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Morgenausgabe Nr. 3öl A194-.Iahrgaug

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Dienstag 1.4. August 1928 Groß-Äerlin lg pf. Auswärts-15 pf.

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Rationalismus in der Krim . Widerstand gegen das Gowjetsystem.

Moskau , 12. August. Die Schwierigkeiten, welchen die Sowjetregierung und die Kom- inunistische Partei bei der Durchführung ihres Systems immer wieder begegnen, treten besonders deutlich in dem Bericht zutage, welchen die Leitung der kommunistischen Zweigorganisation der Krim jetzt dem Zentralkomitee der Partei eingereicht hat. Aus dem Bericht geht hervor, daß die die Krim bewohnenden Nation«- litäten, vor allem die stärkste, die tatarische, sowohl den Partei- direktiven als auch den Maßnahmen der Sowjetregierüng einen recht zähen Widerstand entgegensetzen. Der Bericht stellt fest, daß die Hauptaufgabe, die von Moskau schon lange gestellt worden ist, nämlich die völlige Auflösung des Großgrund- besitze? bisher noch nicht durchgeführt worden ist. Die Großbauern der Krim haben es verstanden, der Durchführung dieser Maßnahme immer wieder Schwierigkeiten zu bereiten und auch die Aussiedelung der Gutsbesitzer in sehr vielen Fällen zu verhindern. Aus dem Gutachten des Organisationsbureous des Zentralkomitees der KP. zu diesem Bericht ergibt sich, daß die sowjetfeindliche.Arbeit der Großbauern dadurch wesentlich erleichtert worden ist, daß die kommunistische Organisation der Krim hinsichtlich ihrer Einheitlich- keit und planmäßigen Arbeit im Sinn der Partei sehr viel zu wünschen übrig läßt.Gewisie Elemente" der Parteigruppe stehen

in noch nicht aufgeklärten Beziehungen zu tatarischen nationali st ischen Gruppen, vor allem zu dem Verband Milifirka", der alsb ü r g e r l i ch- n a t i o n a l i st i s ch" bezeichnet wird. Zurzeit der Okkupation Südrußlands durch die deutschen Truppen soll diese tatarisch« Organisation versucht haben, sich Deutschlands Unterstützung zur Durchführung ihrer Autonomiewünsche zu sichern. Das Zentralkomitee der KP. fügt seinem Gutachten über die Mängel der Krimer Organisation die üblichen Vorschriften an, wie strenge Einhaltung der Parteilinie, gehorsame Ausführung der von der Zentrale gegebenen Vorschriften usw. Trotz der Hinweise auf denim ganzen nicht zu verkennenden Aufschwung der Krim " spricht aber aus dem Gutachten des Zentral- komitees doch eine ernste Besorgnis. Es ist ja auch nicht lange her, seit die gefährlichen sowjetfeindlichen Umtriebe des ehe- maligen Volkskommissars Jbraimow, ebenfalls eines Tataren, auf- gedeckt und mit der H i n r i ch t u n z des Schuldigen geahndet worden sind. Die Verbindung nationalistischer und großbäuerlicher Gruppen gegen Sowjetsystem' und Kommunismus scheint derPrawda" jeden- falls gefährlich genug, um den Krimer Angelegenheiten einen be- sonderen Leitartikel zu widmen, der auch verhüllte Warnungen an die anderen auf nationaler Grundlage organisierten Teilstaaten ent- hält, sich vor einer chauvinistischen" Einstellung zu hüten.

Neue Kontrollforderung Boncours. Ginwendungen gegen die bedingungslose Räumung. Paris , 13. August,(Eigenbericht.) Die wiederholten Versicherungen der Sozialistischen Partei, Mh in ihren Reihen bezüglich der Forderung nach bedingungs- loser Rheinlandräumung völlige Einheit herrsche, scheint dem Abgeordneten Paul B o n c o u r keine Ruhe zu lassen. Er stellt in einem Schreiben an die Zeitungen seines Wahlkreises ausdrücklich fest, daß er auf dem letzten außerordentlichen Partestag gegen die Forderung nach bedingungsloser Räumung gestimmt habe. Seine Bemühungen haben der Errichtung einer ständigen Kontrolle der demilitarisierten Zone, durch die allein die Räumung möglich werden könne, gegasten. Man darf gespannt sein, wie sich die Parteileitung der französischen Sozialisten zu der befremdlichen Herausforderung stellen wird, die in dieser betonten Abkehr von den Beschlüsien der offiziellen Parteiinstanzen liegt.

Alliierte Manöver in Deutschland . Eine grobe Taktlosigkeit englischer und französischer Militärs Vor ein paar Tagen schon kamen Meldungen, daß die dies- jährigen Manöver im Rheinlande von französischen und englischen Truppen gemeinschaftlich abschalten werden sollen. Das ist nicht nur in Deutschland als eine grobe Entgleisung gebrand- markt worden. Es haben sich auch in England sofort Stimmen gegen ein« solche alliierte Milstärpolitit erhoben. Seit Locarno sollte das Kriegsbündnis zwischen England und Frankreich aufhören und der Zusammenarbeit mit Deutschland Platz machen. Die Staats- männer haben sich auch wohl gchütet, seitdem das WortAlliierte" in den Mund zu nehmen. Die Militärs aber sind unverbesserlich. Eben erst haben sie durch das Auslieferungsbegehren Erregung ge- schaffen. Jetzt fügen sie durch kriegsähnlichealliierte" Manöver eine neue Taktlosigkeit zu den alten. Sie sind wahrhaft unermüdlich darin, immer neue Argumente für die sofortige Räumung zu schaffen. Der Oeffemlichkest Englands und Frankreichs liegt daran, daß der deutsche Außenminister noch Paris kommt. In der Tat hätte die Paktunterzeichnung nur halben Wert, wenn der Vertreter der deutschen Republik fehlt. Di«..mniung in Deutschland , ihn nach Paris gehen zu lassen, wächst nicht, wenn die amtlichen Stellen in England und Frankreich sich nicht endlich aufraffen, energischer als bisher den Militärs im Rheinlande klarzumachen, was sie immer wieder anrichten. Englands Kriegsminister beteiligt? condon. 13. August. Zu der Meldung von der Teilnahme britischer Kavallerie an den französischen Rheinland -Manövern schreibtManchester Guardian" im Leitartikel: Handell es sich hier um eine Taktlosigkeit, oder hat dieses Vorgehen politische Bedeutung? Wenn der Kriegssekretär auf eigene Initiative hin gehandelt hat, sollte ihm gesagt werden, daß er zu weit gegangen ist, wenn der Staats- sekrctär des Auswärtigen seine Genehmigung erteilt hat. so sollte er dem Lande seine Gründe nennen. In Locarno haben wir ver- sprachen, Frankreich gegen Deutschland zu helfen, aber auch Deutsch- lond gegen Frankreich zu schützen. Wenn jetzt britische Truppen an den Manövern einer vertragschließenden Partei teilnehmen, so jollle vor ausgesprochen werden» daß sie genau so bereit sind, an den Ma»

növern der anderen Partei teilzunehmen, andernfalls muß die Zusammenarbeit französischer und britischer Truppen bei den mili- täuschen Uebungen den Eindruck erwecken, daß wir wieder zum alten Systein zurückkehren, von dem man glaubt«, es sei durch Locarno befestigt worden. Es ist ein großes Unglück, daß das Parlament nicht tagt und daß Chamberlain krank ist und von einem Minister vertreten wird, dessen Urteilsfähigkeit kein Vertrauen erwecken kann. Dieser Zwischenfall trägt dazu bei, den Eindruck zu verstärken, daß eine Aenderung in unserer Außenpolstik eingetreten ist, und daß wir zu den alten Methoden und der alten Geheimpolstik zurückkehren.

Volkswahl des polnischen Präfidenten. pilsudskis Reformplan. Warschau , 13. August. Der von der polnischen Regierungspartei ausgearbeitet« Entwurf einer Verfassungsänderung sieht hinsichtlich der Wahl des Staatspräsidenten eine allgemeine Volksabstimmung vor. Der Verfassungsentwurf soll Ende Oktober, jedenfalls aber vor dem 11. November, dem Sejm vorgelegt werden. An diesem Tage findet die Feier der Wiederherstellung des unabhängigen Staa- tes Polen stall. Di« Regierungspartei will die Stellungnahm« des Sejms zur Verfassungsänderung schon vorher klarstellen.

Litauen nicht in Gefahr. Eine Beruhigungspille des Völkerbundes. Gens, 13. August. Der litauische Ministerpräsident Woldemaras hatte am 23. Juli beim Generalsekretär des Völkerbundes einen Schrill unternommen, um die Anwendung von Sicherheitsmaßnahmen durch den Völkerbund zum Schutze gegen Grenzzwischenfälle anläßlich der pol- nischen Manöver an der litauisch-polmschen Grenze herbeizu- führen. Die litauische Rote war damals vom Generalsekretär des Völkerbundes gemeinsam mit der polnischen Antwortnote, die die Gefahr von Grenzzwischenfällen in Abrede stellte, dem Präsidenten des Völkerbundsrates sowie dem Berichterstatter im Rate, dem holländischen Außenminister, zur Entscheidung übermittelt worden, in Verfolg der Bestimmungen der bekannten Ratsentschließung vom 10. Dezember 1927 über die Regelung der polnisch-liwuischen Be­ziehungen. Der Generalsekretär des Völkerbundes hat nmnyehr in einem Schreiben den litauischen Ministerpräsidenten davon in Kennt- nis gesetzt, daß der gegenwärtige Ratspräsident, der Berliner Gesandte von Kolumbien , de Agüeroy Bethancourt, und der holländische Außenminister im Hinblick auf die Erklärungen der polnischen Regierung ein« Anwendung der in der Ratsentschließung vom Dezember 1927 vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen für den Fall drohender Grenzkonflikte nicht für erforderlich er» achteten. Der Schritt der litauischen Regierung hat somit von feiten des Völkerbiindes eine amtliche Absage erfahren. Der Ratspräsi- dent und der Berichterstatter im Bälkerbundsrat für die polnisch- litauischen Fragen haben sich auf den Boden der polnischen Note gestellt und entsprechend der Mitteilungen in der Note der polnischen Regierung die Notwendigkeit von besonderen Sicherheitsmaßnahmen nicht als gegeben angesehen. Wieweit diese Entscheidung des gegen­wärtigen Rotspräsidcnten der wahren Lage der Dinge an der polnisch- litauischen Grenze entspricht, dürste erst die Zukunft lehren.

Rußlands Baumwolle. Politik in Ilsbekiflan und Turkmenistan . Von vr. A. Atoeghlan. Es gibt unter den russischen Emigranten eine konservativ-- reaktionäre Richtung, unter dem Namen E u r a s i a t e n be- kannt. Sie bezeichnen das russische Reich mit dem Namen E u r a s i a: Europa und Asien zugleich. Wie in manch an- derer, fühlen sich die russischen Kommunisten auch in Är Auf- fasiung der weltpolitischen.Stellung und der Orientierung des heutigen und künftigen Rußland mit den Eurafiaten vielfach verwandt. Rufsische politische Schriftsteller so zum Bei­spiel der im vorigen Jahre verstorbene Sowjetpolitiker P a w l o w i t f ch bezeichnen ebenfalls das heutige Ruß- land mit Vorliebe als Eurafia. Man muß auch den beiden Flügelrichtungen der russischen Wirklichkeit in der Bezeich- nung der Sowjetunion als Eurafia recht geben. Denn geo- graphisch betrachtet ist sie tatsächlich ein überwiegend asiati- sches Gebiet. Vier Fünftel aller Grenzen der Sowjetunion berühren Asien , ein Fünftel Europa . Sluch politisch ist sie viel mehr östlich eingestellt, während sie dem Westen ent- schlössen den Rücken wendet. Nicht zuletzt stellt die Sowjetunion auch gemäß ihrer innerstaatlichen Zusammensetzung ein asiatisches Gebilde dar- Während Transkautasien bestehend aus Armenien , Ge- orgien, Aserbeidschan schon 1922 in der Sowjetunion auf- genommen worden war, wurde der Anschluß Russisch-Zentral- asiens(Usbekistan und Turkmenistan ) erst im Sommer 1925 vollzogen. C h i w a(Choresm) und Buchara , diese früheren zentralasiatischen Vasallenländer Rußlands , und die angren- zende Provinz Türke st an sind es, die Moskau schon 1925 neuen administrativen Teilungen unterzogen hat. Die alten geographischen Namen Turkestan , Chiwa und Buchara sind ausgestrichen und an ihre Stelle auf der Karte der Sowjet- union dieunabhängigen sozialistischen Sowjetrepubliken" Usbekistan und Turkmenistan getreten. Ein Teil des Territoriums von Chiwa und Buchara ist den neuen Staatsgebilden, der andere aber Innerruhland einverleibt worden. Usbekistan ist in jeder Hinsicht viel wichtiger als Turkmenistan . Sein Zentrum ist die historische Stadt Sa- marka.nd, es hat 550 000 Quadratkilometer Flächeninhalt und 4,4 Millionen Einwohner. 70 Proz. davon sind Usbeken oder Sorten und 20 Proz. Tadschiken. Den Rest bilden andere Völkerschaften: die Russen machen kaum 2 P r o z. a u s. Die Usbeken sind mongolischer Abstammung, während die Tadschiken ein iranisches Boll sind, also Persern und Afghanen nahe verwandt. Ihr nationales Bevölkerungs- gebiet, Tadschikistan , hat Autonomie im Rahmen der usbekischen Sowjetrepublik. Kulturell ist das russische Zentralasien eines der rückständigsten Gebiete der Union und ! de'r Welt. 97 Proz. der Gesamtbevölkerung sind A n a l p h a- . beten. Nicht einmal 8 Proz. der Jugend besuchen die Schule. Russisch-Zentralasien hat aber eine große Wirtschaft- liche Zukunft, infolge seiner Baumwollkultur. Usbekistan ist der Speicher der russischen Baum* wolle, eine Art Aegypten in Russisch-Asien. 75 Proz. der gesamten russischen Baumwollerzeugung entfallen auf Usbekistan . Wenn wir von Transkautasien absehen, das nur einen kleineren Teil der russischen Baumwolle produziert, ist Russisch-Zentralasien das einzige Rohstoffgebiet, auf dem die innerrussische Textilindustrie beruht. Etwa die Hälfte des russischen Bedarfs an Baumwolle deckt Zentralasien , während die andere Hälfte durch persische, amerikanische, zuletzt auch türkische und ägyptische Baumwolle gedeckt wird. Etwa 700 000 Desjatinen(1 Desjatine 1,092 Hektar) sind mit Baumwolltultur bedeckt, deren Jahresproduktion rund 40 Millionen Pud(1 Pud 16,38 Kilogramm) beträgt. Bei einer Entwicklung der künstlichen Bewässerung dieser Gebiete, worauf ihre ganze Landwirtschaft angewiesen ist, kann die Produktion auf das Doppelte gesteigert werden. Wie Aegypten infolge britischer Kolonialpolitik vorzugsweise Baumwolle für die englischen Fabriken herstellt, so gilt das- selbe von der russischen Politik bezüglich seiner zentralasia- tischen Gebiete. Aus Usbekistan und Turkmenistan soll eben ein russisches Aegypten gemacht werden. Usbekistan liefert der russischen Metropole noch andere kostbare Erzeugnisse: Schafwolle, Teppiche, Leder, Seide, Früchte und namentlich K a r a k u l(Persianerfell). In dem gebirgigen T a d- s ch i k i st a n herrscht die Viehzucht vor. Durch eine Verord- nung vom 1. Oktober 1926 wurde Zentralasien wirtschaftlich von Moskau noch stärker abhängig gemacht: dazu' wurde neben der Moskauer Regierung einzentralasiatischer Wirt- schaftsrat" gegründet, der auch die ganze Leitung in seine Hand genommen hat. T u r k m e n i st a n ist zwar mit seinen 414 000 Quadrat- kilometer nicht viel kleiner als Usbekistan , hat aber nur 883 000 Einwohner. 80 Proz. davon sind Turkmenen, eben- falls ein mongolischer Voltsstamm, ferner 10 Proz. Usbeken, den Rest bilden Rüsten und andere Völkerschaften. Das Landeszentrum ist Askhabad, jetzt Poltoratzk. Wie in Usbekistan ist auch in Turkmenistan die landwirtschaftliche Kultur nur durch künsUiche Bewässerung möglich, die aber