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Mittwoch 16. Zuli 1928 Groß'Äerlin IN Pf. Auswärts-15 Pf.
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Mexiko , 17. Juli. (MTB.) Der neugcwählte Staatspräsident Obregon , der am 1. Dezember sein Amt antreten sollte, ist er- mordet worden. Die Ermordung erfolgte bei einem Bankett in einem Restaurant nahe der Stadt kurz nach 2 Uhr nachmittags. Der Täter wurde verhaftet. Obregon wurde durch fünf Schüsse in den Leib getötet.
Solange keine weiteren Einzelheiten über die Person und die Beweggründe des Täters vorliegen, bleibt man auf Vermutungen angewiesen. Die nächstliegende Annahme kann natürlich nur dahin gehen, daß der Mörder aus dem Kreise derer stammt, die gegegen das Regime Calles- Obregon einen offenen Bürger- und Bandenkrieg ent- fesselt haben. Das sind jene fanatisierten gläubigen Katho- liten, Indianer oder Mischlinge, die im Interesse der geistigen und vor allem der materiellen Vorherrschaft der Kirche schon manche Gewalt- und Greueltat begangen und schon manchen Putsch versucht haben. Alle diese Revolten, die im ver- gangenen Jahre besonders bedrohlich aussahen, sind von den jetzigen Machthaber» unbarmherzig niedergeschlagen worden. Die Führer wurden nach ihrer Gefangennahme ausnahmslos erschossen, darunter auch der General Alvarez, der als Gegenkandidat gegen Obregon für die Präsidentschaftswahl in Aussicht genommen war. Durch diese gewaltsame Beseitigung seines Gegners hatte Obregon seine Wahl zwar im voraus gesichert, aber auch moralisch entwertet. Der Grad des Fanatismus, der auf beiden Seiten in diesem mexikanischen Büraerkrieg entwickelt wurde, geht schon aus der geradezu verblüffenden Gelassenheit hervor, mit der die Führer des Putsches seinerzeit den Richtplatz betraten. Die photographischen Aufnahmen dieser Hinrichtungsszenen zeug- ten bei den dem Tode geweihten Offizieren von einer für europäische Begriffe geradezu fabelhaften Todesver- a ch t u n g. Es wäre daher an sich kein Wunder, wenn aus dem Kreise der Anhänger oder gar der Angehörigen eines der Hingerichteten der Rächer entstanden wäre, der mit dem sicheren Bewußtsein der eigenen Vernichtung das Haupt der Gegenpartei hätte niederschießen wollen. Aber, wie gesagt, es handelt sich einstweilen nur um Vermutungen, und es wäre immerhin nicht undenkbar, daß die Tat das Werk eines weniger politisch-religiös, als rein pathologisch veranlagten Menschen wäre. Indessen gibt die Tatsache zu denken, daß, wie uns ein eigenes Telegramm aus Mexiko meldete, wenige Stunden vor dem Attentat vier Hinrichtungen von militärisch hochgestellten Putschisten stattgefunden hatten. General Obregon war im politischen Leben Mexikos älter und auch bekannter als sein Vorgänger Calles, dessen Nachfolger er wiederum jetzt werden sollte. Aber er stand nicht in so innigen Beziehungen zu der organisierten Ar- beiterschaft wie dieser. Während unter Calles die G e w e r k- f ch a f t e n einen maßgebenden Einfluß auch politischer Art ausübten, war zwischen Obregon und den Arbeiterführern eine Art Br u ch eingetreten, über den der„Vorwärts" kürz- lich in einem ausführlichen eigenen Bericht aus Mexiko ein- gehend berichtet hat. Ohne in ihren wirtschaftlichen Rechten
irgendwie eingeschränkt zu werden, sollten die Gewerkschaften ihre politische Tätigkeit einstellen, und sie hatten sich, wie es scheint, damit bereits abgefunden. Wie sich nun die weitere Zukunft gestalten wird, ist schwer zu sagen, aber nach den Erfahrungen der letzten Jahre muß man befürchten, daß eine neue Aera des blutigsten Bürger- und Guerillakrieges einsetzen wird. » Alvaro Obregon , der aus dem Jndianerstaat Sonora stammt, trat erstmals im Jahre 1920 als Gegner des bisherigen Präsidenten Carranza hervor. Als Haupt der Militärpartei, das er als General mar, kandidierte er gegen den von Carranza begünstigten Diplomaten Bonillas und erregte daher Aufstände im Süden gegen Carranza. Er hatte Erfolg, zumal auch der Gouver- neur von Sonora , Adolfo de la Huerta gegen Carranza auftrat. Carranza mußt« am 7. Mai 1920 aus Meriko fliehen und wurde in Tlaxcalatongo auf Befehl des Generals Herrero, bei dem er Schutz gesucht hatte, im Schlaf ermordet. Obregon seinerseits hatte ausdrücklich Befehl gegeben, Carranza zu f ch o n e n. Es wurde dann znnSchst de la Huerta provisorisch als Präsident eingesetzt, bei der endgültigen Wahl am S. September 1929 jedoch Obregon mit 99 Proz. aller Stimmen gewählt. Am 1. Dezember 1929 trat er sein Amt an. Seine Amtszeit verlief, abgesehen von einigen Ausständen, ohne besonder« Vor- kommnisse. Am 39. November 1924 lies sie in normaler Weise ab, und Casse, wurde sein Nachfolger. Inzwischen hat der Kongreß die Verfassungsbestimmung, wo- nach die Wiederwahl eines Präsidenten schlechthin verboten ist, im Ottober 192K aufgehoben. Die Verfasiung verbietet nunmehr nur noch unmittelbar aufeinanderfolgende Aintsperiaden desselben Präsidenten. Infolgedessen war die Bahn frei für seine Wiederwahl als Nachfolger von Calles, die übrigens im vollen Ein- oernehmen mit diesem erfolgte. Aufregung und Besorgnisse in Mexiko . Mexiko , 17. Juli. In der Stadt hat die Nachricht von der Ermordung Obregons die größte Aufregung und lebhafte Besorgnis hinsichtlich der politischen Folgen hervorgerufen. Präsident Calles hat sich auf die Nach- richt hin sofort nach der Ortschaft San Angel begeben, wo das Restaurant liegt, in dem die Bluttat geschah. Ueber die Persönlichkeit des bereits verhafteten Täters konnte bisher nichts festgestellt werden, da nur sein Vorname Jan bekannt ist. Bier Hinrichtungen wegen Hochverrats. Mexiko Cily.(Eigenbericht.) Bier Personen, darunter der Adjutant des Gouverneurs des Potofistaats in Loispotofi, wurden wegen Diebstahls von Militärmunition und deren Weitergabe an Rebellen vom Kriegs- gericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Neue Kämpfe. New Zork. 17. Juli. In P u e b l a kam es zu neuen Kämpfen zwischen Re- gicrnngstruppen und Ausständischen. Dabei wurden zehn Auf- ständische getötet und zwölf verwundet. Zliis L i b r e s kommen Meldungen über neue Kämpfe.
Neue Gpezialistenhah in Nußland. Verhaftungen von Ingenieuren im Kaukasus . Riga , 17. Juli. (Eigenbericht.) In T i f l i s sind eine ganze Reihe von Ingenieuren der Kautasus-Erzgruben verhaftet worden. Sie werden beschuldigt, in den Jahren 1921—1924 von den ehemaligen Gruben- besitzern hohe Geld Unterstützungen erhallen und den Gruben- industriellen Berichte über die Lage der russischen Bergbau- industrie geliefert zu haben. Teilamnestie für Autonomisten. Nur Nicklin bleibt weiter in Hast.— Amnestierung Oaudets und der Kommunisten abgelehnt. pari», 17. Juli. (Eigenbericht.) Der Ministerrat entschied sich am Dienstag dafür, weder die k« Haft befindlichen kommunistischen Abgeordneten noch den Führer der Action Francais«. Lson Daudet , anläßlich des Nationalfeiertages zu begnadigen. Auch der elfä'sifche Abgeordnete N i ck l i n ist nicht begnadigt worden, da er feine Berufung «cht zurückgezogen hat und zunächst der Spruch des Kosiationshofes
abgewartet werden fall.(Das hätte auch nach französischen Rechts- begrisien wenigstens eine Unterbrechung der Haft nicht hindern sollen, die gegenüber einem fast 79jährigen Abgeordneten besonders angebracht wäre. Red. d.„B.".) Der Abgeordnete Rv f j e und die beiden Autonomisten Schall und Faßhauer werden dagegen sofort auf freien Fuß gesetzt.
Vürgerkriegsgenerale bleiben gerüstet. Das Ende der Pekinger Militärkonferenz. Peking , 17. Juli. Die Pekinger Militärkonferenz ist nach Beröffentlichung ihrer rein theoretischen Abrüstungsvorschläge, die nunmehr der Gutheißung durch die Nantingregierung unterliegen, sang- und klanglos aus- einandergegangen. Feng-Vustangh hat Peking überraschend verlassen, nachdem von allen Sellen die Erklärung abgegeben war- den war, die Konferenz sei lediglich eine freun-dschaft- lich persönlich« Zusammenkunft gewesen, ohne Kanfe» renzchavatter und ohne die Absicht, bindend« Abmachungen zu tref. fen. Die üb n gen Militärführ«r bereiten ebenfalls ihre baldig« Ad- reise vor. Somit ist, abresehen von der Einigung über die gütliche Auseinandersetzung mit Mulden, für die Klärung der Lage nicht der geringst« Fortschritt erzielt worden.
Stalins Rückzug. Das Fiasko des linken Kurses. Bon peter Garwy. Der linke Kurs in Rußland hat die Volkswirtschaft in raschem Tempo in eine Sackgasse geführt. Die Diktatur be- findet sich plötzlich vor einem Abgrund. Es könnte scheinen, als ob der russische„Duce" Stalin zur Belehrung der Trotzki - Opposition eine Probe auss Erempel unternommen habe, um den Wahnwitz des linken Kurses anschaulich zu beweisen. Es ist fraglich, ob dieses Ziel erreicht ist. Immerhin hat das letzte verbrecherische Experiment, das am lebendigen Körper des russischen Volkes durchgeführt wurde, verderb- lichste Folgen gezeitigt. Die weitere Fortführung des linken Kurses drohte zu einem katastrophalen Schlußakt zu führen. Unter dem Druck der unüberwindbaren wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten versucht nun Stalin einzulenken. Es ist kein Zufall, daß der Beginn der Schwenkung nach rechts zeitlich mit dem kläglichen Fiasko des Schachty - Prozesses zusammenfällt. Der sinnlose Schachty-Prozeß war als eine Demonstration für den linken Kurs gedacht. Er sollte die Unerschütterlichkeit und Wachsamkeit der terroristi- schen Diktatur bestätigen und gleichzeitig die Unfähigkeit der herrschenden Partei, die Volkswirtschaft weiter zu führen, mit dem Hinweis auf die„Sabotage" und gegenrcvolutionäre „Verschwörungen" der Ingenieure einigermaßen bemänteln. Beide Ziele wurden aber nicht erreicht. Dogegen hat der Schachty -Prozeß sowohl die innere Schwäche der Diktatur als auch ihre wirtschaftliche Impotenz zum Vorschein gebracht. Damit wurde auch der linke Kurs, der diesen Prozeß in Szene gesetzt hat, vor der ganzen Welt endgültig kompro- mittiert. Aber der Schachty -Prozeß und sein klägliches Fiasko sind an sich nur Außenerscheinungen. Der jetzt be- ginnenden Schwenkung nach rechts liegen vielmehr tiefere sozialökonomische und politische Ursachen zugrunde. Es ist sehr charakteristisch, wie schnell sich im Vergleich zum Kriegskommunismus von 1918— 20 die Unmöglichkeit eines linkskommunistischen Kurses in der Gegenwart gezeigt hat. Nicht nur die außen-, sondern auch die innerpolitischen Verhältnisse haben sich seither grundsätzlich geändert. D a- m a l s bedurfte es der Zerrüttung der gesamten Landwirt- schaft und der Industrie, der ungeheuren Bauern- und Matrosenaufstände(Kronstadt!), um Lenin zum Aufgeben der linkskommunistischen Utopien zu bewegen. Jetzt genügt da- zu eine akute Wirtschaftskrise, begleitet durch„passive Re- sistenz" der Bauernschaft, die sich in der Form eines eigen- artigen Getreidestreiks geäußert hat. Es ist die Bauernschaft, die die linkskommunistische Versuchspolitik auch diesmal zur Kapitulation zwang. Die jüngsten spontanen Arbeitslosenunruhen in Moskau , wie die Arbeiterstreiks im Frühjahr 1921 spielten dabei nur eine sekundäre Rolle. Damit erklärt sich sowohl der rein Wirtschaft- liche Charakter der Konzessionen, die die Diktatur zu machen genötigt wird, als auch die Unzulänglichkeit dieser Kon- Zessionen. Eine radikale Wendung in Rußland kann nur unter dem organisierten Druck der Arbeiterklasse zu- stände kommen, die sich die Ablösung der terroristischen Dik- tatur durch die demokratische Republik zum Ziel stellt und alle demokratischen Schichten der Stadt- und Landbevölkerung um sich schart... Es ist freilich verfrüht, schon jetzt über die tatsächliche Aufgabe des linken Kurses, der auf dem 15. Parteitag ver- kündet wurde, festzustellen. Seit Lenins Tod sehen wir in Rußland keine folgerichtige Politik mehr. Seine Schüler und Nachfolger scheuen sich vor entschiedenen und kühnen Schritten in irgendeiner Richtung. Ihre Politik erinnert vielmehr an Rösselsprünge auf dem Schachbrett. Keine bestimmte, gerade Linie, nur Zickzack, Manöver, Schwankungen. Auch jetzt können wir nicht mit Bestimmtheit sagen, ob wir es mit einem dauernden neuen Kurs oder mit einem vorübergehenden Manöver zu tun haben. Aber schon jetzt darf mit Bestimmt- heit gesagt werden, daß der Spielraum für die Diktatur immer enger und die Manövrierfreiheit immer geringer wird... Immerhin stehen wir vor einer Schwenkung nach rechts. Diese Schwenkung kam für das russische Volk wie immer ganz unerwartet. In der„unerhörten Arbeiterdemo- kratie" hat niemand bis zur letzten Stunde den bevorstehenden „Uferwechsel" geahnt. Plötzlich erschien das bekannte Rund- schreiben des.Handelskommissars Mikojan , das es verbietet, die Bauern am Verkauf ihres Getreides auf den Kleinstadt- markten zu hindern. Plötzlich erschien in der„Prawda" eine Artikelserie, die den neuesten Rückzug Stalins in der Richtung der REP.„theoretisch" zu begründen sucht— natürlich mit dem. Hinweis auf das kautschukartige..Vermächtnis Lenins"! Ein verhängnisvolles Mißverständnis... Die gesamte Partei habe die Richtlinien des 1Z. Parteitages verkannt! Die �außerordentUchen provisorischen Maßnahmen" wurden „falsch als eine dauernde neue Politik ausgelegt und durch- geführt. Jetzt- führt die„Prawda"(Nr. 151) aus— gilt es, dies Mißverständnis zu erläutern. Jetzt gilt es, sofort undallerortsdie außerordentlichen Maßnahmen über-