Beilage
Sonnabend, 18. August 1928.
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Reisebriefe aus dem Norden.
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Auf See, Sommer 1928. Zwischen dem Isafjord auf Island . deffen malerische Buchten und seltsame Felsgestaltungen sich tief ins Gedächtnis prägen, und der Insel oder Inselgruppe Spitzbergen liegt eine Entfernung von 1090 Scemeilen, das find rund 2000 Kilometer, oder etwa das Bierfache der Entfernung zwischen Berlin und Köln am Rhein . Auf dieser langen Strece pflügt der Dampfer in stetem Gleichmaß die Fluten des nordischen Meeres, ohne einem Schiff zu begegnen oder Land zu treffen.
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Land? Doch, die Insel Jan Mayen liegt etwa auf halber Strede. Lange, lange vorher ist die Spize ihres Beerenberges, sind ihre Umrisse in der flaren arktischen Luf: deutlich wahrnehmbar. Aber die Sichtigkeit dieser nordischen Atmosphäre täuscht über Entfernungen. Was man zum Greifen nahe wähnt, ist in der Wirklichkeit noh viele Meilen entfern:. Und als Jan Mayen die verlorene Insel trägt den Namen eines holländischen Seefahrers, der sie vor einigen hundert Jahren entdeckte mirtlich erreicht ist, da ist sie so start in Nebel gehüllt, daß tein Umriß mehr zu erfennen ist. Nur ahnen tann man durch die Dihte, daß Land in der Nähe sei, felfiges, unwirtliches Land, das hier oben weit über dem Polarfreis ein ver: räumtes Dasein fristet. Seit einigen Jahren ist eine norwegische Betterwarte auf der Insel untergebracht, und zwei Meteorologen müffen dort eine verbienstvolle
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Der Gletscher drängt zum Meere, und von Zeit zu Zeit lösen sich von ihm große Stücke Eises, die mit donnerartigem Getöse in die Fluten stürzen, ringsumber einen starten Wellengang hervor. rufend. Die Eisblöcke aber treiben dann weiter, dem offenen Meere zu. Man nennt dies Loslösen der Eisblöde das„ Kalben" des Gletschers. Ein schaurig- schöner Anblick, dieses Kalben", aber die Kälber" bilden unter Umständen eine ernste Gefahr für die Schiffe,
Der Gullygletscher in der Magdalenenbucht.
und wichtige, aber sehr einsame Arbeit verrichten. Die Einsamkeit ist das besondere Kennzeichen der Arktis , die unser Schiff jetzt aufsucht. Spißbergen bietet in diesem Jahre ja doppelten Reiz. Denn Nobiles theatralischer Kreuz flug zum Nordpol , sein und seiner Gefährten Pech, das Unglück der Rettungsexpeditionen- das alles hat gerade in diesem Sommer immer wieder die Namen Spitzbergen und Kingsban durch die Blätter gejagt, und selbst geographisch wenig bewanderte Mitmens schen werden zuweilen einen Blick auf die Karte getan haben, um den Abflugsort der Expedition und die Stätte des Unglücks zu fuchen. Man wird es begreifen, daß dies Interesse an dem Land und dem Meer des Eises besonders start angeregt war bei denen, die auf einem der zahlreichen Touristendampfer jetzt auf Bolarfahrt" unterwegs find. Die Erwartungen find aufs höchste gespannt, aber fie werden, soweit das überhaupt noch möglich, weit übertroffen. So dicht der Nebel noch bei Jan Mayen brütete, so sonnenhell war der Tag, an dem wir zuerst um 6 Uhr nachmittags in der Ferne
die fich dieser menschenleeren Küste nähern. Hier zwischen Steinen, umgrünt von fimmerlichem Moosgewächs, finden sich offene Grabstätten, Risten ohne Deckel, in denen die Gebeine von Menschen bleichen. Man sagt, sie stammten von holländischen und englischen Walfischjägern, die hier vor Hunderten von Jahren um ihre Jagdgebiete sich gegenseitig totschlugen. Die rohgezimmerten Särge haben ihre Planten durch Jahrhunderte erhalten. Bon den Menschen sind nur noch fümmerliche Knochenrefte übrig.
Von der Magdalenenban geht es über Spißbergen nördlich
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
hinaus ins Gebiet der Pack eisgrenze. Bis zu 80,14 Grad nördlicher Breite sind wir vorgedrungen, dann zwingt eine dichte Nebelwand, die vor uns auftaucht, zur Umfehr. Ein riesiges Eistreiben ist plöglich neben, vor und hinter dem Schiffe. Eisschollen von fleinstem Format bis zu gewaltiger Flächengröße, ununterbrochen treiben sie neben uns her. Man sieht auf den größeren von ihnen Seehunde lagern, die plöglich, als hätten sie ein Empfinden für die nahende Gefahr, ihre fühle Lagerstatt verlassen und ins Meer plumpfen, eine mächtige Wasserfäule aufwerfend.
Der Nebel holt uns cin, versperrt die Aussicht, dringt durch alle Boren. Die Schiffsfirene heult, aber feine Antwort schallt ihr ent gegen. Einsam ist's hier oben, Schiffe sind selten, und so weit das Festland dieser Inseln- darf man bei den Gletschermassen und dem Felsenwerk überhaupt von Land reden? sich auch erstrecken mag, nirgends ist menschliches Leben und menschliche Kultur zu finden! Oder doch: an der einen Stelle, in der Königsbucht ( Ringsban), von der aus schon mehrfach Nordpolflüge vorbereitet wurden, von der aus jetzt auch wieder die Italiener ihren Unglücks. flug antraten. Dort ist eine kleine Siedlung und ein Kohlen= bergwert! Dort haust, um die reichen schwarzen Schäße zu heben, eine fleine Zahl von Menschen, die allerdings während des langen Winters so gut wie ganz von der Welt abgeschnitten sind. Die Kohle ist für Norwegen , das Spizbergen 1925 unter dem Namen Svalbard übernommen hat, ein wesentliches wirtschaftliches Plus. Aber die volle Ausbeutung der Schäße ist bisher nicht möglich wegen der Schwierigkeiten des Abtransportes und vor allem desa halb, weil in dem langen Winter die Schiffahrt ganz unterbrochen ift.
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Ringsban sollte auch unser Dampfer anlaufen. Aber der Nebel und das Eistreiben machten einen Strich durch diese Rechnung. Es war unmöglich, in die Bucht einzulaufen, wenn man sich nicht auf längere Haft in ihr einlassen wollte. Mir persönlich war es wenig stens vergönnt, die historische Stätte ,, im Fluge" zu sehen. Denn als wir am Tage zuvor in der Kreuzbucht anferten und im sogenannten Möllerhafen bei richtigem Frühlingswetter etwa 12 Grad Celsius und prächtigem Sonnenschein einen Lands aufenthalt fröhlichster Art veranstalteten, stach mich der Hafer, daß ich mich dem Flugzeug anvertraute, das auf unserem Dampfer mitgeführt wurde. Ein Fernflug über Buchten, Berge und die grandiose Gletscherwelt das war ein Erlebnis! Unter uns gleiten
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die Grate, die Spitzen, die Eisfelder dahin, in der Ferne das weite Meer, dann sind wir über der Königsbucht, sehen deutlich drei Schiffe dort antern das größere ist zweifellos der Krassin "- sehen die Schachtanlage von Ny Alesund , sehen die fümmerlichen Häuschen und, vor allem, die zahlreichen Eisschollen, die im Wasser der Bucht dahintreiben.
So war ich über Spißbergen und über der Kingsban ge wesen. Unseren Besuch an Land hinderten der Nebel und das Eis. Der Nebel und das Eis begleiteten dos Schiff, als es langsam, vor. fichtig vorfühlend, an der Küste Spitzbergens füdwärts glitt. Zeitweilig lichtete sich der feuchte Dunst und gab vorübergehend wieder einen Ausblick auf die bizarr- pathetische Landschaft. Aber es geht füdwärts, dem alten Europa entgegen. Franz Klühs .
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Mit Grammophon und Jazz zum Südpol !
die Etsſpißen der Berge vom Brinz- Carl- Borland erblickten, Drei große amerikanische Polexpeditionen.- Zwei Jahre gemütlichen
der langgestreckten Insel, die dem eigentlichen Spitzbergen wesentlich vorgelagert ist. Wie Zuckerhüte liegen sie vor uns, in der Sonne glänzend. Aus dem Meere erhebt sich steil eine dunkle Felsenwand, etwas höher breitet sich über die ganze Fläche eine dichte Wolkenwand. Aber diese überragen die spizzen Kuppen, von Schnee und Eis bedeckt, glitzernd unter jedem Sonnenstrahl, der sie trifft. Ein malerischer Anblid, der um jo fesselnder wird, je näher man der Rüfte und dem Gebirge tommt. Die Wolkenschleier wallen her und hin, aber die Eisspitzen scheinen voll stolzer Selbstherrlichkeit über sie hinweg in den Himmel zu streben.
Wir sind im Eisgebiet. Zu feiten des Dampfers tauchen erst vereinzelt, dann immer zahlreicher die glänzenden Köpfe von Seehunden auf, um gleich wieder, als mitterten sie Gefahr, in der fühlen Flut zu verschwinden. Weiter ab sieht man die charakteristischen Wasserstrudel, die von den Walen verursacht werden.
Lebens im ewigen Eise.
In den nächsten Wochen werden drei Expeditionen aufbrechen, um die Gebiete des Südpols zu erforschen. Die wichtigste dieser Expeditionen ist die des Nordpol- und Ozeanfliegers Richard E. Byrd, der zwei Jahre in der Antarktis zubringen will. Die zweite Südpolarerpedition unternimmt der Nordpolbezwinger G. H. Wilkins , während das dritte Unternehmen dieser Art von dem ehemaligen englischen Marineoffizier Jeffrey geführt wird. Byrd und Wilkins werden Anfang September aufbrechen.
Byrds Expedition geht von New York aus, Wilkins will die Fahrt von San Franzisto aus antreten. Ende September soll Jeffrey von New York abreisen. Die Expeditionen haben verschiedene Reiserouten und Forschungsziele. Byrd fährt mit sechzig Begleitern zunächst nad, Neuseeland . Wilkins hat den Weg über Banama nach Tasmanien gewählt, von wo er Anfang November mit einem Balfischfänger zu der Roß- See vorstoßen will. Jeffrey beabsichtigt zuerst Argentinien anzulaufen, um mit den dorfigen Meteorologen eine engere Zusammenarbeit zu vereinbaren. Sein Hauptquartier wird er auf Graham Land aufschlagen.
Diese tummeln sich, wie es scheint. familienweise im Meere, fo baß Zum Stapellauf der Ozeanriesen für zwei Jahre in den antarktischen Regionen einrichten kann. Die
von den Fontänen immer mehrere fast zu gleicher Zeit und nebeneinander auffprühen. Scharfe Augen entdecken zuweilen auch einen Rücken, der aus dem Wasser auftaucht. Aber die Säugetiere des Eismeeres halten sich in respektvoller Entfernung von dem Dampfer, der sich in ihre Breiten drängt. Die Robben- und Walfischfänger räumen ohnehin unter ihnen auf..
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Rund dreiundeinhalb Tage sind vergangen, feit wir die Nordspige Islands verließen. Nun liegen wir plötzlich in der Mag dah Ienenbucht, einer der nördlichsten Einschnitte an der Westküste Spitzbergens . Wir gehen an Land". Das heißt, wir werden aus. gebootet, nachdem in der Frühe schon eine Abordnung der Mannschaft vorausgefahren ist, um einen Landungssteg in der Nähe des ,, Gräberfeldes" anzubringen. Die Bucht sieht so flein aus, die Berge und die riesigen Eismaffen zwischen ihnen, die Gletscher, scheinen so nahe. Aber wir brauchen etwa eine halbe Stunde Motorbootfahrt, um zur Landungsstelle zu kommen. Das Motorboot schafft sechs Seemeilen oder elf Kilometer die Stunde, man fann also leicht ingi errechnen, wie fern diese nahen Ufer waren, wie start die an unseren heimatlichen Dunst gewohnten Augen durch die Sichtigkeit dieser nordischen Atmosphäre irregeführt werden.
Byrds 60- Mann- Expedition ist so ausgerüstet, daß sie sich leicht Kosten dieser Expedition werden auf eine halbe Million Dollar veranschlagt. Die finanziellen Mittel für dieses gewaltige Unternehmen, das unter großer Arbeit Monate hindurch vorbereitet worden ist, find fast von der ganzen Welt aufgebracht worden. Byrd nimmt auch
eine dreimoforige Ford- Flugmaschine und zwei kleinere Flugmaschinen mit,
tum ausgedehnte Forschungsflüge im Polargebiet ausführen zu tönnen. An Gepäck soll auch mitgenommen werden: drei Grammophone mit 115 Platten, ein Klavier, eine Bibliothet von 2000 Bänden, Jazzinstrumente, 500 000 3igaretten, eine Tonne Tabat, riesige Mengen Kaugummi , eine Apparatur für Höhensonne, 60 000 Bogen Schreib. papier, umfangreiche Borräte an Fleisch, Mehl usw. Den Expeditionsteilnehmern wird auf diese Weise ein längerer Aufenthalt im ewigen Eise behaglich gemacht werden.
Die Expedition Jeffrey dürfte ungefähr 200 000 Dollar Intoften. Jeffrey will
An Land! Ringsum erheben sich hohe Bergmassive, die bis zu 800 Meter reichen. Zwischen ihnen lagern schmuzig weiß in der Tiefe die Gletscher, deren Eismaffen unmittelbar ins Meer stoßen. Nur eine kleine Halbinsel voll Geröll und Steinschütten, aber auch von föstlichem Sandstrande hat sich gebildet. Sie bietet uns die Möglichkeit, den Fuß auf Spißbergen- Boden zu setzen und von der Nähe aus die Größe der Naturgestaltung bewundernd zu genießen. Hier stehst du plötzlich vor der steilen Eiswand, die häuserhoch und in mächtiger Breite aus dem Wasser ragt; von fern etwa den Kreidefelsen gleichend, die an der Küste Rügens so prächtig von Welche Ausdehnung die vor einigen Tagen dem Wasser dem dunklen Waldhintergrund sich abheben Du ſteigst oder fletterſtübergebenen Schiffe„ Bremen und„ Europa " haben, eine Anhöhe hinauf, um das Eisfeld zu überschauen: Es ist von tiefen Querfurchen durchzogen, geriffelt", wie es scheint, zeigt die auf diesem Bilde wiedergegebene Schraube. und der Schnee bedt dieje urdhen mur mangelhaft a Jedes Schiff hat vier solcher Schrauben.
mit einem Stahlschiff in die Eisfelder
der Antarktis vordringen. Außerdem führt diese Expedition ein Bellance Flugzeug mit, das der von den Europafliegern Chamberlin und Leviné benutzten Maschine ähnlich ist. Der Führer der dritten Expedition, Wilkins, wird sich eines Lockhee Flugzeuges bedienen; eine Maschine dieses Typs hatte er bereits bei seinem Nordpolflug verwendet. Alle drei Expeditionen sollen ständig miteinander in funtentelegraphi scher Verbindung stehen. Wilkins hat die Absicht, das von ihm erforschte Südpolargebiet photographisch und fartographisch aufzunehmen, es handelt sich dabei um unerforschte Strecken, die an Oberfläche so groß wie die Bereinigten Staaten und Megito zusammengenommen sind, und die zum weitaus größten Teil noch wie ein Mensch erblickt hat.