Morgenausgabe
Rr. 363
A 185
45.Jahrgang
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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend, Illustrierte Bellagen Boll und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen"," Frauen ftimme", Technit"," Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"
Freitag
3. August 1928
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pl.
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& öln, 2. Auguft.( Eigenbericht.)
Inferrichtsminister Herriot ist mit etwa 30 franzöfifchen Zeitungsmännern zum Besuch der Presse- Ausstellung und gemeinnütziger Einrichtungen- Herriof ist Bürgermeister von Lyon - hier eingetroffen. Der Empfang gestaltete fich zu einer großen Friedensfundgebung, in deren Berlauf Herriot seiner Entschloffenheit, weiter an dem Friedenswert zwischen Deutschland und Frank reich zu wirken, begeisterten Ausdrud gab. Er bekannte sich zu den Begrüßungsworten des Kölner Oberbürgermeisters, daß für alle wahrhaft zivilisierten Menschen die Zeit gefommen sei, in der die Kräfte, die so lange für die Werke des Todes benutzt worden sind, für die Werke des Lebens eingesetzt werden. Für die gegenwärtige Generation sei es das wichtigste, der Gesellschaft, der Nation die Rechtsbürgschaft zu geben, die heute der nationalen Gemeinheit ihre Sicherheit verleihe. Wie könnte man eine so umfaffende Miffion so schloß Herriot unter stürmischem Beifall der
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zahlreich erschienenen Gäste der Stadt Köln und der Preffevertreter- ohne die Mitarbeit der deutschen und der französischen Ge
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danken verwirklichen?
Herriots Verständigungsrede.
Beim abendlichen Festmahl in Gürzenich gab Dr. Adenauer dem Wunsch Ausdruck, daß Minister Herriot sich auch in der 2000jährigen Stadt Köln wohlfühlen möge und daß er, obgleich aus einem durch die Natur überreich beschenkten Bande stammend, auch an den Landschaften des deutschen Rheinstromes Gefallen finden möge. Der Besuch Herriots, der im Auftrag des französischen Ministerrates gelommen sei, der Besuch so hervorragender Bertreter der öffentlichen Meinung Frankreichs hänge nicht zusammen mit den afuten Frazen der Politit. Troßdem sei er von politischer Bedeutung. Wir haben Furchtbares erlebt, so fuhr Dr. Adenauer fort, das alte Europa liegt in Trümmern, wir stehen an der Schwelle eines neuen Zeitalters, einer neuen Epoche der Menschheit. Dieses neue Zeitalter muß ein besseres werden, wenn die Gut. gesinnten in allen Ländern es wollen und dafür arbeiten.
geben, daß das republitanische Frankreich von der Notwendigkeit einer stabilen Organisation Europas und der Welt durchdrungen ist. Es hat im Laufe der Zeiten selbst zu fehr gelitten, um nicht zu wünschen, daß der Wettbewerb der Nationen sich im friedlichen Eifer auf Wirtschaft und Wirtschaftsleben tonzentrieren möge. Frankreich weiß, wie groß der Anteil Deutschlands auf allen
Gebieten der Wissenschaft, der Literatur und Kunst ist.
Wie könnte ich als Miniſter des öffentlichen Unterrichts die Größe der deutschen Gedanken verkennen, wie fönnte ich vergessen, wie sich der deutsche und der französische Genius ftets wechselseitig beeinflußt haben, seit der Zeit des Mittelalters bis zu der neueren Epoche der Romantik!
Wie könnte ich mich nicht erinnern, daß ein deutscher Philosoph wie Kant uns die Pflicht unserer Zeit gelehrt hat, indem er uns die Ehrlichkeit jenes moralischen Gesetzes lehrte, das von jetzt an das Leben der Völker beherrschen soll, wie es schon bisher das wichtigste Problem, der Gesellschaft der Nationen die Rechtsverfassung Leben der einzelnen regelte. Für unsere Generation ist es ja das zu geben, die heute jeder nationalen Gemeinschaft ihre Sicherheit perleiht. Wie fann man eine so umfassende Miffion ohne die Mitarbeit des deutschen und französischen Gedankens verwirklichen! Ich wünsche, daß die Zusammenkunft in Ihrer Stadt die Bertreter der ganzen internationalen Presse zur Hervorhebung der symbolischen Bedeutung veranlaßt, die diese Rundgebung verdient. Möge sie den Journalisten aller Länder, die diese herrliche, glänzende Stadt besuchen, zum Bewußtsein bringen, welch unendlich große Rolle sie bei dieser materiell und moralisch neuen Organisation ber Welt zu spielen haben, die wir wünschen. Die Breffe tann tiefe Seelenbewegungen verursachen, Leidenschaften entfeffeln, gefährliche Instintte ermutigen, oder im Gegenteil: der Bernunft der Staats. Instinkte ermutigen, oder im Gegenteil: der Bernunft der Staats männer zur Seite stehen. Der Stadt Köln muß man danten, daß fie diese Kundgebung veranstaltet hat, um den hervorragendsten Bertretern der Preffe zu sagen, daß sie
Möge die Presse der ganzen Welt dahinwirken. Wie Recht als ein bloßer Borwand zu einem Austausch leerer Höflichkeits
und Moral für den einzelnen, so müssen
uns helfen, der unglücklichen Menschheit den Frieden zu bringen. Und so, meine Herren, wird unser Zusammensein mit Ihnen mehr formeln bedeuten. Dank Ihrer wird diese feierliche Gelegenheit es gestatten, daß sich Menschen von gutem und bestem Willen, von denen jeder sein Vaterland innig liebt, vereinigen, um einen Aufvertrauen wir einander! Das ist der Weg zum Frieden, der ruf an alle großmütigen Seelen zu richten, und selbst
Recht und Moral auch für die Völker und Staaten Geltung haben. Lernen wir einander fennen, glauben wir einander, auf Waffen und Heeren beruht, und der daher niemals sicher ist, sondern zu einem wahren und dauerhaften, auf Ver
zu verfünden, daß es ihr brennender Wille ist, die Menschheit in der Arbeit und in dem Frieden zu versöhnen. Das Wert, zu dem
Ganze Arbeit!
Lehren von Dinkelscherben / Statt Flidarbeit Syftemwechsel Bon F. Scheffel, M. d. R.
Borsitzender des Einheitsverbandes der Eisenbahner.
Das Reichsverkehrsministerium hat anläßlich des Falles Dinkelscherben die Eisenbahnkatastrophen zum Gegenstand einer Besprechung gemacht, an der neben der Hauptverwaltung die Gruppenverwaltung Bayern und eine Abordnung der Parteien des Reichstages teilgenommen haben. Es ist gewiß zu begrüßen, daß der Reichsverkehrsminister zum Ausdruck brachte, er sei willens, ohne Rücksicht auf Kosten und Personen den Ursachen der Katastrophen nachzugehen und alles zu tun, um die Voraussetzungen für eine erhöhte Betriebssicherheit des Eisenbahnverkehrs zu schaffen
Der breiten Deffentlichkeit drängt sich jedoch die Frage immer wieder von neuem auf: Wird die Reichsbahn den Anforderungen gerecht, die jeder Staatsbürger und jeder Reisende an dieses gemeinnötige Verkehrsunternehmen stellen muß? Im Vergleich mit anderen Ländern ist zwar die Zahl der Eisenbahnunglücke zurückden deutschen Eisenbahnen sicher nicht geringer wie im Ausgegangen und die Betriebssicherheit ist an und für sich auf lande. Damit kann es aber feineswegs sein Bewenden haben angesichts der sich häufenden Unglücksfälle und deren Schwere.
Zuzugestehen ist, daß seit 1919 viel getan wurde, um den Eisenbahnbetrieb wieder auf die alte Höhe zu bringen. In arbeit geleistet, die alle Anerkennung verdient. Aber menigen Jahren wurde eine technische Aufbauscharf tritt in Erscheinung die um vieles größere Inan= fpruchnahme des Personals. Neben steigenden Krankheitsziffern weist die Statistit Steigerung der Betriebsunfälle auf. Die Dienstdauer= Statistit eine erschreckende vorschriften lassen innerhalb 24 Stunden Dienstschichten bis zu 16 Stunden zu, bestehend aus reinem Dienst und Dienstbereitschaft. Die Ruhepausen sind absolut ungenügend, vor allem, wenn die Wege vom und zum Dienst viel Zeit erfordern. Die Zeit des Aufenthaltes der Lokomotive auf Bahnhilfsgleisen, in der direkte Arbeit nicht zu leisten ist, wird als Ruhepause betrachtet. Von der Möglichfeit, bis zu sieben Nacht- Dienstschichten hintereinander zu legen, wird nachweisbar im starten Maße Gebrauch gemacht. Selbst die Verwaltung bestreitet nicht, daß vom Lokomotiopersonal vielfach kleinere Arbeiten verlangt und ausgeführt werden, für die eine Zeit in den Dienſteinstellungen nicht vorgesehen ist. Die tatsächlichen Arbeitsleistungen des Lokomotivpersonals überschreiten damit die
trauen, auf Gemeinschaftlichkeit der Interessen, auf Menschlichkeit wir uns berufen fühlen, wird sicherlich viele Verzögerungen selbst in den Diensteinstellungen vorgesehenen Schichten.
gebe Gott daß es sie nüße! Es folgte eine Rede des Ausstellungs- bie der starke Glaube auf sich zu nehmen vermag? Hier ragt eine
tommissars Dr. Külz.
Minister Herriot
dankte für die Worte des Willkommens; er werde sie dem Ministerpräsidenten und dem Außenminister weitergeben. Frankreich habe es nie versäumt, sich für die Werte der menschlichen Kultur zu erwärmen, und es tönne somit nicht gleichgültig bleiben gegenüber dem beachtenswerten Versuch der berühmten Stadt Köln , die Mächte der Breffe einander näher zu bringen, welche jetzt in der modernen Zeit die beste Bürgschaft für die Zusammenarbeit der Böller und den Frieden bildeten. Herriot fuhr fort: Frankreich hat immer, soweit es ihm möglich war, den Idealismus hochgehalten, und man fann sicher sein, daß es seinen eigenen Traditionen treu bleiben wird, und daß man es
immer zu jeder ehrlichen Verständigung zum beffen des Friedens bereit
finden wird, der der höchste Wunsch des Volkes ist.
Ich danke Ihnen, Herr Oberbürgermeister, daß Sie mit einer solchen Kraft gesagt haben, es sei für alle zivilifierten Menschen die Zeit gekommen, in der die Kräfte, die solange für die Werte des Todes benutzt worden sind, mun für die Werke des Lebens eingesetzt werden. Nie werden wir eine feierlichere Gelegenheit haben, zum Mugen aller Bölker zusammenzuarbeiten, um eine neue Ethit zu schaffen, die von der unerträglichen Knechtschaft der Brutalität befreien wird. Dieses Unterfangen erfordert gleichzeitig viel Mut und viel Geduld. Es geht nicht ohne einen ununterbrochenen Feldzug gegen Stepfizismus, Spoff und Dummheit, gegen fich erneuernde Borstöße der Gewalt;
ja es gibt Leute, deren Gewissen sich noch gegen diese neuen und ficheren Formen der Pflicht sträubt, und die man ermutigen muß. Aber je schwerer die auferlegte Pflicht ist, desto mehr entspricht fie der Würde einer Elite, desto sicherer bringt sie den ur sprünglichen willen der Massen zur Geltung. Die Böller wollen den Frieden; mit Dankbarteit werden fie die Männer begrüßen, gleichviel welcher Nationalität, die ihnen endlich Ruhe bringen, Ruhe für ihre Arbeit und das Zeben ihrer Rinder. Ihnen, meine Herren, tann ich hier die Bersicherung
erleiden, und, wie Herr Oberbürgermeister Dr. Adenauer gejagt hat, wird es viele Schwierigkeiten und Gefahren durchmachen, aber haben wir nicht selbst hier den Beweis vor Augen von der Geduld, der herrlichsten Schöpfungen jener Baufunft empor, die den universellen Drang des Menschen nach dem Geifte versinnbildlichen
mollte.
Um Ihren Dom zu bauen, waren nicht weniger als sechs Jahrhunderte nötig. Man hat sich sogar gezwungen gesehen, leberreste der Bergangenheit zu zerstören, man hat gefämpft gegen die Gewalt der Elemente, gegen das Feuer, gegen die Schwierig. feiten, die menschliche Rivalitäten hervorriefen. Generation auf Generation ist dahingegangen, ehe diese hohen Pfeiler gesichert standen, von denen man die Bielfältigkeit menschlichen Schaffens und die wechselvolle Fülle der Landschaft überschauen tann.
Noch schwieriger mag es vielleicht scheinen, ein Unternehmen zu Ende zu führen, das allen Leidenschaften frohen muß, um jenen Tempel der Gerechtigkeit zu verwirklichen, den die Klarsten und edelsten Geiffer vorhergeschaut haben. Aber schon sind die Grundsteine gelegt. Die Menschheit tann nicht mehr warten, und es hängt von uns allen ab, bas starte geistige Gebäude zu vollenden, in dessen Schutz die Maffen aufhören werben, sich zu haffen, um sich endlich kennen und lieben zu lernen! ( Langanhaltender begeisterter Beifall.)
Die Internationale tagt.
Gigung der Erefutive.
heitsmäßig geleistete Mehrarbeiten nicht eine Weberanftrengung des Lokomotivpersonals veranlaßt wird die letzten Endes die Bebtriebssicherheit gefährden kann, ist erforderlich. Fähigkeiten, Streden und Signalfenntnis Was nüßt es, wenn großer Wert auf Eignung, des Personals gelegt wird, wenn Vorschriften über Borschriften herausgegeben werden, ohne daß die bereits bestehenden Beachtung finden. Kurze, flare DienstDorschriften, die aber bis zum Tipfelchen über dem i einzuhalten sind, das ist das Erforderliche für den Eisenbahnbetrieb! Alle Instruktionen, geschrieben oder ge= prochen, sind nut- und zwedlos, wenn sie nur zum Teil, infolge überaus starter Inanspruchnahme des Personals, eingehalten werden können
Ein Beispiel dient zur Erläuterung. Der Münchener Hauptbahnhof , eines der wichtigsten Verkehrszentren des Reiches ist start überlastet und nur mit äußerster Anstrengung tann dem Berkehrsbedürfnis Rechnung getragen werden. Innerhalb 24 Stunden müssen dort rund 1800 abgehende und ankommende Züge abgefertigt werden. Dabei find die Signalvorrichtungen veraltet. Nur bei größter Gesich der ungeheuer gestiegene Verkehr bewältigen. Bei diesem wiffenhaftigkeit und äußerster Hingabe des Personals läßt Hasten und Treiben daselbst finden die Dienstvorschriften nur wenig Beachtung. Wird ein Vorsteher eines Betriebsamtes oder ein Aufsichtsbeamter aufmerksam gemacht, daß selbst auf den Stellwerten und im Rangierdienst die bestehenden Borschriften feine Beachtung mehr finden, weil zu wenig Bersonal vorhanden ist, so werden die Beschwerdeführer kurz abgetan.
Wenn
Brüssel, 2. Auguft.( Eigenbericht.) nunmehr eine 3enralisation der Sicherungsanlagen ohne Rücksicht auf die KostenDie Eretutive der Arbeiterinternationale hielt frage durchgeführt werden soll, in erster Linie in Bayern , am Donnerstag im Boltshaus eine Sihung ab, die sich mit Ber - so ist das zu begrüßen. Einheitliche Dienstdauervorschriften, waltungsfragen und der Vorbereitung des am Sonntag beginnenden geregelte Dienstzeit und Ruhezeit zu schaffen, ist unerläßlich. Internationalen Sozialistentongreffes befaßte. Anwesend waren Erfolgt jedoch nicht ein Wechsel des Systems, so ist Henderson- England( Präsident), Crispien- Deutschland, die ganze Arbeit vergebens! Es darf sich keineswegs darum Brade- Frankreich , Modigliani- 3talien, Bauer- Defter- handeln, etwa in irgendeinem Teil bestehende schlechte Verreich, de Broudère- Belgien , Bliegen- Holland, Möller- hältnisse zu überprüfen, sondern die übermäßig lange DienstSchweden, Abramowitsch- Rußland, Sekretär Adler und zeit, die Geist und Körper runiert, muß beseitigt werden! In Dinkelscherben ist das Unglück, soweit bisher feststeht, durch eine falsche Weichenstellung entKassierer Van Roosbroed.