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(36. Fortsetzung) Na also, das junge Fräulein Katzinger hatt« mit einem ita- lienischen General intime Bekanntschaft geschlossen und die Bregenzer Theaterkunst ohne muntere Lieblxibcrin gelassen, und war Knall und Fall nach dem Gardasee gefahren. Nun war guter Rat und ein neues Mitglied für das Stodttheatcr teuer, und Frau Neumann- Norrek wurde bestimmt. Ersatz zu schassen. Wenn du's nicht schon um deinetwillen tust, so tu's mir zu- liebe, Kind! Ich gehe nämlich mit, teils um dich zu beschützen, und teils für komische Mutterrollen. Die Zeiten sind ja elend," fügte sie gleichsam entschuldigend und ein wenig beschämt hinzu, datz sie, die Tragödin, jetzt zu diesem Fach hinabsteigen mußte. ?"3er will denn noch ein« so brotlose Kunst wie das Thcatcrjpiel lernen?" Düs war, so überlegte Hilde, bis zu dem Beginn des Um- versitätskurses. wahrhaftig ein Glücksfall. Ein Engagement, das war ja nicht übel, Mutti würde es ganz gut ertragen, sie nicht ernähren zu müssen. Aber freilich Bregcnz... Hilde sagte nicht nein und nicht ja und versprach, mit ihrer Mama zu sprechen. Die fiel auf den Sessel, als sie das hört«:Brcgenz! Nur das nicht!" Mutti, ich furcht' mich nicht vor Bregenz , nicht vor dem Groß- vater. Mutti, ich weiß ja alles!" Erschrocken sah die Mutter zu ihrer Tochter auf wie ein Kind. von dem ein Geheimnis den Erwachsenen verraten wurde. Du weißt?" Ja, Mutter!" Da« auch noch!" Mutti, hätte eine Lüge zwischen uns bestehen sollen? Ich weiß, wer ich bin und Hab' dich lieb. Mutti, hob' dich nur um so lieber, du tapferes, gutes Mutti!" Die beiden fielen sich um den Hals weiß Gott , so rührselig war Hilde nur zu Hause und beide weinten tüchtig. Die Mutter fragte gor nicht, woher Hilde das so lange und so gut behütete Geheimnis erfahren hatt«. Es war ja wichtig, es war notwendig gewesen, daß das Kind einmal die Wahrheit über sich selbst wisse. Hunderte Male war sie schon daran gewesen, das, was ihr so fürchterlich schien, auszusprechen, war daran gewesen, vor dem Kind« den Schleier, den sie über ihre Vergangenheit hatte breiten müssen, zu heben, aber die Worte hatten gefehlt, die Stimme hatte versagt. Nun, da es ohne sie geschehen war, fühlte sie es: nun war Hilde ihrer so gar nicht harten Zucht entglitten, nun war sie erwachsen. Wie lieb sich dies« Szene, die ihr in ihrem Bangen schier zwanzig Jahr« long so entsetzlich vor den Sinnen gestanden war. wie lieb sich diese schreckliche Szene vollzogen hatte, ohne Gefühlsüberschwang, ohne- lange Erklärungen, nur Tränen und Küsse. Und dann setzten sie sich her, wie ehedem, als sie miteinander das karg« Budget des Hauses Fernleitner einzuteilen hatten, und berieten, was nun zu tun wäre. Gerade Brcgenz das war nun allerdings ein Pech vielleicht ein Glück, dachte Hilde und sagte nichts von ihren Plänen, aber, ganz offen gestanden, das Pech war in dieser bösen Zeit, da alles noch den' Geld drängte und gedrängt wurde, nicht abzuweisen. Aber es gab Familie in Bregenz . Sollte man sie nicht schonen? Vielleicht ein Kompromiß, daß auf dem dortigen Theater ein Fräulein 5)i'de Lcitncr auftrete? Hilde wollte von diesem Kompromiß nichts wissen, sie hatt« es auch der Tante Hedwig versprochen, offen und frech die Burg derer von Fernleitner zu erstürmen, und da sich die Gelegenheit dazu zweimal bot, so war es der Fingerzeig einer höheren Macht, daß sie so und nicht anders heimkehre. Das Fräulein Rose, das jetzt immer furchtbar spät nach Hause kam, traf Mutter und Tochter in Tränen an, denn ohne bittere Erinnerungen war es an diesem Abend doch nicht abgelaufen. Sie ahnte gleich, daß das Kind doch die Blattern habe und als diese wissenschaftliche Ansicht wieder zum dritten Male entkräftet wurde, war sie wieder sehr erschrocken, daß dos Kind so bald nach ihrer Krankheit vom Hause fort in die Fremde gehen solle. E« war also beschlossene Sache. Frau Neumann-Norrek tele­graphierte nach Bregenz an die Stadttheaterdirektion, Hilde tele-

graphiert« der Tante Hedwig, und da Eile Bedingung war, fand schon zwei Tage danach der Abschied statt. Du wirst nicht hart mit dem Großvater sein!" empfahl Frau Fernleitner ihrer Tochter. Wird er nicht hart mit mir sein?" fragte diese. Er ist nicht schuld. Generationen von Fernleitners sind schuld. die ihm ihr Blut und ihren horten Sinn vererbt haben." Aber Mutti, er wird mich ja hinauswerfen oder gar nicht hereinlassen." Hild« sah die große Szene voraus, aber davor fürchtet« sie sich Vicht , Es machte ihr Sxaß, einmal recht beherzt den Kampf mit

der alten Zeit aufMnchmen, und sie wollte das bald zwanzigjährige Unrecht, das an Mutti begangen worden war, und unter dem auch Tonte Hedwig gelitten hatte, rächen. Nein, nicht rächen, gutmachen lassen. Die Rechnung mit dem Herrn Richard Fernleitner, Groß- vater und Obcrlandesgcrichtsrat, mußte beglichen werden. Dann stand noch die mit dem Drobauer bevor. Dessen langes Gesicht wurde noch länger, als er die Neuheit hörte.

Also laufen S' schon wieder fort?" fragte er trübselig. Und dann fügt« er sogleich hinzu:Aber recht haben Ss. I komm' nach." Mssen S', dort stiehlt mich niemand, in Brcgenz. Das ist sicher." Ist nicht so sicher." Was wollen S' dort machen? Ein Engagement mitten in der Saison gibt's nicht." Fällt mir auch nicht ein. I werd' doch nicht in den deutschen Normalschwänken an Hanswurst abgeben." Dazu sind wir Schauspieler aber da." O nein, zu was Höherem. I werd' den Bregenzern Revolu- tionsgedichte vortragen..." Daß man Sie gleich nach Wien zurückbcfördcrt." Daß ihnen ein Licht aufgeht." Aber bleiben S' lieber da, schreiben S' mir von Zeit zu Zeit und seien S' hübsch brav." Drobauer antwortete nicht, und Hilde zweifelte nicht, daß sie ihn eines Tages am Ufer des Bodenfess treffen werde. Sollt« sie noch dem Edi schreiben? Sie nahm sich vor, es von

Bregenz aus zu tun. Jetzt nur fort! Die Meisterin tneb sie an, und sie war selbst ungeduldig, den Schritt in die Welt zu machen, der sie zur Freiheit, vielleicht zum künstlerischen Ruhm führen sollte. Ihr war mir einem Male, als hätte sie viel einzuholen, ver- lorene Zeit, verlorene Möglichkeiten: sie fühlte sich, al» ob sie zu spät komme, indes ihre Klassengcsährtinncn schon an der Arbeit seien. Im Bahnhof von Bregenz stand richtig Tante Hedwig, wie sie es einstens versprochen hatte. Sie berichtete nach der Begrüßung so nebenbei, daß sie ein Zimmerchen in einer Pension gemietet habe, und daß auch für Neumann-Norrek gesorgt sei. Und nachdem sie Hilde in ihr neues Heim geleitet hatte, machte sie mit ihr aus, wann und wo sie am nächsten Tage zusammentreffen würden. Das war deutlich. Ihr Besuch im Fernleitnerschen Familienhaus war noch nicht erwünscht. Aber vor allem mußte Hilde am nächsten Tag unter der Obhut ihrer Meisterin ins Theater. Na, hofthcatcrmäßig sah es da nicht aus. Es schien geradezu, als wäre die blitzblank« Stadt vom Sonnenschein reingefegt worden und der hätte nur dies eine Ge. böude mit allem, was drin und dran war, vergessen. Di« Direttions- kanzlci war verstaubt, der Kanzleidicner auch, und die Kulissen. Gänge und die Bühne waren es erst recht. Aber der Direktor war überaus liebenswürdig und stellte Hilde gleich einen Stoß Rollen zu an Arbeit, Lern- und Spielgclegenheit mangelte es also nicht. Die Kollegen und Kolleginnen, die an der Bühnentür standen, warfen sich freilich Blicke zu, als sie Hilde mit den vielen Rollen- heften herauskommen sahen und bogen sich, als sie vorüber war. vor Lachen. Frau Neumann-Norrek hatte bald den Grund der Heiterkeit heraus. Der Direktor war in einer materiellen trüben Situation und suchte verzweifelt nach Kapitalien, um sein Theoterchen fortzuführen. Wozu sich also über den Tag hinaus Mühe geben? Hilde sollte in einem französischen Sensationsstück cine unsagbar edle Dame geben, die imt einer lasterhaften Frau, die man schon Person" nennen konnte, verzweifelt um ihren Gatten kämpft. Si« mußte mit allen äußerlichen Attributen die blonde Tugend vor- stellen,»indss jene andere ebenso deutlich die Verführung zu ver« kärpcrn hatte. Hilde hatt« gut ihr« Rolle gelernt und es fiel ihr nicht schwer, Dame zu sein. Ihre Hauptpartnerin hatte kaum ge- lesen, was sie sprechen sollte, sie bemühte sich kaum um anderes als um die Szenen, in denen ihre anerkennenswerten Beine sich in möglichster Oesfentlichkcit' zeigen konnten aber das mußt« auch ihr zugestanden werden: es fiel ihr nicht schwer, die Kokotte zu sein, die sie darzustellen hatte. Auf der ersten Probe wurde sie auf ihre Partnerin aufmerksam und machte sich über ihren Elfer lustig. Aus der zweiten Probe war sie wütend, schrie mit dem Direktor, der nicht aufzubegehren wagte, mit dem Jnspizenten unk» allem, was sonst noch auf der Bühne war. Während der Vor« stellung, die am Tage darauf stattfand, brach dann das Unwetter los. Sie verlangte, che der Vorhang in die Höhe ging, die rück» ständige Gage und drohte, daß sie dem Herrn, wie sie den Direktor abfällig nannte, für die Dauer eines Aktes Zeit laste, sich das Geld zu verschaffen, den zweiten Akt werde sie nicht spielen, kein Roß bringe sie auf die Bühne ha, sei denn das überhaupt eins Bühne? auf diese... diese Schmiere. Und wenn sie den Skandal vor das Publikum bringe, so sei das Bregenzer Stadttheater hin. kaputt, krepiert, verreckt... So was, ihr keine Gage zu zahlen! (Fortsetzung folgt.)'

WAS DER TAG BRINGT. nniiMiiiiiiiiiiiiiimiMiiiniiimmiRiinmiiMMmmmininiiiiininimminMiinniiiinimimmiiiiniMiiiiiuiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiinn

Scher ma's Mündel? In Marienbad gibt es«ine Promenade, auf der bosnische Hundescherer ihr Handwerk versuchen. Im KarlsbaderDolkswillc" erzählt einer folgende Geschichte, die einem seiner Bekannten passiert ist: Zl. raucht eine Zigarre, setzt sich auf ein« Promenadenbank und liest die Zeitung. Um ihn spielt ein nettes kleines Hündchen. Do kommt einer von den bosnischen Hundeschercrn und fragt auf wienerisch: Euer Gnaden, entschuldigen schon, scherma'» Hundel?" T. freundlich:Scherma's Hundel." Der Bosniak:Scherma's kurz?" T. wohlwollend:Scherma's kurz." Der Bosniak:Oder scherma's lang." 1. einverstanden:Scherma's lang." Der Bosniak kriegt mit«inemmol ein« glänzende Idee und sagt ganz aufgeregt:Oder, Euer Gnaden.. scherma's wie«in Löwen????" X. friedlich und nicht atis der Ruhe zu bringen, stimmt zu: Scherma's wie ein Löwen." Die Prozedur dauert einige Minuten, dann zieht der Künstler seinen Hut und meint:So, Euer Gnaden, fertig is, kostet 42 Kronen."(Etwa 5 Mark.) I. legt langsam die Zeitung auf den Schoß, faltet sie zusammen und spricht nachdenklich:Das ist ja ganz schön, aber mir gehört doch das Hundel gar nicht, und ich zahl« keine 42 Kronen.. In dem Llugenblick kommt ein dicker Proger Bürger angelaufen und schreit:Sie, Herr, Sie, was fallt Ihnen ein? Was haben Sic mit meinem Hundel gemacht? Wie ein Löw Habens es scheren lassen? Sie Fallot Sie??" Ja, und dös kost 42 Kronen," mischt sich der Bosniak ganz beleidigt in das Gespräch. Großes dreifaches Geschrei. Dreifache Ausregung. Di« Geschichte ging so aus: Mein Bekannter zahlte für das Hinterteil des kleinen �Löwen" 22 Kronen, der Besitzer 20 Kronen. Macht zusammen 42 Kronen.... Nach 18 Jahren verurteilt. Im Jahre 1910 schoß B og r ow während einer Theater- Vorstellung, an der auch der Zar Nikolaus II. teilnahm, auf den Ministerpräsidciiten S t o l y p i n. Stolypin starb an der Berlegung. Natürlich wurde der Attentäter vom Kriegsgericht zum Tode ver-

urteilt. 12 Mitglieder monarchistischer Organisationen hatten di» Erlaubnis erhallen, der Hinrichtung beizuwohnen. Unter diesen 12 befanden sich auch Scrgcjcw und Kujnezow. Einer von ihnen hatte zum Andenken auch ein Stück von dem Strick mitqe- nommen, mit dem Bogrow gehenkt worden war. Wegen dieser Teil- nahm« an dem Hinrichwngsschauspiel ist den beiden jetzt auf Grund des Sowjetrussischen Strafgesetzbuches, das frühere altioe Feinde der Arbeiterklasse mit Strafe bedroht, der Prozeß gemacht worden. Sergcjew wurde zu ö, Kust'.czow zu 3 Iahren Gefängnis verurteilt. Nach 18 Iahren! 18 Jahr in lethargischem Schlaf. Aus Iohannisburg wird gemeldet, daß dort ein Mädchen, das feit 18 Iahren sich in einem lethargischem Zustand befand, wieder aufgewacht ist. Das Mädchen war seit 1910, als es 20 Jahre alt war, in Schlaf verfallen, als es di« Nachricht von einem tödlichen Unfall ihres Verlobten erfuhr. Seitdem es erwachte, ist die bisherige Lähinung zwar verschwunden. doch hat es den Sprachgebrauch erst sehr unvollkommen wiederge- sunden und ist außerdem von einer trankhasten Schüchtern- heit befallen. Eine späte Taufe. Vor kurzem kam ein achtzigjähriger Weißer zum Pfarrer von Riocrsdale(Kopkoionie) und bat um die Taufe. Dem Geist- lichen erschien d<m Ansinnen etwas merkwürdig, und er fragte den Alt.,, warum er nicht schon als Kind getauft worden fei. Da er- fuhr er, daß der Mann aus cinein Dorf am Kafirsknils River stammte, das fünfhundert Weiße zählt, ober nie«in« Kirche oder Schule besessen hat. Die Ansiedlung besteht aus der Nach- konimcnfchaft von Engländern, die sich zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts dort in den Zwarte-Bergen abseits der großen Straßen niederließen. Seit Menschengedenken ist kein Dorfbewohner au» seiner Heimat herausgekommen, und nur ganz wenig« Fremd« haben den Ort aufgesucht. Die einzige Verbindung mit der Außenwelt ist ein Tragtierpfad, aus dem von Zeit zu Zeit ein Händler in da? Dorf kommt, um die Feldfrüchte der Hinterwäldler gegen einen Ochsen einzutauschen. Diesen braten die Einwohner im Freien am Spieß, und jeder Dorfangehörige erhält seinen Anteil. Sonst ernähren sich die Bauern das ganze Jahr hindurch nur von süßen Kartosfeln und Mais. Kraftwagen und Eisenbahnen sind den Hinterwäldlern unbekannt. Trotz ihrer primitiven Lebensweise hängen die Leute am Althergebrachten und wollen nichts von dzr Außenwelt wisse»,