlnchzt nnd znrkt. _ D. Taschaat.
Der fliegende Holländer. Don Walther&. Oschilewsti. (Schluß.) „Vielleicht ist es nach Hause gefahren?" „Breikops, dämlicher!" spuckt« Schmitthenner Wittebald zu, der diesen Quatsch sich zu bemerken erlaubte. Recht hat er, hier lag nicht der Hund begraben. Er wird hinüber sein, dacht« heimlich schon «in jeder von uns, ohne es auszusprechen. Wo sollte er sonst auch hin sein? Das Wasser gibt keine Antwort und V«rkehrspoliz:tten stationieren noch nicht in der Südsee. Man soll sich nicht! vormachen, ein Traum narrt den anderen und ein« Hoffnung ist der anderen gram. Es war ein« lebhafte Nacht gestern, der Wind war breit und kräftig, und kann viel in den Arm nehmen. De. Regen war straff und peitscht« das Wasser auf, da wird sich unser„King" freigemacht haben und losgerissen sein. Der Ozean nahm ihn auf seinen Rücken und schüttelt« ihn hin und her, daß er ganz krank wurde und ritt mit ihm in den Tod. Kapitän Strumpeter und Wul - per, Kien und die anderen drei Leute wird er, wenn sie nicht schon früher von Deck geschlittert waren, mitgenommen haben. Ja, so wird es gewesen sein, dachte wohl ein jeder. Und es war sicher ein trauriges Begräbnis. Stellt euch vor, Jungen», fünf Mann und ein halber Knabe noch, liegen in banger Erwartung mutters«Ä.'n>leln aus dem Stillen Ozean , an einer der höllischsten Ecken der Welt, auf einem Dreckschiff, das man schon zu dreiviertel ausgegcbe.l hatte. und versuchen Löcher in die wüdf lotternde Regennacht zu schlagen, durch die wir zurückkommen müßten. Plötzlich reißt sich der KHt-n aus der verwünschten Umklammerung los, und haut in die See hin- aus,«ins unsichtbare Gewalt im Rücken. Strumpeter, Wulper und Kien können dos Schiff nicht halten, das Ruder bricht, die M:schine heult auseinander. Wer wettet da aus Sieg?. Erst spalteten sich die einzelnen Gliedmaßen, dann war er vollgepumpt und sackte ohnt Vaterunser in die Tiefe. Kein Stern hielt sein segnendes Kreuz über ven Rest der Besatzung, nur das Wasser wusch ihnen das Totenhemd. Außer uns kräht kein Hahn nach ihnen. Das ist dos ewige Elend mit der Seefahrerei. Die auf dem Land sterben vielleicht oft seliger, von den Angehörigen betrauert, und eine Hand, die der Tote geliebt hat, drückt ihm den letzten Dank in die Augen. Und dann haben sie alle«in Grab, wo man hingehen kann, und dann weiß, daß er der Erde vermählt ist, so wie er ge- worden. Unsereinen fällt der Typhus an und man stirbt auf den Brettern und wird über Bord geworfen, um nicht die Pest zu sein, die die anderen Iungens' auffrißt. Oder man platzt vor dem Kessel, weil einem die Hitze ins Herz steigt und alles ouseinairderreißt. Er- innett ihr euch an den langen John? Das war ein Kerl wi« ein Ouerbaum, aber zehn Jahre Asienfahrt haben ihn ausgedörtt, Ma- laria, Arbeit, wenig Schlaf, Syphilis, Regen, Hitze, Wetter und Wind, das die Haut brach, der Rest ist zum Kotzen. Mit eingezogenen Schultern rattetten wir wieder noch Tahiti . Dieses Schicksal überkam uns schwerer als wir es gewohnt waren. Steif von Müdigkeit, Hunger und stillem Gedenken stolperten wir das Land hinauf. Wir wurden mit Hallo empfangen, man schien irgendwie Bescheid zu wissen. Ein Kerl rief uns an, daß ein schotti- scher Petroleumdampser, der von den Hebriden kam, in der vorigen Nacht einem leeren Wrack begegnet sei. Di« Leute warteten in der Pans-Bar auf uns. Wir kamen in Bewegung und eilten im Dauer- lauf nach Papeete . Ja, sie hätten gestern nacht einen schlimm zugerichtetn Dampfer gesehen, erzählte der schottische Steuermann. Es wird der„King Edward" gewesen sein. Nein, Leute schienen nicht an Bord zu sein. Sie hätten hinübergerufen, da sie ganz in der Nähe waren, obwohl sie sich vorsehen mußten, um nicht von ihm gerammt zu werden. Wmn er auch kein Fräulein sei, meinte der Schotte, aber es war ein höllisches Wetter, und dann nachts einem totgeweihten Kollegen zu öegegnen, das setzt sich in die Glieder und juckt einem etwas unheim- lich de» Körper hinauf. Sie mußten selbst sehen, nach hier zu kommen, und der„King" schlug auch nach Westen. Achtern schien er schon Wasser zu schleppen. Das den Leuetn vom„Prince of Wales" die Begegnung mit .unserem„Eimer" etwas unheimlich war, will ich schon glauben. Ich möchte selbst nicht so einem Tatenkops von Kahn, der mit«inge- drückt em Kalabreser, flatternder Mähne und einem Mantel, der die See aushebt, über das Wasser reitet, in so einer Nacht begegnen. Das ist immer kein gutes Zeichen. Wir sind nicht gerade abergläu- bijch, ich hob« schon«naiichem Gespenst die Gurgel geknackt, ober manchmal zieht es doch kalt den Rücken ein und es legt sich wi« Blei um die Finger, daß man sich nicht wehren kann. Die Gedanken, die man Hot, die Erfahrung, die einem angewachsen ist, rebellieren wohl sehr, ober was soll man tun, wenn das Körperlich« schlapp macht und nicht mit will? Unser„King" war nun endgültig verloren, das war eine abge- mochte Sache. Wir schrieben Ott und Zeit seines unglücklichen Hin- ganges in unser« Nottzbücher und soffen uns dann den Leib voll, um über den Dreck himpegzukommen. Anfang November bracht« uns der Schott«»Prince of Wales" nach Hamburg zurück. Wir waren
olle um einen Stein hätte? geworden und fluchten über die Dar- barei unseres Berufes, um uns schon zwei Wochen später für den „Senator", diesmal em funkelnagelneues Frachtschiff, da» nach New Pork gehen sollte, anzuheuern. Aber immer werde ich an die Fahtt von San Franziska nach Tahitt denken und keine Erttawurft be- kommt mich nochmal in diese Gegend." Da hatten wir nun unsere Geschichte, die un« ganz warm ge- macht hatte und die Nacht hindurch trinken ließ. Piepenfott wollte nun endlich die Bude zumachen: es ging auf 4 Uhr zu. Der Morgen stelzte blank herauf und putzte die verregnete Nase von St. Michael. Wir machten uns auf, ins Quartier zu trollen. All« waren schon draußen, ich blieb noch einige Minuten und mußt« noch einmal schleunigst weg: diese allzu menschliche Notdurft sollt« mir teuer zu stehen kommen. Die Kerl» hatten den Schnaps nicht bezahlt. Piepenkott hielt mich am Aermel. Da mußte ich schön heran, fluchend, aber das ist nun einmal so: den letzten beißen die Hunde.
Lltibeliebie Gchwiegereliern. Sittengesehe bei llnvalbzwergen, Negern und Kirgisen. Bei den seltsamen Zwergvölkern, die in den Urwäldern der malanischen Inseln leben, herrschen recht eigenartige Bräuche. So- bald«ine Heirat vollzogen ist, muß der Verkehr zwischen Schwieger- vater und Schwiegertochter ebenso wie zwischen Schwiegermutter und Schwiegersohn vollständig aushören. Das Gebot ist so streng,
daß man sich überhaupt nicht mehr nahekommen, geschweige denn einander sprechen darf, selbst dann nicht, wenn Eltern und Kinder in unmittelbarster Nähe wohnen. Der Forscher Schebesta, der kürzlich dos Leben dieser Urwaldzwerg« eingehend beobachtete, be- richtet, daß er selbst an einen der Zwerge die Frage stellte:„Wenn deine Schwiegermutter ins Wasser siele, dürftest du als Schwieger- söhn sie wenigstens retten?"„Nein," erwiderte der Zwerg,„ich müßte sie ertrinken lassen, denn ich darf sie ja nicht anrühren!" Aehnliche Gesetze bestehen auch bei den südasrikanischen Koffern: doch beziehen sich die Vorschriften dieser Stämme hauptsächlich auf Sprechbräuche. Keine Frau darf z. B. ein Wort aussprechen, das mit dem Namen eines ihrer Schwäger in Zusammenhang steht, während die Frauen eines anderen Negerstammes, der Iulus, nie- mals im Leben den Namen ihres Großvaters. Schwiegervaters oder Schwagers aussprechen dürfen. Bei den Jules sind, wie die Forschungen von Flora Kraus ergaben, die Sittengefetze sogar be- sonders streng: wenn eine Frau einen Schwager hat, in dessen Namen etwa die Silbe„ja" vorkommt, darj sie das Wort„Jung- geselle", das„mkenjo" lautet, nie gebrauchen und muß es immer durch ein anderes Watt umschreiben. Die Frauen sollen aber durch die lange Uebung eine große Gewandthett erlangen, verbotene Worte und Silben zu ersetzen und manchmal viel Poesie in die erzwungene Sprache bringen. Auch bei den Kirgisen im asiatischen«utzlond gilt es für sehr unschicklich, wenn eine Frau den Namen eines ihrer männlichen Verwandten ausspricht: das ist aber um so schwerer zu vermeiden, als die Männer der Kirgisen oft die Namen von Gegen- ständen oder Tieren führen. Heißt also der Schwager einer Kir- gisin„Messer", so muß sie ihr Leben lang für die Bezeichnung Messer ein anderes Wort wählen,