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Die Probleme der Verjüngung.
Die Gegner des Verjüngungstheoretekers Doronoff sind in letzter Zeit stark gewachsen. Man stand in medizinischen Kreisen schon immer den Experimenten dieses, mit viel Reklomegeschrei arbeitenden Pariser Russen skeptisch gegenüber, und seine phantastischen Aeusjc- rungen, die selbst vom Laien als völlig unwissenschaftlich erkannt werden konnten, hotten zur Folge, daß die ganze Verjüngungstheorie stark diskreditiert wurde. Ernste Forscher, wie Prof. Stcinach hatten darunter sehr zu leiden, da besonders in Laienkreisen ihre ernsten wissenschaftlichen Arbeiten mit den mehr spielerischen Experimenten Voronoffs verwechselt wurden. Im Gegensatz zu Prof. Stemach, der bekanntlich seine ganze Theorie aus die Neubelebung der Setre- tion gewisser Hormondrüsen im menschlichen Körper stützt und diese Neubelebung durch einfache operative Eingriffe erreicht, hat Prof. Voronoff die Drüsen von Menschenaffen in den menschlichen Körper verpflanzt, um mit Hilfe dieser neuen Drüsen«ine Verjüngung zu erzielen. Deutsche Wssenschoftler haben in letzter Zeit sich dte Aufgabe gestellt, die Experimente Prof. Voronoffs einer genauen Kontrolle zu unterziehen. Ueber die aufsehenerregenden Ergebnisse dieser Untersuchungen berichtet in der deutschen Zeitschrist für Chirurgie Dr. W. Hoffmeister, der Assistent des bekannten Chirurgen Prof. Lexer in Freiburg . Dr. Hoffmeister hat die Experimente Prof. Voronoffs, die Uebertragung von Affendrüsen m den menschlichen Körper, die medizinisch unter den Begriff der Organtransplantation fallen, nachgeahmt und dabei eine genaue Kontrolle der Ergebnisse sowie auch der sich medizinisch abspielenden Vorgänge vorgenommen. An einem St jährigen Mann, bei dem sich die Anzeichen früh- zeitigen Alters: Hauterschlaffung, Ergrauung der Haare, körperlich- geistige Ermüdung bemerkbar machten, nahm Dr. Hoffmeister die Doronosssche Derjüngungsmethode vor. Einem Iava-Afsenmännchen wurden die Drüsen entnommen und dem Berjüngungskandidaten auf operativem Wege eingepflanzt. Dr. Hoffmeister bezeichnet den rein chirurgischen Vorgang als«in Kinderspiel�. Auch die Wundheilung ging ohne jede Schwierigkeiten.vonstatten. Obwohl also die Operation vollkommen einwandfrei vollzogen und gelungen war, zeigten sich bei dem Operierten jedoch keinerlei Verjüngungserfolige weder auf körperlichem noch auf geistigem Gebiete. Es war klar, daß die Neu- belebung der ümeren Sekretion, die durch die Ueberpflanzung der Drüsen des Java-Aeffchens hätte eintreten müssen, nicht erreicht worden war. Man entschloß sich deshalb, den Zustand der Drüsen
noch einmal zu überprüfen und dabei zeigte es sich, daß die Affen- drüse entweder teilweise vom Körper aufgesaugt oder zum aiideren Teil abgestorben war. Sie hatte also in keiner Weise auch die Organfunktionen der Drüse im menschlichen Körper übernommen; die Transplantation hatte sich lediglich auf die Zellgewebe erstreckt, ohne daß das Gewebe fein« Funktionen wieder aufgenommen hat:e. Diese Erfahrungen machten Dr. Hofsmeister stutzig, und er wiederholte die Experimente an Tieren. Er nahm einen dreizehn- jährigen Schäferhund, der schon typische Alterserscheinungcn zeigte und„verjüngte" ihn durch Einpflanzung der Drüsen eines LM-jährigen Schäferhundes. Wieder gelang dies« chirurgisch einfache Vperalion Schäferhundes. Wieder gelang diese chirurgisch einfache Operation etwa vier Wochen zeigten sich totsächlich Erscheinungen einer gewissen Verjüngung. Der ganze Organismus geriet in einen Reizzustand, und dieser Zustand hielt etwa drei Monate an, dann ober trat Plötz- lich ein vapider Verfall der Kräfte ein, so daß der Hund auf Wunsch seines Besitzers nach kurzer Zeit getötet werden mußte. In der Freiburger Chirurgischen Klinik unternahm man auch an diesem Beispiel ein« genaue Nachprüfung der Vorgänge, die sich nach der Drüsenüberpflanzung abgespielt hatten, und dabei wurde festgestellt, daß auch hier die Organübertragung praktisch nicht ge- lungen war. Die Drüsen des jungen Tieres hatten nicht etwa ihre Funktionen wieder aufgenommen, sondern lediglich die in ihnen aus- gespeicherten Hormone an den Körper des alten Schäferhundes weitergegeben. Diese Zuführung neuer Hormone hatte naturgemäß die beobachteten Bersüngungserscheinungen zur Folge, ober nachdem die in den Drüsen vorhandenen Hormone aufgesogen waren, entwickelte d«e Drüse keine neue Sekretion, so daß«in sofortiger und rapider Kräfte oerfall eintrat. Dr. Hoffmeister schließt daraus, daß die Behauptung Prof. Voronoffs, daß die Drüsen nach ihrer Verpflanzung ihre Tätigkeit wieder aufnehmen, irrig ist. Die Erfolg« der Doronoffschen Ver- jüngungsexperimente sind nach seiner Ausfassung lediglich durch die Tatsache zu erklären, daß mit den Drüsen zunächst neue Hormone dem Körper zugeführt werden. Es handelt sich also nicht um eine Neubelebung der Funktion, sondern lediglich um die Zuführung von Ersatzstoffen für die innere Sekretion, die nach einiger Zeit ver- braucht sein müssen, worauf dann der zeitweisen Verjüngung ein um so schnellerer Kräfteversall folgt.
Der mißratene Sohn. Von Wsewolod Iwanow . (Au« dem Russischen übertragen von Hans Ruoss.j Der Ast fang dieser wunderlichen Geschichte von dem kaukafl- I hen Bergführer Meschadi Faru Abas, genannt„der vergnügt« �.»ieschadi", liegt weft zurück in die Zeit vor dem großen Krieg. Der ruhmreiche Meschadi hotte eine herrliche Frau und ein prächtiges Pferd» auf den, er zweimal am Tage, des Morgens und des Abends, idurch die Stadt ritt, indes er die übrige Zeit im Kaffeehaus faß Junb wartete, bis russische Sommerfrischler es sich einfallen lassen würden, in die Berg« zu gehen. Was sie dort eigentlich so sehenswert fanden, ist bis auf den heutigen Tag unbekannt, doch erhielt Meschadi dafür Geld und heimst« zugleich den Dank der Frauen ein. Ja, es war sogar ein Tag, an dem er dreizehnfachen Donk von drei- zehn zufriedenen Frauen entgegennahm, wobei die letzte von ihnen sogar Tränen vergoß und ihn einlud, mit ihr nach Moskau zu fahren. Aber Meschadi war ein stolzer Mann— und warum sollte er auch ti« Berg « verlassen? Einds Tages nun bekam ein russischer General, ein schöner und ebenfalls vergnügter Mann, das Weib des vergnügten Meschadi zu Gesicht und war von ihrem Anblick so bezaubert, daß er darüber vergoß, sein« Soldaten exerzieren zu lassen: wie die Gemsen m den bergen, so strichen sie durch die Stadt und richteten solchen Schaden on, daß die Händler eines Tages zu Meschadi sagten: „Vergnügter Meschadi, du sitzest so lange zu Haufe, und der General langweilt sich in Erwartung der Zeit, da du das Haus ver- lassen wirst, wir aber haben nichts als Schaden von den Soldaten des Generals. Geh doch gleich am frühen Morgen ins Kaffeehaus, tnnk dort auf unsere Kosten Kaffee und befleißige dich des Würfel- spiets, auf das der General sich nicht zu longweileng brauche." Meschadi lächelte und sogt«, daß er schon lange aus dies« Ein- lodung gewartet habe. Und so saß er von jetzt ab im Kasfeehaus und langweilt« sich, ober er hatte kein« Soldaten, und so kümmerten sich die Händler nicht um seine Langeweile. Doch plötzlich erfüllte Gebirglerstolz die Seele Meschadis, und er beschloß, sich zu rächen. Gr kauft« sich einen schönen Dolch, umgürtete sein« schlanken Hüften, ging zu der Generalsgattin und sprach, die Hand am Dolche: „Ich habe in den Bergen einen Felsen von noch nie dage- mesener Schönheit entdeckt, der glitzert wie Rubin und Smaragd : man kann von ihm bis in den Himmel schauen und vielleicht auch Gott sehen. Befehlet ein Pferd zu satteln, und der vergnügt« Me- schadi wird euch zu jenem Felsen führen." Und die Generalsgattin, neugierig wie olle Frauen, befohl ein sffcrd zu satteln. Darauf führte Meschadi sie aus jenen Pfaden in l!e Berge, aus denen er olle Russinnen zu ihrer Zufriedenheit ge- führt hott«. Er brachte sie auf Wiesen, wo von Kiefern umgeben, Blumen blühten,— und die Generolsgottin vergoß alsbald nach dem Wunderselfen zu fragen. Sie ritt mit ihm viele Male in die Berg«, und jedesmal vergaß sie noch dem Felsen zu fragen: Me- jcbadi aber langweilte sich jetzt nicht mehr, wenn er im Kasfeehaus hh, und freute sich an dent Gedanken, daß man auch ohne Soldaten zu haben. General frtn kann. Äls nach der üblichen Zeit die Generalsgattin einen Sohn zur Welt brachte, ließ der General den vergnügten Meschadi zu sich kommen und sagte: „Meine Frau war unfruchtbar, aber die kaukasischen Berge hoben sie geheilt. Sie doch, wie blond und helläugig mein Sohn ist und wie man die ganze russische Rasse an ihm erkennt." Obwohl aber sein Sohn schwarz war wie der Schrecken Mescha- kis. so bestätigte doch der vergnügte Bergführer des Generals Wort«: Jia, er ist blond und man erkennt in ihm die russisch« Rosse." Der General schenkte ihm Geld und eine Ohrfeige obendrein, worauf Meschadi, beides mit dem ihm eigenen Stolz und mit Würde cutegennehmend, dos Haus mit den Worten verließ: „Rache ist süß, insbesondere wenn man sich darauf versteht, so- wohl Genugtuung, als auch noch das Geld obendrein zu erhalten." Der General verließ die Stadt. Meschadi aber war noch wie vor vergnügt und ritt zweimal am Tage auf seinem prächtigen Pserd durch die Stadt. --- Der große Krieg war schon vorüber, Meschadi fühlte sich be- reits alr werden, und seine Einnahmen verringerten sich, und doch glaubte er in seinem Stolz, daß sie sich durch die Kriegszeiten und nicht wegen seines Alters verringert hatten. Als eines Tages Sol- boten die Stadt besetzten und Maschinengewehre in den Bergen triller- t-n. la« Meschadi den Befehl, der die Jagd in den»ergen verbot und mit dem vollen Namen des„blonden" Genera lssohnes unter- zeichnet war. Do wurde es Meschadi wehmütig ums Herz, er nahm sein Gewehr und ging m die Beige. Dort erblickte er ein Rebhuhn — vielleicht war da aber überhaupt keins— und feuert« das Ge- wehr ob. Drei Soldaten umringten ihn und führten ihn vor den Mann, der den Befehl unterzeichnet hatte. Der runzelte sein« schwarzen Brauen und sagte: „Du alter Esel hast doch den Befehl gelesen imd weißt, daß es verboten ist, in den Bergen zu schießen? Hängen sollt« ich dich lassen oder dir doch zum mindesten ein« Kugel in dein dummes Maul jagen, weil du die Zähne fletschst wie«in Hund. Aber ich bin ein guter Mensch und werde dich nur auspeitschen lassen." Wo? sollt« Meschadi auf solche Red« erwidern? Stolz streift« er die Hosen herunter und sagte:.Los!" Und nachdem er die gesetzliche Zahl von Peitschenschlägen entgegengenommen, richtete er sich wieder aus und sagte:„Ich habe nie an Sohnesdankbarkeit ge- glaubt!"_(Schluß folgt.)
Oer Hamburger Hafen. Eine Oeutfchlandfahrt. Die Geschichte des Hamburger Hafens ist eine Geschichte der Technik und der Industrialisiening des Erdballs, darüber hinaus aber auch eine Strophe aus der eisernen Ballade der Arbeit. Noch in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es in Hamburg nur eine einfache Reede. Die Schiffe waren meistens Segelschosse und lagen im Strom an den großen Pfahlgruppen vertäut. Die Arbeit war Handarbeit. 1863 wurde das erste Hafenbecken gebaut, die Keimzelle zu der ungeheuerlichen Fülle der vielen Anlagen, In denen heute die Güter unserer Erde sich sammeln in den Schissen, in den Lagerhäusern, auf den Kais, bewegt vom Schwung der Krane, Per- ladebühnen, Laufkatzen und der Kraft der rund 20 000 Arbeiter. Jeden Morgen kurz vor sieben Uhr beginnt der Ansturm der Pro- leten nach den Kais und Lagerhollen. Jeden Nachmittag stürzen sie. Ü'.e erste Schicht, aus dem Elbtunnel ans Licht, rattern mit den
breiten Fährbooten an, strömen endlos nach St. Pauli hinauf, fahren mit den Schnellbahnen in die Wohnquartiere. Pausenlos, in drei Schichten, geht die Arbeit. Der Schichtlohn bewegt sich zwischen acht und zehn Mark. 1SS4 i begannen die ersten Lohnverhandlungen im Hafen. Die Ewerführer verlangten die vierzehnstündige Arbeitszeft. In den siebziger Iahren wird der erste große Streik geführt und geht ver-. loren. Das Sozialistengesetz zertrümmert all« Verbände. Dann kommt die erste Maifeier und legt den Hafen still. Die Unternehmer antworten mit Aussperrung. Hin und her geht der Kampf in den folgenden Jahren. Die Arbeiter erringen am 1. Mai 1913 einen großen Sieg: den Neunstundentag. Der November 1918 brachte den Achtstundentag, brachte die Vereinigung aller Hafenarbeiter, See- leute, Straßenbahnschafsner usw. im Deutschen Verkehrsbund. Wir fahren mit der Verbandsbarkasse zuerst nach dem Köhlbrand hinüber, zu den Kindern. Wir sehen bei den Landungsbrücken schon die 3200 Kinder, die von der Arbeiterwohlfahrt nach dem schönen Strand gebracht werden. Der Hafen raucht und brüllt. Von den mächtigen Werften donnern die Preßlufthämmer. Ein englischer Frachter kommt. Wir fahren elbaufwärts, passieren das schwarze, verrußte Schiff und legen am Köhlbrand an. Endlos dehnt sich der Strand. Geschrei springt uns ans Herz. Immer neue Fährboote wiegen sich in der gelben Flut und schaukeln die kleinen Menschen herüber. Wir gehen durch die blitzsaubere Küche, in der vier große Dampfkessel das Frühstück vorbereiten. 1200 Liter Kakao warten auf 3200 Kinder. Wir sehen die 6000 frischen Brötchen und die großen Rosinenbrote, die von der Konsumgenossenschaft„Produktion" besonders gut für die Kinder gebacken werden. Dann gehen wir on den Strand, in die gelinde Solzluft, die ebenso wichtig ist wie Milch, Rosinenbrot, Kakao und gutes Essen, und erleben vor dem groß- artigen Schauspiel des Hafens das ebenso großartige Schauspiel proletarischer Solidarität: 3200 Kinder aus der steinernen Stadt zu lösen, sie zu pflegen, zu speisen. 120 Helfer, Jungen? und Mädels aus der Arbeiterjugend, leiten die jüngeren Kameraden. Immer neue Gryppen formieren sich um die Helfer. Dort sind die„Sturm- falken" versammelt, dort die„Möven"; das da sind die.Lachtauben", und die schwarze Fahne mit dem goldenen Totenkopf gehört der „Gruppe Grausam". Die Kinder haben sich selbst ihre Gruppen- namen ausgesucht. Das Gemeinschaftsgefühl entwickest sich am Strand. Der Hafen, die vorüberfohrenden Schiffe, der aufgewühlte gelbe Fluß, die roten Mauern der Docke, die hohen Gerüste der Helgen, die selbstverständliche Hilfe der älteren Kameraden, das sind die Schauspiele, die pausenlos abrollen und auch dann noch unser- geßlich sind, wenn das Hornsignal zum Mittagessen ruft, wenn die Stunde der Ruhe oder der Gymnastik beginnt, wenn die Flut steigt und das kühle Wasser lockt, wenn die fröhlichsten Spiele toben. Im Kohlenhafen liegen die schwarzen Anthrazitdampfer aus England. Bei Blohm und Boß, der großen Werft, sehen wir neue Schiffsbauten, stählerne Fragmente wie die erste Etage eines Wolkenkratzers oder einer Fabrik. Wir fahren on schwimmenden Palästen vorüber, deren Ouerschnitt von der ersten bis zur dritten Klasse ein grausamer Querschnitt durch die soziale Struktur unserer Gesellschaft ist. Dort liegt ein großes Tankschiff. Es kam aus der Anarktis, war neun Monate auf Fang, hat J56 Walfische harpuniert und fabrikmäßig verarbeitet. Di« Viermastbart„Possat", die wir passieren, kam aus Chile und brachte Salpeter. Der große Portugiese dort verladet Holz. Ein Brasilianer wird gelöscht. Mächtige Edelholzstämme fallen in breit« Schuten. Möven schwingen vorbei. Einmal zwitschern Kolibris um den Mahagoni. Wir passieren groß« Kais voller Arbeit, sehen alte Schuppen, die bis ans Doch mit Reis gefüllt sind. Neue Schuten liegen tief im Wasser, schwer belastet mtt den großen Vierkantblöcken brasilianischen Holzes. Dann fahren wir an einem alten Trampschiff vorbei, das von fahrbaren Getreidehebern berannt ist, die ihr« hohen Saug- ruflel in den tiefen Bauch de» allen Kastens senken. Das Schiff
daneben ist ein Engländer aus Glasgow . An der Schiffswand stehen frei auf hängendem Brett drei Männer. Sie streichen das Schiff an. Es sind drei indische Proletarier. Eine Schute schwimmt vorbei. Sie ist mtt spanischem Kort beladen. Dann kommen wir in Hafenbecken, in denen sich das Mineralöl angesiedelt hat. Große Tanks runden sich Daneben lagert Kohle und Koks. Baumwolle schwingt in großen Ballen über die Bordwand eines amerikanischen Schiffes. Ueberall ist Arbeit und Bewegung, Geschrei und Gebrüll. Bei Blohm und Boß baut sich der größte Kran der Erde auf. Er hebt 2S0 Tonnen. Unweit des Krans liegt der russische Dampfer „Kursk ", umringt von den schwimmenden Getreidehebern, von denen jeder in acht Stunden 1000 Tonnen Korn verladen oder löschen kann. Rußland kaust im Hamburger Freihafen Getreide... Wir fohreu immer weiter. Hafenarbeiter winken, Ewerführer grüßen ihre Berbcmdsbarkasse. Ein Ueberseedampfer kommt. Di« gelbe Fahne, die„Pestflagge", weht noch am Mast. Die Vulkan- Werft raucht, dröhnt, trawallt. Wir fahren an Rumänen, Griechen, Spaniolen, Norwegern. Brasilianern und Engländern vorüber. Dort liegt ein Japaner. Wir fahrett durch alte und neue Häfen. Im neuen Hafen Woltershof sehen wir Kohlenschisfe und Getreide- schisse. Der wölbige Rumpf eines Schlachtkreuzers, der im Kriege für Griechenland gebaut und nicht abgenommen wurde, liegt ver- lassen im Wasser und verkommt. Neue Kais und Lagerschuppen werden gebaut. Das letzt« freie Land am Wasser, vom preußischen Gebiet umklammert, wird ausgebaut. Die großen und auch die mittleren Schiffe sind nur noch schwimmende Fabriken oder schwimmende Poläste. Die Maschine oerdrängt auch an den Kais und in den Lagerschuppen immer mehr die menschliche Arbeitskraft. Mit dem Hafenbetriebsrat gehen wir in einen großen Schuppen und sehen, was die„Hamburg " löscht. Das Schiff kam aus New Dork und brachte 1400 Passagiere und 3600 Tonnen Fracht: Auto- teile und fertige Wagen der General Motors , Kupferbarren, Blei- darren, Zinnbarren, dazwischen loses Getreide, Speck, Fett, ge- trocknete Aspfel, Wolle, Tabak, Mehl, einige tausend Häute. In großen Ballen kam mich Schrott aus Amerika . Die Arbeit auf dem Kai und im Lagerschuppen ist schwer. Die Barren und Ballen wiegen 80 Kilogramm, 150 Kilogramm. Di« Lasten werden mühsam auf erhöhten Holzstapeln zusammengetragen. Dann kommt das Hupauto, schiebt sich unter die Fracht und schleppt sie mühelos weiter. Der Mann mit seinem Hupauto leistet da»- selbe, was früher 16 Arbetter schafften. Max Barth« l.
wetterleuchten. In schwülen Nächten wird in unseren Bretten der Himmel oftmals von, Widerschein ferner Blitze erleuchtet. Man sieht nicht den Blitz selbst, hört auch selten den Donner dazu. Was man sieht, ist nicht die Funkenstrecke des Blitzes selbst, der oft viele hundert Kilometer entfernt durch die Luft fährt, sondern ein allge- meines Hellwerden des Himmels. Da die Gewitter sich meist m ganz geringer Höh« über der Erde abspielen, kann man sie wegen der Erdkrümmuug nicht sehr weit sehen. Ein Blitz in 800 Meter Höhe ist mir 100 Kilometer weit sichtbar, während die Hörbarkeit weiter geht, allerdings mtt bestimmten„toten Zonen" dazwischen. Dos Wetterleuchten ohne Donner scheint h'ch am Himmel seinen llr- sprung zu haben, nicht wie es beim Anblick eines sernen Blitzes sein müßte— am Horizont. Woher kommt also das Wetterleuchten? Die Grenze der Luft gegen den Weltraum zu fft eine dünne ge- frorene Gashaut, wahrscheinlich fester Stickstoff. Dies« Haut gibt Anlaß zum bekannten erstaunlich guten Hören ferner Radiostativ neu und ihre Bewegung zeitigt den Effekt des„Fading", d. h. des wsch- feinden Ausbleibens und Empfangens. Dies« gleiche Schicht spiegelt nun auck starke Blitze wider und vermag d>eses Spiegelbild z. B. bei 100 Kilometer Spiegelhöhe auf 1000 Kilometer zu senden, bei 400 Kilometer Spiegelhöhe 2200 Kilometer weit. Damit ist auch erklärt, warum man das Wetterleuchten hoch am Himmel sieht, sowie auch, warum es so ausgedehnt erscheint. Ersteres folgt au« dem Vorgang der Spiegelung, letzteres aus dem Umstand, daß nicht ei» einzelnes Flächenstück spiegelt, sondern viele.