Einzelbild herunterladen
 

Beilage

Dienstag, 28. August 1928.

NO

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Politik und Wohnungsbau.

Wem die Versicherungsanstalt für Angestellte ihre Gunst zuwendet.

"

Es gibt taum andere Organisationen, die mehr die Aufmerksam| man sofort damit begonnen, Großbaustellen zu schaffen. Die feit der arbeitenden Bevölkerung erfordern, als die vielen Woh nungsbaugesellschaften. Alle nähern sich der Deffentlich feit mit dem freundlichsten Gesicht, behaupten politisch völlig neu tral" zu sein und nur den einen Zweck zu kennen, die Arbeiter und Angestellten mit billigen Wohnungen zu versorgen. In der Pragis sieht die Geschichte allerdings meist ein wenig anders aus. Eine der Gesellschaften, die den Anspruch machen, überragende Bedeu­tung zu haben, ist die Gag fah", Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten- Heimstätten, Berlin  . Wir wollen heute den Vor­#pitsitud 19

.

"

theten und auch für die Zwischenkredite ist bei der Gagfah" die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte. 22,35 Millionen Mark sind ihr von dieser Anstalt, in der der Deutsch­nationale Handlungsgehilfenverband wiederum das Zepter auf Grund eines völlig unbrauchbaren Wahlsystems führen kann, ge geben worden. Nicht weniger als fünf prominente Vertreter der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte sigen   im Aufsichtsrat der Gagfah". So spricht man denn auch im Geschäftsbericht immer wieder von dem ,, vertrauensvollen Zusammenarbeiten" der Reichs­versicherungsanstalt mit der Gagfah". Ein Wahlverfahren, wie es undemokratischer nicht gedacht werden tann und bewußt eine einseitige Begünstigung des Deutschnationalen Hand­lungsgehilfenverbandes bedeutet, brachte es zustande, daß der AfA. bund bei 270 000 Stimmen der letzten Vertrauensmännerwahlen 555 Mandate erhielt, während der DHV. für die gleichen Stimmen 1631 Vertrauensmänner, also dreimal so viel ,, eroberte". Eine Un­gerechtigkeit sondergleichen liegt in diesem Verfahren.

Vorteile, die sich daraus durch Rationalisierung und Anwendung großer Maschinen ergaben, waren so bedeutend, daß sich die Miete erheblich verbilligten. Bo hat die Bagfah" etwas ähn­liches wie die Großsiedlungen Brig   und Zehlendorf   aufzu­meisen? Sie hat in jüngster Zeit allerdings versucht, die ,, Gehag  " Siedlung in Zehlendorf   in ihrem Sinne zu bereichern". Den an­erkannt fünstlerisch wirkenden Flachdachbauten diefer Siedlung hat man die nach Ansicht dieser Leute für Deutsche nur in Frage kommen den Steildächer in nicht zu verkennender Absicht gegenüber gestellt. Diefe Siedlung, die als Aus­Aus­stellung gedacht ist, soll das höchste darstellen, dessen die Gagfah" fähig ist, was dabei herausges tommen ist, hat der Abend" be­reits eingehend mitgeteilt. Es sind Wohnungen erbaut worden, deren Miete für einen gewöhn. lichen sterblichen Angelich stellten einfach untrag= bar sind. Aber der Angestellte scheint bei der Gagfah" erst bei einem Monatseinkommen von min­destens 500 Mart anzufangen. Sehr hübsch ist, daß man bei den meisten in Zehlendorf   erbauten Häusern eine Autogarage vorgesehen hat. Ja, hier erwartet man vornehme Leute!

Die freigewerkschaftlichen Angestellten, denen die Beiträge pünft abgezogen werden, haben nicht die Möglichkeit, durch ihre Ber­treter eine Anleihepolitik durchzudrücken, die die Gelder ihren Bauorganisationen zuführt, Baugenossenschaften, die noch dazu weif billiger und weit rationeller arbeiten als die ,, Gagfah" Nach den Aktienbeteiligungen richtet sich auch der Verteilungsschlüssel für die erbauten Wohnungen. Danach erhält der DHB. für seine Mitglieder bis zu 60 Proz. aller durch die ,, Gagfah" errichteten Wohnstätten. Es wird die Aufgabe aller freigewerkschaftlichen Angestelltenver. bände sein müssen, nicht eher zu ruhen, bis hier die Dinge in das richtige Verhältnis zur Zahl der Reichsversicherungsmitglieder zurück. geführt worden sind. Uns fam es heute lediglich darauf an, der Die Angestellten werden wohl Deffentlichkeit, an die die ,, Gagfah" sich bei der Eröffnung der Aus­zum Unterstellen der Chestandsstellung Bauen und Wohnen" in Zehlendorf   wieder mit füßlichem tutsche taum eine ganze Auto- Lächeln als überparteiliche voltsbeglückende Wohnungsbauorganisa. garage benötigen. Aber für fie tion herantreten wird, einen fleinen Einblick hinter die Kulissen zu sind die Wohnungen auch gar gewähren.

I

So sehen die schönen Häuser der Gehag" aus.

hang, der vor diese Organisationen gezogen wurde, ein ganz flein  menig lüften.

"

Wie die Neutralität aussieht. ( Unsere Parole iſt, billige Wohnungen für die gesamte Ange­stelltenschaft zu bauen, wir tennen teine Parteien, unsere Gesellschaft wird von Angestelltengewerkschaften sämtlicher Richtungen getragen, so verkündet bei jeder möglichen Gelegenheit der Gewaltige der ,, Gagfah", der Herr Generaldirektor Arnold Knoblauch  . Wie fieht die Geschichte in Wirklichkeit aus? Allerdings gehören zu den Aktionären der Gagfah" auch freigewerkschaftliche Angestellten­organisationen. Sie ließen sich seinerzeit aus der Erwägung heraus, man dürfe eine solche Wohnungsbauorganisation nicht unkontrollier bar laffen zur Uebernahme einiger Attien bestimmen. Nun ver­schweigt Herr Knoblauch aber stets geflissentlich, daß diese Beteiligun= gen im Vergleich zu dem Anteil des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes, des Hauptaktionärs der ,, Gagfah", verschwindend gering find. Als die freigewertschaftlichen Verbände erkannten, daß man ihren guten Namen lediglich als Aus­hängeschild benutte, um eine Politik zu verbergen, die nur im Inter­effe des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes liegt, wollten sie sich sofort wieder zurückziehen. Das war jedoch nicht so einfach, da die erworbenen Aktien auf Namen lauten und ein Verkauf der Zustimmung des Aufsichtsrates bedarf. Bei der Herrschaft des DHV., der natürlich ein großes Interesse daran hat, sein Spiel hinter der schönen Kulisse der Unparteilichkeit" zu treiben, ist das vorläufig unmöglich. Bon ,, leberparteilchfeit" fann so gar feine Rede sein. Die Gagfah" ist eher eine mit fleinen Schönheitsfehlern behaftete Tochtergesellschaft des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverban­des. So konnte es auch geschehen, daß in der legten Generalver­sammlung das Vorstandsmitglieb Herr Bechly vom DHV. einem Notar, der ihn über Abstimmungsformalien belehren wollte, er­widerte, daß es so genau nicht darauf ankomme, denn hier habe doch er bzw. der DHV. zu bestimmen. Eine Bemerkung, die zwar nur den Nächstfißenden hörbar war, die aber bezeichnend für den gesamten Aufbau der Gagfah" ist.

Keine Wohnungen für fleine Angestellte.

Mit allem könnte man sich zur Not abfinden, wenn wirklich gute und billige Wohnungen für die Angestelltenschaft erstellt würden. Die Wohnungsnot ist unvermindert groß und wer ihr zu Leibe gehen will, foll von uns nicht gescholten werden, mag er auch einer Partei dienen, die wir bekämpfen. Aber auch bei diefem Bunft müssen wir scharfe Kritit üben. Aus dem Gagfah"-Geschäfts­bericht entnehmen wir, daß die im Jahre 1927 in Angriff genom­menen Wohnungen auf nicht weniger als 110 Baustellen ver= teilt liegen. Dabei ist der prozentuale Anteil der Baustellen von 1 bis 20 Wohnungen der höchste, nämlich 61,82 Proz. Im Durch schnitt tommen auf eine Baustelle 43 Wohnungen. 110 Baustellen mit je 43 Wohnungen! Welche nublose Mehrleistung an Arbeit, Zeit und Finanzierungsschwierigkeiten! Alles Dinge, die legten Endes die Miete der Wohnungen so verteuern, daß sie von den kleinen Angestellten überhaupt nicht bezogen

werden können.

Man vergleiche hiergegen die Pragis der von den freien Gemert­schaften gestützten Gebag", Gemeinnüßige Heimstätten. Spar­und Bauaktiengesellschaft, Tochtergesellschaft der Dewog". Hier hat

nicht erbaut worden. Die Aus­stellung ist, ehe sie überhaupt offiziell das Licht der Welt er­blidte, fast einstimmig von der Berliner   Preffe als städte bauliche Greueltat abge­fan worden.

an der

Das Interessanteste Gagfah" find jedoch ihre Finan­zierungsmethoden.

Da hat man es glänzend verstanden, die guten Be ziehungen" auszunuzen. Haupt geldgeberin für die ersten Hypo­

THE edad

Mit diesen Bauten wird die Gehag" Siedlung abgeriegelt.

Warme Gebirge und kalte Berge.

Zahlreiche neue Forschungen in der Schweiz   und in Skandinavien  | haben ergeben, daß die zusammenhängenden Massenerhebungen eines Gebirges bedeutend höhere durchschnittliche Tages- und Jahres­temperaturen aufweisen, als einzelne gleich hohe Berge oder Berg tetten an den Flanten dieser Gebirge. Das äußert sich in den dort höher, hier niedriger verlaufenden Schnee- und Gletschergrenzen, ferner an den dort in größerer Höhenlage als hier möglichen mensch lichen Siedlungen, sowie am deutlichsten in den verschiedenen Baum­wuchsgrenzen. In der Schweiz   liegt diese beim Alpenmassiv 700 wuchsgrenzen. In der Schweiz   liegt diese beim Alpenmassiv 700 bis 800 Meter höher als bei den Außenfetten und Einzelbergen. Die Hochebene verhält sich zur Ein- und Ausstrahlung der Sonnenwärme anders als ein Berg von derselben Höhe.

Während bei der mehr oder weniger kegelförmigen Gestalt des Berges die Sonnenstrahlen größtenteils in sehr spigen Winkeln auftreten, und durch die von allen Seiten eintretenden Winde eine starte Abkühlung erfahren, treffen die Strahlen beim Gebirgsmassiv meistens in einem viel offeneren Winkel auf die Oberfläche, mo sie, Don Winden weniger gestört, sich beliebig horizontal ausbreiten fönnen. Dieser Vorzug äußert sich besonders im Winter, wo die Temperatur mit der steigenden Gebirgshöhe viel langsamer abnimmt, als im Sommer, weshalb die Winter des zusammenhängenden Hoch­gebirges in ihrem ganzen Berlauf verhältnismäßig mild find, während die Einzelberge nur vorübergehend wärmere Temperaturen genießen.

Das Hochgebirgsmaffin zeigt also durch seine der Bage­rechten zustrebende Bodengestaltung ein hartnädiges Festhalten und Ausbreiten der Wärme, sowie ein ebenso hartnädiges Festhalten und Abschwächen der Kälte. Es ähnelt in diesen Flächeneigenschaften dem Meer und der Meeresfüfte. Die Aehnlichkeit offenbart sich sehr deut­lich in charakteristischen Arten der Flora mit sehr späten Aufblüh­zeiten, im Hochgebirge und an den nordischen Meerestüften zeigen beide eine auffallende Berwandtschaft und Uebereinstimmung. Auf Better, Klima und Pflanzenwuchs wirken demnach zusammen­hängende Gebirgsmassen erhaltend und ausgleichend, Einzelberge störend und aufreizend. Die Berge sind, wie Professor W. Ramjan fich ausdrückt, Löcher im Treibhausfenster, durch die die Kälte ein­dringt. Man darf mit diesem Forscher wohl annehmen, daß die ge­

schilderte verschiedene Beeinflussung der Temperaturverteilung burd Bergspigen und Bodenflächen nicht nur für Tage und Jahreszeltet gilt, sondern auch für die nach Millionen von Jahren zählender Berioden geologischer Umwälzungen und Klimaänderungen.

Nach Ramsay und Sandström wird das sich ändernd Erbperiodenflima beherrscht von den durch den Wechsel von die Erd oberfläche aufwölbenden, sowie vulkanisch zerreißenden Bergbildunge einerseits und nachfolgender Einebnung durch Winde, Niederschläg und Meeresüberschwemmungen andererseits. Die uns verhämis mäßig naheliegende Tertiärzeit zum Beispiel zeichnet sich aus durd Einebnung großer Wärme sowie üppigen Pflanzen und Tierwuchs Ihrem Ende zu beginnt lebhafte Bergbildung und vulkanische Tätig teit. Die vielen neu entstehenden Berge erweisen sich. als Klima störer undf ühren schließlich zur ersten Eiszeit. Hierauf wurden in Laufe der Jahrhunderttausende die Berge allmählich abgetragen, da Klima wird durchschnittlich wärmer, das Eis nach den Polen   zu und auf die Berge zurückgedrängt, bei dem nun herrschenden, Schmelz wassereichtum entstehen Flüsse und Ströme, die sich ihr eigenes Bel graben, wodurch wiederum die großen Seen und Sümpfe entwässer Die noch gar nicht weit zurückliegende zweite, dritte und pierte Eiszeit beweist, daß wir uns noch immer in jener große Beriode der bei weitem nicht beendeten Abtragung flimastörende Berge befinden.

werden

Theater.

Gastspiel des russischen Theaters in Berlin  .

Großer Applaus. Müller flatscht begeistert mit. Fragt Schulze: Was haste denn? Berstehst du russisch?" ,, Nee. Aber müssen das gleich alle Leute, wiffen?"

Regelrecht

,, Du, Minna, deine frühere Gnädige, die X., hat ja jezt eines tleinen Jungen befommen!"

,, Das hab' ich gewußt, daß es ein Junge werden würde!" Wieso?" ear

,, Na, ein Mädchen hält doch bei der feine neun Monate aus ( Aus dem Wahren Jakob".)

"