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Sonntag

19. August 1928

Unterhaltung und Wissen

Am Forellenbach.

Bon Wilhelm Schussen .

Das Baffer ist glasflar. Es gurgelt, fchlägt. Es springt über moosgrüne Riesel hinweg, über michmeiße, perlmuttrige, rotge­bänderte, gefledte.

Es rauscht, murmelt, gludert, flingt, lacht in einem fort. Es fchäumt, sprudelt, gludit, rieselt, quirlt, perlt, trillert, trippelt. Nein, man fängt in Ewigkeit diese Wassermusit nicht in Worte ein.

Weißer Schaum erbligt. Doch nein, er ist nicht weiß, er hat die Farbe oder vielmehr das Licht von Kristallglas, er sieht sekunden­lang aus wie flüssig gewordener Kristall, aber dann wieder wie dahinmehendes filbernes Haargelock und dann allerdings plößlich doch wieder wie weißeste Milch.

Ueber den bunten Kieselsteinen treiben die Schatten der Kräusel­wellen im Spiel.

Aber nun zerrinnt plötzlich alles in ein unendlich vielfältiges, durchsichtiges, glasgrünes und doch wieder buntes Etwas, in so etwas wie in einen flüssig gewordenen, von tausenderlei Blumenfarben ge­tränften, bunten Wiesenwind, in einen fließenden bunten Teppich.

Die Ufergräser neigen sich raunend, Bachnelken niden unauf hörlich in den flüssigen Teppich hinab. Ein toter Schmetterling hängt dicht über den Wellen an einem smaragdgrünen Halm. Oder ist er gar nicht tot, sondern nur traumtrunken, benommen vom Brunt des fließenden Teppichs?

Tief im Ufergras verborgen singt eine Grille, singt mit den Bachwellen um die Wette, singt ein Solo zur Musik der wirbelnden, in zarteste Hauchmuster zerrinnenden Kräufelwellen.

Aber auf einmal kommen die Wasser vollkommen verändert und

verwandelt daher.

Wahrhaftig, man fennt ihn nicht mehr, den lachenden Silberbach. Braungrau, schmuzig- trüb, hocherregt und wild tobt er plötzlich daher. Kein Grund und fein Steinchen ist mehr sichtbar. Abge­riffene, zerschlizte Blätter, wildzerzauste Zweige und Rindenteile treiben zu Tal. Die verlaufene Besperblechbüchse eines Natur burschen jogt entsegt im stürzenden Wasser dahin, heult und lärmt wie eine Sturmglode.

Gab es droben am Berg ein Gewitter mit Wolkenbruch und Hagelzorn?-

sie wild und giftig doch so ein blutjunger, kleiner Bach plötzlich

werden kann...

Es dauert lange, bis endlich alle But und Bestürzung dahin­geschmolzen und der Spiegel wieder froh und beruhigt ist.

Aber schon steigen auch die bunten Steine wieder ins Licht. Und schoß nicht dort eine Forelle darüber hinweg? Oder war es der Schatten eines über den Spiegel hinwehenden Vogels?

Ich habe einen lieben Bekannten bei Lindau am Bodensee . Der verfügt pachtweise gleich über dreißig Kilometer Forellenwasser.

Es wäre nicht gut für mich, wenn ich diesen Befig hätte. Ich fame wahrhaftig in Gefahr, daß mir der Bach allmählich in die Augen stiege, daß ich mich am Wasser vergäße, daß ich, von Gras und Gebüsch umsponnen, immergu am Ufer stehenbliebe und schließ. lich mit flüssigen Augen und smaragdgrüner Haut in den fließenden Teppich hinunterfiele

Birklich, man fann stundenlang an einem solchen Wasser seine Mugen und Dhren baden, dem Geschäft den Rüden fehren und Sommer halten und die vielen, vielen Sorgen für eine fleine Weile menigstens vergeffen.

Ein Doppelleben.

Bon Albert Leitich.

Beter Lenz mußte ausspannen. Der Arzt hatte strenge Ruhe und einen mehrmonatlichen Aufenthalt in einer stillen, waldreichen Gegend angeordnet.

Auf der Suche nach einem solchen Ort tam er eines Tags in ein kleines Städtchen an der Wachau.

Im Gasthaus, wo er sein Gepäck ließ, erkundigte er sich, ob nicht ein kleines Haus für den Sommer über zu vermieten sei. Der Wirt riet ihm, Herrn Hilsner, den Besitzer einer Billa , aufzu­suchen.

Herr Ephraim Hilsner wohnte dicht bei der Stadt in einem zierlichen Mansardenstübchen. Peter Lenz traf ihn vor der Haus tür , ein Pfeife rauchend. Er schien ein hoher Sechziger, doch er­tannte man an der ungebeugten, straffen Haltung, den breiten Schultern, den raschen Bewegungen einen im Bollbefiz seiner Kraft befindlichen Mann. Er empfing den Besucher äußerst höflich.

,, Sehen Sie, das da drüben ist die Billa ," sagte er und wies mit dem Finger auf ein massives, weißes Gebäude mit grünen Fensterläden, das auf einer Anhöhe jenseits der Fahrstraße ge­Tegen war. Wenn es Ihnen paßt, fönnen wir sie gleich besich­tigen. Die Villa ist übrigens möbliert."

"

Das Haus sagte Peter Lenz zu, um so mehr, als Hilsner einen fchr bescheidenen Mietpreis nannte; man wurde handelseinig.

..Sie werden sicherlich, zufrieden sein. Gleich hinter der Villa beginnt ein prachtvoller Hochwald und dreihundert Schritte weiter zieht ein Fluß vorbei, der eine wunderbare Badegelegenheit ge. währt und obendrein für Liebhaber der Fischerei reiche Ernte birgt. Sie angeln doch sicherlich?"

Beter Lenz bekannte seine Leidenschaft. Noch am selben Tage richtete er sich häuslich ein und bereits am folgenden Morgen ging er voll Eifer ans Fischen.

Als er

Es schienen nicht viele Einwohner der Stadt diesem Sport zu huldigen, denn die Ufer des Flusses lagen einsam da. jedoch gegen Abend neuerlich die Angel auslegte, hörte er hinter fich ein Geräusch. Er wandte sich um und erblickte ein fleines, dürres, altes Herrchen, das mit gerunzelter Stirn ernstblickend daherkam und einen Blechbehälter in der Hand und Angelruten unter dem Arm trug.

Aus diesen Anzeichen mußte er erkennen, daß er einen Jagd­genossen vor sich habe, der vielleicht bisher an dieser Stelle ge­angelt hatte. Er erhob sich mit einigen Worten der Entschuldigung. Der alte Herr aber mar nun die Liebenswürdigkeit selbst: ,, Ach nein, lassen Sie sich nur nicht stören. Ich werde mich ein Grüd weiter flußabwärts hinsetzen." Er grüßte freundlich und ent­fernte fich

An den folgenden Tagen fah ihn der neue Mieter wieder, und nach und nach entspann sich eine Unterhaltung. Er gab ihm Auf­flärungen betreffs des Fischreichtums einzelner Stellen und bald war eine Bertraulichkeit da, wie sie bei Leuten, die von der gleichen Leidenschaft beseelt sind, sich einstellt.

Nicht wahr, Sie wohnen in der Billa des alten Hilsner?" Ja Sie termen den Mann wohl näher?"

Beilage des Borwärts

Begegnung mit Magim Gorki.

Von Wolfgang Harimann.

Es war so um's Jahr 1912. Gorki lebte damals noch nicht m| Schule der Bolschemisten auf Capri , in der Gorki teine Lehrtätig­Gorrent, in seiner pompösen Billa , sondern in einem einfachen Haus auf Capri . Mitten in den Gärten und mit dem Blick auf das thyrrhenische Meer wohnte er, in einer paradiesischen Land­schaft. Er war damals leidend, launisch und zeitweise sogar unzu­gänglich. Die einzigen Menschen, die er dauernd in seiner Nähe duldete, waren ein paar Bolschewisten und darunter einige schöne junge Frauen. Ich erinnere mich besonders an die raffige Asia, der er stundenlang Komplimente machte, für die er sich gut anzog und ihr überhaupt jeden Wunsch erfüllte. Merkwürdigerweise mar Gortis Frau auf diese schöne junge Russin nicht eifersüchtig. Asia war zu ernst, zu geladen von großen Ideen, um am Flirt Ge­fallen zu finden. Sie verehrte Gorfi, aber sie liebte ihn nicht. Sie haßte sogar seinen eigensinnigen und egozentrischen Charakter. Sie kannte und durchschaute sein Wesen, seine zum Teil echt weib­lichen Züge, seine Klatschsucht und seine gehässige und bittere Art, über Menschen zu urteilen, die früher einmal seine Freunde waren. Sie sagte ihm als einzige seiner Umgebung manchmal harte Worte ins Gesicht. Er quittierte sie mit einem hämischen Lächeln, als freue er sich dieser seiner Bosheiten, feines Hasses. Aber Gorki fonnte auch sehr zartfühlend sein, ja, er ist nicht ohne Sen­timentalität, und wenn man ihm von den Nöten der russischen Emigranten erzählte, brach er oftmals in Tränen aus. Er litt wirklich für sein leidendes Bolf, es war nicht Komödie, wie etwa bei d'Annunzio . Aber er konnte diese Dinge rasch wieder ver­gesen und auch in dieser Inkonsequenz wirfte er weiblich. Er ist die Unzuverlässigkeit in Person. Nur Frauen vermochten ihn da­mals vorübergehend zu leiten, indes er den Männern, wer immer sie waren, den Widerstand und Troß eines eigensinnigen und stol­zen Menschen entgegenbrachte. Ich sah ihn viel mit Kamenew und Lunatscharski , während er Lenin , bei aller rückhaltlosen Bewunde­rung für dessen Genie und unbeirrbare Energie, aus dem Wege ging, unauffällig, aber seinen nächsten Freunden fonnte seine Scheu vor diesem unerbittlichen Manne nicht entgehen. Er hatte folche ethische Strenge und denterische Rücksichtslosigkeit, was die Angst vor der eifernen Disziplin dieses Führers, er vermochte Durchführung einer einmal erkannten Idee anbetraf, nicht ertragen. Er war zu weiblich, zu fünstlerisch gestimmt, um die historische Erscheinung eines solchen Mannes der brutalsten Wirklichkeit faffen und lieben zu fönnen. Und erst viel später hat Gorki Lenins Er scheinung in ihrer abgrundtiefen und luziferischen Totalitär begriffen.

Magim Gorfi beteiligte sich damals an einem Unternehmen, das von Lenin und Kamenem ins Leben gerufen wurde, fast wider­willig, nur um nicht den Anschein eines Renegaten zu erweden. Es handelte sich um die Gründung einer revolutionären Schule, die unter der Leitung Kamenews stand. Hier sollten bolfchemistisch gefinnte Proletarier aller Länder zu aktiven und mit allen Kennt­nissen der konspirativen revolutionären Unterminierung ausge­rüsteten Sturmtruppen herangebildet werden. Und aus dieser

Er lächelte.

Nun, das gerade nich. Wir verfehren nicht mitsammen, aber bekannt ist er mir schon sehr lange so dreißig Jahre her." Sie wohnen schon dreißig Jahre hier in der Stadt?"

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,, Schon viel länger. Ich habe eigentlich fast mein ganzes Leben hier verbracht. Leben hier verbracht. Ich war früher Steueramtsdirettor und habe mich vor zehn Jahren zur Ruhe gesetzt. Mein Name ist

Faber."

,, Da haben Sie wohl Herrn Hilsner dienstlich kennen gelernt?" ,, Jasozusagen."

feit ausübte, sind dann einige nicht unbedeutende revolutionäre Kräfte hervorgegangen, die, nach der Machtergreifung der Bol­schemisten in Rußland , an verantwortungsvolle Posten gestellt wurden. Diese Schule war streng geheim und niemals hat während threr Existenz die italienische Regierung etwas von ihr erfahren. In Gorfis gastlichem Hause bin ich den meisten dieser begeisterten Zöglinge Lenins begegnet. Aber bei Gorfi verkehrten auch die Anhänger Plechanows und Martows, überhaupt die menschemisti­sche und sozialrevolutionäre Gruppe. Er machte zwischen diesen fich heftig befämpfenden brüderlichen Parteien feinen Unterschied. Darin lag seine Größe. Er liebte sie alle, die das russische Bater­land von der Tyrannei des Despotismus befreien wollten, aber er fonnte sich nicht zu einer bestimmten Dottrin innerhalb der repolu­tionären Idee entschließen, er war glühender Anhänger des ge= maltsamen Umsturzes, aber er vermochte die damit verbundenen Konsequenzen nicht zu ziehen, er war fein Politiker und hatte zum Teil ganz naive Vorstellungen über die Aufgaben und Ziele seiner Freunde. Er war und blieb der Dichter, der auch heute sich nicht zum Werkzeug oder gar der herrschenden Regierung machen läßt. Er ist der wissensfreie Mensch geblieben, passiv in seiner Beziehung die welt= zum bolichemistischen Weltgeschehen, skeptisch, was im erlösenden Wirkungen seines Erscheinens anbelangt und Grunde doch wohl ein tief religiöser Mensch im Sinne Tolstois, der das Heil seines geliebten Bolles nicht von irgendeiner bru= talen Unterjochung der Menschen, sondern nur von der evolutio= nären Entwicklung der sozialen Idee, von der Liebe und von dem wieder erwachenden Weltgewissen erwartet. Er glaubt an sein Rußland mit all seinen Mysterien und ungebrochenen geheimen geistigen Kräften, er glaubt an die Erlösung des russischen gläu= bigen und sehnsüchtigen Menschen. Gorti war schon damals ein ausgezeichneter Dialektiker. Er liebte die Diskussion über alles und besonders mit Menschen, die nicht seinen Standpunkt ein­nahmen. Er wurde aber in seinen Formulierungen niemals abstrakt, er verabscheute alles Schematische, er ist der geborene Aphoriftifer. Er liebt zu fabulieren und immer wieder bringt er, selbst mitten in einer Debatte eine Geschichte aus dem Leben zum Besten, um damit anschaulich zu machen, was er meint. Er liebt das Leben, es gibt nichts, was ihn mehr feifeln und berauschen könnte. Aus der Sehnsucht heraus, daß es allen Menschen gut gehen möge, ist er Sozialist geworden. Sein Wesen ist voller Widersprüche und ich bin felten einem unharmonischeren Menschen begegnet. Er leibet an seiner Gespaltenheit, an seinem Gut und Böse. Er ist aber darin wiederum ein echter Russe, ein Totaler nämlich, mit allen feinen Fehlern und Herrlichkeiten.

Die Tage und Wochen in der Nähe dieses seltenen Menschen und großen Dichters werden mir unvergeßlich bleiben. Das ganze große, schier unfaßliche und legendäre Rußland spricht aus Marim Gorti, dem emig Leidenden, Sonnenfüchtigen.

Stelle erklärt wurde, er sei einem Irrtum zum Opfer gefallen, habe ich unverzüglich an seine Unschuld geglaubt."

,, Aber Ihre innerste, eigenste Meinung?" ,, Meine Meinung ist, daß seither mehr als breiunddreißig Jahre darüber hinweggegangen sind." Und ohne ein Wort hinzuzufügen empfahl sich Herr Faber ziemlich schleunig,

Es tamen Regentage, die für Peter Lenz in seiner freiwilligen Gefangenschaft etwas Troftloses hatten. Und da sein Geist fort­während an der Materie des Falles Hilsner arbeitete, beschloß er, um sich zu beschäftigen, den alein Mann womöglich selbst über seine Geschichte zum Reden zu bringen. Er pflegte ihm häufig auf Wald.

Diese ausweichenden Antworten hinsichtlich feines Wirtes stimmten Peter Lenz etwas nachdentlich. Er konnte nirgends gepfaden oder vor seiner Türe zu begegnen und immer wurde ein naue Auskunft erhalten.

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Als er den Herrn Steueramtsdirettor wieder einmal beim Angeln traf, warf er abermals den Namen seines Hauswirkes hin. Da fragte der alte Herr ganz unvermittelt: Wie kommt es übrigens, daß Sie den Namen Hilsner noch nie gehört haben. Sie sind freilich jünger, aber die Geschichte hat seinerzeit viel Staub aufgewirbelt."

Nun wendete ihm Peter Lenz seine ganze Aufmerksamkeit zu, als der alte Herr mit halblauter Stimme erzählte:

Gruß gewechselt. Nach den Erzählungen des Steueramtsdirektors war Lenz nun neugierig geworden und versuchte, nähere Be­ziehungen zu dem Hauswirte herzustellen Eines Tages brachte er ihm einige Forellen und der alte Hilsner nahm sie unter der Bedingung an, daß er von seinem Obstmofte fofte; dann fub er ihn zum Essen ein. Jetzt handelte es sich nur darum, einen An­fnüpfungspunkt zu finden. Der fand sich eines Abends ganz von felbst.

,, Sie angeln oft mit Herrn Direktor Faber?"

,, Es war vor etlichen dreißig Jahren. Da wurde hier in der Ja," antwortete Peter Lenz ,,, wir sind gute Bekannte ge­Stadt ein Verbrechen begangen. Eine reiche Apothekerswitme, worden. Ein prächtiger Mann." und ohne meiteres fuhr er fort: ich kannte ja diese wurde samt ihrem Mädchen ermordet aufgefunden. Sie haben Wir haben auch von Ihnen gesprochen er drückte ihm die Hand: ,, mas müssen nichts von dem Mordfall gehört?" traurige Sache schon Sie durchgemacht haben, Sie Armer!" Und im Stillen dachte er: Nun wären wir so weit!"

,, Nein, ich erinnere mich nicht daran."

,, Man beschuldigte Ephraim Hilsner der Tat; er war damals ein junger Mann. Ich muß Ihnen noch sagen, daß damals viele Tatsachen ihn schwer belasteten. Ich will Ihnen die Einzelheiten erfparen, furz, er wurde verurteilt, allerdings nur zu einer lang jährigen Zuchthausstrafe. Ihm fam zu statten, daß einige mesent­liche Punkte unaufgeklärt geblieben waren. Er wurde nach einer entlegenen Strafanstalt gebracht."

Behn Jahre später ging das Gerücht, Hilsner sei unschuldig verurteilt worden, der wahre Täter sollte auf dem Sterbebette ge­standen haben."

Das Eis war gebrochen. Der alte Hilsner war nicht im min­besten verwundert oder getränkt, fing vielmehr zu lachen an, füllte fein Glas, trant es in einem Zuge leer und begann zu erzählen:

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,, Ja, das war eine eigene Geschichte. Als ich zurückfam, ging man mir aus dem Wege. Für einen Teil der Leute war ich ein Eines Märtyrer, für die anderen ein schlimmer Berbrecher. der schönen Tages wurde das anders und ohne jeden Grund" alte Hilsner strahlte über das ganze Geficht, als ob er sich eines famosen Streiches erinnere ,, da wollten sie mich in den Ge­ich hab natürlich für die Ehre gedankt ,, Die Sache erregte ungeheures Aufsehen. Man erinnerte sich, meinderat wählen daß Hilsner bis zu jener Tat sich immer als ehrlicher, fleißiger jetzt ist alles ergessen Mann bewährt hatte. Es bildeten sich Parteien für und wider ihn. Die Kabinettskanzlei des Kaisers ließ sich Bericht erstatten und eines Tages wurde der Mann begnadigt."

,, Er tehrte sofort in unser Städtchen zurück und ich darf nicht unerwähnt lassen, daß er seit seiner Rückkehr einen höchst achtbaren Lebenswandel geführt hat. Er hat seine Schwester beerbt und lebt nun seinen eigenen Neigungen. Die ganze Geschichte ist heute ein geschlafen, die meisten Zeugen von damals sind längst tot. Hier in der Stadt fällt es niemanden ein, auch nur die leiseste Anspielung zu machen.

Peter Lenz wollte gerne noch Einzelheiten hören.

,, Der fall muß wohl sehr vermidelt gewesen sein?" ,, Gemiß. Aber sicherlich war er unschuldig, darüber ist nichts zu sagen, weil ja das formelle Geständnis des wirklichen Täters porliegt. Was mich betrifft, ich bin für alle feststehenden Tat­fachen," bemerkte Herr Faber mit feinem Lächeln. Als Hilsner verurteilt murde, glaubte ich an seine Schuld; als an maßgebender

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-

nur noch eine alte Geschichte

und

Er sprach nicht von den Leiden der Gefangenschaft, hatte keinen Haß gegen die Gesellschaft, die an seinem entsetzlichen Erlebnis Schuld trug, er beteuerte auch nie seine Unschuld.

Peter Lenz war zwiespältigen Stimmungen unterworfen. Sah er aber in das schöne Antlitz des rüstigen Greises, dann war er von dessen Unschuld überzeugt, sah er die faltblitzenden Augen und die schmalen Lippen, dann stieg ein böser Argwohn in ihm auf.

Ehe Beter Lenz von seinem Landaufenthalt heimkehrte, faß er noch einen Abend lang mit seinem Hauswirt beisammen. Beim Abschied wurde ein Händedrud getauscht und da sah ihn der alte Hilsner mit einem merkwürdigen Lächeln an:

,, Soll ich Ihnen etwas fehr Merkwürdiges sagen, lieber Herr?" meinte er bann. Ich bin heute fast siebzig Jahre alt und es ist ganz unwesentlich), ob vor fast vierzig Jahren dieser oder jener ein Verbrechen begangen hat. Hören Sie mir zu; man hat mir so oft zugerufen, daß ich schuldig sei und dann wieder, daß ich un­idhuldig wäre, jo daß ich, bei Gottes felbft nicht mehr weiß."