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Beilage

Mittwoch, 8. August 1928.

Auf Takt habt acht!

Ein Werk der Gemeinde- und Staatsarbeiter.

Der Vorstand des Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter hat für seinen Kölner Verbandstag eine originelle und außerordent lich lehrreiche Bildschau" herausgegeben. Mit furzen Begleit­

Die Schädlinge

der Gewerkschaftsbewegung

Opr Unorganisierte

Der Strelkbrecher

Der gelbe Werkvercinler

G'S

Die Henschoten

von ger

Teno

terten, die Xaver Ramrowsti verfaßt hat, orientiert diese Bilderferie, die W. Riemer, Kliemesch und Hosemann tünstlerisch und agitatorisch höchst eindrucksvoll besorgt haben, über das wirken des Verbandes und seine foziale Not­wendigkeit.

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Ein treffendes Zeugnis dafür bietet ein historisches Dokument: Die Reichs- und Staatsarbeiter, einst und jegt." Einst das war die Zeit, in der die Staatsarbeiter noch teine Organisation hatten. Sie unterstanden einer Arbeitsordnung", die für alle Zivilarbeiter in militärischen Betrieben Geltung hatte. Da wurde bestimmt:

,, Bon der Einstellung sind Personen ausgeschlossen, die fozialdemokratischen oder sonstigen staatsfeind. lichen Bestrebungen Vorschub leisten oder Don denen vorauszusehen ist, daß sie den Frieden zwischen der Behörde und den Arbeitern oder der Arbeiter untereinander stören wollen." Der Teg: der Bildschau kennzeichnet diesen bösartigen Erlaß durchaus zutreffend als selbstherrliche Willkür". Jetzt" da wacht die gewählte Arbeitervertretung auf Grund der Betriebsrat des Artikels 66 der Reichsverfassung Durchführung der tarifvertraglichen Vereinbarungen. Die Arbeiter find wie die Texterläuterung jagt gleichberechtigte Staatsbürger" und das Gedenkbuch hat berechtigten Anlaß, diese Wandlung von der einstigen Troftlosigkeit zu dem heutigen Besserungszustand der Organisationsarbeit des Verbandes wie der gewerkschaftlichen Bewegung überhaupt, zuzuschreiben.

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über die

Ein Verband, der heute über 244 000 Mitglieder zählt, wächst über die engeren Aufgaben des Rechtsschutzes der individuellen Arbeit seiner Mitglieder in die verschiedensten Zweige der sozialen Tätigkeit hinein. Der Verband hat auch Bildungspflichten. Wissen ist Macht Bildung macht frei!" Unter diejer Devise steht die Bildungsarbeit des Verbandes. Tüchtige Verbandsfunktionäre müssen herangezogen werden, Persönlichkeiten, die über das Fach­wiffen hinaus zum lleberblick des gesamten Wirtschaftslebens be fähigt sind. In besonderen Lehrkursen werden begabte Kollegen herangebildet. Sie erhalten Unterricht in der Nationalökonomie und in den kulturwissenschaftlichen Fächern. Für diese Zwede ist eine besondere Bildungsschule in Budow in der Marf einge­richtet worden. Sie erfreut sich eines regen und wachsenden zu spruches. Bor zwei Jahren fanden 11, im vorigen Jahre 21 Lehr­turfe statt. Die Zahl der Hörer wuchs von 388 auf 613.

Was hier die Lehranstalt für einen engeren Kreis bewirkt, be­forgt das Verbandsorgan Die Gewerkschaft" für alle mit glieder. Fragen, die zum Spezialfach gehören, werden gründlich durchgesprochen. Probleme der Volks- und Kommunalwirtschaft finden ausführliche Erörterung. Die Gewerkschaft" ist wie die Bildschau" hervorhebt eine Quelle der Wissens bildung". Bei allem Ehrgeiz, den Mitgliedern des Berbandes Anregung, Aufklärung, Rat zu erteilen, bewahrt die Gewerkschaft" ihren Kampfcharakter. Ihr Wahlspruch ist: Ein Kämpfer für soziales Recht ist die Berbandszeitschrift und soll es bleiben."

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Die Schriften des Verbandes entsprechen nach Inhalt und 3wed dem Themenbereich der Artikel des Gewerkschaftsorgans. Sie bringen in volkstümlicher Darstellung Abhandlungen über national­ökonomische, naturwissenschaftliche, gewerkschaftliche Angelegenheiten.

Dem Bildungsbestreben nahestehend und ein vom Verband be­fonders gepflegtes Gebiet ist das Gesundheitswesen. Es arbeiten in der Reichssettion Gesundheitswesen" mehr als 16 Prozent der Gesamtmitgliederzahl, etwa 36 500 Personen. Die Anschauungstafel, die das Gedenkbuch über die theoretische und praktische Ausbildung des Pflegepersonals veröffentlicht, zeigt, daß fast alle Fachgegenstände der medizinischen Wissenschaft von ihm er­lernt werden. Allgemeine Ausbildung in der Kranken- und Irren pflege" nennt sich der Gesamtlehrkursus und er erfordert zwei Jahre. Der Teilnehmer erhält Unterricht in der Photographie, Röntgen­ologie, Arzneimittellehre, in der ambulanten Krankenpflege, Geburts­hilfe, Säuglings- und Kinderpflege, Wöchnerinnenpflege, Chirurgie, Psychiatrie, Massage, Leibesübungen, Badewesen usw.

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Sehr nachdrücklich hebt die Bildschau" die Bedeutung des follettiven Arbeitsrechtes hervor. Es ist dasjenige Recht, das außerhalb des freien Lohnvertrages zwischen dem einzelnen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer als allgemeingefeßlich gültige Ber­einbarung zwischen diesen beiden Wirtschaftsgruppen besteht. Auf diesem Gebiet haben die Lohnempfänger manches erreicht, manches ist zu sichern oder noch zu erfämpfen. Zehn Figuren, als Träger der Arbeiterforderungen vorgeführt, verdeutlichen diese kollektiven Arbeitsrechte.

Was die Mitglieder des Verbandes der Gemeinde- und Staats­arbeiter erstreben, ist auch die Sorge oder der Erfolg auch der an­deren Gewerkschaftsverbände. Auch sie kämpfen noch um vorbehalt­lofe Anerkennung des Achtstundentages usw. Und wie sie die gleichen oder ähnliche Interessen haben, so haben sie die gleichen Feinde. ,, Die Schädlinge der Gemertschaftsbewegung" nennt fie eine wirksame Illustration der Bildschau. Sie zeigt alte Bekannte: den Unorganisierten; den gelben Werkvereinler; den Streitbrecher; den Mann der technischen Nothilfe.

Der Natur der Verhältnisse entsprechend kann das Gedenkbuch feine zahlenmäßige Vorstellung von dem Schaden beibringen, der dem Witken der proletarischen Bewegung etwa von der Gruppe der Streitbrecher und der Technischen Nothilfe erwächst. Es verzichtet auf weitere polemische Auslaffung gegen die gelben Wertvereinler. Dagegen bringt es ziffernmäßige Angaben über die Unorgani= sierten, und daraus geht hervor, wie viele Proletarier es find in manchen Gruppen bis zu 35 Proz. die soziale Bedeutung der gewerkschaftlichen Organisation noch nicht erkannt haben. Die

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Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

,, Bildschau" hat schon recht, diese Lauen, Gleichgültigen und Un­verständigen als Spitzengruppe der Schädlinge vorzuführen. Wie wahr ist die Björnsonsche Einsicht, die das Gedenkbuch als Motto gewählt hat: ,, Tatt, Tatt! Auf Taft habt acht! Das ist mehr als halbe Macht. Nah'n im Taft wir einige hundert, Ist da keiner, der sich wundert. Nah'n im Taft wir einige tausend, Wird sein Ohr schon mancher recken: Nah'n im Taft wir hunderttausend- Ja, dies Dröhnen wird sie wecken!

Warum

ift die Arbeiterschaft gewerkschaftlich

organifiert 201

Das wirtschaftliche Intereffe

das kulturelle Intereſſe das Wohl der Arbeiterfamilien gebietet es!

Hie organisiertes Unternehmertum- Hie organifierte Arbeitnehmer

Die ,, republikanische" Buchprämie.

Was in den höheren Schulen Preußens am Verfassungstag verschenkt wird.

für die neue deutsche Republik ein sehr gefährliches und unvorsichtiges Unternehmen.

Seit Jahren bemüht sich die geringe Anzahl der Republikaner | Wahl dieser Farben, die eine sehr ehrenwerte Vergangenheit unter den Studienräten und Direktoren, die Verfassungsfeier in den haben ,,, ist höheren Schulen so zu gestalten, daß sie tatsächlich ihren Zweck er­füllen kann, den Schülern die Republik näherzubringen, Verständnis, vielleicht gar etwas Liebe für den Volksstaat zu wecken und zu pflegen. In einer Zahl von Erlassen hat der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung ausgedrückt, daß er diese Art der Verfassungsfeier wünsche. Er hat auch einmal vom Martyrium" der republikanischen Studienräte gesprochen und mit diesem Worte anerkannt, daß ihre Arbeit für die Republik schwer und undankbar, genug sei. Alle Republikaner müssen also die Absicht des Ministers begrüßen, die Verfassungsfeier für die Schüler dadurch eindringlicher zu gestalten, daß in ihr Bücher als Prämien an die Schüler Wir erinnern uns noch der alldeutschen hurra­patriotischen Buchprämien der Vorfriegszeit, die im allerhöchsten" Auftrage verliehen wurden, der Bücher vom fröhlichen Kriege, von der deutschen Flotte...

verteilt wurden.

Wie sieht nun heute, im zehnten Jahre der deutschen Republik, eine solche Prämie aus, die bestimmt ist, am höchsten Feiertag der Republit einem zufünftigen Bürger dieser Republik im Auftrage eines Ministers des Volksstaates überreicht zu werden? Ich blätterte das mir jüngst übersandte Prämienbuch eine Sammlung von Auf­fäßen eines bekannten Historikers aus den Jahren 1902 bis 1925 flüchtig durch und gebe hier einige Lesefrüchte daraus, um die be­sondere Geeignetheit" dieses Buches als einer republikanischen Auszeichnung in helles Licht zu rücken. Ueber die sonstigen Quali­täten des Buches- das sei ausdrücklich bemerkt soll hier gar kein Urteil abgegeben werden. Es handelt sich nur um seine Eignung als Buchprämie am höchsten Feiertag der Republik , an dem Tage, an dem ,, sogar" das Tragen der Farben Schwarz- Rot- Gold den Schülern in der Schule gestattet" ist.

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Auf Seite 409( geschrieben 1919) nennt der Verfasser die Männer, die schrieben, daß wir uns schließlich doch unterwerfen würden", jedes Berantwortungsgefühls bare Schriftsteller". Wir begegnen der, wenn auch verschleierten, Dolchstoßlegende in inter­essanter Aufmachung: den Herren Georg Bernhard , von Gerlach, Harden, Bernstein und der Unabhängigen Sozialdemo= fratte verdanten wir es, daß Herr Clemenceau seine Einheitsfront bis zum Schluß hat zusammenhalten können." Welch passende Be­lehrung für die künftigen Bürger der Republik !

,, Die Marine, die, wie es jetzt der Admiral Scheer offen aus­

gesprochen hat( Süddeutsche Monatshefte", März 1919, S. 419), die letzte Möglichkeit einer befreienden Tat" abschnitt, indem sie sich weigerte, zum Kampf in See zu gehen, und das verächtliche Erstaunen der Welt erregte, indem sie ihre Schiffe dem Feinde auslieferte, hat im letzten Augenblick ihre Ehre, soweit es noch möglich war, wieder hergestellt, indem sie, den feindlichen Kriegsgerichten trotzend, die Schiffe im feindlichen Hafen selber versenkt hat." Welch' prächtige Erziehung zum Heldentum"!

Es kommt noch besser! Wie muß den Jüngling, dem diese Brämie verliehen wird, der Aufsatz S. 417 ff. begeistern, in dem der Verfasser auch zu den Farben Schwarz- Rot- Gold sich äußert. Die

Bei der ungeheuren Mehrheit des Volkes ist ja die Republik , mag die neue Verfassung so oder so gestaltet werden, keineswege populär, noch weniger löst sie irgendwo Enthusiasmus aus" ( S. 419). Als unser Ebert den heimkehrenden Truppen sagt, daß sie die Heimat in politischer Freiheit" fänden, empfindet" der Ver. fasser diese Worte ,, als moralische Ohrfeige"(!!). Wahrlich, eine reizende Belehrung eines jungen Republikaners am Verfassungs. tage, wenn es einige Zeilen weiter heißt: ,, Wir erkennen die Republi an und finden uns mit ihr ab"( sic!) und weiterhin: Es ist klar, daß sehr große Teile unferes Volkes, wahrscheinlich die sehr große Mehrheit, die schwarzrotgoldene Fahne niemals annehmen werden." Aber wie sollten sie das denn auch, in einem Staate. der von Proleten und Juden" regiert wird. Zwar ist diese Wahrheit dem Verfasser nur eine relative Wahrheit" wie die: daß wir früher von Junkern und Korpsstudenten regiert worden seien. Denn auch im alten Deutschland herrschte feineswegs ein Kastenregis ment(!)" ,,, immer wieder sind Kinder der unteren Volksschichten bis in die höchsten Stellen gelangt. Aber sie mußten sich anpassen"(!).. Immerhin erklärt der Verfasser unserer Buchprämie: Auf den furulischen Stühlen Deutschlands fizen heute

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ein ehemaliger Budifer, ein ehemaliger Schreiber, ein ehemaliger Bolksschullehrer, ein ehemaliger Seher, ein ehemaliger Korbmacher."

Genug des Widerwärtigen! Wie sehr dürfen wir Republifaner uns doch freuen, daß von behördlich- republikanischer Seite mit so geeigneten Mitteln Liebe und Begeisterung für die Republik in den Schülern der höheren Schulen geweckt und sorgsam gepflegt wird! 3war könnte ich mir sehr gut vorstellen, daß ein republikanisch emp­findender Prämienträger das Buch in die Ecke schmeißt, sowie er einige der Blüten gepflückt hat, die ich oben gegeben habe.

Wer hat dies Buch als Prämie ausgewählt?! War es Bar es nur bodenloses Ungeschick, Interesselosigkeit oder steckt Schlimmeres hinter dieser Auswahl? Wurde sie getroffen, um die Verfassungsfeier zur Farce zu machen? Der Herr Minister war jedenfalls schlecht genug beraten, als er unter die Verleihungs­urkunde( vorn in das Buch eingeflebt) seinen Namen schrieb. Sowohl

die Taftlosigkeit als auch die etwa beabsichtigte Berhöhnung der Re­publif und ihrer Verfassungsfeier verbitten wir Republifaner uns aufs entschiedenste! Besonders aber wir Profeten", die wir in dem ehemaligen Budiler" den ersten Präsidenten der deutschen Republik verehren.

Der Verfasser der Aufsätze, die den Inhalt des Prämienbuches bilden, ist Hans Delbrück . Es heißt Vor und nach dem Weltkrieg" und wird hiermit den nationalistischen Verbänden", Antisemiten und sonstigen Schwachen im Geiste als Prämie" warm empfohlen! Dr. Siegfried Krampe, Studiendirektor.