(51. Fortsetzung.) Sic gingen in ein Koffeehau» und wunderten sich, in Hinter. stuben, di« von qualmenden Rauchern und schimpfenden Spielern erfüllt waren, ein« dumpf« und stumpf« Atmosphür« zu konsta« liefen, in die keine Festlichkeit vordringen konnte Und dann wieder freuten sie sich über Trupps winziger Flöh«, die unbekümmert singend, mutig durch die Straßen zogen und deren nackte Beinchen luftig auf dem Pflaster strampelten. Es wurde spät. Leise versank der Sommerglanz in Grau. „Wir müssen fchau'n, daß wir nach Kagron kommen," sagte der Drobauer. Aber Hilde bat, daß st« noch ein Stückchen zu Fuß gehen mögen, da es noch allerlei zu schauen und zu wundern gab. „Ohne Sie ist ja kein Theater," sagte sie zu Drobauer. Und der fragte:„Sind S' denn noch nicht müd'?" „Aber nein, ich werd' nur müd', wenn ich mich langweiLI" Es war in der heiligen Stund«, zwischen Tag und Rocht, als fi« die Stadt oerließen. Draußen in Äagran sah es vi«l arm- seliger aus, dafür unterbrach viel Grün die kümmerlichen Straßen. »Wissen Sie, wo das Lokal ist, in dem Sie vortragen?" fragte Hilde. „Nein, ich muß mich durchfragen," antwortete Drobauer. Di« Stube, in die sie nun eintraten, war hell erleuchtet und mit Fahnen und Girlanden geschmückt. An der Stirnwand ein Bild, auf dem man Barrikaden sieht, darauf ein Weib in wallendem Gewand, di« Fahn«' in der Hand, zum Kampf ausrufend. Im Saal etwa vierzig Leute, die halblaut plaudernd den Bortragenden erwarten. Drobauer stellte sich einem Mann vor, den er wohl für den einen der Vereinsfunktionäre halten durfte. Der erklärte ob«r, nur der Kassierer zu sein, de? Obmann sei noch nicht da, und dann rechnete er weiter auf einem Bogen von respektablen Dimensionen. Schließlich kenn auch der Obmann, er musterte sein« Mannen, schimpfte leise, daß schon wieder alle in der Stadt seien, und dann eröffnete er die Sitzung mit einigen' Gedenkworten für den Ersten Mai. Zum Schluß erteilte«r Drobauer das Wort. Drobauer rezitiert« aus den: Gedächtnis. Er begann pathetisch, wurde dann humorisstsch.—„Es gibt zwei Sorten von Ratten, die hungrigen und die satten, di« satten bleiben vergnügt zu Haus, die hungrigen aber wandern au».. Und als danach des Jubelns kein Ende geworden war, gab er noch Weiteres zu, immer Weiteres, Idyllisches, Aufpeitschendes, Pathetisches, Gedichte, die zur Revolution rufen, Gedichte, die die Revolution anführen wie«ine Kriegsmusik, Gedichte, die nur als Präludium einer Revolution gedacht sind, und Gedichte, die die Revolution als logische und geschichtlich« Folg« hoben mögen. Und dann bat ein junger Mann in einer Ecke noch einmak „Die Wonderratten." Und Drobauer trug ein zweites Mal dos Heinesche Gedicht vor: Es gibt zwei Sorten Ratten, die hungrigen und die satten, die satten bleiben vergnügt zu Haus... Applaus, der Dank des Vorsitzenden. Man sah in diesem ärmlichen Zimmer verklärte Gesichter, leuchtende Augen. Dro- bauer, der übrigens jetzt wirklich gut vortrug und alle von der Meisterin gerügten Sprachunarten abgelegt hatte,, durfte sich sogen, daß er unter diesen vierzig bis sechzig Leuten einige für«ine Stunde lang wirklich glücklich gemacht hatte. Der junge Mann, der früher noch einmal die„Wanderratten" zu hören gewünscht hotte, kam jetzt zum Dvrtrogstisch, ein bild- hübscher Junge von etwa zwanzig Iahren. „Wo sind denn die„Wanderratten" zu finden?" „In der Nachlese zu den lyrischen Gedichten Heines." „Aha," sagt« der Jung«,„denn in meinem Heine Hab' ich das nicht gelesen. Ich müßt' mich doch sonst an dieses Gedicht«rinnern." Hilde stand beim Podium, bereit, mit Drobau«r heimzugehen. „Keimen Sie denn Ihren Hein« so genau?" fragte sie. „Ja, die politischen Gedichte muß man wohl kennen. Di« ge- hören..." „Zum Beruf?" „Ach nein, ich mach' nur die Blumen, Ich bin nämlich Gärtner . Die Aufschristen dazu, die Derserl, den. Text für die beigelegten Karten wie di« Kranzschleifen, die sollen andere machen. Aber..." Hilde stand mit dem Jungen allein, Drobauer sprach zu einem Kreis von L.'uten, die ihn umringten und denen er allerlei An- gaben über die Bücher machte, denen er die vorgetragenen Gedichte entnommen hatte. „Nein, verlegen bin ich nicht mehr." „Aber..." „Na ja, was ich früher sagen wollte, war diee� Vers« lieb' ich schon. Ich mach sogar selbst manchmal Verse. Wenn man mit Blumen zu tun hat... oft steht man da und hat sonst an nichts zu denken...Gda kommen einem Verse und Reime durch den Sinn. So Hab' ich davon ein ganzes Büchel vollgeschrieben." „Das mächt' ich gern lesen." „Wirklich? Wollen S' da»? Lieb war'« schon von Ihnen. Roch niemand hat das Büchel gelesen... Sie werden die erste sein. Ja, Sie sollen'« lesen und wenn's nicht unbescheiden ist, es prüfen" „Gern. Haben Sie das Büchel da?" „Aber woher denn, so wichtig Ist's mir nicht. Was ich da bei mir Hab', ist ein botanische« Büchel. Man muß ja nachlernen." „So schicken S' es mir, ja?" „Wenn Sie mir Ihre Adiesi« geben, bring ich's selber— wenn Sie'? erlauben." Hilde schrieb ihm ihre Adresse auf. „Wie heiße» denn Sie?" „Alfons Wagner ." „Und ich heiß' Hilde Fernleitner." Sie reichten sich die Hände. „Auf Wiedersehen." „Ja. wenn Sie'v erlauben." So lernten sich die Hilde Fernleitner und der Alfons Wagntr in einem Kagraner Bortrogssaal kennen.
Zünfte Symphonie von Beethoven . Am nächsten Sonntag sprach schon der jung« Wagner in der F.'rnleitnerschen Wohnung vor. „Hildekind, ein junger Arbeiter will dich sprechen," so kündigt« Fräulein Rose den Besuch an, den sie im schmalen Borzimmer stehen ließ. Hilde bot ihn dann, in das Speisezimmer einzutreten. „Entschuldigen schon, Fräulein Fernleitner," sagte der junge Mann, der vorerst ganz eingeschüchtert war.„Hob' ich Sic gestört?"
„Uje, wenn Sie warten wollten, bis man mich nicht in meiner Arbeit unterbricht... Mein« Bekonnten werfen mir ohnehin immer vor, daß ich so beschäftigt bin." „Da» ist ober eigentlich sehr schön, wenn man Immer was zu tun hat," sagt« Wagner und nahm den Platz ein, den ihm Hilde anbot. Er zog dann sein-Dersbuchel heraus, ein einfaches, blaues Schulheft, da» bis zum letzten Blatt vollgeschrieben war. Hilde blättert« darin.
„Rein, jetzt lesen Sie's nicht, bitte." „Gewiß nicht, ich schau' mir's nur an." Pause. „Wer sind Sie denn? Wo» haben S' bis jetzt gemacht?" Wagner zuckte die Achseln. „Einfaches Proletarierschicksal. Den Dater hob' ich nicht gekannt..." „Warum denn?" fragt« Hilde und beugte stch lebhaft vor. „Er ist gestorben, wie ich zwei Jahre alt war. An einem Arbeitsunfall. Ich bin dann mit der Mutter alleingeblieben." „Sie leben mit ihr?" „Rein, sie ist auch schon tot, ich leb' ganz allein." „Wo denn?" „Ro. bei Gärtnersleuten." ,„5hr Beruf freut Sie?"> „Freilich, sonst hätt' ich mich ja nicht zu ihm gedrängt. Ur. sprünglich war ich in einer Fabrik." Hilde nahm diese Mitteilung hin, ohne sich darüber Gedanken zu machen. Ein Berufswechsel, das kommt ja bei so vielen jungen Leuten vor. Na gut, der Junge war erst in einer Fabrik unk» war dann Gärtner geworden. Das Gespräch ging stockend weiter, Hilde stellte Fragen, und nahm sie bald aus diesem, bald au» jenem Gebiet, von dem sie glauben durfte, daß es ihren Besucher interessiere. Wagner ant- wartete und blieb bei dem Thema, das Hilde gewählt hatte. Seine Stimme klang jugendhell, sein« jungenhaften Augen blitzten, man sah es ihm an, daß er sich trotz der Ausfragerei hier durchaus wohl fühlte. Als dann in der Unterhaltung eine längere Pause eintrat, di« länger als die vorige war, stand er auf, um stch zu empfehlen. „Wie soll ich Ihn«n mitteilen, wie mir Ihr Dersbüchel gefallen hat?", fragte Hilde.„Wisien S', was. Sie kommen am nächsten Sonntag zur Jause wieder, da lad' ich auch den Drobauer ein, der damals rezitiert hat." „Sehr gern/ sagte Wagner, und nahm Abschied. Am Nachmittag las Hilde die Verse. Sie waren alle ungelenk und holprig, aber sie sprachen mit Natürlichkeit vieles aus, was dem jungen Wagner durch den Kopf gegangen war. Sie b.'- handelten die Seele der Blumen mit Worten, die wirklich einen Hauch des Erdreiches in sich trugen, aus dem sie wie die Blumen selbst gewachsen zu sein schienen. Gedichte der Armut und des Mitempfindens mit den Armen, Gedichte ungestümen Freiheit». dranges, es gab unter ihnen ursprüngliche und solche, die merkbar von dem beeinflußt waren, was der jugendliche Arbeiter eben g«. lesen hatte.'(Fortsetzung folgt.)
WAS DER TAG BRINGT.
Die Bande ist organisiert. Zweie fahren über Land. Der Wagenlenter macht sich. während dos Gespann schwerfällig dahinzog,«in besonderes Ler- gnügen daraus, mit der Peitsche allerlei Objekte zu treffen, die er erreichen kann. Zuerst haut er einer Eidechse den Schwanz ab. Dann schlug er auf einen Maulwurf ein, der eben am Wegrand «inen Hügel auswarf. Run entdeckten di» Beiden auf dem über- hängenden Ast eines Baume« einen summenden Bienenschwarm. „.Hau zu!" rief ihm sein Genosie zu. Der Wagenlenter aber hält die Peitsche an sich und meint:„Lieber nicht.— Die Band« ist organisiert!" Wer sich niemals organisiert. Der Arzt einer Idiotenavstalt führte einst einige Studenten durch die Anstalt. Als man über den Hof kam, stand dort«ine Menge Geisteskranker, aber nur ein Wächter war bei ihnen. „Passiert e» niemals," fragte einer der Studenten,„daß stch die Kranken zusammenrotten und einen Ueberfall auf die Wache organisieren?"—„Das trifft Nicht ein," antwortete der Arzt. „Idioten organisieren sich niemals!" Das Kriminalmuseum von Turin . Das von Cesare Lombroso , dem berühmten iiallenischen Krimlnalforscher und Graphologen ins Leben gerufen« Kriminal- museum in Tutin ist in einem neuen, größeren Gebäude unter- gebracht worden, da sich die kriminologischen Sammlungen im Laufe der Jahr« bedeutend oermehrt haben. Neben schriftlichen Aufzeichnungen von Verbrechern aller Art sind auch von geistes- kranken Verbrechern geschaffene Kunstwerke dort ausgestellt,«benso Waffen, die st« bei ihren verbrechen benutzten, darunter sogar Dolch« mit Griffen in Kreuzform oder kleinen Nachbildungen der Madonna! Einige Verbrecher haben gar mit den ihnen zur Der- fügung stehend»» primitiven Mitteln wie Ton. Brot oder Seife ihre Verbrechen figürlich dargestellt. Nicht minder lehrreich ist die Abteilung, in der die von Frauen herrührenden Mordwaffen, Liebesbriefe und anderen Aufzeichnungen aufbewahrt sind. Die Kupfergrube von Falun . Dank der neuen amerikanischen Methode, Zink und Blei auch aus geringwertigen Erzen zu gewinn«», ist di« alt« Kupfergrubc von Falun in Dal«karlien(Schweden ) wieder zu Ehren ge- kommen. Dies« Kupfergrub« befindet sich im Besitze von„Stora Kopparderae Akticnbolaget", di« als die älteste industrielle Korporation der Well angesehen werden kann, da sie bereit.» vor 7lX> Jahren gegründet wurde. Di« reichen Kupserlager st, Falun begründen Ihren Reichtum. Nachdem da« Kupfererz«rschöpft ist, liefert die Grub« noch in retchen Mengen Schwefelerz Schweseksäur«. Kupsersutphat und den roten Forbstoss. mit denen die Häuser in Schweden angestrichen werden. Endlich werden noch Zink und Blei führend« Erze in Falun gefördert, di« nach d«k neuen ameritontschen Methode zu Konzen- traten umgewandelt werde», die 50 bi« 70 Proz. Zink und Blei enthalten.
Di« modern« Technik mit ihren neuen Maschinen»nd ihren hydraulischen Bohrern haben di« Fabeln und den romantischen Nebel, d« auf der asten schwedischen Kupfergrude lagerte, zerstreut. Bor 200 Jahren hat sich dort«ine»Krkwürdige Geschichte zugetragen. 1670 verschwand der Grubenarbeiter Malis Israelsson in einem der tiefen Schächte. Erst 50 Jahr« später sand man die versteinerte Leiche eine» jungen Mannes, der in dem jchwefclhaUiqen Waster, in dem er lag, gut erholten war. D!« alle Frau, die einst Matte Braut gewesen und volle 50 Jahr« um ihn getrauert hatte, erkannte in dem Leichnam sosort ihren Bräutigam. Lange Jahr« befand sich der ver- steinerte Leichnam in Falun und wurde Fremden als ein« Sehens- Würdigkeit gezeigt, bis di« Kirche von Kopparsb«rg d«m ein Ends machte, und den Leichnam der Ruhe des Grabes übergab. Die Maus im Kraftwerk. Einen eigenartigen Grund hatte dos Versagen des elektrischen Kraftwerkes in Johannesburg (Südafrika ), durch das eine- Mittags der gesamt« Straßenbahnverkehr zum Stillstand gebracht und all« mit elektrischem Strom arbeitend»» Maschinen außer Be. trieb gesetzt wurden. Ohne irgendein vorhergehendes warnendes Anzeichen schoß plötzlich eine große Stichslomm« aus der Schalttafel des Elektrizitätswerkes. Vier in der Nähe arbeitende Monteure wurden von der Flamme erfaßt und erheblich verbrannt! auch die Schalttafel selbst war. wie sich später herausstellte, vollkommen zerstört. Die Untersuchung des zuerst unerklärlich scheinenden Vor- falle ergab, daß eine— Maus, hinter der Schalttafel herumlaufend, zwei Nicht zusammengehörende Drähte berührt und dadurch den Kurzschluß herbeigeführt hatte. Es bedurfte zweieinhalbstündige? Bemühungen, bis der Schaden wieder ausgebessert war. Der größte Kornelevator' der Welt. In Port Arthur In Ontarlo(Bereinigte Staaten) wird der größte Kornelevator der W«ll errichtet. Er saßt insgesamt 6000 000 Bushels(1 Bufhel entspricht etwa 36 Liter). Sein Arbeitsfeld erstreckt sich auf 223 Wagen, die gleichzeitig zum Abladen aufgestellt werden können. Fünf automatische Entlader werden gleichzeitig in Betrieb gesetzt, jeder von ihnen entlädt einen Wagen Kprn in Zehn Minuten! Täglich können 500 Wagen entleert und Schiffe mit 150 000 Bushels stündlich beschickt werden. Der Elevator gehört dem„Saskatchevan Pool", dessen Anlagen insgesamt SOMil- lionen Bushels Getreide fassen können. Der Alberto Pool errichtet, um mit dem Eanadian Pool konkurrieren zu können, in Van- couver ebenfalls einen riesigen Elevator, der ein« Lagerfähigkeit von 4 050 000 Bushels hat und gleichzeitig drei Schiffe mit einer Stundenleistung von insgesamt 60 000 Bushels beschicken kann. Der Richter versucht die streitenden Parteien zu einem Vergleich« zu bewegen. Vergebens. Er jetzt all« seine Ueberredungskünstc ein— vergebens. Keiner will nachgeben. Da ruft er schließlich ärgerlich:„Also, wenn die Bernunft nicht siegt, so mag denn da» Gericht entscheid«»!"