Donnerstag 30. August 1928
Unterhaltung und ANissen
Y
Beilage des vorwärts
Der Sprung aufs Dach. Don Walter Srieg. dieses ist die Geschichte von einem Dachdecker, der den Auftrag erhalten hatte, dos schadhaft gewordene Da 6) einer Irrenanstalt aus- zubessern, Der Dachdecker war mitten in seiner Arbeit, als ans einer Dachluke ein Mann in Anstaltskleiden, hervorkroch und ihn durch chand- winken bcgrühte. Der Fremde lochte den Dachdecker an und rief schon von weitem:„Ich will dir ein wenig Helsen, Kollege!" Der Dachdecker war über dieses liebenswürdige Anerbieten nicht gerade sehr erfreut. Mit Besorgnis sah er den Kranken das steile Dach emporklettern, bis er den First erreichte und stch dicht vor dem Handwerker aufrichtete. Der Fremde verneigte stch:„Baron Konter- baß ist mein Name." „Iönsson aus Fagerhnld," stellte stch seinerseits der Dachdecker höflich vor. ,Dch störe doch nicht." „Ne," sagte Iönsson und machte eine Handbcwegung, die zum Platznehmen einlud. „Wird mir ein Bergnügen sein," dankte der Fremde, spreizte die Beine und glitt auf den First, als sei er an ein derartiges Terrain gewohnt. Der Dachdecker schaute ihm ins Gesicht und bemerkte, daß der Kranke in einer- sehr behaglichen Stimmung dasaß. Er schaute über die Dächer, und es schien ihm hier oben gut zu behagen. Nach einer Weile griff er in die leere Tasche seiner Anstoltskleidung und sagte: „Zigarette gejällig... Wie? Nichtraucher." Bei diesen Worten zuckte sein Antlitz, und es war, als glitte ein Schatten über sein Gesicht. Er schwankte ein wenig, so daß Iönsson sagen mußte:„Herr Baron müssen sich gut festhalten." Gereizt antwortete der Fremde:„Wenn ich sündige, sündige ich für mich, Herr Pastor. Die Propheten hoben mir nichts zu sagen... und Sie, Herr Pastor, sollten stch was schämen." „Ich meinte mir so," wogte der Dachdecker zu antworten. „Ihr versteht mich alle nicht!" „Hoppla, dos Leben ist schön! Wie denken Sie, verehrter Kollege, über den Sport?... Feine Sprungschanze, dieses hier... Weltrekord... ha! Meister, lassen Sie uns da hinunterspringen." Der Handwerker sah in die glühenden Augen des Kranken und zog sich unwillkürlich zurück. Der Fremde schrie auf:„Was, du willst nicht? Du trittst die Ehre des Vaterlandes mit Füßen... komm jetzt, zieh dich aus Maria... wir springen zusammen vom Dach... vom Dach der Welt... Achtung. Großausnahme... Blitzlicht... hurrah." Der Dachdecker war noch ein Stück abgerückt und hackt« am äußersten Ende des Firstes. Der andere lochte:„Aber zier dich doch nicht...«in»... zwei." Ruhig sagte der Handwerker, indem er dem Fremden die Hand auf die Schulter l«gt«, seine Worte kamen flehend hervor:„Komm, Kamerad, laß uns noch Hause gehen. Die Arbeit ist fertig. Feier- abend, das Essen wartet." Der Wahnstnnige stierte ihn groß an und riß die Hände auf: „Was, du willst fortlaufen... Moria, du Tier... Du schöne», liebes Tier... Ha, aber jetzt springen wir, wir beide, du und ich... hopp!" Bei diesen Worten griff der Kranke nach Jönssons Rock und ver- suchte ihn vom First zu zerren. Iönsson wehrte sich verzweifelt. Der Fremde hatte sein Handgelenk ergriffen und Iönsson merkte, daß er über unheimliche Kräfte verfügte. Mit einem Fußtritt hätte er ihn vielleicht hinabstoßen können, aber das wollte Iönfson nicht. Nun war der Kranke ein wenig hinabgerutscht und drohte hinab- zufallen. Er hielt sich mit den Zähnen am Rvcksaum. Iönsson krallte sich ins Dach und riß einige Ziegel aus. Er drohte das Gleichgewicht zu verlieren und fühlte, daß er diesem Zerrert nicht lauge standhalten könne. Aber so gefährlich seine Lage auch war, verließ die Ruhe ihn keinen Augenblick. Er dachte nach und grübelte, wie er stch wohl aus dieser Lage befreien könnte. Er machte einen Versuch, an dem Wahnsinnigen varbeizu- kommen, und die Luke zu erreichen. Aber dieser folgt« ihm so schnell und schrie in einem fort:„Es geschehen Zeichen und Wunder, wir werden vom Dach springen... das größte Wunder des Jahr- Hunderts." Und wieder warf er stch über den Dachdecker und suchte ihn zu würgen. Da kam dem Bedrängten ein Einfall. „Was sagst du, Wunder, das ist kein Wunder und keine Kunst, von einem Dach zu springen. Das mache ich jeden Tag. Das haben Tausende vor mir getan und manche sind sogar gut angekommen." „Richtig, richtig... hi, hi," schmunzelte d?r Kranke ..Ich will dir aber einen guten Borschlag machen". „Wie bitte?" „Glaubst dii. ich kann auf das Dach hinouffpringen?" „Großartig!" „Ich gehe jetzt auf den Hof, und wenn du bis drei zählst, wache ich einen gewaltigen Sprung und sitze wieder neben dir.". „Brillant!" Der Kranke klatschte in die.Hände. Er gab den Dachdecker frei, setzt« sich auf das Dach, so daß er stch gegen den Schornstein lehn?,, konnte und wartete auf das Mirakel, das sich nun abspielen sollte. Sein Antlitz war wieder ganz ruhig und heiter. Der Dachdecker wischt« stch mit dem zersetzten Aermel über die feuchte Stirn und verschwand in der Luke. Der Fremde saß und tat, als rauche er etne Zigarette. Er «artete. Als ihm das Warten zu lange dauerte, begann er zu fingen. Er fang den Choral:„Run danket alle Gott." Er fang solange, bis sie ihn vom Dache abholen wollten. Da erst ging er aufrecht bis an das äußerste Ende des Firstes und sprang hinab._ Kriegsächiung vor sooZahren. Die Aechtunq des Krieges, wie sie jetzt mit der Unterzeichnung des Kellogg -Paltes ausgesprochen ist, hat eigentlich nur einen Bor- lauf« in der Geschichte, nämlich in jener Bewegung zur Berdam- mung und Abfchossung des Krieges, die vor etwa l>M Jahren in der Erklärung des ,.G o t t e s s r i c d« n»" gipfelte. Hassentlich gelingt es im Jahre l9N, die Ideole, die bereit» im Jahr«\02% ausoetmicht waren, bester zu verwirklichen, aber im Grunde ge. nvmnvn sind die heutigen Frieden«idecn und die Verhältnisse, au» denen sie geboren wudden, nicht allzusehr verschieden von jenen,
Aus der Geschichte der Llntergrundbahn.
Da» furchtbare Unglück, da» sich jetzt auf der New-Horker Unter- grundbahn ereignet hat, darf auf eine» besonders unglücklichen Zu- fall zurückgeführt werden, der augenscheinlich in der Nachlästigkeii eines Weichenstellers seinen Grund hat. Gegen ein folches Ver- sagen des Menschen ist nun einmal keine menjchlichc Einrichtung gefeit: im ganzen aber darf man sagen, daß die modernen Unter- grundbahnen zu den sichersten Beförderungsmitteln gehören, und daß besonders der großartige Betrieb in New Dort zu den mustergültigsten der Welt gehört. Nachdem die Technik so weit gediehen war, daß sie große Tunnelbauten ausführen konnte, lag es ja nahe, auch die Bahnen in dem zunehmenden Verkehr der Großstadt unter die Erde abzuleiten. Das«st« Bedürfnis stellte sich natürlich für London heraus, das schon vor 100 Jahren den Charakter«ine? „Weltstadt" besaß, und wo der„ungeheure Verkehr" üb« der Themsebrücke als eine Art Weltwunder angestaunt wurde. Schon damals, um das Jahr 1830, ist in London der Versuch unternommen worden, eine Eisenbahn unter d« Erde anzulegen, die unter dem Paddington -Kanal hinlief und fast S Kilometer lang war. Der kost- spielige Bau galt als ein Wunder der damaligen Technik, ab« dem Publikum war es unheimlich, stch so„unter Tage zu begraben", und so teilte diese erste Untergrundbahn das Schicksal viel« Vor- läufer wichtiger Einrichtungen: sie mußte nach kurzer Zeit der Be- Nutzung zu Lagerräumen verwendet werden. Der Ruhm des Tunnels unter der Themse , der ja auch von Fontane gefeiert wurde, brachte dann den Ingenieur Fowl« aus den Gedanken, ein unter- irdisches Bahnnetz für London zu schaffen. Diese erst« Untergrund- bahn, die 1863 auf der Strecke zwischen Paddington und Farrington erössnct wurde, gefiel den Londonern besser, da sie nun bereits da« Fohren im Tunnel gewohnt waren. Die Bahn schlängelle sich mit ihren zwei Schienenglcisen in Kurven unter den runden Gewölben der Tunnel hin. Wo nicht an einzelnen Stellen dos Tageslicht geisterhaft herein schien, mußte man sich mit Gaslicht begnügen. Die zeitgenössischen Schilden, ngen heben besonder» hervor, daß die Bahn von 6 Uhr morgens bis Mitternacht verkehrte, und daß all« SO Minuten ein Zug ging. In größeren Tiefen hat man dann in London jene unterirdischen Röhrenbohnen angelegt, die wohl die seltsamsten Erscheinungen der Verkehrskunst sind. Man hat diese „Tubos"„Menschenrohrpoft" genairnt, weil es wirklich in diesen engen Röhren so ist, als ob die Wagen durch eine Leitung hindurchgefaugt würden. Da die Londoner Untergrundbahn sehr tief angelegt ist, so vermitteln vielfach Fahrstühle den Zugang. Die Sicherheit wird durch die besonders günstigen Bodenverhältnisse der Stadt gewährleistet.
New D or k, die zweite der modernen Riesenstädte,- die zum unterirdischen Verkehr überging, hat dann die Londoner Anlage noch weit übertroffcn: hi« fahren die Untergrundbahnen unter den großen Flußläufen hindurch, und unter der eigentlichen Untergrund- bahn liegen wieder noch in tieferen Stockwerken die Schnellzuggleis« von Fernbahnen.' Hier ist die Sehnsucht d« europäischen Schnell- bahnfahrgäst«, rasch vorwärts zu kommen, wirklich befriedigt, denn es gibt besondere Schienenwege, auf denen die Züge nicht alle paar Minuten stillhalten, sondern in rasendem Tempo weite Strecken zurücklegen. Freilich muß sich dann auch eine Katastrophe, wie sie jetzt stattgesunden hat, besonders furchtbar auswirken. In Paris wurde die erste Unt«grundbahn bei d« Weltausstellung im Jahre 1900«öffnet. Seitdem ist ein sehr verzweigtes unterirdisches Per- tchrsnetz ausgebaut worden, ab« die erste Anlage litt unter Mängeln, und so kam es denn bald nach d« Eröffnung zu einem schweren Unglück aus dem„Mätro", wie der Pariser seine Untergrundbahn nennt. Bei fast keinem der Bahnhöfe sind die Treppen, die zur Straße führen, so angelegt, daß unter allem Um- ständen Licht von draußen einfällt, und als nun ein Zug auf dem Bahnhof Nation in Brand geriet und die Beleuchtung— wie das in solchen Fällen oft vorkommt— gerade in diesem Augenblick erlosch, liefen die Fahrgäste in ihrer Angst scharenweise nach dem toten Endwinkel des Bahnsteigs, anstatt in entgegengesetzter Richtung zum Ausgong, und viele fanden hier den Erstickungstod. Die Vorbilder der Londoner und New-Forker„Unt«grund" ließen gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch in Berlin den Gedanken entstehen,«ine unterirdische Schnellbahn anzulegen, aber es waren noch viele Schwierigkeiten zu überwinden, bis 1902 der erste elektrisch« Untergrundbahnzng fuhr; es war bekanntlich eine Verbindung von Hochbahn und unterirdischer Bahn, deren be- nihmtester Teil das Gleisdreieck war. Ab« so sehr diese Kreuzung vom technischen Standpunkt aus bewundert wurde, so geriet sse doch in Verruf, als stch im Herbst 1908 dort eine e n t- setzliche Katastrophe ereignet«. Ein Zug, d« vom Potsdamer Platz nach dem Often fuhr, rannte einem anderen in die Flanke, der gleichzeitig von Westen her nach Osten strebte. Der Fahr« des aus der Stadt kommenden Zuges hatte das Haltsignal überjehen, und die Folge war, daß der von ihm gelenkte Zug einen Wagen des and«en von dem hohen Bahnkörper hinunterwars. Biele Opfer waren zu beklagen, und so wurde denn das Gleisdreieck aufgelöst und durch ein Glciskreuz ersetzt, durch das nun der Berliner Hoch- und Untergrundbahn die denkbar größte Betriebssicherheit gewährleistet ist.
die im 11. Jahrhundert zu der gewältigen Bewegung d«„Treuga Dei " führten. Die Entwicklung des Gottesfrieden-Gedankens, die von den Anfängen im 10. Jahrhundert bis in» 12. und 13. Jahr- hundert geht, ist der stärkste Ausdruck jene» Grauens vor dem Kriege, der damals die Menschen wie heute befallen hatte. Gegen Ende des 10. Jahrhunderts war die politische Lag« in Europa — in verkleinertem Maßstab nicht viel anders als die von 1914. Die Hand eines jeden war aufgehoben gegen den anderen: unzählige Kriege, Fehden, Ucbersälle und Metzeleien erschütterten die Gesell- schostsordnung, die damals nach dem Zusammenbruch des antiken Staates noch keine feste und sichere Grundlage gefunden hatte. Be- sonders die Annen und Schwachen stöhnten imt« diesen grauen- haften Zuständen, und so war die Stimmung ähnlich wie nach dem Weltkrieg, dessen unerträgliche Grausamkeit das Streben nach der Verwirklichung eines neuen„Gottesfriedens " hat entstehen lassen. Gegen Ende des 10. Jahrhunderts begann die Kirche in Aquitanien und Burgund Anstrengungen zu machen, um den ewigen Kriegen Einhalt zu tun. Zweifellos war der erste Antrieb der Wunsch, die Geistlichkeit und da» Besitztum der Kirche zu schützen: aber auch das Wohl der Bauern und„ander« Armer" lag dem Klerus am Her.zen. Schon im Jahre 089 sprach da« Konzil von Eharrmix eine A echt im g des Krieges aus, indem es alle diejenigen oersiucht«, die die Kirchen schändeten, die Geistlichen bedrängten od« die Bauern beraubten, und von nun an kam der Gedanke nicht zur Ruhe, mit den Machtmitteln der Kirche den Krieg verbieten.zu können. Die fei«lich« Erklärung dos Goitesfriedens, die in Frankreich zuerst vor etwa 900 Jahren erfokgie und in Deuffchland dann um 1080 aufgenommen wurde, sollte eigentlich jede Gewakttat und jede Selbsthilfe des einzelnen mit den Waffen ausschließen: ab« man mußte sich zunächst damit begnügen, die Waffenruhe für bestimmte Zeiten zu fordern und den Schutz der Richtkämpfer zu verlangen. Kein Wunder, daß ein solcher Gedanke von d« Masse mit Begeiste- rung aufgenommen wurde! Große Menschenmengen drängten sich zu den Konzilien, in denen der Gottesfriede ausgesprochen wurde und schrien mit aufgehobenen Händen:„Friede! Friede!" Nicht nur den Menschen sollte Schutz gewährt werden, sondern man dehnte den Gottesfrieden auch auf Tiere und Pflanzen aus. So wurden die Olivenbäume für unverletzlich auch während der Kriegs- laufte erklärt, weil sie für das Leben so wichtig seien. Bünde wurden geschlossen— kleine Vnrläus« des Völker- bundcs—, deren Mitglieder einen feierlichen Eid leisteten, den Got- lesfrieden zu achten und sich an seine Regeln zu holten. Zuerst war nur das Kämpfen an den Sonntagen verboten worden, aber bald dehnte man das Verbot auf die Tage der Woche aus, die durch Tod und Auferstehung Christi geheiligt waren, so daß von Don- ncrstag abend bis Montag früb kein Blut vergossen w«den sollte. .Kriege aber, die nur an vier Wochentagen geführt werden durften, hatten schon viel von � ihrer Furchtbarkeit verloren. Später wurde der..Gottesfriede" auf längere Zeiten im Jahr ausgedehnt, so auf die Zeit vom 1. Adventsonntage bis zum Fest der Erscheinung Christi, vom Aschermittwoch bis auf den Montag nach Trinitatt«, wozu noch viele Festtage kamen. Eine wichtige Ursache, die die Menschen jener Tage friedlich und fromm stimmte, war die Erwar tung des Weltunterganges um das Jahr 1000. Es gab damals freilich auch Zweifler, die an die Wirkung schön« Wort« nicht glaubten und den kriegerischen Geist für unausrottbar hielten, so z. B. den Bischof von Cambrai , und diese behielten auch Recht, denn der„Gottcssrieden" wurde vielfach mißachtet, und die Macht der Geistlichkeit, die eigentlich verpflichtet war, ihr« Gemeinde gegen den Frevler aufzurufen, erwies sich als zu schwach. So daucr- t-n denn die Kriege ton, aber der edle und große Gedanke ist nicht untergegangen.
Iheaterpracht Im alten Wien . Den Aufwand an Dekorationeck und Ausstattung, wie er beispielsweise bei modernen Revuen ge- trieben wird, mag manch« als eine Erscheinung einer Zeit be- trachten, die die äußeren über die inneren, wirkliche» Werte stellt. Aber auch in früheren Jahrhunderten hat man schon großen Bühnenluxux, um nicht zu sagen Verschwendung getrieben. Lady Mantague, die Gattin eines englischen Diplomaten, deren Reise- briefe aus verschiedenen Städten Europas werwolles Material zur Beurteilung der damaligen Zustände in Fülle enthalten, schreibt unter dem 14. September 1716 in Wie» von ein« Openwufsührung im Garten der Favorite:„Ich unterhielt mich dabei so sehr, daß ich noch keine Reue empfinde, hingegangen zu sein. Niemals war etwas Derartiges prächtiger, imd ich kann recht gut glauben, weine man mir sagt, daß die Dekorationen und Kostüme den Kaiser dreißigtausend Pfund Sterling kosten." Man bedenke: dreißig- tausend Pfund Sterling nach dem damaligen Geldwert!—„Die Bühne", so fährt Lady Montague fort,„war üb« einem sehr breiten Kanal erbaut: sie teilte sich bei Beginn des zweiten Aktes in zwei Teile und ließ das Wasser sehen, das stch sofort mit zwei von verschiedenen, Seite» herankommenden Flotillen von kleinen, goldenen Schiffen bedeckte, welche eine Seeschlacht aufführten. Es ist nicht leicht, sich die Schönheit dieses Anblicks vorzustellen, der mir besonders in Erinnerung blieb. Aber auch alles übrige war, in seiner Art, vollends schön. Den Gegenstand der Oper bildet die Derzauberung der Aleina. Das gibt Gelegenheit zur Anwendung von vielen Maschinen und vielen Verwandlungen der Bühne, die mit überraschender Schnelligkeit erfolge». Das Theater ist so groß, daß es schwer ist, es völlig zu überblicken, und die Kostüme, ein- hundertacht an der Zahl, find von d« äußersten Prachtentfaltung."' Elektrische Chorgirls. Das elektrische Ehorgirl ist natürlich ein« amerikanische Erfindung. Es tritt bei den großen New Porkev Revuen und in den Variötes von Chicago auf und seine Schöpsungs-t geschichte ist folgende: Der berühmte Bariötcdirektor Florenz Zicgz seid, der Herr fast aller großen Revuetheater Amerikas , hat seine Weltberühmtheit dadurch erlangt, daß er streng an dein Prinzip festhält, nie ein Ehormädcl zu engagieren, das nicht in allem einer klassischen Venus gleicht und dessen Äeficht nicht als Reklamebild für jeden Weltortikel verwendet werden könnte. Ziegfelds Varittes werden drüben die„Heiratsbureaus der Milliardäre" genannt, denn viele amerikanische Geldgewaltige haben ihre Gattinnen vvu den Bühnentüren Ziegfelds geholt. Ziegfeld mußte leider rasch die Entdeckung machen, daß süß« Mädeln, die glänzend Charleston tanzen, unmöglich werden, wenn sie singen. Da aber ein Chor eben doch singen muß, fand Ziegfeld einen Ausweg: Ein guter, wenn auch nicht ans Schönheiten zusammengesetzter Chor sang die Refrains auf Schallplatten und ein speziell kaiistruierter, überaus lautstark« und klangreiner Elekt ro- K ra mm o p hona ppa rat spielt allabendlich, vom Dirigentenpult aus gesteuert, den Chor ab. Di? New Parker nennen das' Ziegfelds elektrisches Ehorrnädel, und die Girls auf der Bühne brauchen nur mehr die Lippen zu spitzen»nd de« Gesang zu markieren. Den Rest besorgt das Grammophon. Konservendosen aus Papier. Während unsere Konservendoseck beute noch größtenteils aus verzinntem Eisenblech besteh«', wird vor der Industrie bald die Frage austauchen, wie sie dem stets wachsew- den Bedarf nach guten, einwandfreien Behälter» konservierter Nahrungsmittel genügen soll. Wird doch, wie eine Notiz in d«„lim- schau" mitteilt, von Jahr zu Jahr das zur Verzinnung des Kon- jervendosenbleches erforderliche Zinn knapper. Die Produktion, die noch 1919 rund 13 000 Tonnen betrug, ist jetzt auf ein gutes Drittel davon, auf rund 4ü00 Tonnen gesunken. Die Zinnlagerstätten nähern sich also ihrer Erschöpfung, während der Verbrauch des Metalles immer größer wird. Zwar ist als unmittelbare Folg« dieser Eist- wicklung der Zinnprcis in den letzten drei Jahrzehnten um das Fünf- fache gestiegen, was gewiß eine rationellere Verwendung des Me» tolles erzwungen hat, aber nicht eine Vermehrung seiner Produktion. Die Industrie glaubt doh«, daß die verzinnte Blechkonserveudose demnächst abgelöst wird von ein« aus lackiertem oder verchromtem Eisenblech. Noch wahrscheinlicher ist indes, daß Büchsen aus Zellstoff hergestellt werden, die in sanitärer Hinsicht auch ungleich wertvoll« erscheinen. Technisch würden keine Schwierigkeiten zu überwinden sein.
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