Freitag
31. August 1928
Unterhaltung und Wissen
Geschichte vom Knechtssand.
Erzählt von Erna Büsing.
Bei meinem Großvater traf ich ihn oft, den hageren Mann mit der ungesund weißen Gesichtsfarbe. Seine Augen brannten so eigentümlich, als ob er Umgang mit Geistern habe oder sich von einem shweren Erleben gar nicht lösen könne. Wirklich, er fiel auf unter allen den Schiffern, diesen kraftbewußten Menschen, mit denen er verkehrte. In seiner Gegenwart spann man nur sehr langsam das Seemannsgarn. Und das war wiederum verwunderlich, denn an Land erzählt der Fischer nur von See. Sie können ohne sie gar nicht leben, die Sehnsucht nach der See rinnt als uraltes Vermächtnis durch ihr Blut. Sie bilden sich tatsächlich ein, ohne Leben und Wirken auf See gäbe es für sie gar keine Dajeinsfreude. Das Meer ist ihr Verhängnis, und sie haben Bekennermut zu ihrer Leidenschaft.
Darum fiel es auf, daß die alten Seebären in Gegenwart des sonderbaren Mannes nur lustige Landerlebnisse erzählten. Der eine plauderte von einem leeren Ingwertopf, den er einer alles wissenden Frau Kommerzienrat als chinesische Blumenvase verkauft hate, der andere hatte einen aus einer Teewurzel geschnigten Gott angeblich selbst aus einem Tempel gestohlen, obwohl man die Gotthel viel bequemer als billigste Dugendware in einer Hafenstadt kaufen konnte. Dieser hatte in Trunkenheit in Lissabon einem Schutzmann die Flöte wegnehmen wollen und war darum sofort ins Gefängnis gesperrt und hatte trotz der Einwendungen des Konsuls und des Kapitäns seine Strafe abarbeiten müssen. Jener renommierte mit einer perfilzten Haarlocke, die ihm eine glutäugige Kreolin gesenkt hafie. Und die Kreolinnen gelten nun mal eben für die schönsten Frauen der Welt. So sprach man überlegt von luftigen Erlebnissen aus aller Herrenländer, erwähnte aber mal jemand die Nordsee , dann kam das Gefühl auf, als hätte er etwas Unrechtes gesagt. Das fiel mir auf, und ich fragie meinen Großvater nach der Ursache, worauf er mir die Geschichte des seltsamen, franten Mannes erzählte. Großvater fagte: Alle seine Vorfahren waren gute Nautifer, fie hatten Augen wie die Kazen und fanden bei Nacht und Nebel in jeden Hafen. Auf den hohen Hansaloggen fuhren schon die Träge: feines Namens. Wer aus einer solchen Familie stammt, den leidet es nicht zu Hause. Der läßt sich in der Stadt nicht einengen durch Straßen, Stadetts und Häuser, der läßt sich seinen Blick nicht verwirren durch Plakate und die Drähte der Elektris hen, der atmet in jedem Bureau Dampfheizung und Staub. Weißt du, die Seefahrer find ein eigenartig Bolk, sind Freiheitsucher. Nicht nur die Heulbojen und Blinkfeuer, auch die Sterne weisen ihnen nachts den Weg. Fahrensleute müssen aus sich selbst heraus mit der Natur und Gott ins reine fommen. So mußte auch dieser Mann die Schiffsplanfen unter sich fühlen. Er fuhr bereits jahrelang, als er auf der St. Afra, einem Schoner, anmusterte. Auf der verhängnisvollen Fahrt hatte die St. Afra Südwein geladen und segelte mit der Order auf Hamburg . Die Zeit war windreich, nebelig, der Wind schlug Dom Sturm zum Drtan über, und die St. Afra erreichte niemals den Bestimmungshafen. Zwischen Elbe und Weser liegt eine große Sandbant, genannt Der große Knechtsjand". Hier fand die Si. Afra ihren Untergang. Von den sieben Mann der Besatzung wurde, nur der blasse Mann, den du kennst, lebend auf den Sand geworfen. Die Wellen warfen auch die anderen sechs auf den Sand, aber als Tote. Glei hfalls rollte ein Beinfaß nach dem anderen heran, ebenso wurde mit den Schiffstrümmern Proviant auf die Sanbbant gespült. Da begrub der Mann seine Kameraden. Aus einem Weinfaß schlug er den Boden, richtete sich die Tonne als Wohnung ein und deckte sich zu mit dem Zeug, das er seinen toten Schiffsgenossen hatte nehmen müssen. Zu essen hatte er Miesmuscheln und den Proviant, doch mußie er alles in rohem Zustande genießen. Bu trinken hatte er Wein. So erlebte er mitten auf dem nedfisfand eine Robinsonade. Midden im Wasser hauste er. Jeden Tag sah er Schiffe vorbeifahren, feines brachte ihm Hilfe. Von der Weihnachtsnacht bis Mitte April harrte er aus auf dem Kne htssand. Schließlich tam ihm die Erretaung durch einen Fisher. Der hatte sein Fahrzeug bei Hohwasser am Strand verankert, damit es bei niedrigem Waffer troden fag, weil er außenbords teeren und zugleich die im unteren Teil des Fahrzeugs eingebauten Fischbehälter reinigen wollte. Als Fischer und Gehilfe eben gut durchwärmt in der Koje lagen, pochte es an die Schiffsmand. Beide überfam ein Grauen, beide dachten, das geht nicht mit rechten Dingen zu, hier in dunkler Nacht, einsam auf dem Sand. Endlich faßte sich der Fischer ein Herz und rief: Bist du ein Mensh, so tomme!"" Ja," rief der Mann, ich bin ein Mensch, aber ich bin zu schwach, um an Bord Klettern zu können." Da stellten Schiffer und Knecht die kleine Kajüttreppe an die Schiffswand und der Mann wankte an Bord.
Man brachte ihn nach Hamburg , bor : tam er ins Krankenhaus. 2.
mählich gewöhnte man ihn an warme Nahrung, sein Magen aber blieb frank. Am besten verträgt er gefochte Fische, die ihm die Fischer gern geben. Arbeiten konnte und fann er nie wieder. Das ist seine Geschichte, und darum find wir so bedrückt, wenn er unter uns meilt, der weiße, seltsame Mann."
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Händels Erblindung.
Wissen
Beilage des Borwärts
019 bee
Markt der Bergänglichkeit.
Warten
registrierten Marktwert: vom Hühnerei bis zu den Bildern Picassos , und Plantage, schieben ihre Karren voll Gerümpel, schleppen Alles in unserer entzauberten materialistischen Epoche hat seinen| dunkelen Winkeln und dämmerigen Gassen zwischen Bijgendam Lebenserscheinung Wertziffern an, deren Schwankungen unserem vom Autobusfahrschein bis zum Rennpferd haften jedem Ding, jeder ihre Traglast undefinierbaren Trödels zum Waterlooplatz, um dort Lebenserscheinung Bertziffern an, deren Schwankungen unserem ihren Stand zu beziehen, d. h. diese phantastischen Werte einfach auf liebe Gott ähnliches mit seinem Ebenbild im zwanzigsten Jahrhundert Planeten zu einer unerhörten Geschäftigkeit verhelfen. Sollte der dem Pflaster aufzubauen und auszubreiten. Und dann warten sie, in Wind und Wetter, in Sonnenglut und Winterkälte. vorgheabt haben( die Amerikaner sind tief davon überzeugt, hielt worauf? Wer begehrt noch diese Stühle mit durchgestoßenen Sizen, doch jüngst Reverend Mc. Byrd, Pfarrer in Lousiana, eine Sonn- diese Tischchen mit drei Beinen? Oder diese verbeulten Uhren, deren tagspredigt über den erbaulichen Text:„ Chriftus das Vorbild des verrostete Beiger deutlich erzählen: wir werden uns nie mehr rühren? vollkommenen Geschäftsmannes"), so dürfen die Holländer Anspruch Und dann die leeren geborstenen Bilderahmen welche Träume darauf machen, besonders eifrige Gläubige eines solchen tommer- und Erwartungen barg einst die gähnende Leere? Ein Roman ziellen Herrgotts zu sein. dieser Waterlooplaß, ein ganzer Romanzyklus: man möchte die Geschichte wissen von jedem der zerbrochenen Defen, rudimentären Großpaterſtühle, verbogenen Bettgestelle, gesplissenen Schränke; die Geschichte dieser gestorbenen Dinge, die das Leben, die Freuden, die Leiden von Menschen miterlebt haben. Das alles find wenigstens noch Schatten von Dingen. Was aber muß man sich unter diesen Stapeln rostiger Eisenstückchen vorstellen? Wozu können diese schemenhaften Andeutungen von Schrauben, Nägeln, Maschinenteilen noch dienen? Welche Geheimnisse hüten diese jüdischen Kaufleute, welche teinen Schritt von ihrem fragwürdigen Besitz weichen, als bestünde er aus goldenen Rostbarkeiten?
Schon der äußere Anblick ihrer Hauptstadt Amsterdam offenbart eine überraschende Vielheit kaufmännischer Triebe und Tugenden. Abgesehen von dem in Anlage und Bauweise typisch konservativen Händlergeist verratenden Bild der Grachten, die von den Spizgiebeln der alten Packhäuser und Kaufmannskontore beherrscht werden, gewahrt man in den Straßen dieser Handelsmetropole eine beinahe orientalisch anmutende händlerische Betriebsamkeit. Neben dem lärmenden Verkehr der Frachtwagen, Laftautos, Wasserfahrzeuge, wie sie jede große, Hafenstadt aufweist, bewegt sich auf den Grachten und Straßen Amsterdams bis in die stillen Wohngegenden hinein den ganzen Tag über ein Gewimmel von Karren des Kleinhandels. Selbst das nationale Fahrrad tut hier in den erdenklichsten Erscheinungsformen Dienst bei der Zufuhr der täglichen Konsumgüter. Schon früh am Morgen schwärmen ste aus, die Schiebetarren der Gemüsehändler und Milchlieferanten, die radelnden Körbe und Kästen der Metzger und Kolonialwarenhändler, und erhalten gegen Mittag vermirrenden Zuwachs durch die unzähligen fargähnlichen Bäderwagen. Zwischen diesen rollenden Repräsentanten des wohl afkreditierten Kleinhandels drängen sich zweiräderige Behifel, deren mannigfaltige Frachten und Transportzwecke schwerlich aufzuzählen find: Lumpenhändler und Blumenmänner, Fischverkäufer und Geflügelbauern ziehen die Häuser entlang und vermengen ihre mehr oder weniger melodischen Rufe mit denen von Messerschleifern und Kupferschmieden und jener namenlosen und unendlich mannigfachen Schar von Verdienstbeslissenen, die Terrakottafiguren und Zimmerpflanzen, Küchengerät und Textilien anbieten und alle nur denkbaren Bedürfnisse zu erregen oder zu befriedigen bestrebt sind.
Ja, die Holländer sind ein geschäftstüchtiges Bolt und es ist fest. zustellen, daß ihr Händlergeist sich selbst ins Metaphysische steigert: sie handeln nicht nur mit dem Dinglichen, sondern auch mit dem Richts, dem beinahe Entstofflichten, dem Imaginären. Der große Markt dieser imaginären Werte ist das„, Waterlooplein" am Rande des Amsterdamer Judenviertels.
Ist dieser Marktplaß nach Waterloo genannt, weil auf ihm das lärmende Getümmel eines Napoleonischen Schlachtfeldes brandet? Nein, alle Dinge, die einmal dem Lurus, dem Behagen, der Lebensnotdurft dienten, erleben auf diesem Markt ihr Waterloo, mit der Aussicht auf ein St. Helena des völligen Untergangs und Auslöschens Das Alte, Müde, Zerbrochene findet sich auf diesem Blazz zusammen, der nur mit dem Flohmarkt" am Pariser Stadttor St. Quen zu vergleichen ist. Und der mehmütige, morbide Hauch alles dessen, das aus dem Lebensstrom ausgeschaltet und beiseite geschoben wurde, haftet auch den Verkäufern an, ihren verbauchten, heiseren Stimmen, ihren matten Anpreifungsgebärden. Die meisten schweigen in schicksalsergebener Starrheit. Es sind darunter Nachfömmlinge jener spanischen und portugiesischen Juden, die einst vor den grausamen Verfolgungen im Amsterdamer Ghetto Schüß und Frieden fanden und dort sogar stolze Synagogen bauten. Ihre reichgewordenen Brüder fahren heute in prunkvollen Limousinen vor der Diamantbörse vor, und nur sie, die Ausgeschalteten und Beiseitegesetzten, blieben im verfallenen Bezirk der Bäter,
Tag für Tag, den Sabbat ausgenommen, lösen sie sich aus den
pielbewunderte Geschicklichkeit des gleichfalls erblindeten Musikers Stanley hinwies, meinte er fröhlich lachend:„ Doftor, haben Sie nie in der Bibel gelesen: Wenn der Blinde den Blinden führt, dann fallen fie beide in den Graben?" Später hat der blinde Händel allerdings doch mit dem blinden Stanley zusammengearbeitet, ein in der Geschichte der Musik gewiß nicht wiederkehrender Fall. Dr. S.
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Die Temperatur in der Flugzeugkabine.
Diejenigen Reisenden, welche während der Sigeperiode geflogen find, werden mit Freuden festgestellt haben, daß hoch oben in den Lüften eine angenehm fühle Temperatur vorherrschte. Tatsächlich nimmt die Temperatur mit zunehmender Höhe, ab. Die Abnahme beträgt pro 100 meter durchschnittlich 0,7 Grad. So wird zum Bei [ piel bei einer Tagestemperatur von 26 Grad am Boden in einer Höhe von 1100 Meter eine Temperatur von 15 Grad und in 3000 Meter Höhe eine solche von 0 Grad gemessen werden können. In den Mittagsstunden und besonders an Schönwettertagen ist die Temperaturabnahme nach oben hin stärker, d. h. etwa 1 Grad pro zum Beispiel, wenn am Boden talte Luftmassen vorherrschen, 100, Meter. Natürlich gibt es auch Abweichungen von dieser Norm, mährend in den höheren Regionen warme Luft lagert. In diesem Falle nimmt die Temperatur nach oben hin für furze Strecken zu. Der Meteorologe bezeichnet diese Erscheinungen als Inversionen". Sie treten am häufigsten und stärksten im Winter auf. Um diese 500 bis 600 Meter Höhe wärmer ist als am Boden. Jedes VerkehrsJahreszeit kommt es vor, daß in flaren Mächten die Temperatur in flugzeug der Deutschen Lufthansa hat natürlich eine Heizungsanlage, herrscht in der Kabine eine Temperatur von durchschnittlich 18 Grab. Der Luftreisende benötigt also auch im Winter teine Sonderbekleidung.
Ein Dofument menschlicher Seelengröße. Jephtha ". Die Handschrift gibt uns erschütternbe Belege über die Bor dem Jahre 1751 arbeitete Händel an feinem Oratorium Anfänge seiner Erblindung. Im zweiten Att verliert sie ihre sonstige Klarheit, und bei den Worten des Schlußchors, Wie hart, wie dunkel, Herr, ist dein Beschluß", hat der Meister an den Rand geschrieben: Bis hierher verhindert worden wegen des Gefichts meines linken Auges." Eine Erholungsreise, von der Händel am 13. Juni 1751 nach London zurückkehrte, brachte nur vorübergehende Besserung. Am Ende des Jahres war das linke Auge völlig blind, und das rechte fonnte auch durch breimalige Operation nicht gerettet werden. „ Händel hätte nicht Händel fein müssen," sagt H. Leichtentritt in seiner prächtigen Händel- Biographie, um sich von seiner Erblindung niederwerfen zu laffen. Mit dem Mut und der Tatkraft einer großen Seele ftellte er sich auf die unabänderliche Tatsache um und ging wieder an seine Arbeit er übte andauernd, um auswendig Er ſpielen zu lernen und brachte mit Hilfe von Joh. Chrift Schmidt sogar Ein neues Mittel für die Syphilis Diagnose.
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feine Oratorien- Aufführungen wieder in Gang. Als bei einer Samson- Aufführung der blinde Meister an der Orgel saß und Beard die Stelle fang: Total eclipse! No sun, no moon!"( Böllige Finsternis! Nicht Sonne noch Mond!), die auf sein eigenes Schidsal ja so unmittelbar hindeutet, soll sich des Publikums eine tiefe Er griffenheit bemächtigt haben. Selbst Händels prachtvoller Humor erlosch mit der Erblindung nicht. Als sein Arzt ihn tröstend auf die
die bei Beginn der falten Jahreszeit in Tätigkeit gesetzt wird. Dann
Die Bekämpfung der Syphilis ift deswegen so schwer, meil fie in vielen Fällen of erst in einem sehr vorgeschrittenen Stadium erkannt werden kann. Wenn die moderne Medizin trotzdem heute bereits in der Lage ist, gegen diese schwerste aller Geschlechtstrant heiten vorzugehen, so ist das hauptsächlich der Wassermannschen Reaktion zu danten. Diese ist epochemachend gewesen für das ganze Gebiet der Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Zweifellos
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Da steht einer bei einem Lampengestell ohne Brenner, ohne Glas, bei einem Haustelephon ohne Eingeweibe, bei einem Häuschen Rost ohne jegliche Spur der Herkunft. Und doch gehört dieser groteste Verkaufsstand einem Menschen, der seine ganze Hoffnung, sein ganzes Sein darauf aufbaut. Erwartet er vielleicht, daß einer der beinahe eine Million zählenden Amsterdamer auf den absurden Gedanken fommt, ihm fein ausgeweidetes Telephon abzulaufen? Und doch fann es nur die zähe Erwartung: Berkaufen! Berkaufen! sein, welche diese Männer an das schmutzige Pflaster des Waterloopleins fesselt. Sie sind Kaufleute und besigen die demütige Geduld und hartnäckige Beharrlichkeit ihres vielgeprüften Boltes. Auch das ist ein orientalischer Bug: fie erbosen sich nicht, wenn man ohne zu taufen ihre Schäze besichtigt und des Weges geht. Sie zeigen sich schon geschmeichelt, wenn man ihren Habseligkeiten Beachtung zollt. Und wenn man mit ihnen ins Gespräch fommt, erweden sie beinahe den Eindruck, als dienten diese zertrümmerten Petroleumkocher, durchlöcherten Fahrradschläuche, zerfetzten Zeitschriftenbündel nur dazu, um einen freundlichen Gedankenaustausch zu vermitteln. Aber von solchen Freundlichkeiten fann doch selbst nicht ein Trödler vom Waterlooplein leben. Was also ist das Geheimnis seiner Existenz?
Vielleicht ist das eine der Lösungen ihres Daseinsrätsels: mög licherweise verkauft ein Amsterdamer Bürger seinen defekten Wecker für 10 Cent an einen Lumpenhändler, der unter seinem Fenster vorbeizieht; und wenn er dann zu seinem selbstgebastelten Radio. apparat ein Schräubchen benötigt, begibt er sich zum Waterlooplein und kauft dieses Schräubchen aus seinem eigenen Wecker für 15 Cent zurüd.
Aber dann fällt der Blick auf eine Parade verschimmelter Schuhe. Wie ist es möglich, daß Menschenfüße diese Verunstaltungen nerursachten, daß Menschen lange und geduldig mit diesen Folterwerf. zeugen mühselige und harte Bege gingen. Kinderschuhe Kleine, fachte Füßchen, die schön und lieblich wie Rosenblätter waren, schleppten sich fort in altem, harigewordenem Leber- arme, ger schundene Füße von zarten, hilflosen Rindern.
Wie müssen die zukünftigen Befizer von allem diesen Hausrat" aussehen wie färglich wird die Nahrung sein in diesen zerborstenen Schüsseln wie armfelig die Zimmer, denen diese zerfetzten Bilder noch als Schmuck" dienen sollen und werden wie abgestorben die Füße der Wesen, die sich in diesem verschimmelten Schuhwerk noch auf Erden fortbewegen müffen.
Wer den Markt der Bergänglichkeit auf dem Waterlooplein sah, wird nicht mehr so leicht vom ,, reichen Holländer" reden.
hafteten aber ihr immer noch gewisse Mängel an, und außerdem stellte sich diese Untersuchung stets als zeitraubend und kostspielig heraus. Um so bedeutsamer ist es, daß es nunmehr zwei Hildes heimer Aerzten, dem Dermatologen Dr. Frizz Meyer und dem Serologen Dr. W. Bieraft, gelungen ist, nach jahrelangen Versuchen zu einer neuen Art und Weise zu gelangen, mit der die Syphilis viel einfacher und wahrscheinlich noch sicherer festzustellen ist als durch die Wassermannsche Reaktion. Diese beruht auf dem Prinzip der Serum
Diagnostik und wird so gehandhabt, daß in das Blutferum des zu Untersuchenden nach einigen vorangehenden Operationen rote Blutförperchen von Hammelblut hineingetropft werden. Werden diese nicht aufgelöst, so ist die Reaktion pofitio verlaufen und der Patient muß als syphilistisch angesprochen werden. Es leuchtet ein, deß dieses Verfahren, zu dem eine ganze Reihe schwieriger bakteriologischer und chemischer Arbeiten nötig ist, und das schließlich auch mur mit Hilfe des Mikroskops zu Ende geführt werden fann, umständ lich und zeitraubend ist. Demgegenüber ist die neue Methode der beiden Hildesheimer Aerzte geradezu einfach.
Es werden nur drei Streifen Fließpapier benötigt, die mit perStunden, nachdem das Blut auf dem Streifen eingetrodnet ist, wird schiedenen Farbstoffen getränkt find. Auf jeben dieser Streifen läßt man einen Tropfen vom Blut des zu Untersuchenden fallen. Einige dieser gegen das Licht gehalten, und aus den Farben des Tropfbildes erkennt man dann die Zusammensetzung des Blutes. Guttadiaphot nannten die beiden Erfinder diesen neuen Weg zur Syphilisdiagnose, was auf deutsch nichts anderes heißt als„ Tropfendurchleuch tung". Selbstverständlich wurde die neue Erfindung nicht eher ver
öffentlicht, als nicht eine große Anzahl von Proben vorgenommen
murden. Dabei hat es sich herausgeftllt, daß in 97 Proz. aller Fälle
die neue Methode das Ergebnis der Wassermannschen Reaktion ebenso genau feststellt, und nur in 3 Proz. aller Fälle stimmten die Ergebnisse der beiden Untersuchungsarten nicht überein.
Demgegenüber hat die neue Methode noch auf anderen Gebieten Batient an Lungentuberkulose, an Blutvergiftung, perniziöser Bleich sucht oder ähnlichen Krankheiten leidet. Allerdings muß für diese Tropfbilder erst noch die von den beiden Hildesheimer Aerzten angegebene Methode bedeutend ausgebaut werden. Aber das Berfahren von Dr. Meyer und Dr. Vieraft ist ja noch im allerersten Anfangsstadium und vielleicht darf man hoffen, daß es mit Hilfe dieser diagnostischen Neuerung gelingen wird, die Ergebnisse der Waffermannschen Reaktion zu verbessern.
pielfeitigen Wert. Es läßt sich auf diesem Wege feststellen, ob der