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Beilage

Donnerstag, 30 August 1928.

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Die Teufelsinseln.

Noch immer Frankreichs   Verbrecherkolonien. ,, Das Bagno   ist die Hölle."

Obwohl die französische   Regierung die langsame Auflösung der| daß die Verhältnisse sich zwangsläufig entwickelten, daß das Prinzip Kulturschande der Verbrecherkolonien in Aussicht gestellt hatte, ging nur seine logischen Folgen zeitigte, gegen die es feine Abwehr gab. erst vor zwei Jahren wieder ein neuer Transport nach den Man verkündete deshalb, daß der Transport von 350 Strafgefange­Teufelsinseln. In der ganzen Welt ist die schlimmste Ver- nen, der im April 1926 den Hafen von Brest   verließ, der letzte wünschung ins Land, wo der Pfeffer wächst", die Verwünschung Transport sei. Noch ist nicht sicher, daß die französische   Regierung der Berbannung. Immer wieder glaubt man, die Verbannung, wie dieses Versprechen einlösen wird, denn nur alle zwei Jahre geht ein sie Frankreich   mit seinen Verbrechern übt, sei lediglich eine Ab- Transportschiff mit Berbannten zum Bagno. Aber die Welt ist durch schließung der Irregegangenen, der Fehlenden, von der Gesellschaft Londres Schilderungen auf die unerträglichen Zustände in den und ihrer Ordnung, die vor dieser Gefahr bewahrt werden muß. franzöfifchen Straffolonien aufmerksam geworden, sie wird nicht eher Man träumt dabei von der Insel Elba   und St. Helena  , sieht einen schweigen, bis Frankreich   diese Kulturschande beseitigt hat.

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Ins Land der Verbannten.

Auch Italien   tennt übrigens noch das System der Ver. bannung. Im Sizilianischen Meere liegen die beiden kleinen Felsen inseln Lipari   und Ustica  , die ebenfalls im Volksmunde den Namen der Teufelsinseln führen, wenn auch hier nicht die ganze Qual und Grausamkeit des französischen   Bagno sich auswirkt, so ist doch auch das Leben der Verbannten auf den fast vegetationslosen Inseln im Gluthauch der Sonne nichts anderes, als ein langsamer, qualvoller Tod.

Kindermund.

Zwei Knaben beobachten ihren Großvater beim Mantelanziehen und entdecken hinten am Einschnitt des Mantels zwei Knöpfe. Weißt Du, zu was die Knöpfe da sind?" fragt der eine Knabe seinen Bruder, worauf dieser antwortete: Ru, da wird der Schritt gestellt."

In einer Dorfschule tommt im Winter ein Junge zu spät zum Unterricht. Auf die Frage des Lehrers, warum er zu spät tommt, antwortete dieser: Herr Lehrer, auf dem Wege war so viel Schnee, wenn ich einen Schritt vorwärts getan habe, dann bin ich drei Schritte nach rückwärts gerutscht." Wie bist Du dann überhaupt hierher gekommen?" Ich habe mich dann umgedreht, Herr Lehrer."

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Ein kleines Mädchen bekommt ein Kleidchen mit einem Affen­jäckchen. Als es seinem Vater zusieht, wie er sich seine Beste an­zicht, sagt es zu ihm: Vati, Du hast ja auch solch Affenjäckchen wie

ich."

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Ein fleiner Junge tommt mit seiner Mutter in den Zoologischen Garten. Als sie vor dem Elefantenkäfig stehen bleiben, sagt der Junge zu seiner Mutter:" Sieh mal, Mutti, der Elefant hat aber einen langen Nuckel!"

3wei Knaben geraten auf der Straße in einen Streit. In dessen Berlaufe wirft der eine Knabe dem anderen vor: Du hast ja gar teinen Bater!"" Vielleicht mehr als Du!" entgegnete der andere.

Gefangene auf Java.

Der Sultan   und der Resident.

Im allgemeinen fährt man auf Java, der großen holländischen Rolonie, mit der Eisenbahn gut und tomfortabel, denn die nach amerikanischem Muster eingerichteten Wagen sind recht sauber und bequem und vor allem außerordentlich gut gelüftet. Ein llebelſtand ist allerdings bei den Eisenbahnfahrten: die Züge verfehren nur bei Tage, nachts geht teiner. Man ist also gezwungen, den ganzen Tag über während der glühendheißen Stunden zu reisen, während man doch sonst, in den Tropen, wo irgend möglich, die fühlen Nacht stunden zu der Reise wählt. Aber der Reisende hat sich wenigstens nicht über Langeweile zu beklagen, denn der Zug fährt durch ein reiches, schönes Gebiet, das in steter Abwechslung dem Auge neue, liebliche Bilder vorführt.

Der angeblich letzte Transport französischer Sträflinge, der im April 1926 nach den Teufelsinseln übergeführt wurde. Mann mit Dreispitz und Cajarenmantel über die glänzende Meeres- Landes; überall findet man die ficißigen, anstelligen Javaner mit fläche hinweg der untergehenden Sonne nachsinnen.

In Wahrheit sieht es anders aus. Da fällt der Dreispitz und der Cäsarenmantel, da fällt die Pose der Wehmut, da sällt alle Größe, alles Menschliche, da ersteht unerträgliche, unausdent bare Qual, da entsteht nackteste Tierheit, graufamster Untergang des Menschtums. Frankreichs   bedeutender Journalist Albert Londres   hat mit einem gewaltigen Ausschrei seines Buches über das Bagno, über die Inseln und das Gestade der französischen   Ver­brecherfolonien in Südamerika   nicht nur das ganze denkende, ver­antwortlich denkende Frankreich  , sondern die ganze Welt aufmerksam gemacht auf diese Schande der Menschheit des zwanzigsten Jahr

hunderts.

Vor der Küste Französisch Guayanas  , an der Nord­füfte Südamerikas  , liegen die drei Inseln der Deportierten  , die Inseln des Schreckens, des Grauens, die Inseln der Qual, der Ver­tiertheit, der rettungslosen Menschenvernichtung. Ihr Name, der einst ,, Inseln des Heils" war, ist vergessen. An ihre Stelle ist der Name der einen, der furchtbarsten, der Teufelsinsel" getreten. Nie­mand in Frankreich   kennt die Inseln des Heils, aber den Schauder der Teufelsinseln, den fennt man. Und so sind auch die Namen der anderen beiden Inseln, der Königsinsel und der Insel St. Joseph faum bekannt. Diese Inseln der Verbannung, diese Strafkolonien, fönnen nur den einen Namen: Teufelsinseln" tragen. Von dem gesundheitsvernichtenden Klima bis zu den nachtfinsteren Todeszellen, von der Grausamkeit der Wächter, die meist selbst Deportierte sind, bis zur bestialischen Wildheit der aller Hoffnung beraubten, von der drakonischen Härte des Gouverneurs und seiner Beamten bis zu den Qualen der Arbeit in Sümpfen und heißem Wüstensande, von der zerstörenden Wucht der Einsamkeit bis zur niederschmetternden Erkenntnis der ewigen Bernichtung sind hier alle Mittel versammelt, mit denen ein Mensch der letzten Reste seines Menschentums beraubt werden kann. Auch die Küste selber gehört zum Bagno, gehört mit zur französischen   Verbrecherkolonie. Aus Londres   Buch wissen wir, daß es hier eher noch schlimmer als auf den Teufelsinseln ist. Hier werden die Sträflinge zum Kultivieren des Bodens benutzt, zum Trockenlegen der unendlichen Sümpfe Guayanas, zum Roden des Urwaldes, zur Bekämpfung der Wüstenstrecken. Unter freiem Himmel, der Stichen der giftigen Moskitos ausgesetzt, ohne Decke, ohne Zelte kampieren sie im Freien in den oft eiskalten Nächten, die den glühendheißen Sonnentagen folgen. Die Ungeschützten, nackten Füße von Sandflöhen und anderem Ungeziefer bis zur blutenden Wundheit zerfressen, auf stunden- und tagelangen Märschen ohne Wasser, fast ohne Nahrung am Rande des Weges niederfinkend. Wer zugrunde geht, geht zugrunde. Kaum daß jemand seine Gebeine ver­scharrt. Raub und Mord sind an der Tagesordnung, und obwohl schwerste Einzel- und Kerferhaft jeden Fluchtver such bedroht, obwohl es fast aussichtslos ist, lebendig durch die unendlichen Sümpfe Französisch- Guayanas zu kommen oder an der Küfte ein Boot zu finden und auf diesem sich den Gefahren des Ozeans auszuliefern, immer wieder versuchen trotzdem die unglück­lichen Verbannten die Flucht aus dieser irdischen Hölle.

Der Versuch der französischen   Justiz, diese Form der Ber­bannung als ein geeignetes Strafmittel zu beweisen, ist bisher restlos gescheitert. Die Verbrecherkolonien fosten den Staat jährlich Millionen und sind schlimmer als 3uchthaus und Todesstrafe Als Londres   Buch die ganze Welt in Erregung setzte, veranlaßte die französische   Regierung eine Untersuchung. Auf Grund dieser Ergeb nisse wurde manches gebeffert, wurden manche Verordnungen erlassen, aber die Regierung erkannte, daß es weder an den Verord nungen, noch an den Menschen, die sie durchführten, lag. Sie jah,

Auf der ganzen Strede zwischen Soerabaja und Soera tarta sieht man teine Handbreit brachliegenden, unangebauten Frauen und Kindern bei der Bearbeitung der Reisfelder, da Reis der Haupterportartikel des Flachlandes ist. Hier fät einer, dort pflanzt ein anderer und der dritte schneidet den Reis, denn in dieser Kornkammer des Ostens", Javas zweiter Beiname, bestehen so überaus günstige Boden- und Witterungsverhältniffe, daß man diese drei so ganz verschiedenartigen Bodenbestellungs arbeiten, die an anderen Orten nur nacheinander vorgenommen werden können, hier gleichzeitig nebeneinander verrichten fann. So weit das Auge reicht, ein lachendes Bild regen Fleißes wenn nicht die mann finnte auch glauben, eines reichen Lohnes- hohen Steuerabgaben an die Herren des Landes, die Holländer, be­zahlt werden müßten. Die ärgsten 3wangsmittel werden an­gewendet, um die Bauern zur Höchstleistung zu bringen.

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In Soerakarta befinden wir uns, trotzdem ein starkes Fort und eine ebenso starke holländische Garnison sehr deutlich und ein­dringlich an die Herrschaft der Holländer gemahnt, im Herzen Altjavas. Hier treffen wir auch die nationalen Eigentümlich­Denn der Sultan  feiten noch am wenigsten verändert an.

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wie sein einheimischer Titel lautet: Susunhan von Solo" einer der letzten Herrscher, die ihre Unabhängigkeit einbüßten und zu Pensionären der holländischen Verwaltung herabjanken. Seine Untertanen", die um Solo herum wohnen, repräsentieren wohl den höchstentwickelten Stamm der Ureinwohner Java s. Von Hindus abstammend haben sie ihr Blut rein erhalten und sich gar nicht oder nur unmerkbar mit den Sudanesen im westlichen und den Tenggesen im östlichen Teile Javas   vermischt. Sie stehen auf einer höheren Entwicklungsstufe, als jene und zeichnen sich durch größere Intelligenz vorteilhaft von ihnen aus.

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Innerhalb seines Kraton"( Palast) werden dem Susunhan" zwar fönigliche Ehrenbezeugungen erwiesen, auch hat er eine aus japanischen Soldaten zusammengesetzte Leibwache um sich, und ein hoher Beamter im Haushalt des Susunhan hält über Se. Ma­jestät" den goldenen Pajoong" oder Staatsschirm, das Abzeichen der königlichen Würde. Aber der arme Susuhan ist troy all dieser unveränderten Aeußerlichkeiten in seinem eigenen Balaste nicht viel mehr als ein Gefangener. Denn der Resident", den die hol­ländische Verwaltung ihm zur Unterstützung beim Sorgen für das Wohl seiner angestammten Untertanen an die Seite gesetzt hat, hält ihn an einer zwar nicht sicht, dafür aber um so mehr fühlbaren Strippe, und zieht diese sehr energisch an, sobald ihre Meinungen einmal voneinander abweichen. Kurzum, der Resident macht ihm bei derartigen Gelegenheiten sehr rasch klar, daß der Susunhan zwar so viel reden könne, wie er wolle, aber nichts zu sagen habe, auch dürfe er ganz nach Belieben herrschen, das Regieren be­forge jedoch der Resident. Ja, die Beaufsichtigung geht so weit, daß der Susunhan nicht einmal ausfahren darf, ohne dem Residenten vorher mitgeteilt zu haben, wohin! Dit genug ist es vorgekommen, daß unliebsame Pseudoherrscher über Nacht ver­schwanden, wenn sie dem Residenten mit ihrer Freiheitsidee un­angenehm wurden. Revolutionen werden im Reime erstickt und zwar mit dem barbarischen Mittel: Deportation nach weit abliegenden Sumpfinseln, wo in einigen Monaten das Leben des Gefangenen von dem Todesfeim der Malaria befallen ist. Die Stadtgefängnisse in Solo muten mit ihren großstädtischen Faffaden modern an, aber das Gruseln erlernst du, wenn du dich in diese Hölle hinein wagst.

Die Qual der Einzelhaft und absolutes Abgeschnittenfein von der Welt, das bleibt den Strafgefangenen auf Java erspart. In mehreren Lichthöfen werden die Häftlinge nach den Kategorien ihrer Straftaten untergebracht; teilweise gefesselt an Fänden und

Füßen, was moh! einen verschärften Strafvollzug bedeutet, lieger Gefangene Menschen die Gefangenen auf Matten im Freien. müffen einen immer traurig stimmen, aber diese hier in ihren raf­Strafvollzuges im gewissen Sinne viel humaner ist als das unfrige. selnden Ketten wirken grauenerregend, obwohl das System des

Wir gingen durch die Aufenthaltsräume der Gefangenen die gerade Besuch hatten. Generationen von Verwandten schienen um die Gefangenen versammelt zu sein; sie lachten, sangen und zankten fich, andere wieder verteilten ihre Gaben, ein junger Bursche bes gann zu tanzen, die Gefangenen schlugen den Taft dazu, alle Be­fucher waren eifrig bemüht, die Gefangenen mit ihrer Anwesenheit zu unterhalten. Der Direttor erklärte uns, daß die tägliche Bes fuchszeit auf 4 Stunden ausgedehnt sei, hauptsächlich diene sie da­zu, um den Gefangenen Abwechslung zu bieten. Auch sei es aus religiösen Gründen den Gefangenen gestattet, ihre Ehefrauen zu besuchen, um ihren ehelichen Pflichten nachkommen zu können. lleberhaupt seien die weitestgehenden Grenzen in bezug auf Nah­rungszubuße, Raucherlaubnis und Halten von Haustieren gezogen. Wir bekamen jetzt die Zellen der politischen Staatsverbrecher und die der zum Tode Verurteilten zu sehen. Da fie alle offen und ohne Türen sind, mehr Nischen gleichen, so hatten wir Gelegenheit, einen politischen Gefangenen, der bei Sonnenuntergang sein Leben laffen sollte, näher zu beobachten. Er saß im Kreise einiger Männer, die bei unserem Kommen in einen monotonen Gesang ein­stimmten; ohne besondere Notiz von uns zu nehmen, blickte der Delinquent mit ruhigen ernsten Augen uns entgegen.

Angst und Qualen vor dem Tode kennen diese Menschen nicht. Sie sind von dem Gedanken, daß es ein Weiterleben gibt, das viet

SAMMED

Ein Turm aus Tassen.

Ein ganz mit Tassen behängter Ausstellungsturm einer Porzellanfabrik auf der diesjährigen Leipziger Herbstmesse.

schöner und freier ist, so beseelt, daß auch den Unbeteiligten eine Hinrichtungsszene eine Art religiöses Erleben ist. Die Schreckens. stunden vor dem Ende sind ihnen fremd, für uns sind sie nur so schrecklich, weil wir wissen, daß uns nach dem Tode nichts er­wartet...,

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